Samstag, 31. Dezember 2011

Krippenbau

Die letzten zwei Wochen des Jahres 2011 verbringe ich in Baumgärtle. Und versuche, die Mitbrüder dort nicht nur im Beichtdienst zu unterstützen, sondern auch sonst ein wenig mit Hand anzulegen, Blumengestecke zur Gärtnerei zu fahren, damit sie von adventlich auf weihnachtlich umgestaltet werden, Vogelfutter einzukaufen, bzw. die Krippe mit auf zu bauen.

„Die Krippe“, um die es geht, ist eine umfangreiche Krippenlandschaft aus verschiedenen Teilen, deren Aufbau mehrere Stunden in Anspruch nimmt.
Zunächst einmal müssen besagte Teile vom Dachboden ins Erdgeschoss transportiert werden, die Aktion allein kostete Bruder Anton und mich zwei Stunden. Am Abend des Tages fragte ich mich, ob sich dahinter nicht eine starke Symbolik verbirgt. Aus dem Dachboden ins Erdgeschoss... Ist das nicht auch der Weg, den Weihnachten in meinem Leben nehmen will und muss? Damit ich nicht allein verstandesmäßig über das Geheimnis der Menschwerdung Gottes reflektiere, sondern mich auch in meinem Herzen darauf einlasse? Das Aufbauen einer Krippe und das Anschauen, am besten noch mit staunenden Kindern, helfen, diesen Weg zu gehen: vom Kopf zum Herzen!

Gleichzeitig will ich aber Weihnachten auch nicht zu etwas nur Rührseligem verkommen lassen, das Hirn soll durchaus mit beteiligt sein. Auch dazu hilft mir der Aufbau der Baumgärtler Krippe: obwohl die verschiedenen Teile beschriftet sind („rechts vorne, Mitte oben, links hinten etc.“), erfordert es gedankliche Arbeit, diese Teile nicht nur in rechter Weise einander zuzuordnen, sondern das auch noch in der rechten Reihenfolge zu tun. Dieser Teil erfährt noch eine Steigerung, wenn es an die Elektronik – das Fachgebiet von P. Josef – geht. Unter der Krippe verbirgt sich nämlich ein „Kabelsalat“: damit auf einen Knopfdruck hin alle Lagerfeuer flackern, das Licht im Stall leuchtet, das Wasser am Brunnen fließt und die Weihnachtsgeschichte mit passenden Liedern vom Speichermedium her erklingt, müssen die kleinen und größeren Stecker richtig eingesteckt werden.

Am Tag zwei des Krippen-Aufbauens ist es dann passiert: die Teile waren schon aus dem Dachboden im Erdgeschoss und mussten „nur“ noch entsprechend positioniert werden, da habe ich mir am hervorstehenden Kopf einer Schraube die Hand aufgerissen und zu bluten angefangen. So dass ich zunächst einmal nach einem Pflaster gesucht habe, um die Krippenlandschaft nicht zu verschandeln. An vielen Stellen hätte man die Blutflecken vielleicht mit Moos zudecken können, aber nicht an allen. Wenn Ihnen das jetzt nicht überzogen vorkommt, oder gewaltsam interpretiert: vielleicht ist auch diese Erfahrung nicht unwesentlich für das Verständnis der Krippe. Zunächst einmal denke ich mir natürlich: „wenn die Schraube noch ein bisschen mehr hinein geschraubt wäre, der Kopf nicht heraus stünde, dann hätte ich mich jetzt nicht aufgerissen“. Aber vielleicht dann eben doch den Schmerz erfahren beim Tragen eines großen Teiles, der zwar extra Tragegriffe hat, welche aber nicht abgerundet sind und deswegen in die Hände schneiden – ohne Blut, aber schmerzhaft. Nein, nein: der Krippenaufbau ist kein Martyrium, bevor da jemand auf falsche Gedanken kommt. Aber so ganz ohne Schmerz offensichtlich auch nicht zu haben. Und auch dieser Gedanke geht mir nicht aus dem Kopf, diese Erfahrung geht mir nicht aus dem Herzen.

