Sonntag, 30. September 2018

Schlafen und Beten

Sind Sie schon einmal beim Beten eingeschlafen? Ja? Nein? Schade...

Wenn es vorkommt, sind die Reaktionen der Menschen verschieden. Hängt wohl auch noch von Ort und Situation ab, klar. Öffentliches Schnarchen wird natürlich peinlich. Aber auch sonst leidet die ein oder andere unter dem Einschlafen beim Beten oder ärgert sich über sich selbst. Bzw. bekommt gar Gewissensbisse...

Und ich möchte jetzt nicht einfach jemandem seine Gewissensbisse nehmen. Wenn Du dem lieben Gott nur solche Zeiten zur Verfügung stellst, die eigentlich „Un-Zeiten“ sind, dann ist das zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern. Eventuell kann das Einschlafen auch mit einer Apnoe zusammen hängen, die im Schlaflabor untersucht gehört. Beim Urlaub in der Schweiz las ich mit leichtem Schmunzeln in der Zeitung die sorgenvollen bzw. auch belustigten Artikel über einen Bundesrat, der wohl beim Parlamentssitzungen hin und wieder einnickt. Wie mag es um sein Gesundheit bestellt sein?

Etwas anders ist es bei solchen, die nicht einschlafen können und deswegen Rosenkranz beten. Rosenkranz als Schlafmittel? Okay, kann man drüber reden. Es ist wohl auf jeden Fall gesünder als Alkohol und unter Umständen sinnvoller als Fernsehkonsum. Die Situation ist jedoch hier eine andere: da will ja jemand einschlafen.

Was jedoch, wenn ich beten möchte und dabei einschlafe?
Papst Franziskus gibt zu, dass ihm so etwas passiert, dass er vor dem Tabernakel einnickt.

Und ich meine, für manche Beterinnen und Beter, die sich über ihren Gebetsschlaf grämen, könnte ein wenig Nachdenken über ihr Gebet angebracht sein. Worum geht es beim Beten, worauf kommt es an?
Leider scheint sich der in unserer Gesellschaft übliche Leistungsdruck für manche auch mit dem Beten zu verbinden. Je mehr, je länger, desto besser. Was gibt es nicht alles für Anliegen, die ins Gebet genommen, vor Gott gebracht werden wollen! Man wird ja gar nicht mehr fertig damit. Ach, wie ärgerlich und peinlich, wenn ich dann darüber einschlafe. Was mag denn der liebe Gott über mich denken, von mir halten? In seinen Augen scheine ich es nicht so ernst zu nehmen...

Tja, und was denkst denn Du über den lieben Gott, wie stellst Du ihn Dir vor?
Der hl. Ignatius empfiehlt eine mehrteilige Gebetsvorbereitung. Zum einen wähle ich mir sorgfältig den Ort und die Zeit und die Körperhaltung für mein Gebet. Und dann – ganz zu Beginn – mache ich mir die Gegenwart Gottes bewusst. Ich erinnere mich daran, dass Gott mich anschaut, mich, sein geliebtes Geschöpf. Diese Vorbereitungsschritte sind hilfreich für das Gebet.

Und vielleicht gerade für den, der dabei einschläft. Denn dann kann ich mich ja beim Aufwachen, anstatt mich zu ärgern, darüber freuen, dass Gott mich auch während meines Nickerchens liebevoll angeschaut hat. Und vielleicht dringe ich sogar zu neuen Dimensionen des Betens vor. Dass ich gar nicht Gott davon überzeugen muss von dem, was er doch tun sollte, dass ich ihm nicht nur all meine Anliegen unterbreiten muss. Sondern dass ich mich beim Beten schlicht in seiner Gegenwart aufhalten darf, von ihm angeschaut. Und eventuell hellhörig für ihn werdend. Für seine Anliegen, sein Leben...

In diesem Sinn wünsche ich Dir und Ihnen einen gesunden, erholsamen und spirituell Frucht bringenden (Gebets-)Schlaf. Frei nach Psalm 127,2: „Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf“.

