Samstag, 31. Dezember 2016

2016 - 2017

2016 – 2017

vergangen

vorbei

verloren?

vertan?

vorüber

vergissmeinnicht

vergeben

ver-rückt

vielleicht

voraus

Vater im Himmel

vogelwild

vorwärts!





Donnerstag, 15. Dezember 2016

Nikolaus und der Fahrkartenautomat

Nikolaustag, 6. Dezember. Ich habe einen Termin in Augsburg. Sr. Ewa muss am selben Tag nach Rom reisen. So starten wir gemeinsam am Morgen mit dem Auto Richtung Bahnhof in Mindelheim. Ich lasse sie vor dem Bahnhofsgebäude aussteigen, um mich auf Parkplatzsuche zu machen. Mühsam. Beim Bahnhof selbst gibt es keinen, ich weiche in eine Seitenstraße aus. Und laufe schnell zum Fahrkartenautomaten.
Dort werde ich zwar mein Geld los, bekomme auch Wechselgeld, aber keine Fahrkarte. Ein junger Mann hinter mir empfiehlt: „schreiben Sie sich die Automatennummer auf und rufen Sie bei der Störungsstelle an, dann bekommen Sie das Geld überwiesen. Ich gehe zum anderen Automaten!“
Ich folge der Empfehlung des jungen Mannes und mache mich ohne Fahrkarte auf den Weg zum Bahnsteig, um Sr. Ewa noch zu treffen. Bis Buchloe können wir gemeinsam fahren.

Während wir da stehen, kommt der junge Mann von vorher und wedelt mit einer Fahrkarte. „Nach ihnen war eine Frau am Automaten und der spuckte zwei Fahrkarten aus. Ist das Ihre?“ Tatsächlich war das die Fahrkarte, für die ich bezahlt hatte: Mindelheim – Augsburg und zurück. Ich bedanke mich bei dem jungen Mann. Und werde von Sr. Ewa darauf hingewiesen, dass da vielleicht auch der heilige Nikolaus als Fürsprecher seine Hand im Spiel hatte. Denn dass da ausgerechnet der junge Mann wieder vorbei kam, als eine Frau nach mir am Automaten ihre Karte anforderte, das war ja schon toll. Die Frau selbst fragte auf dem Bahnsteig angekommen auch noch, ob ich meine Fahrkarte bekommen hätte, was ich freudig bestätigte.

Wobei meine Freude etwas getrübt ist: ich habe zwar jetzt meine Fahrkarte. Was aber, wenn nach mir wieder jemand dieselbe Erfahrung am Automaten macht, wie ich vorher? Und die Fahrkarte hängen bleibt?
Ich sollte mich doch bei der Störungsstelle der Bahn melden. Aber jetzt sitze ich da im Zug einem Herrn gegenüber. Und – ja, ich bin in dieser Beziehung altmodisch! - habe Hemmungen, einfach das Handy heraus zu nehmen und zu telefonieren zu beginnen. Aber ich sollte die Sache doch melden, möglichst schnell. Ich fasse mir ein Herz, nehme das Handy heraus und bewege mich in den Türbereich, um zu telefonieren. Mist! Ich habe doch seit kurzem eine neue SIM-Card und damit hat sich die PIN geändert. Und natürlich weiß ich die neue PIN nicht auswendig. Was mich über mich selbst zum Schmunzeln bringt: jetzt habe ich das Handy eingepackt und es nutzt mir überhaupt nichts...

Kurz darauf kommt der Zugbegleiter, um die Fahrkarten zu kontrollieren. Diesen spreche ich an, erzähle ihm das Erlebte und bitte ihn, den defekten Automaten bei der Störungsstelle zu melden. Was er umgehend tut – er zeigt mir die ausgefüllte Eingabemaske auf seinem Smartphone und ich bedanke mich. Jetzt bin ich beruhigt!

„Refugees welcome“ ist der Titel des Buches, das ich unterwegs gelesen hatte. Auf deutsch! Nur der Titel ist englisch. Weil das Buch einen Moment neben mir lag, sprach mich mein Gegenüber im Zug an, ob wir zu selben Veranstaltung in Augsburg unterwegs seien. Waren wir nicht. Er war als Leiter eines Asylhelferkreises zu einem Workshop der Diakonie für Flüchtlingshelfer unterwegs. Aber wir kamen schnell miteinander ins Gespräch und ich hörte mit großem Interesse und auch Freude vom Engagement in der Allgäuer Stadt, aus der mein Gegenüber stammte.

Nikolaus ist aktiv und hilft...


Donnerstag, 1. Dezember 2016

Kalender

Nachdem gerade ein neues Kirchenjahr begonnen hat, kann ich mich ja heute bereits mit Kalenderfragen beschäftigen und muss nicht bis Silvester warten.
Bisher führe ich meinen Terminkalender „altmodisch“ auf Papier und mit einem Bleistift. Schon öfter habe ich mit bekommen, wie beim elektronischen Kalender jemandem etwas „abgestürzt“ ist und dann verloren war. Oder wie die Synchronisation zwischen Smartphone und Computer nicht funktioniert und damit Verwirrung ausgelöst hat. Also momentan bleibe ich bei der Papier-Variante.

Einige Jahre lang hatte ich da etwas ziemlich Luxuriöses. Das System finde ich nach wie vor gut, aber ich habe mich jedes mal geärgert, wenn ich über € 60.- für die Einlageblätter für ein Jahr zahlen sollte. Schon früher hatte ich es dann einmal anders versucht und bin dann doch zum teuren System zurück gekehrt. Aber seit letztem Jahr will ich nicht mehr.

Die geschenkten Werbekalender von irgendwelchen Firmen gibt es leider immer erst in den letzten Jahreswochen, aber da haben sich schon allerhand Termine für das neue Jahr angesammelt. Also muss ich doch früher irgend etwas kaufen.

2015 tat ich das im September am letzten Urlaubstag in der Bahnhofsbuchhandlung in Hamburg. Die Stadt hatte mir so gefallen, dass ich mir eine Erinnerung mit nehmen wollte. So erstand ich dort einen erschwinglichen 2016er Kalender. Wie sich beim genaueren Blättern dann heraus stellte: von einem bayrischen Verlag. Mit diesem Büchlein kam ich gut zurecht.

Dieses Jahr merkte ich dann auch irgendwann, dass die wenigen für 2017 vorgesehenen Seiten im 2016er nicht mehr reichten und ich machte mich auf die Suche nach einem neuen Kalender. Und fand in Mindelheim zunächst keinen, der meinen Vorstellungen entsprach. In einer Memminger Buchhandlung – ich war dort, weil ich jemand am Bahnhof abholen musste – klappte es dann. Und ich erstand den Kalender für 2017. Schmunzeln musste ich, als ich auf dem Kassenzettel las, dass es sich bei diesem um einen „Lady-Timer“ handelt. Weniger lustig ist, dass dieser – jetzt von einer Firma aus Schleswig-Holstein stammende Kalender – im Jahreskalendarium keine Angaben zu Feiertagen enthält. Im Wochenkalendarium dann schon. Aber ich bräuchte sie der Übersicht halber vorne. Und habe inzwischen schon mit Leuchtmarker begonnen...

Wie schrecklich: ein Jahr ohne Feiertage! Gerade noch die Wochenenden sind farblich hervor gehoben. Mir wird bewusst, wie dankbar ich für die besonderen Tage im Jahr bin. Nicht weil sie arbeitsfrei wären, das sind sie für mich ja im Normalfall ohnehin nicht. Aber schon allein aufgrund der Strukturierung des Jahres. Ganz abgesehen von den Inhalten.

Unter den Dankandachten im früheren Gotteslob fand sich ein Abschnitt zum Jahresschluss (788/4), welcher einen Text von P. Eberschweiler enthält: „Wie tröstlich ist es doch, bester Vater, daß du meinen Kalender für das kommende Jahr schon längst und auf das genaueste gemacht hast. So überlasse ich mich ganz deiner gütigen Vorsehung und kenne nur eine Sorge, deinen väterlichen Willen zu erkennen und zu erfüllen“. Jahrelang habe ich diesen Text mit Überzeugung gebetet, ja mich sogar darauf gefreut, dass dieser zum Jahresschluss vorkommen wird. Bis sich dann ein Mitbruder darüber aufgeregt und diesen Text in Frage gestellt hat: „als ob Gott dafür zuständig wäre, meinen Kalender zu machen. Das muss ich doch schon selbst!“ So ganz falsch liegt der Mitbruder damit natürlich nicht. Für mich ein Beispiel, wie verschieden Texte, Worte ankommen, aufgefasst werden können. Vorsicht also.

Und ich hoffe, dass mein „Lady-Timer“ bis Dezember 2017 das rechte Maß an Terminen und freiem Platz enthält...

Dienstag, 15. November 2016

Ronja

Ziemlich erkältet machte ich mich am vergangenen Sonntag auf den Heimweg von den Exerzitien am Rand des Westerwaldes zurück nach Maria Baumgärtle. Zunächst ging es mit dem Taxi – eine Mit-Exerzitantin lud mich ein! - zum Bahnhof nach Linz am Rhein. Und dann mit dem Zug bis Koblenz, wo ich eine Stunde Aufenthalt hatte. Die ich nutzte, um zu einer Kirche in Bahnhofsnähe zu gehen, deren Turm ich vom Zug aus gesehen hatte. St. Josef, wie sich heraus stellte. Die waren dort allerdings gerade beim sonntäglichen Hochamt, so dass ich nicht stören wollte.

Um 12.17 Uhr bestieg ich den Intercity „Allgäu“ mit Ziel Oberstdorf. Und genoss – wie schon bei der Hinfahrt – die Bahnstrecke am Rhein entlang. Bei der Rückfahrt inclusive Umleitung auf die andere Rheinseite wegen Brückenbauarbeiten. Einfach wunderschön! Der Rhein und die Landschaft!
Und es ging durch Mainz, wo ich ein Jahr studiert hatte – Erinnerungen wurden wach...

Der Zug war gut voll, so dass ich dankbar über einen Sitzplatz im Fahrradabteil war, wo auch einige junge Leute mit zwei kleinen Kindern waren: Philipp und Ronja. Und letztere war bezaubernd. Wie sie da auf dem Teppich des Abteils dahin krabbelte, immer wieder eines ihrer Söckchen beinahe zu verlieren drohte, neugierig die Welt erkundete. Und nicht zuletzt jedem Vorbeigehenden ein entwaffnendes Lächeln schenkte. Was praktisch alle auch erwiderten: die Leute vom Zugpersonal, die vorsichtig an der Kleinen auf dem Boden vorbei gingen, Jugendliche, junge Männer, denen ich so etwas gar nicht unbedingt zugetraut hätte, alle...