Und dann ist noch etwas beinahe „Klassisches“ passiert: am 24.12. hat das Jesuskind für die Krippe gefehlt, welches natürlich erst an diesem Tag hinein gelegt werden soll. Wo ist das jetzt geblieben? Hat es der Mesner irgendwo „zwischengelagert“? Oder liegt es noch einer Schachtel? Schlussendlich fand es sich... Schon gut, bei aller Aktivität den im Blick zu behalten, um den es letztlich geht..

Ja und mit all dem in mir stehe ich dann vor der Krippe und schaue und staune auf das und den und die vor mir. Und wünsche Dir Leserin, Dir Leser, Gottes Segen für 2012!

Freitag, 16. Dezember 2011

Maria


Auch wenn das jetzt der adventlich – weihnachtliche Post im Blog ist: es geht zunächst einmal nicht um die Frau gleichen Namens aus Nazareth. Obwohl die Vornamen der Eltern „meiner“ Maria dieselben Initialen haben wie die Vornamen derjenigen aus Nazareth: Joachim und Anna heißen die Eltern der Frau aus Nazareth, Javi und Anita die Eltern Marias aus – Madrid.

Maria, die Tochter von Anita und Javi wurde am 13.November dieses zu Ende gehenden Jahres geboren und hatte es dabei ziemlich eilig- gerade noch, dass es die Eltern ins Krankenhaus geschafft haben. Weil ich Anita und Javi aus meinem Jahr in Spanien kannte, nahmen mich meine Mitbrüder gleich am 14.November mit in den sechsten Stock des Mutter-und-Kind-Flügels des riesigen „Hospital 12 octubre“ in Madrid. Ich zauderte zunächst ein wenig: wie ist das denn, wenn wir da gleich zu dritt aufkreuzen? Meine beiden Mitbrüder ließen allerdings meine Bedenken nicht gelten und spätestens als wir angekommen waren, lösten sie sich dann völlig in Luft auf, die Bedenken, nicht die Mitbrüder. Da waren außer uns auch noch Javis Eltern und zwei weitere Verwandte. Und es herrschte eine – wie soll man das nennen? – andächtig dankbare Freude mit Blick auf die Neugeborene, die da im großen Bett ihrer Mutter lag.

„Wie hübsch sie ist!“ kommentierte – fachmännisch – mein Mitbruder Juan Pedro. „Gar nicht so `zerknittert´ wie sonst ein Neugeborenes!“ – da musste ich ihm Recht geben. Da standen wir und freuten uns und die Mama des Neugeborenen freute sich über unsere Freude. Sie natürlich noch etwas gezeichnet von Schwangerschaft und Geburt. Als Diabetikerin hatten ihr die Ärzte während der Schwangerschaft eine strenge Diät verordnet.

Wie faszinierend – dieses Wunder Leben! Wenn ich auf meine Woche Spanien im November zurück blicke, dann erinnere ich mich sehr gerne an die 20 Minuten im Hospital 12 octubre. Obwohl ich ein wenig Tourismus in Madrid betrieb und diesmal auch nach Salamanca gekommen war, dort die wunderschöne Plaza Mayor und die Kathedrale gesehen hatte, prachtvolle Architektur… Kann nicht mithalten mit der kleinen Maria, gerade einen Tag jung. Weil so winzig blieb es dieser wohl auch erspart, von Arm zu Arm gereicht zu werden…

Mir kommen die vielen Touristen in den Sinn, die sich zur Sommer- und Winterszeit durch meine „Lieblingsstadt“ Salzburg wälzen, in der Altstadt Fotos schießen und Mozart ihre Reverenz erweisen. Eltern von Neugeborenen und das Klinikpersonal würden sich bedanken, wenn man diese Touristen alle in den Stadtteil Lehen in die Neonathologie des Landeskrankenhauses umleiten würde. Aber klar: die eigentlichen Wunder sind dort zu finden und zu bestaunen.

Vielleicht ist es das, was vor allen hohen theologischen Überlegungen Weihnachten für viele Menschen seinen Zauber verleiht: „dass Staunen fasse alle Welt ob solchem Wunder der Geburt“. Diese Zeile aus einem adventlichen Hymnus bezieht sich zwar auf die Geburt Jesu, aber jede Geburt, ja, und jedes Menschenleben ist ein Wunder.

