Mittwoch, 31. Dezember 2014

Kinder an der Grotte...

Einer unserer jüngsten Pilger im Dezember. Nicht „ein Kind in der Krippe“, sondern ein Kind an der Grotte. Nicht stehen gelassen von seiner Mama, nein. Die war mit dem älteren Geschwisterkind am Opferlichtständer nebenan, um eine Kerze anzuzünden. Ab und zu komme sie mit besonderen Anliegen hierher nach Baumgärtle, so erzählte die junge Frau.

Und der Kleine im Buggy schaute mit seinen großen Baby-Kulleraugen auf die vielen brennenden Kerzen an der Lourdesgrotte im Eingangsbereich unseres Missionshauses. Wenn er etwas größer sein wird, dann wird er es vielleicht wie viele andere Kinder auch machen, denen es in der Kirche langweilig ist. Wenn man die Augen zusammen kneift, dann sieht die Kerzenflamme noch einmal anders aus, als gingen Strahlen von ihr aus. Hast Du es auch ausprobiert, als Du klein warst? Oder machst Du es jetzt noch manchmal?

Einige Wochen später waren zwei andere kleine Pilger da. Die kamen mit ihrem Vater, der die große Krippe bei uns aufstellt. Und während der Papa damit beschäftigt war, packten die beiden ihre Spielsachen aus und spielten an der Grotte: mit einer Puppe und allerhand Matchbox-Autos. Und hatten ihre Freude dabei. „Ich war seine Freude Tag für Tag und spielte vor ihm allezeit“ heißt es im biblischen Buch der Sprichwörter (8,30) und dieser Vers trat mir beim Anblick der beiden Kinder leibhaftig vor Augen.

Im Angesicht des Herrn zu spielen, das wünsche ich uns im Neuen Jahr. Klar, das Leben ist ernst. Aber vielleicht lässt sich manches daran auch spielerisch nehmen. Vor allem im Wissen, dass da einer ist, der mich liebend anschaut...

Montag, 15. Dezember 2014

Das Ehrenamt ehren...

Vorsicht beim Lesen: weder vorweihnachtlich noch politisch korrekt...

„Das Ehrenamt ehren“.
Gut, an dem Gedanken ist was dran. Und doch... Ist das eine „kirchliche Charmeoffensive“ oder der Versuch, zu retten, was noch zu retten ist, die letzten Gutwilligen noch irgendwie bei der Stange zu halten?
Vielleicht muss ich sicherheitshalber einige Vorbemerkungen machen:
ich meine, das Menschen nicht ausgenutzt werden dürfen. Und weiß, dass ohne „unentgeltlich geleistete Arbeit“ so manches in verschiedenen Bereichen nicht möglich wäre.
Für tendenziell richtig halte ich auch, wenn verschiedene Leute für die gleiche Arbeit auch das gleiche bezahlt bekommen.

Und jetzt „das Ehrenamt ehren“ als hehres Vorhaben in manch kirchlichen Kreisen.
Hoffentlich sind „Hauptamtliche“ so wach, dass sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend würdigen. In meiner Zeit als Pfarrer habe ich z.B. den „Neujahrsempfang“ für die Engagierten der Pfarre eingeführt, der sich dort inzwischen etabliert hat und ausgebaut wurde.
Und doch...

Es ist 30 Jahre her, dass Karl Rahner gestorben ist, der sich despektierlich über den „Trachtenvereinskatholizismus“ geäußert hat. Und es sind 50 Jahre seit der Verabschiedung der Konzilskonstitution Lumen Gentium „Über die Kirche“ vergangen.
Wäre es nicht endlich an der Zeit, Kirche ausgehend von unserer gemeinsamen Berufung als Getaufte zu verstehen? Wir sind gleich an Würde, auch wenn wir dann verschiedene Dienste wahrnehmen. Ja, ich weiß, in der Kirche wird am liebsten „auf gehobenen Posten gedient“.

Aber um beim Rahnerschen Trachtenvereinsbild zu bleiben – vielleicht liegt es mir als ehemaligem Schuhplattler und Trachtenvereinsmitglied nahe: soll jetzt der große Gamsbart aufgeteilt werden, damit viele Menschen sich einen kleinen Gamsbart auf den Hut stecken können?
Und laufen wir nicht Gefahr, während wir den Klerikalismus auf der einen Seite bekämpfen, uns darüber freuen, dass Papst Franziskus irgendwelche Ehrentitel abschafft, diesem Klerikalismus durch die Hintertür wieder Einlass zu gewähren in unseren kirchlichen Milieus?

