Die letzten Oktobertage verbrachte ich in Bogota, der Hauptstadt Kolumbiens. Zur Einwohnerzahl gibt es verschiedene Angaben: 10, 12 oder 15 Millionen habe ich gehört oder gelesen.
Zunächst wohnte ich im Seminar der Lateinamerikanischen Provinz der Missionare vom Kostbaren Blut. Dort leben vier Theologiestudenten mit ihrem Ausbildungsleiter und zwei junge Männer ganz am Anfang ihres Ausbildungsweges (im sogenannten Propädeutikum), die ebenfalls einen Begleiter haben, der allerdings noch andere Aufgaben innehat. Die Mischung der Nationen ist ausgewogen und interessant. Jeweils zwei stammen aus Kolumbien, Guatemala, Peru und Brasilien. Gänzlich spannungsfrei läuft das Zusammenleben nicht ab – aber es ist schön, wie die jungen Leute diese Herausforderung angehen und grundsätzlich einen Reichtum in der Verschiedenheit entdecken.
Gleich zu Beginn riet man uns Besuchern, nicht allein aus dem Haus zu gehen, das Viertel sei gefährlich. So machten wir uns im Normalfall mit dem Auto auf den Weg. An einem Tag wollten Juan und ich ins Stadtzentrum. Zu Fuß wären es 20 Minuten, aber eben… es geht durch ein gefährliches Viertel. Besser ein Taxi bestellen. Im Zentrum sahen wir dann zwei Polizisten einen Mann in Handschellen abführen.
Auf dem Rückweg wieder ein Taxi. Und der Fahrer bat mich unterwegs, die Tür zu verriegeln, um nicht bestohlen zu werden. Was technisch wohl nicht so schwierig wäre, denn die Autos stehen sehr viel auf den Straßen, viel Stop-and-go. An einem Tag fuhren wir zur „Kathedrales des Salzes“, einer weltberühmten Sehenswürdigkeit, etwa 50 Kilometer von Bogota entfernt. Die Straßen an sich sind nicht schlecht, aber der Verkehr so massiv, dass wir jeweils gut zwei Stunden für einen Weg brauchten. Wenigstens zweimal sah ich in der Stadt Transparente, die angesichts der 544 Verkehrstoten in Bogota im Jahr 2022 für verantwortungsvolles Fahren warben. Um den Verkehr (und die Umwelt) etwas zu entlasten gibt es eine Regelung, dass an einem Tag nur Autos mit ungerader Endziffer des Kennzeichens, am anderen Tag nur Autos mit gerader Endziffer fahren dürfen, Elektro- und Hybrid-Autos sind davon ausgenommen. Wer es sich leisten kann, fährt ein solches bzw. hat zwei Autos mit unterschiedlichen Endziffern bei den Kennzeichen. Eine Ausnahmegenehmigung zu bekommen ist kompliziert und zeitaufwändig, abgesehen von den Kosten dafür. Am 29. Oktober waren in Kolumbien Kommunalwahlen und abgesehen von Fragen der Sicherheit war die Metro in Bogota ein großes Thema. Soll sie, wie vorgesehen, unterirdisch gebaut werden oder sollen die Pläne geändert und eine S-Bahn gebaut werden?
Für mich „bekennenden Land-Bewohner“ hat es etwas Bedrückendes, kilometer- und stundenlang zwischen den Hochhäusern hindurch zu fahren.
Wobei wir bei unserem Ausflug die Stadt im Norden verließen, wo die besser gestellten Menschen leben, die Armen konzentrieren sich eher im Süden.
Auch das hat etwas Bedrängendes: das Nebeneinander von arm und reich. Slum(-ähnliche) -Viertel und Malls, Einkaufszentren wie in den Zentren europäischer Hauptstädte in unmittelbarer Nachbarschaft. Etwas ernüchtert frage ich mich, wie wir einen Ausgleich zwischen arm und reich auf Weltebene schaffen sollen, wenn das schon im „kleinen Raum“ nicht gelingt.