Ich wünsche es Dir, gerade jetzt in diesen Wochen: es zu entdecken, das Wunder des Lebens, Deines Lebens und des Lebens der Menschen um Dich herum. Zweifelsohne wird die Begabung zu entdecken gefördert und gemehrt im Blick auf die Geburt dessen, der Mensch wurde als Sohn der – jetzt – anderen Maria, der aus Nazareth.

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Madrid 2011

Im November vorigen Jahres hatte ich Madrid verlassen. Und bin nun nach einem Jahr fuer eine Woche hierher zurueck gekommen, um Mitbrueder und Bekannte zu treffen und eine Woche in die Sprache einzutauchen, um diese nicht zu verlieren.

Meine Aufgabe damals waren die Besuche im Abschiebehaftzentrum (CIE – centro de internamiento de extranjeros) und so interessiert mich vor allem, wie es dort steht.
Schon damals warteten wir auf die Ausfuehrungsbestimmungen zum neuen Auslaendergesetz. Immer noch wird darauf gewartet, obwohl laut Recht diese Ausfuehrungsbestimmungen spaetestens sechs Monate nach der Verabschiedung des Gesetzes erscheinen muessten. Inzwischen sind 20 Monate ins Land gezogen.

Trotzdem gibt es Verbesserungen. Waehrend uns damals nur die nachmittaegliche Besuchszeit zugestanden wurde, was konkret lange Wartezeit und wenig Besuchszeit bedeutete, duerfen die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter “meiner NGO (Pueblos Unidos)” inzwischen am Vormittag in das CIE – Gebaeude. Und sie duerfen dort ohne zeitliche Beschraenkung mit den Menschen reden und auch mehr als eine Person pro Tag besuchen. Ausserdem muessen sie nicht durch die Glasscheibe (wie am Bankschalter) reden, wie es den nachmittaeglichen Besuchern zugemutet wird.

“Wen hast Du heute besucht?” fragte ich Queño. “Zwei aus Mauretanien und einen aus Marokko” erzaehlte er mir. Die zwei jungen Kerle aus Mauretanien kamen mit dem Schiff uebers Meer und wurden, als sie aufgegriffen wurden, als Kapitaene des Schiffes bezeichnet und deswegen wegen Menschenhandels zu Freiheitsstrafen verurteilt. Ob die Anklage berechtigt war, sei einmal dahin gestellt. Auf jeden Fall haben die beiden jetzt ihre dreijaehrige Freiheitsstrafe im Gefaengnis abgesessen und kamen von dort direkt ins Abschiebehaftzentrum.
Einen Tag nach Queños Besuch bekamen wir mit, dass sie frei gelassen und nicht, was die andere Moeglichkeit gewesen waere, abgeschoben wurden. Wobei die Freilassung fuer die beiden ebenso ein Problem darstellte, denn sie waren ja nie in Freiheit in Spanien unterwegs. Das heisst, sie stehen jetzt auf der Strasse in einem fuer sie voellig fremden Land.

Eine der kleineren Parteien, die sich am 20. November zur Wahl stellte, lud zu einer Kundgebung im Madrider Stadtteil Lavapies ein. Es wird die Schliessung des CIE gefordert und fuer jeden der dort einsitzenden 300 Gefangenen soll eine Kerze entzuendet warden. Leider begann die Veranstaltung erst um 23.00 Uhr.

Pueblos Unidos sammelt weiter Daten und Fakten aus dem CIE und wird zum Jahresende wieder einen Bericht vorstellen und an die Presse geben, in dem auf Unregelmaessigkeiten und Fragwuerdiges im CIE hingewiesen wird. Unterstuetzung gibt es inzwischen von einem Untersuchungsrichter, der auch schon einmal Kontrollbesuche im CIE unternimmt.

Auch Agustin traf ich wieder, Pfarrer in der Cañada Real, von jemandem als momentan groesster Drogenumschlagsplatz Europas bezeichnet. Und es ist eben auch die “Favela Madrids”. Konkret erzaehlte Agustin, dass es die Stadt seit Schuljahrsbeginn nicht geschafft habe, fuer die Kinder einen Schulbus zu schicken. Auf der anderen Seite bekommen die Eltern Mahnbriefe mit Strafandrohungen, weil sie ihre Kinder nicht zur Schule schicken. Wie wird das nach den Wahlen mit absehbaren weiteren Kürzungen geraden in den Bereichen Bildung und Soziales weiter gehen?