Zwischendurch beschäftigte sich Ronja mit den Rädern ihres Kinderwagens. Ich hatte den Eindruck, sie hätte zu gern das Rad weg montiert, um es noch näher zu untersuchen. Auch was im Korb des Kinderwagens unten so alles gelagert war, fand die Kleine interessant, zog das eine um das andere von dort heraus. Dann ging es an die Gummistiefel des großen Bruders. Hier schien vor allem der Gummizug oben interessant, nicht nur um ihn einmal in den Mund zu nehmen. Sondern um den Gummi schließlich mit Erfolg heraus zu ziehen. Was die Eltern und die begleitenden jungen Leute über Lösungsstrategien für das Wieder-Einfädeln brachte. „Ich meine, mit einem Strohhalm könnte das gehen“. „Und auf Youtube gibt es so Filmchen, wo Alltagsprobleme und ihre Lösung behandelt werden – da würde ich einmal nach sehen“. Ich wollte mich nicht mit einem „Sicherheitsnadel-Tipp“ einmischen...

Als die Welterkundung die kleine Ronja zu weit weg krabbeln ließ, da lief jemand von den Erwachsenen und hob sie hoch und zurück. Was Ronja mutig zappelnd – wobei sich die Söckchen wieder bedenklich vom Fuß lösten – quittierte, ohne jedoch völlig missmutig zu werden. In ihre Ausgangsposition gebracht, bewegte sie sich halt von neuem in die Richtung, die sie interessant fand.

Irgendwann befand die Mutter, dass eine neue Windel angebracht sei. Und ich älter gewordener Mann staunte, mit welcher Beweglichkeit sie eine Decke auf dem Boden des Abteils ausbreitete, sich auf ihre Fersen setzte, und der Kleinen eine neue Windel anlegte. Nur dass Ronja danach in den Kinderwagen gelegt wurde, um zu schlafen, sah diese zunächst nicht so ganz ein. Wo doch so ein Zugabteil so spannend ist...

Montag, 31. Oktober 2016

P. Fritz Tschol C.PP.S.

In seinem 88. Lebensjahr verstarb am 16. Oktober P. Fritz Tschol, gebürtig aus St. Anton in Tirol und seit 1957 Missionar in Brasilien.

Schon als Student lernte ich ihn kennen, als er auf Heimaturlaub war. Und bereits damals hat er mich beeindruckt. Vielleicht begann das schon mit seiner Sprache, die für mich einmalig war. Denn er sprach deutsch, oder hin und wieder tirolerisch, mit brasilianischer „Melodie“ - und das war einfach schön anzuhören.

Und dann erzählte er, wie er schon als junger Mensch einerseits gerne in die Berge ging und andererseits gerne fotografierte. Was ihn zu einer für ihn günstigen Möglichkeit brachte, seinen Urlaub zu verbringen. Er baute sich eine Holzkiste für den Fahrradgepäckträger, in welche er einen Diaprojektor und die Magazine mit den von ihm gemachten Dias lud. Und damit fuhr er über Land und zeigte interessierten Leuten seine Bergbilder – und finanzierte sich auf diese Weise den Urlaub.

Er war nicht mehr so jung, als er einmal im Winter zum Heimaturlaub kam. Und in seiner Heimat stellten sie ihm eine Schiausrüstung samt Liftkarte zur Verfügung. „Und es ging noch!“ Er hatte Spaß daran, der inzwischen in Brasilien heimisch gewordene Tiroler, jetzt in der alten Heimat wieder einmal Schi zu fahren.

In Brasilien engagierte er sich sehr in dem, was wir Sozialbereich nennen würden. Viele Menschen baten ihn um Unterstützung und bekamen sie auch. Zu seinem Zimmer im Missionshaus im ersten Stock führte eine Außentreppe, so dass die Bittsteller direkt bei ihm anklopfen konnten. Und dann konnte es auch passieren, dass er sich von der Richtigkeit der Bitte und der Sinnhaftigkeit des Antrags überzeugen wollte und mit den Bittenden ging, wobei die anderen auf der Treppe halt warten mussten. Wobei er auch Mitarbeiter hatte, die er mit solchen „Kontroll-Diensten“ beauftragen konnte. Wie vielen Leuten hat Fritz geholfen! Eine unübersehbare Menge!

Er tat das unter anderem auch mit Unterstützung aus Europa. Und hier war er ein sehr korrekt und verlässlich Dankender. Sehr schnell antwortete er auf Post und später Mails und bedankte sich für eingegangene Spenden.

Ich erinnere mich an einen Besuch zu der Zeit, als ich Pfarrer in Salzburg-Parsch war. In der Pfarre fanden gerade die Aufbauarbeiten für den Flohmarkt statt. Die Menschen brachten die Dinge, die sie für den Verkauf zur Verfügung stellen wollten. Oder war es nach dem Flohmarkt, als wir das übrig Gebliebene in Container warfen? Ich bin mir nicht mehr ganz sicher. Auf jeden Fall konnte es Fritz überhaupt nicht fassen, was die Leute alles weg gaben bzw. weg warfen. „Bei uns würden sich sofort Menschen darauf stürzen und diese Sachen holen und etwas mit ihnen machen“, so sagte er.

Der vielseitig begabte Mann hat praktisch zwei Stadtteile von Altamira gebaut. Indem er Land, welches unserer Gemeinschaft gehörte, parzellierte und armen Familien als Baugrund zur Verfügung stellte. Wobei er sich selbst auch als Architekt betätigte, genauso wie er die ein oder andere Kapelle oder Kirche entwarf und baute.
Für die Bauprojekte kam durch ihn auch eine Ziegelmanufaktur zustande. Er entdeckte günstige Erde, die zu Ziegeln geformt wurde, welche getrocknet und dann als Baumaterial verwendet werden konnten.

Zum Abschluss zitiere ich unseren Provinzial P. Andreas, der gerade auf Besuch in Brasilien war, als Fritz starb, und so an der Beerdigung teilnehmen konnte:
Wenn diese Mail euch erreicht stehen wir knapp vor der Beerdigung von P. Fritz. Schon gestern Abend als wir von Belem am Abend ankamen, feierten wir gemeinsam mit Dom Erwin (Kräutler, früherer Bischof von Altamira, A.S.) und Dom Joao (jetziger Bischof von Altamira, A.S.), Mitbrüdern und Diözesanpriestern und viel Volk die hl. Messe in der Kirche Perpetuo Soccorro. Es ist berührend, wie die Leute am offenen Sarg vorbeiziehen, P. Fritz berühren, weinen oder einfach still verweilen. Der Präfekt der Stadt hat drei Tage arbeitsfrei gegeben, damit die Leute sich von ihm verabschieden können. Heute morgen wurde der Sarg in die Kathedrale überführt, und hier war wieder eine hl. Messe mit Dom Joao, die Predigt hielt bei beiden Gottesdiensten Dom Erwin. In etwa drei Stunden beginnen dann die Beerdigungsfeierlichkeiten in der Kirche Perpetuo Soccorro. 


Freitag, 30. September 2016

Die Wahrheit, der Elefant und das Schaf

Einen neuen Blog habe ich entdeckt: „Verbietet das Bauen“. Und da gibt es jetzt „ein Gespräch aus dem Mehr-Generationen-Haus `Kaspershof´“, einem Wohnprojekt in Oldenburg, über das Zusammenleben von zwölf Parteien mit zwanzig Personen, den manchmal schwierigen Weg dorthin und die Freude am Miteinander. zu hören unter dem Titel: `Wahrheit beginnt zu zweit´“.

Als ich das noch einmal nachschlagen wollte, stieß ich auf ein Buch: „Die Wahrheit beginnt zu zweit“. Untertitel: „Das Paar im Gespräch“.

Ich habe weder das ganze Gespräch im Blog gehört, noch das Buch gelesen, aber beim Titel bin ich eben doch hängen geblieben. Wie ist das denn mit Wahrheit und Toleranz, mit Wahrheit und Dialog?
Vor kurzem sprach ich mit einer sehr in der Flüchtlingsarbeit engagierten Frau, die mir sagte: „ich lese den Koran nicht. Fällt mir gar nicht ein. Und ich sage das auch den Muslimen, mit denen ich zu tun habe und sie akzeptieren das“. Interessant!

Mich hat das an eine in vielen Versionen erzählte Geschichte von den Blinden und dem Elefanten erinnert. Eine Version (http://www.klett.de/web/uploads/pondus_pdf/4063_Leseprobe.pdf, aufgerufen am 19.9.16) geht so:

Vor einem Tor saßen drei Blinde, die stritten, wie ein Elefant aussehe. Jeder behauptete etwas anderes, obwohl keiner jemals einen gesehen hatte und jeder nur erzählte, was er von anderen gehört hatte. So beschlossen sie, um in dieser Sache weiter zu kommen, dass ein jeder, wenn ein Elefant vorbeikomme, ihn betaste und so aus eigener Erfahrung Kenntnis über Elefanten bekommen solle. Als ein Elefant vorbei kam, baten sie den Führer, den Elefanten für sie festzuhalten, damit sie ihn betasten könnten, um nicht mehr auf widersprüchliche Aussagen anderer angewiesen sein zu müssen. Der Besitzer hielt den Elefanten an und die drei Blinden befühlten ihn. Der erste bekam den Rüssel, der zweite das Bein und der dritte den Schwanz des Elefanten zu fassen.
Der Elefantenführer fragte die drei: „Kennt ihr nun einen Elefanten?“ Jeder bejahte. Dann fragte er:
Nun, wie fühlt er sich an?“ Der Erste sagte: „Er ist wie eine feuchte Hand, die sich immerzu
schließen will und sich doch gleich wieder öffnet.“ Der Zweite sagte: „Das ist nicht richtig, der Elefant ist wie ein Baum mit einer rissigen Rinde.“ Der Dritte sagte: „Das ist nicht wahr, der Elefant ist wie ein Seil, das am Ende ausgefranst ist, mit vielen Haaren.“ Der Elefantenführer zog schließlich in die Stadt weiter. Die drei Blinden aber begannen erneut heftig zu streiten, wie
denn nun ein Elefant aussehe. Jeder von ihnen beharrte auf seiner Meinung. Aber einig wurden sie nicht...

Und ich erinnere mich an einen Weihbischof, der heftig dagegen protestierte, als jemand diese Geschichte nutzen wollte, um deutlich zu machen, dass es eben verschiedene Wahrheiten gäbe, je nach Betrachtungsweise. Jeder der Blinden hat eine andere Vorstellung vom Elefanten! Was aber, so der Bischof damals, nichts an der wahren Gestalt eines Elefanten ändert!

Mich hat das an eine Geschichte erinnert, die von einem früheren Präsidenten der USA, Abraham Lincoln, erzählt wird. Er stellte einer Delegation die folgende Frage: „Wie viele Beine hätte ein Schaf, wenn Sie den Schwanz Bein nennen würden?“ Die Antwort kam prompt: „Fünf“. Lincoln korrigierte: „Sie befinden sich im Irrtum. Das Schaf hätte immer nur vier Beine. Denn der Schwanz wird nicht zum Bein, nur weil jemand ihn so nennt“. Ach, was waren das noch Zeiten, als es in den USA noch solche Präsidenten gab!

