Samstag, 31. August 2019

Vegetarisch und Tierskandal

Linda und Steffi, meine beiden jüngeren Nichten, sind konsequente Vegetarierinnen. Respekt! Ich erinnere mich an meine Pilgerwanderung im Sommer, bei der ich einmal in einem „Jungscharraum“ übernachtete, wo Prospekte auflagen, die eine vegane Lebens- bzw. Ernährungsweise propagierten. Inclusive Kochrezepten für „vegane Spaghetti Bolognese“. Ich habe es im vergangenen Jahr zwei Monate lang vegetarisch versucht und festgestellt, dass ich es ohne Probleme könnte, aber Sr. Teresa Mehrarbeit bereite, weil sie regelmäßig verschiedene Gerichte kochte. Darum habe ich es dann wieder bleiben gelassen. Wobei...

Ich lebe im „Rindvieh-reichsten“ Landkreis Deutschlands. Und der ist zur Zeit in den Nachrichten häufig unter dem Stichwort „Tierskandal“ vertreten. Eine „Soko Tierschutz“ hat erschreckende Bilder aus einem landwirtschaftlichen Betrieb veröffentlicht. Die Bilder haben sich als authentisch herausgestellt und es folgte etwas wie eine „Razzia“ durch die Polizei. Inzwischen sind weitere Betriebe untersucht worden. Und man muss eben wirklich von „Betrieben“ sprechen, es sind keine Bauernhöfe mehr. Im ersten der erwähnten Betriebe gibt es 1800 (!) Rinder.

Ein Mann vom Fach, der lange eine Klosterlandwirtschaft verwaltete, sagte: „Rechne das einmal um auf Beine! Wie viele Beine bei 1800 Rindern zusammen kommen.“ Er meinte, dass da zwei Vollzeitkräfte allein für die Klauenpflege angestellt sein müssten.

Und ob der Computer am Melkstand wirklich so detailliert den Gesundheitszustand einer Kuh erfassen kann?
Bei unserem nächst gelegenen Bauern war ich vor ein paar Wochen und es war gerade eine Kuh geschlachtet worden. Dem Bauern war aufgefallen, dass ihr Gang unregelmäßig war, irgendwie konnte sie nicht mehr richtig gehen. Beim Schlachten trat dann der Eiter beim Hüftgelenk hervor. Kann unter 1800 Rindern ein „unregelmäßiger Gang“ auffallen?

Am Sonntag machte ich einen Besuch und im Bauernhof nebenan hatte gerade eine Kuh gekalbt. Der Bauer schob das junge Tier, nass und blutverschmiert, auf einem Wagen über den Hof. Und so waren wir wieder beim Thema. Muss der Bauer denn beim Kälbern dabei sein?
Einer wusste von einem großen Bauern, der seinen Stall außerhalb des Ortes hat und dem es nicht einfällt, sich seine Nachtruhe stören zu lassen, weil da eventuell eine Kuh zum Kalben kommt. „Und wenn etwas passiert?“ fragte eine ältere Bäuerin. „Was soll passieren? Wenn das Kalb verendet, na ja. Du bekommst € 24.- für ein Kalb, also was soll´s ?“ Der so reagierte, schien mir absolut kein „kaltherziger“ Mensch zu sein. Und ich betone, dass ich keine Ahnung „von Ackerbau und Viehzucht“ habe. Und bestimmt nicht Bauern an den Pranger stellen möchte. Darunter leiden diese gerade hier in unseren Breiten durch die ganzen Skandalmeldungen.

Aber es geht mir um unseren Umgang mit der Schöpfung. Als unsere frühere Küchenchefin Sr. Ewa einmal bei einem Besuch in St. Ottilien im Kälberstall war und die (für sie) niedlichen Tiere sah, sagte sie hinterher: „ich werde nie mehr Kalbfleisch kaufen“. Worin ich sie unbedingt unterstützte.

Vom Chef des oben erwähnten landwirtschaftlichen Großbetriebes wird erzählt – Vorsicht! Das ist keine offizielle Auskunft, ich gebe etwas Gehörtes weiter – dass er in den vergangen Jahren regelmäßig Zeiten in einer Psychiatrie verbrachte. Die einen meinen, weil ihm eben alles über den Kopf wachse. Eine andere Interpretation habe ich aber auch gehört, wonach das zu seinem Krankheitsbild gehört, einfach nicht genug bekommen zu können. Und manchmal frage ich mich, ob das nicht ein Bild für ein „kollektives Krankheitsbild“ mancher Gesellschaft ist.

In unseren Ställen stehen keine Milch und Fleisch und Eier erzeugenden Maschinen, sondern Geschöpfe, Mit- Geschöpfe!