Samstag, 15. September 2018

Urlaub am Walensee

Zwei wunderschöne Urlaubswochen gehen zu Ende! In einem Ferienhaus von Schwestern in Amden oberhalb des Walensees in der Schweiz hatte ich mein Quartier, gemeinsam mit verschiedenen Schwestern, die auch zum Urlaub hier waren, und durfte von hier aus wandern.

Amden ist die flächenmäßig größte Gemeinde des Kantons St. Gallen und liegt zwischen gut 400 Meter, unten am See, und 2100 Meter – das ist der Leistchamm-Gipfel, auf dem ich vergangenen Mittwoch war.
Und es gibt hier auch ein Asylantenheim. Im Gemeindeblättchen las ich von den über 2000 Arbeitsstunden, welche Asylsuchende im Gemeindedienst gearbeitet haben: bei der Befestigung von Bergwegen, bei der Renovierung des Hallenbades...

An einigen Nachmittagen ist im Asylantenheim „Bergruh“ ein Cafe geöffnet und einige der Urlaubsschwestern waren dort. Und berichteten danach ganz beeindruckt von ihren Begegnungen.
Da war der Mann, der ihnen erzählte, dass er von Beruf Arzt sei. Oder die Kinder, welche mit Straßenkreiden gemalt hatten. Deswegen reichten sie den Schwestern zum Gruß nicht die Hand, sondern hielten den Unterarm hin. Und ein acht Monate altes Baby: ob das wohl auf der Flucht geboren wurde?

Heute wird in der Kirche der Gedenktag der Schmerzen Mariens begangen. Und zu den klassischen sieben Schmerzen Mariens gehört auch der, mit dem Kind Jesus nach Ägypten fliehen zu müssen, um sich vor Herodes in Sicherheit zu bringen. Die Kapelle im Centro Astalli, dem Flüchtlingszentrum der Jesuiten unweit der römischen Kirche Il Gesu hat als Titel: „fuga in egitto“, „Flucht nach Ägypten“. Wie gut, dass die Ordensfrauen bei den Geflüchteten waren. Und dass sie davon erzählen. Und damit wohl etwas gegen die vorherrschende Perspektive einbringen, ein Korrektiv. Weithin scheint an erster Stelle die Aufnahmekapazität von Zielländern zu stehen. Und selbst Papst Franziskus betont, dass es eine Verantwortung gibt, sich um Integrationsfragen zu kümmern. Natürlich reicht es nicht, die Grenzen zu öffnen. Allzu leicht gerät aber die Not aus dem Blick, welche Menschen in die Flucht treibt und welche sie dann unterwegs erfahren, wenn einseitig nur auf die Möglichkeiten der Aufnahmeländer geschaut wird.

Wahrscheinlich würden in Deutschland 20-30000 gut qualifizierte Alten- und Krankenpfleger sofort aufgenommen, zumal, wenn sie bereit wären, für einen geringen Lohn zu arbeiten. Aber darf der Umgang mit Menschen auf der Flucht so vordergründig nur von unserem Bedarf her betrachtet werden? Es geht um Menschen, nicht nur um wirtschaftliche Überlegungen.

Und hier konkret am Ort verbindet uns unser „Gast-Status“: wobei da Unterschiede bestehen zwischen dem Urlauber, der mit seinem Urlaubsgepäck (und mehr oder weniger viel Geld) hier ist und den Geflüchteten, die halt das Notwendigste von zu Hause mit nehmen konnten oder auch das noch unterwegs verloren haben.

„Gäste sind Einheimische auf Zeit“ - diesen Slogan las ich in einem Jubiläumsband über 100 Jahre Tourismus in Amden. Der Band erschien 2002, zum 100jährigen Jubiläum der Errichtung des örtlichen Fremdenverkehrsvereins. Ob wir den Mut haben, diesen auf Touristen gemünzten Slogan auch auf Geflüchtete anzuwenden?