Zu guter Letzt sei an Josef Ratzinger/Papst Benedikt XVI. erinnert, der nicht müde wurde und wird, für die Wahrheit einzutreten. Und dabei deutlich macht, dass nicht wir „die Wahrheit haben“, sondern wenn schon, „die Wahrheit uns hat“. Und diese, so füge ich hinzu, gilt es miteinander zu entdecken...



Donnerstag, 15. September 2016

Der "Unter-Wallfahrtsort"

Im Wallfahrtsort Maria Baumgärtle gibt es einen neuen Wallfahrtsort, sozusagen einen „Unter-Wallfahrtsort“. Aber einen nicht wenig besuchten!

Es fing damit an, dass die örtliche Zeitungsausträgerin diesen ihren Dienst aufgab und sich offensichtlich niemand fand, um diese Aufgabe zu übernehmen.
Also musste die „Mindelheimer Zeitung“ nach einer Lösung suchen, damit ihre Abonnenten weiterhin ihren Qualitätsjournalismus genießen können.
Diese Lösung besteht nun in einer recht unansehnlichen Holzkiste, die zentral in Maria Baumgärtle steht, und in die zu nächtlicher Stunde ein Packen Zeitungen gelegt wird. Die Abonnenten können sich dann – im Normalfall wohl zu nicht mehr ganz so nächtlicher Stunde - ihr Exemplar aus der Kiste holen. Was übrigens gar kein ungefährliches Unterfangen ist, wie ich aus eigener Erfahrung bezeugen kann.
Denn für uns übt im Normalfall Br. Anton, der Mesner, den Zeitungs-Beschaffungs-Dienst aus, da er das gut mit dem morgendlichen Aufsperren der Wallfahrtskirche verbinden kann. Als Br. Anton durch eine Operation und die anschließende Rekonvaleszenz eine ganze Zeit lang außer Gefecht war, brauchten wir einen Vertreter. Und Br. Michael öffnete zwar die Kirche, meinte aber stur, dass gefälligst jemand von den Zeitungslesern sich um die Zeitung kümmern solle – er selbst schaut kaum einmal hinein. Also übernahm ich den Dienst. Und an einem Regentag, den aufgespannten Schirm in der einen Hand, versuchte ich mit der anderen den Deckel der Holzkiste zu öffnen und eine Zeitung heraus zu ziehen. Leider ist an der Unterseite des Deckels ein Metallstück angebracht, das mir die Haut der Hand aufriss, so dass ich blutend die Zeitung zum Haus trug, darauf achtend, die Zeitung nicht blutverschmiert den anderen Zeitungslesern im Hause zu präsentieren.

Diese Zeitungsholzkiste erlebe ich tatsächlich als eine Art „säkularen Wallfahrtsort“ am Wallfahrtsort. Denn von meinem Zimmerfenster aus habe die Kiste im Blick. Und sehe immer wieder morgens Menschen dorthin gehen oder mit dem Fahrrad oder Auto fahren, um sich ihr Zeitungsexemplar abzuholen. Nicht wenige dieser Menschen schauen sich dann gleich die Schlagzeilen auf der ersten Seite an oder blättern an Ort und Stelle, neben der Holzkiste, schon einmal die Zeitung auf. Wenn es nicht regnet – versteht sich!

Für viele Menschen ist das allmorgendliche Zeitung-Lesen ein fast heiliges Ritual, dem in Maria Baumgärtle nun noch das Ritual des Zeitung-Holens vorgeschaltet wird. Wenig später kommen dann andere oder zum Teil dieselben Menschen zur Frühmesse in die Hauskapelle oder Wallfahrtskirche. So vergleiche ich diese Wege zur Zeitungskiste und zur Wallfahrtskirche und die verschiedenen „Informationen“, die dort jeweils zu bekommen sind, den Qualitätsjournalismus der Mindelheimer Zeitung (die zur Augsburger Allgemeinen gehört) und die liturgischen Texte.

Und in diesem Zusammenhang frage ich mich auch, was meinen Blick auf die Welt prägt. Ich lese ja leidenschaftlich gerne die Zeitung. Momentan fange ich noch vorne an, nicht hinten bei den Todesanzeigen, wie es nach meiner Kenntnis viele tun. Auch ich lese die Zeitung gerne morgens, nämlich dann, wenn ich erst abends die heilige Messe feiere, um dann gemeinsam mit den Mitbrüdern frühstücken zu können. Wobei ich dankbar bin, den Tag mit der halbstündigen Meditation begonnen zu haben. Und mich auf dieser Grundlage dem mehr oder weniger Wichtigen und Berichtenswerten aus aller Welt widmen zu können. Die Zeitungslektüre kann auf diese Weise wie zu einer Verlängerung des Morgengebets werden...

Wenn ich morgens nach der Meditation gleich zur Messe gehe, dann hoffe ich, die Zeitung mittags zu finden, was bei mehreren Zeitungsnutzern und verschiedener Disziplin im Zurücklegen des aktuellen Exemplars an Ort und Stelle nicht immer sicher ist. Ein Lob auf die Druckerschwärze!

Mittwoch, 31. August 2016

Flip-Flops und Würde...

Sie sitzt auf dem Stuhl in der Sakristei und gähnt, so dass ich die kleine Ministrantin frage, wann sie aufgestanden ist. Jetzt in den Ferien kann sie ja ausschlafen. An den bloßen Füßen hat sie Schlappen, oder sagt man Flip-Flops dazu? Ich muss schmunzeln, weil manche Mitbrüder jetzt wohl zu einer Ermahnung ansetzen würden. Ja, okay, als ich noch Ministrant war – damals, im letzten Jahrtausend – da waren beim Ministrieren sogar Turnschuhe verpönt, es musste schon etwas Edleres sein.

Am selben Ort, an dem meine Begegnung mit der kleinen Ministrantin stattfindet, hat vor einiger Zeit ein Mitbruder eine andere Ministrantin, die mit einer kurzen und dabei noch modisch zerrissenen Hose zum Dienst kam gefragt, ob sie nicht auch etwas Anständiges anzuziehen hätte. Was das Mädchen gar nicht gut fand!

„Meine“ kleine Ministantin entzückt mich im weiteren noch durch ihr gedankenverlorenes Spiel mit ihren Haaren. Und sie kann es auch nicht lassen, mit dem Zingulum(=Strick), den sie um ihren Bauch gebunden hat, zu spielen. Wahrscheinlich bin ich für Erziehung total ungeeignet.

Ich gebe es zu: ich bin hin und her gerissen. Klar ist mir der Gottesdienst wichtig. Und ich weiß, dass auch das Äußere dazu gehört. Auf der anderen Seite merke ich, dass ich mich einfach über die Anwesenheit der Kinder und Jugendlichen freue. Tue ich das nur deshalb, weil sie überhaupt und weil so wenige da sind? Ich weiß es nicht. Ich freue mich auf jeden Fall auch, weil sie mit „ihrer Welt“ kommen, die sich eben auch in ihrer Kleidung ausdrückt. Wobei ich durchaus Verständnis habe für Mitbrüder, die das anders sehen. Und den Schwerpunkt auf die Rücksicht der Würde des Gottesdienstes legen.

Tatsächlich habe ich vor einiger Zeit in einer liturgischen Zeitschrift einen Artikel gelesen, der sich damit beschäftigte, ob bei den gefalteten Händen der Ministranten der rechte oder der linke Daumen oben sein muss.

Nein! Ich möchte mich nicht lustig machen! Ich spüre beides in mir: die Tendenz, die Anwesenden zu lieben, wie sie sind und wie sie da sind. Und den Wunsch, in großer Würde zu feiern.

Mir hilft das auch im Umgang mit manchen menschlich gesehen eher schwierigen Zeitgenossen, deren Vorstellungen und Forderungen manchmal etwas verbohrt wirken. Die kürzlich vom afrikanischen Kardinal Sarah erhobene Forderung an die Priester, bei der Eucharistie doch wieder nach Osten zu schauen und damit in dieselbe Richtung wie die versammelte Gemeinde scheint kurz darauf etwas relativiert worden zu sein. Und wenn ich es recht verstanden habe, dann soll laut Vatikan die Rede von der „Reform der Reform“ in Bezug auf die Liturgie vermieden werden.

Ich spüre, dass meine Art, mich in einer Kirche zu bewegen, hin und wieder jemanden nachdenklich werden lässt. Das ein oder andere laute Gespräch verstummt und manchmal entsteht sogar ein Schweigen vor einem Gottesdienst. Was dann nicht nur ein „peinliches Schweigen“ ist.

Und ich habe auch schon junge und nicht mehr ganz so junge Mitfeiernde gebeten, den Kaugummi heraus zu nehmen. „Schlucken oder spucken!“ - am besten vor der Kirche, damit ich ihn dann nicht unter einer Kirchenbank klebend finde. Das ist für mich so ein „No Go“.

Bei anderem bin ich „nachsichtiger“, nicht um der Nachsicht willen. Sondern weil die Freude über den anderen überwiegt. Aber natürlich kann das die eine oder andere anders sehen. Deswegen meine ich, dass wir einander brauchen. Mit der Bereitschaft, voneinander zu lernen. Was damit anfängt, den anderen verstehen zu wollen. Nicht ihm meine Sicht der Dinge aufdrängen zu wollen.

Montag, 15. August 2016

Welcher Maßstab?

„Zeigen Sie uns eine Powerpoint-Präsentation oder haben Sie uns etwas zu sagen?“ Diese Frage sei ihm vor kurzem gestellt worden und er werde uns tatsächlich keine Powerpoint-Präsentation zeigen, so erklärte der Referent zu Beginn seines Vortrags. Und dieser war kurzweilig und interessant, ja fesselnd.
Auf der anderen Seite habe ich gelernt, dass „Visualisieren“ durchaus hilfreich und sinnvoll sei. Und das kann eben heute nicht nur mit Kreide auf einer Wandtafel, mit Stiften auf großen Papierbögen, sondern auch mittels Computer und Beamer geschehen.

Eine Erfahrung, die manche dabei machen: Du hast zu Hause die schönste Powerpoint-Präsentation vorbereitet. Und was dann auf der Projektionsfläche erscheint, sieht irgendwie anders aus als das, was Du auf Deinem kleinen Bildschirm gesehen hast. „Vertragen sich“ Computer und Beamer nicht? Die Darstellung ist jedenfalls anders.

Lustig war es vor kurzem, als der Pfarrer und ich die Höhe unseres Ambos in der Kirche messen wollten. Ich hatte einen Zollstock mit genommen und neben den Ambo gehalten. „128 Zentimeter“: „kann doch gar nicht sein! Wie gibt’s das?“ Der Pfarrer sagte zwar nichts, aber ich sah seinen ungläubigen Gesichtsausdruck. So dass ich automatisch noch einmal auf meinen Zollstock schaute. Ich – „perfekter Heimwerker“, der ich nun einmal bin – hatte ein Teil nicht ausgeklappt, so dass natürlich ein falsches Ergebnis entstehen musste. „111 Zentimeter“ konnte ich nach korrektem Anlegen des Zollstocks dem Pfarrer anbieten und seine Miene hellte sich deutlich auf.

