(Fortsetzung des letzten Post)
Meine Verwandten erzählten mir vor Jahren von ihrem Heimatpfarrer, der – auch das ist keine Ausnahme – seine Predigten immer irgendwelchen Vorlagen entnahm. Einmal soll er beim Lesen dabei eine Seite überblättert und das nicht einmal bemerkt haben. Bezüglich solcher Vorlagen bin ich mir unsicher. Zum einen meine ich, sie gehörten eigentlich verboten. Und ich habe auch viele Jahrgänge von Predigtsammlungen aus den 60er- und 70er-Jahren entsorgt. Jüngere Priester, vor allem solche mit einer anderen Muttersprache, werden natürlich seit Jahren auch im Internet fündig. Wenn sich jemand dadurch anregen lässt: in Ordnung! Aber einfach übernehmen, gar ablesen? Mich graust!
Mir kommt Alois Brandstetters Roman „Die Abtei“ in den Sinn, wo es an einer Stelle um die Predigten eines Paters in der Klosterkirche geht. In der Gegend dort ist es üblich, dass sich die Zuhörenden nach dem „Amen“ des Predigers mit einem „Vergelt´s Gott“ bedanken. Und der Autor beschreibt, wie er das oft genug verstanden hat: nicht im Sinn von „Gott möge Dich belohnen“, sondern „Gott möge es Dir heimzahlen“.
Manchmal knirsche ich auch innerlich ein „Vergelt´s Gott“ in diesem Sinn, wenn ich einer Predigt zuhören musste. Als Zuhörendem fallen mir auch die Reaktionen der Mitfeiernden in den Kirchenbänken während solcher Predigten auf. Die Köpfe drehen sich und die Augen suchen nach interessanten Gegenständen, Bildern, Kunstwerken im Kirchenbau, um diese zu betrachten – innerlich haben die Menschen schon längst „abgeschaltet“. Ein junger Mann aus dem Bistum Regensburg erzählte mir einmal, er habe während der Predigt immer die Bistumsgeschichte im kirchlichen Gesang- und Gebetbuch „Gotteslob“ gelesen, so dass er über diese inzwischen gut Bescheid wisse.
Schließen möchte ich mit einer rühmlichen Ausnahme: in der Kapelle, in der ich seit Monaten regelmäßig mit feiere, wechseln die Zelebranten und Prediger ab. Neulich war ein dunkelhäutiger Priester an der Reihe. Dem es spürbar gelang, die Mitfeiernden anzusprechen. Es war direkt an der Körperhaltung einzelner Menschen wahrzunehmen, die auf einmal Aufmerksamkeit zeigten.
Wie war dem Mann das gelungen? Zum einen hatte ich, hatten wir, vermute ich einmal auch für die anderen, den Eindruck, dass da einer spricht, der sich vom Wort Gottes wirklich hat selbst ansprechen und anfragen lassen. Da labert nicht einer einfach daher, sondern jemand öffnet – ein wenig auf jeden Fall – sein Herz.
Zum anderen sprach der Mann auch seine Zuhörenden an, ganz konkret auch mit der ein oder anderen Frage, die tatsächlich zum Nachdenken anregte. Und zwar Fragen eines Bruders im Glauben, nicht rhetorische Fragen eines Besserwissers. Welch eine Sternstunde, welch eine Wohltat, welch ein Genuss!
Für Missionare vom Kostbaren Blut ist die Wortverkündigung etwas ganz Zentrales. Wobei die Corona-Pandemie mit ihren Begleiterscheinungen da ebenfalls allerhand durcheinander bringt und uns neu fragen lässt. Und manchmal frage ich mich, ob unsere missionarische Aufgabe heute nicht noch viel mehr als bisher schon nicht so sehr im Predigen bestehen sollte, sondern im Anleiten zum gläubig-geistlichen Umgang mit der heiligen Schrift.
Ich selbst werde vermutlich das tun, was ich öfter Menschen in Pfarreien empfohlen habe: „auf der einen Seite ist es schön, wenn Sie in Ihrer Pfarrei den Gottesdienst mit feiern und das Leben der Gemeinde mit tragen. Auf der anderen Seite haben Sie eine Verantwortung für Ihren Glauben, die Sie eventuell auch dazu bringen kann, sich einen anderen Gottesdienstort zu suchen.“ Wahrscheinlich wird in der Nachbarpfarrei besser gepredigt, und so werde ich das einmal ausprobieren, obwohl mir die Frühmesse hier von der Zeit her sympathischer wäre...