Es ist gut, wenn Menschen, die irgendeinen Dienst übernehmen, sich entsprechend dafür qualifizieren und wenn ihnen die Möglichkeit dazu angeboten wird.
Bei „das Ehrenamt ehren“ beschleicht mich jedoch das Gefühl, als gehe es um eine struktur-erhaltende Strategie. Es gibt immer weniger Hauptamtliche, also müssen die Ehrenamtlichen ran. Und die müssen bei Laune gehalten werden. Jemand muss ja die Arbeit machen.
Wird da etwa ein Lückenbüßertum gefördert?

Müssten wir nicht gerade in der Kirche tiefer ansetzen? Bei echter Partizipation und nicht bei etwas, das allzu leicht in Paternalismus umschlagen kann?
Wir sind als Getaufte alle Berufene. Berufen zunächst zu einem Leben aus dem Wort Gottes und den Sakramenten, das uns geschenkt ist, um „die Welt im Licht seiner Weisheit zu sehen“ (vgl. Schlussgebet des Messformulars vom 9. Dezember).
Klar sollten dann auch die Berufenen miteinander und im Hören aufeinander und den Geist Gottes Entscheidungen treffen können. Und dies nicht nur einigen wenigen vorbehalten sein.

Entschuldigung, aber „das Ehrenamt ehren“ klingt mir in diesem Zusammenhang so funktionärshaft, wie ich mir Kirche eben gerade nicht wünsche.

Sonntag, 30. November 2014

Medikamente

In der letzten Zeit scheint die Demenz unseres Seniors im Haus stärker zu werden. Er ist nicht nur irgendwie verwirrt, sondern auch von einer inneren Unruhe getrieben, die ihn nachts sich auf den Weg machen lässt. Einmal brachte ihn jemand aus der Nachbarschaft zurück, ein anderes Mal hörte ihn einer von uns im Haus an die Tür hämmern. Als er zurück kam, hatte er nicht mehr die (offene) Tür gefunden, durch die er hinaus gekommen war.
Der letzte nächtliche Ausflug des Mitbruders verlief nicht so glimpflich: er stürzte und wurde mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht.
Dabei hatten wir uns natürlich schon vorher Gedanken gemacht, was wir tun könnten. Einfach Türen zu sperren wollten wir nicht und das wäre wohl auch rechtlich heikel: „freiheitsentziehende Maßnahmen“ etc. Der Pflegedienst riet uns, dem Mitbruder ein Beruhigungs- und Schlafmittel verschreiben zu lassen. Was auch geschah. Am Tag nach der ersten Einnahme schien mir der Mitbruder völlig „groggy“ zu sein. Aber insgesamt war das Mittel dann wohl doch zu schwach, wie der Sturz bei einem weiteren nächtlichen Ausflug zeigte.
Was machen die Medikamente mit dem Menschen? „Lesen Sie nicht den Beipackzettel!“ sagte der Herr vom Pflegedienst. Ähnlich sagt es ja auch mancher Arzt. Entgegen dem wohl am schnellsten gesprochenen Satz im deutschen Fernsehen, Sie wissen schon, in der Werbung: „Zu Risiken und Nebenwirkungen...“

Der Mensch wird „eingestellt“ mit Medikamenten, ein leichtes Gruseln überkommt mich immer noch bei dieser Formulierung.
Und in jüngster Zeit habe ich mit Bekannten gesprochen, einem inzwischen geschiedenen Ehepaar, dessen behinderter Sohn jetzt in der Pubertät ist. Und sie kommen nicht mehr zurecht mit ihm. Und überlegen die Unterbringung in einer passenden Einrichtung. Wobei der Junge offensichtlich so mühsam ist, dass ihn auch nicht jede Einrichtung aufnehmen will. Und ich sah dem Vater an, wie er mit sich selbst am ringen ist. „Es gibt ein Haus, in dem er schon einmal war. Aber dort stellen sie ihn einfach ruhig. Es tut mir weh, wenn ich meinen Sohn dann so sehe...“

Vor kurzem wiederum eine 79jährige Frau über ihre ein Jahr ältere Schwester: „der geht’s immer gut, die ist immer happy, die ist einfach gut eingestellt“ - und auch hier war die Medikamentendosierung gemeint.

Ich lasse jetzt einmal das Thema Doping außen vor.

So sehr mich diese „Einstellung“ einerseits befremdet, andererseits kam mir ein weiterer Gedanke. Ich hoffe, dass das niemand jetzt für „total schräg“ oder unangebracht hält. Die Eucharistie wird manchmal als „Arznei der Unsterblichkeit“ bezeichnet. Und regelmäßig nehmen viele diese Arznei zu sich. Ob sie uns auch „einstellt“? Nicht zu einem oberflächlichen „happy-Sein“. Aber dazu, die Welt mit den Augen Jesu zu sehen, so zu leben wie er...