Mir geht diese Szene nach. Wenn ich zu einem falschen Ergebnis komme: kann es sein, dass die Voraussetzungen nicht stimmen? Wenn ich einen anderen Menschen falsch einschätze: kann es sein, dass das an meinen blinden Flecken liegt? Zwar verlasse ich mich immer mehr auf mein Bauchgefühl, aufgrund der schmerzlichen Erfahrung, öfter einmal falsch entschieden zu haben, wenn ich das nicht tat. Aber doch möchte ich Vorsicht dabei walten lassen.

Welchen Maßstab lege ich an? Und lege ich ihn richtig an?

Was Papst Franziskus in Amoris Laetitia im Hinblick auf Ehegatten schreibt, gilt nicht nur für deren Umgang miteinander. Es ist nicht „die Naivität dessen, der die Schwierigkeiten und Schwachpunkte des anderen nicht sehen will, sondern es ist der Weitblick dessen, der diese Schwächen und Fehler in einen Zusammenhang stellt. Er erinnert sich, dass diese Mängel nur ein Teil und nicht das Ganze des Wesens des anderen sind. Ein unliebsamer Tatbestand in der Beziehung ist nicht die Gesamtheit dieser Beziehung. Man kann also schlicht und einfach hinnehmen, dass wir alle eine vielschichtige Kombination aus Licht und Schatten sind. Der andere ist nicht nur das, was mir lästig ist. Er ist viel mehr als das. Aus demselben Grund verlange ich nicht von ihm, dass seine Liebe vollkommen sein muss, damit ich ihn wertschätze. Er liebt mich wie er ist und wie er kann, mit seinen Grenzen, doch dass seine Liebe unvollkommen ist, bedeutet nicht, dass sie geheuchelt oder gar nicht echt ist.“ (AL 113)

Sonntag, 31. Juli 2016

und wieder St. Ottilien...

Wieder St. Ottilien: diesmal bin ich unter den Jubilaren! Priester, die vor 25, 40, 50, 60 oder 65 Jahren geweiht wurden, sind zu Geistlichen Tagen im Exerzitienhaus der Erzabtei eingeladen.
Abgesehen von den Gelsen bzw. Schnaken bzw. Stechmücken, welche allen zu schaffen machen (ich selbst kehre mit bestimmt 100 Stichen zurück, die Nachtruhe war sehr eingeschränkt durch das ständige „ssss“ am Ohr!), abgesehen von dieser Plage sind die Tage sehr gut.

Ich selbst freue mich über diese Gelegenheit, Priester aus meinem Heimatbistum kennen zu lernen. (Bisher kannte ich mehr die Priester der Erzdiözese Salzburg, aufgrund meiner Tätigkeit dort.)
Und welch prächtige Gestalten sind da darunter!

Der eine Senior, der 65Jahr-Jubiläum feiert und mit seinen 90 Jahren unheimlich rüstig ist, war noch im „Stacheldrahtseminar“ von Orleans bzw. Chartres, suchte damals das Benediktinische und das Missionarische zu verbinden und erfuhr dort in Frankreich von St. Ottilien, wo er nach dem Krieg eintrat. Zu seinen Stationen gehören auch drei Jahre Israel, unter anderem als Oberer in Tabgha am See Genezareth.

Dann wunderschön die Wiedersehensfreude zu erleben: einer der jetzt 25 Jahre Jubiläum Feiernden traf seinen „ersten Pfarrer“, zu dem er nach seiner Weihe als Kaplan kam. Damals feierte der Pfarrer gerade 40 Jahre. Jetzt jubilieren sie zusammen: der eine 25, der andere 65 Jahre.

Oder der Missionar, der 30 Jahre in Afrika war, in Uganda und Kenia, bei Nomaden in der Wüste. Wie wertvoll ist seine Anwesenheit, welchen Reichtum an Erfahrung aus einer anderen Welt bringt er mit ein. Und er ist nicht der einzige mit Afrika-Bezug unter uns. Noch ein anderer ist dabei, der in der Ausbildung junger afrikanischer Ordensschwestern in Südafrika engagiert ist. Und ein Millhill-Missionar, der längere Zeit in Afrika gearbeitet hat. Sieben von den 35 Teilnehmern sind Ordensmänner. An einem Abend sitzen wir als Ordensmänner zusammen und erzählen, gemeinsam mit ein paar interessierten Diözesanpriestern: die Zeit scheint nicht auszureichen! Welcher Reichtum!

Ja und dann St. Ottilien: wir nehmen am mittäglichen und abendlichen Chorgebet der Mönche teil. Und es macht nicht nur auf uns Eindruck, wie sie in ihren schwarzen Gewändern in die Kirche ein und nach dem Gebet wieder ausziehen.
Mittags ist die Kirche zweimal beinahe voll. Das eine Mal eine große Frauengruppe, vermutlich auf Ausflug unterwegs. Das andere Mal Schülerinnen und Schüler. Gott sei Dank können sie so etwas erleben.

Und wir bekommen auch einen Auftritt des Musica Sacra-Boys-Choir der Kathedrale von Seoul in Korea mit. Die Buben sind auf Deutschland-Tournee. St. Ottilien hat Korea-Kontakte, so dass der Chor auch hier Station macht und einige Lieder singt – sehr gekonnt! In der ersten Bank sitzt eine Benediktinerin mit einigen Waisenmädchen aus einem Haus in der Nähe.

Die Tage werden von zwei Priestern begleitet. Der eine ist Referent und nimmt seine Zuhörer durch viele konkrete Erzählungen mit. Der andere ist der Priesterseelsorger der Diözese, welcher jeden Morgen an andere Priester aus dem Bistum erinnert, die einen Festtag (Geburts- oder Namenstag) begehen, oder bei denen sich der Sterbetag jährt. Auf diese Weise entsteht unter uns eine starke Erfahrung des Presbyteriums als Gemeinschaft der Priester der Diözese über den Tod hinaus.

Wer sich die beschriebenen Gestalten auch ansehen will, der wird auf der Homepage des Bistums Augsburg fündig: www.bistum-augsburg.de.

Freitag, 15. Juli 2016

Jubiläen in St. Ottilien

Feier von Professjubiläen bei den Missionsbenediktinern in St. Ottilien – Festtagsstimmung und das passende Wetter am 9. Juli. Drei Mitbrüder haben sich vor 50 Jahren an die Gemeinschaft gebunden (und bekommen aus diesem Anlass einen „Altersstab“ - aus Holz, mit Schnitzereien und leuchtenden Steinen - überreicht! - Das gibt es bei uns Missionaren vom Kostbaren Blut nicht, ich werde fast ein wenig neidisch!), andere blicken auf 60 oder gar 65 Jahre zurück. Beeindruckend, wie diese Männer da stehen, bzw. auch – nicht weniger, eher noch mehr beeindruckend – wie sie im Rollstuhl da sitzen.
Einer der Jubilare, ein 85jähriger, hat es sich auch an diesem seinem Festtag nicht nehmen lassen, bereits am Morgen schon im Schweinestall nach dem Rechten zu sehen. Außer den Schweinen kümmert er sich auch um die Bienen. Der älteste Ottilianer Mönch ist 91, der jüngste 19 Jahre, der Einzug der Mönche zur Liturgie in die Kirche ist für mich ein Erlebnis.

Unter den Gästen sind auch Benediktinerinnen eines nahe gelegenen Klosters. Nach der Liturgie, beim Empfang im Garten des Exerzitienhauses, komme ich mit der ein oder anderen von ihnen ins Gespräch. Die eine ist seit 50 Jahren für die Küche zuständig, die Schwestern haben ein Kinderheim. Meine Vermutung, dass sich da im Lauf der Jahre vermutlich allerhand geändert habe, bestätigt sie. „Es gibt ganz andere Möglichkeiten heute als früher! Und auch aus dem Garten bekomme ich Gemüse, dass es früher gar nicht gab. Und natürlich bringen die Mitarbeiterinnen immer wieder neue Ideen ein“. Ja, sie sei immer eine Lernende geblieben, lächelt die Schwester.

Und erzählt auch von ihrer Verbundenheit mit St. Ottilien. Einer ihrer Großväter war beim Bau der großen Klosterkirche mit dabei. Sie stammt aus einem Dorf in der Nähe und erzählt, dass dort auf dem Feld, je nach Windrichtung, die große Glocke von St. Ottilien zu hören war.
Und sie erinnert sich an die Primiz eines der Jubilare, der heute im Rollstuhl sitzt. Damals, bei seiner ersten Messe vor vielen Jahren war das ganze Dorf auf den Beinen. Schon im Vorfeld: „es gab kein Haus im Dorf, das nicht herunter geweißelt wurde, jeder Zaun und alle Fensterläden wurden gestrichen. Was für ein Fest!“

Mit einer anderen Schwester komme ich noch ins Gespräch. Sie geht mit einer Krücke, deren leuchtend blauer Handgriff und Oberarmhalt sich lustig von ihrem schwarzen Habit abheben. Und sie ist klein von Gestalt. Im allgemeinen Stimmengewirr muss ich mich ziemlich hinunter bücken, um sie verstehen zu können. „Darf ich Ihnen ein Lesezeichen schenken?“ fragt sie und drückt mir schon ein kleines Stoffkreuz mit einer Quaste in die Hand. „Die Goldfäden sind wichtig“ erklärt sie mir dabei. „Denn wenn wir Kreuz und Leid annehmen, dann führt es nach oben“ sagt sie und macht mit ihrer freien Hand eine Bewegung nach oben. „Ich mag auch kein solches Lesezeichen ohne Goldfäden machen. Vor kurzem hatte ich keine mehr, da habe ich aufgehört.“ Später hat die Schwester irgendeine goldene Schnur aufgedröselt, um wieder an Goldfäden zu kommen.

Danke für das Lesezeichen – und die Erklärung dazu!

Mittwoch, 15. Juni 2016

Wandern und Fliehen

Urlaub! Wandernd bin ich unterwegs. Jeden Tag mindestens dreißig Kilometer, an einzelnen Tagen sind es wohl eher vierzig. Ziel bzw. ein erwünschter Neben-Effekt ist, den Kopf frei zu bekommen. Eben den Alltag hinter mir zu lassen, im „Schritt für Schritt“ und im Blick in die Landschaft hinein. Und zwischendurch oder immer wieder bete ich, und dabei kommen auch konkrete Anliegen vor. Eine Frau etwa, bei der ein Lungentumor diagnostiziert wurde und die sich gegen eine Chemo-Therapie entschieden hat. Schon früher hat sie mich in ihrer Art beeindruckt...