Donnerstag, 15. August 2019

Jugend 2019

Ein freier Tag im Juli! Von Mittwoch Nachmittag bis Donnerstag Nachmittag. Ich fahre nach Hause und besuche meine Mutter. Am Donnerstag Vormittag gehe ich zum Waldsee. Wo mir viele Kinder und Jugendliche auffallen, die scheinbar um den See herum laufen. Zwei Frauen (Lehrerinnen?) sitzen an einer Stelle am Rand und feuern die jungen Leute an.

Als ich nach einer Runde Schwimmen wieder aus dem Gebäude – das in Lindenberg seit alters her „Badeanstalt“ heißt – heraus komme, redet mich ein Jugendlicher von der Seite an: „Grüaß di“. Nach einem Moment der Verwunderung („der ist aber gut drauf!“) schaue ich hin und erkenne in dem Jugendlichen meinen Neffen. Ist der Kerl groß! – wir können uns „auf Augenhöhe begegnen“. Und ich frage ihn: „wer quält Euch denn so bei solchen Temperaturen?“ „Wir machen einen Sponsorenlauf, damit Bäume in Kenia gepflanzt werden können. Für jede Runde gibt es zwei Euro“. „Wie viele Runden hast Du schon?“ „Sechs“. „Und wer sponsert?“ „Die Mama“. Beim Weitergehen sehe ich jede Menge Schülerinnen und Schüler um den See herum laufen.
Andere – ich habe den Eindruck ältere Schülerinnen und Schüler – erinnern ans Trinken: „Wasser konsumieren, um nicht zu kollabieren“ ertönt es wie ein Schlachtruf. Ja, das ist wohl wichtig an einem dieser schwül – heißen Tage.

Zu Hause erzählt mir meine Mutter dann von meiner Nichte, die zur Zeit in Solingen sei. Beim Nachtreffen junger Leute, die „unter dem Dach“ der Fokolarbewegung ein Jahr im Ausland verbracht haben. Katharina war bis Ende Mai ein knappes Jahr in Argentinien und ist nach Solingen gefahren, wo sie unter anderem auch denjenigen, die ihr Auslandsjahr jetzt vor sich haben, von ihrer eigenen Erfahrung erzählen kann. Und hoffentlich ihre eigene Erfahrung selbst ein wenig reflektieren und auch den Organisatoren gegenüber weiter geben kann...

Einen Tag später treffe ich dann bei einer Jugendwallfahrt auf Pfarreiengemeinschaftsebene Marie – zum ersten Mal, seit sie aus Kolumbien zurück ist. Sie verbrachte mit dem Freiwilligendienst der Maristenbrüder ein Jahr dort – und schwärmt. „Ich wollte ja gar nicht mehr zurück – aber zu Hause ist es doch auch schön!“ Marie lade ich ein, ob sie nicht einmal in Maria Baumgärtle von ihren Erfahrungen erzählen möchte. „Klar! Ich habe ohnehin eine Präsentation gemacht, die ich schon zweimal gezeigt habe“. Wir müssen noch die Terminfrage klären. Marie startet im Oktober ihr Studium...

Der Neffe, die Nichte, Marie... Ein anderer Neffe fällt mir noch ein, der sich mit seinen Kumpels ausmachte, sich die Haare bis auf wenige Millimeter zu schneiden. Das taten die fünf dann gegenseitig. Als die beim Anblick des jungen Mannes erschrockenen Eltern fragten, wieso sie denn das gemacht hätten, kam als Antwort: „für den Weltfrieden“. Mir hat sich jetzt nicht erschlossen, wie ernst das ist bzw. was genau hinter der Aktion steckte...

Aber ich habe in der Begegnung mit oder beim Hören von solchen jungen Leuten einen Mut und Hoffnung machenden Eindruck: da ist Engagement da, Nachdenken, Zupacken...

Und ich beginne nachzudenken, mich an meine Jugendzeit zu erinnern. Manches an „religiösem Engagement“ wäre heute schlicht nicht mehr möglich. Regelmäßig ging ich schon als Jugendlicher in die Messe, was bei dem damaligen „Angebot“ (tägliche Früh- und Abendmesse jeden Werktag) von den äußeren Bedingungen her leicht möglich war. Inzwischen habe ich genug Menschen kennen gelernt, die anders aufwuchsen und ohne diesen Bestandteil (Eucharistiefeier) zu einem geistlichen Leben fanden.
Gott sei Dank gab es aber auch in meinem Heranwachsen eine Form sozialen Engagements: in Erinnerung geblieben sind nicht nur mir unsere Einsätze im Landeserziehungsheim für Vorarlberg, dem Jagdberg. Regelmäßig verbrachten wir dort die zweite Hälfte der Karwoche, von Mittwoch vor Gründonnerstag bis Ostersonntag, mit den Jungen im Heim. Und lernten voneinander und miteinander...