Unser P. Peter baut ab, wird zusehends
schwächer. Noch vor einigen Monaten ging er draußen die ein oder
andere Runde. Dann wurde seine Haltung dabei zusehends schief. Und
jetzt braucht er einen Stock und macht kleine Tippel-Schritte. Wir
haben ihm auch den Rollator empfohlen, aber er hat Sorge, wie er vom
Sitzen aufstehend, in diesen „hinein kommen kann“.
Aber nicht nur die körperliche
Schwäche wird größer...
Schon länger blödeln wir hin und
wieder über „MCI“. Eine Krankenschwester, die bei sich selbst
Anzeichen von Alzheimer festzustellen meinte, ließ sich darauf hin
untersuchen. Und bekam als Diagnose: „kein Alzheimer, sondern MCI,
mild cognitive impairment“ (also auf deutsch: „milde
Bewusstseins-Beeinträchtigung“). Wenn jetzt P. Peter wieder einmal
etwas vergisst oder nach einem Wort sucht, dann lächeln wir
gemeinsam mit ihm: „MCI“.
Am 30. Dezember stürzte P. Peter,
vermutlich beim Aufstehen vom Frühstückstisch. P. Willi wollte sich
von ihm verabschieden und fand ihn auf dem Boden, am Kopf blutend.
Die Wunde schien uns so, dass sich das Nähen nahe legte und so fuhr
ich mit P. Peter in die Praxis. Wo die Ärztin und die
Sprechstundenhilfe etwas Neues erlebten: noch nie war ihnen ein
Patient während des Nähens einer Wunde eingeschlafen. P. Peter
schon. In der Praxis boten sie mir einen Rollstuhl an, um P. Peter
damit zum Auto zurück zu fahren. Was wir dankbar annahmen.
Als wir eine Woche später zum Ziehen
der Fäden in der Praxis waren, wies ich die Ärztin darauf hin, dass
P. Peter wohl auch ziemlich erkältet sei. Sie verschrieb ihm ein
Antibiotikum und bemerkte auch sein entzündetes linkes Auge, für
das es noch Augentropfen gab. An die Einnahme der Medikamente muss
man P. Peter dann besser erinnern bzw. ihm behilflich sein
(Augentropfen).
Öfter fragt P. Peter auch, welcher Tag
denn sei oder wir erinnern ihn an eine Mahlzeit. Bzw. er geht in die
Sakristei der Hauskapelle und wundert sich, niemanden zu finden. Alle
sind an diesem Tag in der Wallfahrtskirche.
So fragen wir uns, ob wir ihm in seiner
Situation überhaupt noch gerecht werden bzw. uns auch selbst
überfordern. Im Hinblick auf diese Frage gehen dann die Meinungen
unter uns zum Teil auseinander. Wir schätzen sowohl P. Peters
Situation als auch unsere eigenen Möglichkeiten verschieden ein. Und
ziehen dementsprechend unterschiedliche Schlüsse.
Ähnlich ist es ja auch in Familien,
wenn sich die Kinder zusammensetzen müssen und überlegen, ob die
älter gewordenen Eltern noch in ihrer gewohnten Umgebung bleiben
können oder doch ein Umzug in ein betreutes Wohnen bzw. ein
Altenheim angebracht ist.
Natürlich möchten wir nicht
leichtfertig jemanden abschieben und sind auch bereit, das in unseren
Möglichkeiten Stehende zu tun. Und manches Mal, wenn wir bei einer
Mahlzeit länger brauchen, frage ich mich, ob dieses
„Gebremst-Werden“ nicht auch eine Bedeutung für uns sehr auf
Effektivität bedachte Menschen haben könnte.
Schon lange wollte ich Arno Geigers
„Der alte König in seinem Exil“ lesen und habe jetzt endlich
damit angefangen. Der Vorarlberger Schriftsteller beschreibt in
diesem Buch auf sehr berührende Weise seinen Umgang mit seinem an
Alzheimer erkrankten Vater. Und ich entdecke das ein oder andere, was
mir bekannt vorkommt. Auch vom eigenen Empfinden her.
Es gibt viel Übungsstoff: z.B. auch
alte Geschichten wieder und wieder anzuhören, weil das dem
Erzählenden offenbar gut tut. Diese Erfahrung habe ich schon bei
einem anderen dementen Mitbruder gemacht. Wenn es auch auf der
kognitiven Ebene schwierig geworden ist, auf der emotionalen Ebene
scheint das Gespür trotz aller sonstigen Einschränkungen sehr wach
zu sein...