Und dann bin ich mir bewusst, dass ich ein Privileg habe, freiwillig tagelang durch eine wunderschöne Landschaft gehen zu dürfen. Ich bin nicht gezwungen, durch eine Wüste gehen zu müssen. Was ich in meinem Rucksack (wie immer etwas zu voll gepackt!) mit schleppe ist mehr, als was mancher von denen, die ihre Heimat verlassen haben, bei sich trägt.

Am ersten Wandertag – nach einigen voraus gehenden Regentagen war ich gar nicht darauf vorbereitet – hat mich ein kräftiger Sonnenbrand erwischt. Vor allem in den Kniekehlen ist er unangenehm und raubt mir zum Teil den Schlaf. Kinkerlitzchen zu dem, was Menschen auf der Flucht erfahren.

Nachdem ich alleine unterwegs bin, riskiere ich es, ohne Voranmeldung abends nach einem Zimmer zu suchen. Was letztlich immer geklappt hat. Auch wenn ich einmal vorwurfsvoll zu hören bekam: „wir haben gerade noch ein Zimmer. Wir mussten auch schon Leute weg schicken. Und das ist dann peinlich, wenn man zu Fuß unterwegs ist“. Er hat ja Recht, der Wirt.

In Linz war es dramatischer. Im ersten Hotel: „kein Zimmer – versuchen Sie es beim `Schwarzen Bären´“. Dort dieselbe Auskunft mit dem Zusatz: „es gibt kein freies Zimmer in Linz, Sie können sich das noch bei der Tourist-Information am Hauptplatz bestätigen lassen. Sie können ja mit dem Zug nach Wels fahren, vielleicht finden Sie dort etwas.“ Also bitte! Da komme ich ja zu Fuß her, von wegen zurück fahren. Also gehe ich zur Tourist-Information und bekomme tatsächlich dieselbe Auskunft: „es gibt kein freies Zimmer in Linz“. Toll! Also beschließe ich nach Kirchtürmen Ausschau zu halten, in der Hoffnung, daneben einen Pfarrhof mit einem verständnisvollen Menschen zu finden. Irgendwie bin ich ja ein Pilger, auch wenn ich den Santiago-Weg in die umgekehrte Richtung gehe. Schon bei der ersten Kirche habe ich Glück: die Jesuiten-Gemeinschaft gewährt mir Gastfreundschaft. Was bin ich dankbar und erleichtert. Und wieder gehen meine Gedanken zu den Flüchtlingen, die keine Gastfreundschaft erleben.

Zwei Tage später dann plötzlich nach der Mittagspause auf einer Bank an der Donau heftige Schmerzen im linken Schienbein. Ich muss weiter, die Schmerzen lassen etwas nach, aber sind da. Grundsatzentscheidung fällig: pausieren oder zurück fahren. Erst einmal die Nacht vergehen lassen. Am nächsten Morgen kann ich zwar gehen, aber über 30 Kilometer traue ich mich nicht. Und ich hätte wohl noch fünf weitere Tage. Also schweren Herzens den Zug zurück nehmen.

Und wiederum: was machen Menschen auf der Flucht in einer solchen Situation? Da ist das mit der Um- bzw. Rückkehr nicht so einfach. Sie müssen irgendwie weiter...

Wann bringt endlich ein europäischer Politiker deutlich zum Ausdruck, dass nicht „die Flüchtlinge“ das Problem sind, die bei uns ankommen, sondern diejenigen, die nicht angekommen, sondern im Mittelmeer ertrunken sind. Dieses „Problem“ bedarf vorrangig einer Lösung. Heißt nicht, dass ich Migration undifferenziert betrachten möchte – aber die Perspektiven müssen stimmen.

Dienstag, 31. Mai 2016

Blaues Auge...

Vor kurzem habe ich sie kennen gelernt: eine engagierte Frau in ihrer Gemeinde. Wenn einmal schnell ein Kuchen für das Seniorencafe gebacken werden muss – kein Problem. Solche Leute tragen mit zum Zusammenhalt in ihrem Ort bei. Jetzt sah ich sie wieder bei einer Maiandacht – mit einem leicht geschwollenen und gelblich verfärbten Auge, das vermutlich vorher blau-violett gefärbt war. Von einer Schlägerei als Ursache ging ich nicht aus und fragte schlicht nach: „oh, sind Sie gefallen?“ „Nein, das Enkelchen hat mir einen Stein gegen das Auge geworfen. Hätte schlimmer ausgehen können.“

Und ich erzählte ihr von einer Pfarrsekretärin, die eines Tages auch mit blauem bzw. gar verbundenem Auge erschien. Ihre Tochter – im Kindergartenalter oder gar noch kleiner – hatte sich mit dem Besen versucht. Und die Mutter stand dahinter, als der Besenstiel in der Hand der Kleinen sich plötzlich nach hinten bewegte – eben direkt ins Auge der Mutter. Schmerzen, Augenklinik, Behandlung und ebenfalls ein blaues Auge als Folgen.

Wozu mir noch meine Oma einfiel. Ich weiß nicht mehr, was es zu feiern gab. Sie entschied jedoch, dass ein Sekt geöffnet werden sollte. Was jetzt nicht zum normalen bzw. häufig vorkommenden Brauch gehörte. Und Oma öffnete die Sektflasche selbst – der Korken schoss nach oben und ihr ins Auge. Was für uns Enkel so lustig aussah, dass wir uns das Lachen kaum verbeißen konnten. Für Oma war es weniger lustig und auch sie trug ein blaues Auge davon.

Was kann nicht alles ins Auge gehen?
Und was kann nicht alles die Ursache eines blauen Auges sein?

Sonntag, 15. Mai 2016

Ehepaare

Bei einer Tagung lerne ich sie kennen, E. und P. Sie sind eines von drei Ehepaaren, die teilnehmen. Ich bin einer der vier oder fünf „Singles“, die dabei sind. E. und P. dürften schätzungsweise „rund um die Goldene Hochzeit“ sein. E. geht mühsam, mit einem Stock, bzw. einer Krücke. Wenn ich recht verstanden habe, hatte sie einen Unfall. Und ist froh, dass sie sich wieder einigermaßen bewegen kann. Was mir auffällt, ist, wie die beiden miteinander umgehen. Beim Frühstück gibt es ein Buffet. Und sie sind sehr aufmerksam füreinander, ob der/die andere alles hat, was er/sie braucht. Nicht wie frisch Verliebte, aber doch mit einer ganz großen Achtsamkeit und – im guten Sinn – Fürsorge. „Brauchst Du noch einen Orangensaft?“
Beim Friedensgruß in der Messe umarmen sich die beiden, was überhaupt nicht aufgesetzt oder künstlich wirkt. E. ist katholisch, ihr Mann P. evangelisch. Und gerade er hat mich beeindruckt. Im Gespräch habe ich verstanden, wie sehr ihn seine Herkunft geprägt hat. Seine Mitgliedschaft im CVJM war ein Versuch, sein Christ-Sein bewusst und entschieden zu leben. Gleichzeitig bekomme ich mit, wie gut er sich in katholischer Liturgie und Kirche auskennt, vermutlich besser als mancher Katholik. Und es ist auch wahrzunehmen, dass diese gemischt-konfessionelle Ehe mit allerhand Schwierigkeiten konfrontiert war. Gerade der Umgang damit, die Freiheit, die daraus leuchtet, beeindruckt mich sehr. Und: ein ganz merkwürdiges Gefühl in mir, es ist mir neu, aber es ist nicht zu verleugnen. Ich habe den Eindruck, dass ich von P. als evangelischem Christen beschenkt werde, gerade in seinem Evangelisch-Sein. Derart, dass ich ihn fast bitten möchte: „P., bleib Deiner Konfession treu. Ich brauche Dein Zeugnis als evangelischer Christ!“

Dann noch ein anderes Paar: B. und S. Beide flohen aus Eritrea, ihre Heimatdörfer liegen nicht so weit auseinander. Wenn ich recht verstanden habe, dann lernten sie sich auf der Flucht kennen. Und haben in München geheiratet, beide sind koptisch-orthodox und nehmen ihren Glauben sehr ernst.
B. erzählte, dass ihm bei der Ankunft in Italien der Fingerabdruck abgenommen wurde, seine Frau kam da irgendwie durch, ohne registriert zu werden. Was zur Folge hat, dass sie mit unterschiedlichem Rechtsstatus in Deutschland sind. Ihm droht aufgrund der Dublin-Regelung die Abschiebung nach Italien, wo er ja registriert wurde.
Konkret lebt also sie in einer Asylbewerberunterkunft und er im Kirchenasyl, welches seine Abschiebung verhindern soll. Es ist sein dritter Kirchenasyl-Standort. Weil er einmal untergetaucht war, ist die Kirchenasyl-Zeit verlängert worden. Er macht sich große Sorgen um seine junge, hübsche Frau. Welche in der Unterkunft mit vielen Männern zusammen lebt.
Um den 1. Mai herum, als die Kopten Ostern feierten, konnte sie ihn für zwei Tage besuchen: welch ein Fest. Wobei es beinahe dramatisch begann. Aufgrund des strengen Fastens vor Ostern, vielleicht aber auch, weil sie das Auto-Fahren nicht verträgt, klappte sie kurz nach der Ankunft zusammen. Ihr Mann B. wusste aber wohl Bescheid, konnte mit der Situation umgehen und half ihr. Welch ein Fest für die beiden, die zwei gemeinsamen Tage. Er zeigte sich in seinem Hochzeits- und Festgewand, wunderschön weiß mit goldenen Borten. Und strahlte und freute sich.
Als S. wieder heim fahren musste, machte sich B. wiederum große Sorgen. Dummerweise war ihre SIM-Card für das Handy kaputt gegangen. Und er konnte ja nicht aus dem Kirchenasyl heraus, um irgendwo eine neue zu besorgen. Seine Idee war gewesen, ihr via Telefon unterwegs zu helfen, damit sie auch beim richtigen Bahnhof umsteigt. Im Gegensatz zu ihm hat sie bisher kaum Deutsch gelernt. Es scheint, als verließe sie sich da auch sehr auf ihren Mann.
Dafür hatte sie in ihrer Unterkunft eritreisch gekocht und die Speisen mit gebracht – was natürlich die Oster- und Wiedersehensfreude der beiden noch einmal vergrößerte.
Welch eine Welt, die es jungen Ehepaaren so schwer macht...

Samstag, 30. April 2016

Erstkommunion in Egelhofen

Egelhofen ist ein besonderer Ort. Es gibt einen starken Zusammenhalt unter den Menschen, die dort leben, was meinem Eindruck nach nicht wenig mit der kirchlichen Verbundenheit der Bevölkerung zu tun hat.
Am letzten Sonntag im April war dort Erstkommunion: insgesamt fünf Mädchen, vier aus dem Ort selbst und eines aus der Nachbargemeinde, feierten. Was auch etwas Besonderes ist: denn es gibt Jahre, in denen dort kein Kind zur Erstkommunion geht, andere Jahre, in denen es höchstens ein oder zwei Kinder sind.

