… „Fremde“, hieß der Titel, „ein
Bewegungstheaterstück zum Thema illegale Einwanderung“, das sprach
mich an. So fuhr ich hin, am vergangenen Freitag Abend nach Buchs,
ins Kleintheater Fabriggli. Ich war früh dran. Also suchte ich nach
einem Spaziergang, an der nahe gelegenen katholischen Kirche vorbei,
die Wärme und betrat das Theatergebäude.
Im Vorraum waren bereits Leute, eine
angenehme Atmosphäre, gedämpftes Licht, auf dem Tresen verschiedene
Sorten – vermutlich selbst gebackene - „Gipfeli“. Menschen um
runde Partytischchen mit bunt gestreiften Tischdecken bei einem Glas
Wein oder Bier im Gespräch.
Plötzlich trat eine ganze Gruppe
Jugendlicher ein, ich schätze so 14, 15 Jahre alt, immer mehr wurden
es. Jugendgruppe, Schulklasse? Wahrscheinlich letzteres. Als die Zahl
vollständig schien, ging ein Erwachsener, wohl der Lehrer, an die
Kasse, um die Billets zu besorgen. Drei Mädchen neben mir bemerkte
ich, die einige Augenblicke lang damit beschäftigt waren, die Güte
ihrer Lippenstifte zu vergleichen, bzw. die Qualität deren
Anwendung.
Um 20.00 Uhr begann die Vorstellung,
wir wurden in den Theaterraum eingelassen, vielleicht 70 Zuschauer,
die damit die Tribüne auch beinahe völlig füllten. Lustigerweise
hatte ich eine Eintrittskarte ohne Nummer – und die Sitzplätze
waren nummeriert. Auf jeden Fall hatte jemand noch ein Billet mit der
Nummer des Sitzes, auf dem ich saß. Und den auf der Bühne stehenden
Stuhl wollte ich sicherheitshalber nicht in Anspruch nehmen, ohne das
Stück zu kennen:-). Aber es gab noch einen Platz unter den
Zuschauern.
Die Handlung: ein Nachmittag, eine
Nacht und ein Morgen in der Wohnung einer Gruppe illegal
eingewanderter Menschen. Aufführende: das „Zwischentraumtheater“,
sieben junge Schauspieler, vier Frauen, drei Männer, alle etwa Mitte
20 Jahre alt, Absolventen der scuola teatro Dimitri, sie boten eine
hervorragende Leistung.
Ausgeliefert dem horrenden „Mietpreis“
für das Wohnen in einem Loch, auf der Suche nach Arbeit, um leben zu
können, denn schließlich waren sie ja dem Elend zu Hause entflohen.
Wobei das auch Anlass zu Auseinandersetzungen bot. Als der eine von
seiner Familie zu Hause sprach, musste er sich von einer anderen
anhören: „geh zurück! Wieso bist du geflohen? Ich habe niemand zu
Hause!“
Eine der Illegalen hatte Arbeit
gefunden – als Prostituierte. Als sie spät abends die gemeinsame
Wohnung verlassen hatte, ging eine andere, noch eher junge, an das
Schminkzubehör der Prostituierten und trug sich Lidschatten auf. Was
wiederum eine andere, Muslimin mit Schleier, protestieren und das
junge Mädchen ernstlich zur Rede stellen ließ: „tu das nicht!
Willst auch du dich verkaufen?“
Das junge Mädchen tanzte jedoch später
– in diesem elenden Loch, mit der Handykamera von einem anderen
gefilmt, ihren Model-Traum.
An dieser Stelle fragte ich mich, was
wohl in den Köpfen der jungen Zuschauerinnen auf den Plätzen vor
mir vor sich gehe, die sich vor der Vorstellung noch über die
Qualität ihres Make-up unterhalten hatten.
Tragikomisch wurde es, als wir
Zuschauerinnen und Zuschauer einen der Illegalen beim Sprache lernen
erlebten, mit Hilfe einer CD tat er das. Deren Text wurde über den
Lautsprecher eingeblendet. „Familie Bergmann in München hat eine
schöne Wohnung. Mein Kompliment!“ Diesen Text wiederholte der
junge Mann in seinem Loch sitzend – und das „Mein Kompliment!“
hatte sich ihm besonders eingeprägt, er verwendete es auch bei
anderen passenden und unpassenden Gelegenheiten.
Und traurig auch die Szene, als einer
der schon länger in der „Wohnung“ Lebenden einen Neuankömmling
zum Kühlschrank führte, aus dem er etwas Essbares nahm, das er in
der Mülltonne gefunden hatte. Was der Erfahrene nutzte, um dem Neuen
zu erklären, wie sich wohlschmeckende Lebensmittel im Müll finden
lassen.
„Niemand will uns!“, so einer der
Sätze, mit denen das Stück endete.