Mit den Ministranten zusammen holten wir die Erstkommunionmädchen und ihre Eltern beim Vereinsheim ab – das Wetter spielte mit! - und zogen gemeinsam das kurze Stück zur Kirche. Und da, vor der Kirchentür: Lauren, eines der Mädchen: „ich habe einen Stein im Schuh!“. Worauf ich ihr sagte: „dann holen wir den besser jetzt noch heraus!“. Lauren, etwas aufgeregt: „nein, das geht schon!“. Als ich ihr sagte, dass wir uns ruhig noch Zeit nehmen könnten, bückte sich Lauren doch, um festzustellen: „meine Hände sind viel zu kalt, ich kann die Schuhe nicht aufmachen!“ Irgendwelche edlen Teile mit einem Lederriemen um den Knöchel herum. Also rückte die in der Nähe stehende Mutter an, löste den Riemen, öffnete den Schuh und der Stein wurde entfernt.
Ich griff die Geschichte bei der Feier nicht auf, obwohl das ja gepasst hätte. Bevor wir uns zum Altar, in die Kirche begeben, ist es gut, die Steine zu entfernen. Nicht nur die aus den Schuhen, sondern die anderen, die wir in der Hand haben, um sie auf jemanden zu werfen. Oder die Steine, aus denen die Mauern zwischen uns gebaut sind, die wir uns da miteinander zum Altar auf den Weg machen.

Lauren hatte auch die Idee, dass die Erstkommunionkinder gemeinsam kommunzieren sollten. Also warten, bis alle die Hostie in der Hand haben. Und ich griff diese Idee auf, zumal sie von einem der Kinder kam. Ohne das groß zu erläutern. Kommunion als „Gemeinschaft“, als „Teilen“ wird noch einmal anders erfahren.

Abends bekam das dann eine weitere Ausdrucksform. Wir versammelten uns zur Dankandacht wieder in der Kirche. Und bei den zu segnenden Geschenken, Rosenkränze, Gebetbücher, Kreuze etc., da lag auch ein Brot, das schon am Vormittag dort gelegen hatte. Aus Teig darauf geschrieben das Datum des Erstkommuniontages. Das Brot wurde mit gesegnet und während des Schlussliedes schnitten es zwei Mütter auf und die fünf Erstkommunionmädchen verteilten die Stücke an alle in der Kirche. Obwohl die Brot-Stücke mit der Zeit etwas kleiner wurden, bekam doch jede und jeder eines. Abgesehen davon, dass die Mädchen natürlich mit Eifer beim Verteilen waren und dabei ihrem Bewegungsdrang nachgeben konnten, sprach das Zeichen des Teilens wiederum für sich.

Alle Mädchen hatten mich eingeladen, nach der Messe mit ihnen weiter zu feiern, ins Gasthaus zu gehen. Da meine Nichte aber am selben Tag Erstkommunion hatte, fuhr ich nach der Egelhofer Erstkommunion weiter zu Steffi und feierte mit meine Verwandten.

Und fuhr deshalb am Tag nach der Erstkommunion, am Montag, wiederum nach Egelhofen. Wo im Vereinsheim eine große Kuchentafel für Menschen aus dem Ort aufgebaut war. Und die Feiergemeinschaft ein weiteres Mal ausgeweitet, das Teilen wiederum praktiziert wurde: Kuchen vom Vortag und auch noch frisch gebackener fand sich dort und das Fest ging weiter, die Freude konnte sich noch weiter verteilen.

Noch ein Detail am Rande, ich hoffe, es bedient nicht zu sehr ein Klischee. Als meine Mutter mich fragte, ob die Erstkommunionmädchen „Einheitskutten“ oder ihre individuellen Kleider angehabt hätten, musste ich passen. Dass sie weiß und hübsch angezogen waren, hatte ich wahr genommen, mehr dann schon auch wieder nicht...

Freitag, 15. April 2016

Dialog

Miteinander reden – ach ist das schwer! Miteinander reden - oh ist das schön! Beide Erfahrungen gibt es, beides kenne ich. Und habe mich auch immer wieder theoretisch und praktisch damit befasst. Ich erinnere mich noch an die Sprachphilosophie-Vorlesung während des Studiums und an die Theorie von Karl Bühler dabei.
Später waren es dann die weit verbreiteten Bücher von Friedemann Schulz von Thun. Als ich bei einer Abendveranstaltung mit jungen Fußballern zum Thema „Kommunikation“ vom „Hören mit vier Ohren“ erzählte, meinte der eine, das habe er in der Berufsschule auch schon mit bekommen.
Und immer noch bin ich am lernen. Und mache ich gute und weniger gute Erfahrungen mit dem Zuhören und mit dem Gespräch. Trotz des ein oder anderen „Gesprächsführungskurses“ mit praktischen Übungen „im Gepäck“.
Und wie ich mich ändere, die Gesellschaft sich ändert, so ändert sich auch das Gespräch. Wie geht das denn mit den Menschen, die auf ihrer Flucht hier gelandet oder gestrandet sind? Nicht nur mit einer anderen Muttersprache, sondern auch mit einem anderen weltanschaulichen oder kulturellen Hintergrund? Meinen wir dasselbe, selbst wenn wir in derselben Sprache kommunizieren?

In der März-Ausgabe des Magazins der Bundeszentrale für politische Bildung findet sich ein Interview mit zwei politischen Bildnern, Anja Besand, Professorin für Didaktik der Politischen Bildung an der Technischen Universität Dresden und Frank Richter, Direktor der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung. Auf die Frage: „Wer arbeitet denn jetzt am Dialog, wer kann ihn gestalten?“ antwortet Frau Besand: „Dialog ist ein großes Wort, das oft und meiner Meinung nach auch falsch in der Debatte eingesetzt wird. Natürlich geht es um Dialog. Aber für den Dialog sind alle zuständig, und er muss geführt werden, wo immer er sich ergibt. Zwischen Nachbarn und Freunden, in der Familie, der Schule, beim Friseur und beim Bäcker... Diese Gespräche sind anstrengend, aber sie müssen geführt werden, und es müssen alle daran teilnehmen, die davon betroffen sind.“ Diese – natürlich aus dem Zusammenhang gerissene Interview-Passage – macht bereits ein wenig deutlich von den Bedingungen des Dialogs. Hintergrund für das Interview war unter anderem der Umgang mit PEGIDA.

Und inzwischen stellen wir ja tatsächlich fest, dass auch an der Frage des Umgangs mit Menschen auf der Flucht bisher gute Beziehungen ernsthaften Belastungsproben unterzogen werden. Der Pfarrer, der auf seiner Facebook-Seite etwas tendenziell Fremdenfeindliches postet, der bekommt unter Umständen aus seiner Gemeinde mehr Unterstützung als Ablehnung. Christen in östlichen EU-Mitgliedsländern der EU blicken fassungs- und verständnislos auf ihre Mitchristen in den westlichen EU-Mitgliedsländern. Wie miteinander reden, im Gespräch sein und bleiben? Sich selbst verständlich machen und den anderen verstehen, mit jeweils anderen Erfahrungen und Verstehensvoraussetzungen?

Mit großer Freude und Dankbarkeit habe ich Auszüge eines Vortrags von Jesus Moran, dem Ko-Präsidenten der Fokolarbewegung über „Anthropologische Aspekte des Dialogs“ entdeckt, den dieser am 5. Februar im indischen Mumbai gehalten hat. Die von ihm dort aufgelisteten Prinzipien des Dialogs halte ich für hilfreich und weiter führend, so dass ich seine Ausführungen unbedingt zu Lektüre empfehlen möchte.

Ja – und dann wende ich mich wieder dem konkreten Dialog zu...

Donnerstag, 31. März 2016

Karfreitag und Ostern

Schon öfter hat mich diese Gemeinde positiv überrascht. Auch diesmal ging es mir so. Am Karfreitag war ich dort, abends. Beim Hineingehen in die Kirche fiel mir zunächst ein Tischchen mit Unterschriftenlisten auf: von Misereor, gegen ein geplantes Staudammprojekt am Rio Tapajos in Brasilien. Und es hatten bereits einige Leute unterschrieben.
Und dann vorne im Altarraum: ein großes „Heiliges Grab“, aufgebaut zwischen Volks- und Hochaltar. Eine Statue des Leichnams Jesu, umgeben von Blumen und bunten Kugeln. Als ich diese sah, erinnerte ich mich an die Erzählungen meines Vaters über das Heilige Grab in seiner Heimatkirche. Ja, für Kinder müssen diese leuchtenden, bunten Kugeln faszinierend sein. Oben drauf zwei Engel neben einem weißen Kreuz, mit einem weißen Tuch behangen, kniend. Beim Mann der Mesnerin erkundigte ich mich später noch nach diesem Hl. Grab. Es war auf dem Dachboden der alten Schule gelagert und dort vor einigen Jahren wieder entdeckt worden. Dann wurde es renoviert und seit einigen Jahren wird es wieder in der Kirche aufgebaut. Auch von anderen Gemeinden habe ich ähnliche Geschichten mit bekommen. Die „sinnenfällige“ Seite am Glauben darf nicht unterschätzt werden.
Dazu gehören auch die mit großen schwarzen Stoffbahnen verhängten Fenster. In einer großen Kirche ein aufwändiges Unterfangen. Und da erinnerte ich mich an einen Mitbruder, der aus St. Johann in Tirol stammt. Wo die Kirche noch größer ist und das Aufhängen bzw. Anbringen der Stoffbahnen tatsächlich den Einsatz mehrerer starker Männer erforderte. Apropos Tirol: vor dem ein oder anderen Heiligen Grab dort halten tatsächlich Mitglieder der örtlichen Schützenkompanie die Grabwache.
Fast tat es mir ein wenig Leid, dass die elektrische Beleuchtung eingeschaltet war. Wie müsste die Kirche im Kerzenlicht wirken, deren Fenster mit schwarzen Stoffbahnen verhängt sind.

Damit zurück zur Unterallgäuer Gemeinde und zum vergangenen Karfreitag. Ich war dort, weil am letzten Freitag eines Monats der Come-on-Jugendgottesdienst gefeiert wird. Seit diesem Jahr nur noch jeden zweiten Monat und an wechselnden Orten. Als wir in der Vorbereitung am Jahresende 2015 auf das Jahr 2016 voraus blickten, stellte sich zunächst die Frage, was wir im März tun würden, wo der letzte Freitag im Monat auf Karfreitag fällt. Und wir kamen ziemlich schnell darin überein, dass wir trotzdem den Jugendgottesdienst feiern würden, eben z.B. als gemeinsam gebeteten Kreuzweg. Einige Jugendliche im Vorbereitungsteam waren unsicher, weil sie wussten, dass der „Jugendkreuzweg“ vor Ort im Normalfall Firmlingssache sei und am Vormittag des Karfreitags gebetet wird.
Konkret taten sie sich dann zusammen, die bereits etwas älteren Jugendlichen aus dem Come-on-Team und die Firmlinge. Und schon dieses Miteinander gefiel mir.

Es kamen ziemlich viele Menschen zusammen an diesem Karfreitag-Abend. Und wieder freute ich mich über das Engagement der jungen Leute, die ihren Gottesdienst feierten. Natürlich unterstützt von der ein oder anderen Seite. Klar war ich etwas seltsam berührt vom Kaugummi im Mund derer, die einen Text zum Leiden Jesu las.
Und einmal intervenierte ich von meinem Platz aus der Kirchenbank heraus, als das Lied „Gehet nicht auf in den Sorgen dieser Welt“ mit dem „Halleluja“ als Refrain gesungen werden sollte. Ich schlug vor, „Hosianna“ statt „Halleluja“ zu singen, um der Fastenzeit bzw. dem Karfreitag gerecht zu werden.
Klar wäre die Welt nicht deswegen zusammen gebrochen. Aber auch die Liturgie hat ihre Regeln, die zum Gelingen beitragen.
Insgesamt jedoch ließ dieser konkrete Karfreitag mit den dort versammelten Menschen bereits etwas von Ostern erahnen...

Dienstag, 15. März 2016

Thomas Frings und das Gottesgerücht

Es raschelt(e) – im (zumindest kirchlichen) Blätterwald. Heißt, es raschelt ja nicht mehr so viel, es blinkt eher auf den Bildschirmen. Ein Münsteraner Pfarrer hat „die Nase voll“. Das ist jetzt etwas zu salopp gesagt und trifft es wohl auch nicht ganz. Der 55jährige Thomas Frings ist seit 30 Jahren gerne Priester, erlebt aber gleichzeitig, dass da irgendetwas im kirchlichen Betrieb nicht stimmt. Und er benennt das sehr klar und – das finde ich toll – ohne Vorwürfe an irgendeine Adresse zu richten.

Mir scheint, der Pastor hat mehr Zu- als Widerspruch erfahren. Und für seine Entscheidung, sich ab Ostern aus dem Pfarrdienst „auszuklinken“ und erst einmal in einem holländischen Kloster eine Auszeit zu nehmen, gibt es viel Verständnis. Wenn nicht sogar Bewunderung. Wie sagte ein 75jähriger Priester, mit dem ich diese Tage darüber sprach? „Der hat sich getraut, ich hatte nicht den Mut dazu“.

Klar fühle ich mich als fast gleichaltriger Priester, der es in diesem Jahr immerhin auch auf 25 Priesterjahre bringt, herausgefordert. Was mache denn ich (noch hier)? Bin ich zu feige zu solch einem Schritt wie Thomas Frings?

In großer Dankbarkeit für seine Entscheidung möchte ich beschreiben, was mich bei aller Zustimmung zu seinen Analysen zu einer anderen Entscheidung bewegt.

Mir fiel als erstes mein erster „Dienstgeber“ als Bischof ein, ich war nach der Priesterweihe drei Jahre Kaplan in Klagenfurt am Wörthersee. Bischof war damals Egon Kapellari, der später als Bischof nach Graz wechselte und inzwischen seinen wohlverdienten Ruhestand lebt. Auch wir damaligen Kapläne setzten dem Bischof manchmal mit kritischen Fragen zu. Fragten zum Beispiel die in Kärnten so beliebte „Fleischweihe“ an. Dabei geht es – für Nicht-Kärntner sei es erklärt – um die österliche Speisensegnung, die sich in Österreichs Süden jedoch irgendwie verselbständigt hat und für nicht wenige Menschen das eigentliche und ausschließliche kirchliche Osterereignis ist. Sollen wir da mit machen? - so unsere Frage. Und der Bischof versuchte uns zu ermutigen, die pastorale Chance zu nutzen – worüber man trefflich streiten kann. Er gebrauchte jedoch eine Formulierung, die mich seit damals begleitet: „wir müssen das `Gottes-Gerücht´ aufrecht erhalten“.
Immer habe ich versucht, bei der Fleischweihe in Kärnten und bei anderen Gelegenheiten an anderen Orten, den Leuten mit Humor zugewandt und in einer teilweise säkularen Sprache etwas von Gott zu erzählen, bzw. ihn gemeinsam mit ihnen zu entdecken. Was manchen sehr dürftig vorkommen mag – das kann so sein, ich lasse das stehen.

Und dann habe ich mich zwar nicht in ein Kloster zurück gezogen, wie Thomas Frings das tun wird. Aber ich habe meine Entscheidung für eine Ordensgemeinschaft getroffen. Und ich versuche, in dieser und mit meinen Mitbrüdern „das Gottes-Gerücht aufrecht zu erhalten“. Was zunächst einmal gar nicht mit Pastoral und Predigt zu tun hat! Allein das Zusammenleben dieser unterschiedlichen Typen, bei inzwischen bedenklicher Altersstatistik, hat etwas mit dem „Gottes-Gerücht“ zu tun.
Klar freue ich mich über pastorale Erfolge, über einen guten oder bisweilen überdurchschnittlichen Kirchenbesuch! Aber ich relativiere diese Zahlen gleichzeitig.

Und, ja, das auch noch: ich bin davon überzeugt, dass sich die konkrete Gestalt unserer Kirche und ihrer Auftrittsmodalitäten vor Ort ändern wird. Und da erlebe ich durchaus auch, dass es darauf ankommt, eine Zerrissenheit aushalten zu können. Denn teilweise gibt es noch eine heile Welt, wo gleichzeitig an anderen Orten schon alles „zusammengebrochen“ zu sein scheint. Bernd Hagenkord von Radio Vatikan benannte vor kurzem als Herausforderung, „die Verbindung von Universalität und Lokalität bei medialer Gleichzeitigkeit zu leben“. Auch so eine Formulierung, die mich ansprach.

So gehe ich neugierig weiter, in der Hoffnung, Wichtiges nicht zu verschlafen und das Nötige und Geforderte auch zu tun...

Montag, 29. Februar 2016

Ausbildung

Neu bewertet werden muss angesichts des technologischen Wandels auch die Frage der Bildung. Bisher lautet die verbreitete Formel zur Überwindung des Phänomens struktureller Arbeitslosigkeit, dass sich der Einzelne besser qualifizieren muss. Vor dem Hintergrund der Entwertung selbst hochqualifizierter Arbeit verliert der bisherige Ansatz, Arbeitslosigkeit durch Bildung und Qualifikation zu verhindern, möglicherweise an Geltung. Gefragt sind in Bezug auf die Digitalisierung weniger formale Bildungsabschlüsse. Stattdessen kommt es stärker auf soziale Kompetenzen und Qualifikationen wie das Lernen-lernen, Kreativ-sein, selbstständiges Handeln und unternehmerisches Denken an. Es geht verstärkt um Fähigkeiten, die eng mit der Persönlichkeit des Beschäftigten zusammenhängen und die zumindest in traditionellen Lernformen nur eingeschränkt erlernbar sind.

So sagte es Dr. rer. pol. Matthias Meyer, Dipl. Ökonom und Bereichsleiter im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz bei seiner Antrittsvorlesung als Honorarprofessor an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (Abteilung Köln) am 5.Mai 2015. Der überarbeitete Text der Antrittsvorlesung ist als Heft Nr. 424 in der Reihe Kirche und Gesellschaft der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle in Mönchengladbach erschienen, Titel „Die Digitalisierung als sozialethische Herausforderung“, das Zitat oben auf S. 13f.

Mit den Arbeitsbedingungen ändert sich durch die Digitalisierung also auch die Bildung. Und interessant, welche Qualifikationen da gefragt sein werden.

Mich haben Meyers Ausführungen erinnert an ein Interview mit Pedro Morales (auf YouTube in spanisch zu sehen), ein Jesuit, der lange an der Madrider Jesuiten-Universität Comillas lehrte und auf seine alten Tagen nach Guatemala ging, um dort wieder zu lehren. Er ist Fachmann für Pädagogik, Didaktik und damit verwandte Wissenschaftszweige. Er möchte seine Schüler „das Lehren lehren“. Und wie geht das, wie ist sein Ansatz? Wenn ich ihn richtig verstanden habe, dann wirbt er dafür, beim Lehren ganz stark von den Schülern auszugehen. Was ist ihr Interesse? Und wie kann etwas Inhaltliches so aufbereitet werden, dass es die (Herzens-)Interessen der Hörenden, der Schüler trifft? Ich habe Pedro Morales, genannt „Peter“, geradezu leidenschaftlich diese Theorie erklären gehört. Und fand das gut: es geht also nicht darum, einen (Lehr-)Stoff zu vermitteln. Was ja manchem/r eine Binsenweisheit scheinen mag, in der Praxis aber durchaus nicht immer so klar zu sein scheint.

Das aktuelle Heft von „Bibel und Kirche“ (1. Quartal 2016) ist dem Bibliolog gewidmet, Untertitel: „weil jede und jeder etwas zu sagen hat“. Uta Pohl-Patalong, die auch Handbücher zum Bibliolog herausgegeben hat, schreibt im erwähnten Heft, dass beim Bibliolog die Einsicht entscheidend ist, „dass die menschlichen Grunderfahrungen, die sich in der Bibel zeigen, sich nicht grundlegend von heutigen Erfahrungen unterscheiden“ (S.6).
Eben: wie alles zusammenbringen? „Kreativ sein, selbständiges Handeln“ nennt Prof. Meyer zwei Qualifikationen, die in Zukunft entscheidend sein können.

Auch im Hinblick auf das Predigen beschäftigen mich natürlich diese Fragen: die „übernatürlichen Wahrheiten“ bleiben schlicht solche, „über-natürlich“, wenn sie nicht in Verbindung gebracht werden können mit dem konkreten Menschen, der da zuhört. Wobei er/sie ja schon längst mit solchen Wahrheiten in Kontakt ist und vermutlich vor allem das aufgedeckt werden muss....

Jetzt muss ich noch mit unserem Organisten sprechen, der hauptberuflich in der Berufsschule unterrichtet und gerade bei der „Didacta“ in Köln war, um sich schlau zu machen, wie Schüler auf eine gute Weise fit gemacht werden können für die „Industrie 4.0“...

Montag, 15. Februar 2016

Betriebsausflug

Ein aus dem Dornröschenschlaf erwecktes Zisterzienserinnenkloster – erstes Ziel unseres diesjährigen Betriebsausflugs. Wie in der Vorjahren hat uns unser „Teil-Mitbewohner“ Pfarrer Leinauer zu Weihnachten einen Gutschein für einen gemeinsamen Ausflug geschenkt. Nachdem er selbst in Heiligkreuztal Exerzitien gemacht hatte, wollte er uns diese Anlage zeigen.

Beeindruckend! In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat sich die Stefanusgemeinschaft an diesem Ort angesiedelt und sehr viel für Restaurierung und Erhalt getan. In der alten Klosterkirche ist außer alten Fresken und Glasfenstern vor allem die Johannesminne ein Anziehungspunkt. Laut Postkarte stammt diese Skulptur aus der Zeit zu Beginn des 14. Jahrhunderts und ist gut erhalten. Johannes lehnt an der Brust Jesu, hat sein Haupt an Jesu Herz geneigt. Jesus wiederum legt ihm seine linke Hand auf die Schulter. Und die beiden rechten Hände liegen ineinander, wobei das sehr locker ist: die Freiheit wird nicht aufgegeben. Gleichzeitig zeigen Details der Gewänder die Verbindung der beiden: ein Bild großer Innigkeit. Wie viele Menschen mögen vor diesem Bild Kraft geschöpft und Anregung für ihr Leben mit Jesus gefunden haben.

Wir bekamen eine Führung durch einen älteren Herrn. „Erschrecken Sie nicht, wenn Sie meinen Namen hören. Ich heiße Hölle“. Wir sind nicht erschrocken und der Mann hat uns für sich gewonnen. Mit großer Eloquenz, aber auch Sachwissen hat er uns durch das Münster, den Festsaal und im Kreuzgang geführt, er selbst ein Mitglied der Stefanusgemeinschaft. Irgendwann erzählte er, dass er von Beruf Friseur gewesen sei, was mich – angesichts seines Redeflusses – dann doch zum Schmunzeln brachte. Dass er 85 Jahre alt ist, wie er uns auch erzählte, dass hätten wir ihm nicht angesehen. Ein Detail seiner Führung, das mir noch nachgeht: auf eine gar nicht penetrante Weise hat er sich als Glaubender gezeigt. Und eben überhaupt nicht den Eindruck gemacht, dass sich da ein Rentner lediglich ein Zubrot verdienen wolle.

Ähnlich war das bei unserer zweiten Station: von Heiligkreuztal aus fuhren wir weiter nach Zwiefalten, wo es bis zur Säkularisation ein Benediktinerkloster gab. Und die herrliche Kirche ist gut erhalten. Dort führte uns eine ältere Dame, wie sich später heraus stellte, die Mutter des Mesners. Und offensichtlich ist sie nicht nur Kirchenführerin, sondern auch aktives Mitglied der Pfarrgemeinde. Fast mit ein wenig Stolz hat sie von den großen Wallfahrten der Italiener und Kroaten nach Zwiefalten erzählt. Und uns auch sachkundig die Kirche erklärt.

Unsere Aufmerksamkeit galt zunächst zwei alten Beichtstühlen weit hinten – hat wohl mit einer unserer Haupttätigkeiten zu tun. Die Beichtstühle sind mit Palmen verziert. Was aber wohl nicht damit zu tun hat, dass das Beichten so exotisch ist. Auf dem einen Beichstuhl kaputtes Gehölz, auf dem anderen intaktes: Wirkung der Beichte.

Weiter vorn eine beeindruckende Kanzel, die mit der Gestalt des Propheten Ezechiel auf der gegenüberliegenden Seite des Kirchenschiffes korrespondiert. Ezechiel zeigt von seiner Seite aus auf die Kanzel. Und auf deren Schalldeckel ist seine Vision vom Totengebein (Ez 37) zu sehen: Gottes Wort bringt wieder Leben in den Menschen.

Nicht zu vergessen der Martinsaltar mit Christus in der Gestalt des Bettlers, wie er dem Soldaten Martin nach dem Teilen des Mantels in der Nacht erschienen ist.

Wir waren am Faschingsdienstag unterwegs und da ich einige maskierte Närrinnen im gegenüberliegenden Kaffee gesehen hatte, erkundigte ich mich bei der Kirchenführerin nach dem örtlichen „Faschings-Schlachtruf“: „Relle (ein Wort für Kater) hui“. Damit konnte ich dann zu ihrer großen Verwunderung die Närrinnen im Kaffee grüßen...

Sonntag, 31. Januar 2016

Gebet-Buch

Wir brauchen ein neues Gebetbuch! „Lob des Kostbaren Blutes“ heißt das bisherige. Das ist teilweise noch in Verwendung, aber wir haben keine neuen Exemplare mehr. Und manchmal möchte jemand eines bei uns kaufen. Also müssen wir uns Gedanken machen, das alte Buch neu auflegen oder ein neues produzieren.

Was wir jetzt tun: es gibt einen Fragebogen, der an Nutzer/innen des bisherigen Gebetbuches verteilt wird, um etwas Klarheit für ein „Nachfolgeprodukt“ zu bekommen, bzw. um miteinander ein solches Projekt anzugehen.

Seit dem Erscheinen des „Lob des Kostbaren Blutes“ sind 35 Jahre vergangen – in der Zwischenzeit hat sich allerhand getan. Die Welt ist nicht mehr dieselbe, die Kirche...? Auch das neue Gotteslob ist anders als das Vorgänger-Buch.

Und manchmal frage ich mich, ob wir als Gemeinschaft überhaupt ein eigenes Gebetbuch brauchen. Wobei ich nicht unsere besonderen Gebete in der Gemeinschaft vom Kostbaren Blut abschaffen möchte.

Aber wie sieht das aus mit heutiger Gebetskultur? Zumal mit einem Gebet in Gemeinschaft?
Wie betest Du, wie beten Sie? Oder auch: was betest Du, beten Sie? Gemeinsam mit anderen?

Da ist vielleicht so ein Haken. Ich bin mir nicht so sicher, wie das heute mit dem „gemeinsamen Gebet“ etwa in Familien ist. Nicht nur wegen ganz verschiedener Rhythmen im Tagesablauf bei Eltern und Kindern. Manchmal erzählt mir jemand vom Gebet mit seinem Kind, am Abend vor dem Schlafen gehen etwa. Toll!

Gestern Abend ging mir die Frage auch wieder nach. Ich war beim Jugendgottesdienst. In dem ein Thema bedacht und behandelt wurde. Und dazu gab es Texte und Lieder. Aber ist das – mit aller Vorsicht gefragt - „Gebet“? Was ist Gebet?
Persönliches oder gemeinsames Lesen von Texten in einem Buch?

Wir werden nicht stets und jedes mal neu vor Gottes Allmacht und Größe ins Schaudern geraten und erst einmal den Mund halten – wobei das zwischendurch keine schlechte Form wäre.
Aber mein Wunsch ginge in diese Richtung: Gebet als einen Raum zu erfahren, den nicht ich „machen muss“, sondern der da ist, der mir eröffnet ist und den ich betreten darf und kann. Auf Zehenspitzen! Mit Ehrfurcht!

Wobei dieser Raum gleichzeitig ein solcher ist, in dem ich, ich persönlich da sein kann. Mit all dem, was mein Leben ausmacht. Wo ich mich nicht als „Vorzeige-Christ“ aufführen muss, sondern mit allem kommen kann, was sich in mir bewegt.

Hier in der Gegend sind seit kurzem zwei Dominikanerinnen, die früher in einer anderen deutschen Diözese waren und dort zu einer „Gebets-Schule“ einluden. Das Projekt greifen sie jetzt hier wieder auf und laden dazu ein.

Ich bin ganz gespannt auf die Reaktionen der Frauen und Männer zu unserer Umfrage im Hinblick auf das bisherige und ein eventuell neues Gebetbuch...

Freitag, 15. Januar 2016

am Fahrkartenautomaten...

Donnerstag nachmittags, ich stehe in Türkheim am Bahnhof. Die Füße tun etwas weh und ich bin nass geschwitzt. Knapp 30 Kilometer bin ich wohl marschiert und jetzt möchte ich mit dem Zug nach Mindelheim zurück fahren.

Vor mir am Fahrkartenautomaten zwei junge dunkelhäutige Männer. Als sie mich wahrnehmen, möchten sie mir den Vortritt lassen. Aber ich ermutige sie, ruhig ihre Fahrkarte zu lösen. „Can you help me?“ sagt der eine dann. „I am helpless“. Das kann ich nachvollziehen. Immer wieder erzählen mir Menschen, dass sie sich schwer tun mit den Fahrkartenautomaten.

Also frage ich den einen, was er denn brauche: eine Fahrkarte nach Mindelheim. Und wie helfe ich ihm jetzt? Nein, ich werde die Karte nicht für ihn lösen, sondern mit ihm zusammen. So zeige ich ihm zuerst die Sprachleiste, auf der er die Bildschirmsprache wählen kann. Die britische Flagge angetippt – und schon steht alles auf Englisch da. Wobei das dann auch noch gelesen werden muss. Ich merke, dass ich mich mit ziemlich viel „Fahrkartenautomaten-Praxis“ da leichter tue. Aber Geduld, der junge Mann soll selbst lesen und verstehen. Und da geht es nicht nur um Wörter und Sprache, sondern auch um eine ganz eigene „Logik“...

So navigieren wir uns gemeinsam von einem Schritt zum nächsten. Er will auch wieder zurück, von Mindelheim nach Türkheim. Und da will der Automat unbedingt eine Abfahrtszeit für die Rückfahrt angegeben haben, sonst kann man nicht zum nächsten Schritt im Menü gelangen. Das hat mich auch schon „auf deutsch“ geärgert, und jetzt auf englisch. Schlussendlich sind aber dann alle Schritte getan und der junge Mann schiebt eine €10.- - Note in den entsprechenden Schlitz. Und erhält seine Fahrkarte und das Rest-Geld.

Mit Blick auf die Uhr freue ich mich, dass ich jetzt auch meine eigene Fahrkarte lösen kann, der Zug soll in wenigen Minuten einfahren. Aber halt: auch der zweite junge Mann braucht eine Fahrkarte. Offensichtlich fahren sie nur miteinander nach Mindelheim, aber zu verschiedenen Zeiten zurück.
Gut! Also dasselbe Spiel noch einmal. Wobei ich zugebe, dass ich jetzt selbst ziemlich flott die einzelnen Schritte des Menüs durchgehe, um an die Fahrkarte für den jungen Mann zu kommen. Weil ich wenn möglich auch noch die eigene Karte lösen möchte, bevor der Zug ein- und mir zuletzt noch davon fährt.

Nachdem ich also eine weitere Karte auf englisch gelöst habe und sich der junge Mann diese aus dem Automaten genommen hat, bedanken sich die beiden. Und ich beeile mich, um auch zu meiner Karte zu kommen. Und sehe im Display, dass der Zug fünf Minuten Verspätung hat. So dass ich also genug Zeit habe, auch meine Karte zu lösen. Ist das die Belohnung des himmlischen Vaters dafür, dass ich mich um die beiden jungen Männer gekümmert hatte?

Als ich auch meine Fahrkarte in der Hand habe, gehe ich noch einmal zu den beiden jungen Männern hin und frage sie, woher sie kommen. Aus Türkheim. Und ursprünglich? Aus Nigeria.

Weil es mir draußen zu kalt ist, ich mich aber auch nicht neugierig aufdrängen will, gehe ich jetzt für zwei Minuten in den geheizten Warteraum, bis der Zug einfährt, den wir nun alle drei mit gültigen Fahrausweisen besteigen.

Und tatsächlich kommt heute auch ein Zugbegleiter und kontrolliert...