Es gibt die bildliche Darstellung von Jesus als Apotheker, welcher aus der Gnadenapotheke der Sakramente diese und andere Heilmittel austeilt.
Ich möchte keinem magischen Sakramentenverständnis das Wort reden, nein. Und ich will auch keineswegs die Eucharistie verdinglichen.
Aber darf sich ihre verwandelnde Kraft in mir bemerkbar machen und zeigen? Der Same der Auferstehung ist schon in mich hinein gelegt...

Bei der „Einstellung“ mit Medikamenten stellt sich zu Recht die Frage nach der Veränderung der Persönlichkeit. „Ich kenne meinen Mann nicht mehr“ ist da unter Umständen zu hören.

Im Gegensatz dazu hilft uns die „Arznei der Eucharistie“, das in uns angelegte Potential zur Entfaltung zu bringen, tatsächlich „ich selbst“ im Vollsinn des Wortes zu sein.

Samstag, 15. November 2014

Kino und Kirche

Vorgestern war im Cineplex Memmingen Kino-Gottesdienst. Mit Ausschnitten aus dem Film K-Pax. Nach dem Gottesdienst wurde dann der Film in Gesamtlänge gezeigt.

Mit einigen Ordensschwestern, vorwiegend etwa meines Alters, saß ich vor einem Monat in gemütlicher Runde zusammen. Und neben anderem kamen wir auch auf Filme zu sprechen, die wir im Kino gesehen hatten. Die eine diesen, die andere jenen usw. Als ich bemerkte, dass eine ältere Schwester sich nicht am Gespräch beteiligte, wollte ich sie auch „herein holen“, am Gespräch beteiligen. Ich weiß nicht mehr genau den Wortlaut meiner Frage, auf jeden Fall sagte sie: „Ich bin noch nie im Kino gewesen“. Wobei sie das nicht enttäuscht oder traurig sagte. Also gar kein Ausdruck von „zu kurz gekommen, womöglich etwas verpasst haben“. Was mir zugegebenermaßen gefiel und mich auch nachdenklich machte.

Ich erinnerte mich daran, wie ich bei einem Treffen von Ordensmännern in Italien von meiner Erfahrung in Spanien erzählt hatte. Ein Detail dabei war, dass mich die jungen spanischen Mitbrüder manchmal noch abends um 21.00 Uhr ins Kino mitnahmen – eine für mich damals neue, ungewohnte Erfahrung. Aber klar – ich ging mit. Und nachdem ich davon beim Ordensmännertreffen in Italien erzählt hatte, bekam ich nicht nur Komplimente, nein, ein älterer Pater nahm mich zur Seite und sagte mir mit ernstem Blick und etwas vorwurfsvollen Ton: „ich halte das gar nicht für richtig, dass wir Ordensleute ins Kino gehen!“

Irgendwann las ich, dass frühere kirchliche Verlautbarungen tatsächlich vor Film und Kino warnten und vermutlich war der Kinobesuch teilweise auch für manche Gruppen verboten – ich kann es an dieser Stelle nicht belegen. In neueren kirchlichen Verlautbarungen wird das Kino positiv als Ausdruck von Kultur verstanden, welches die Auseinandersetzung lohnt.

Während meiner Zeit als Pfarrer in Salzburg habe ich hin und wieder Menschen in der Pfarre von einem Film erzählt, den ich im Kino gesehen hatte und bisweilen dadurch erreicht, dass auch andere den Film ansahen und wir hinterher darüber ins Gespräch kamen.

Solche Formen gibt es ja auch institutionalisiert: Menschen, die miteinander ins Kino gehen und sich hinterher zusammen setzen, um darüber ins Gespräch zu kommen. In Madrid nannten wir das „cine-forum“ und ich fand das gar nicht schlecht, wie dabei sehr unterschiedliche Menschen ins Gespräch kommen und sich mit dem jeweils persönlich Wahrgenommenen gegenseitig bereichern konnten.

Ebenfalls in meiner Salzburger Zeit gab es eine Ordensfrau, die davon sprach, dass sie gerne einmal mit Harry Potter Exerzitien geben würde. Das war zur selben Zeit, als andere Kirchenleute mit Harry Potter nur Teufelszeug verbinden konnten.

Einer, der regelmäßig „Filmexerzitien“ gibt, hat jüngst ein Buch vorgelegt, welches laut Untertitel „eine ignatianische Anleitung zum Beten“ sein will. Und natürlich werden in diesem Buch Filme erwähnt, die auf dem Gebets-, bzw. Exerzitienweg hilfreich sein können.

Und ich merke auch, dass mich an Krimis im Fernsehen nicht nur „der Fall“ an sich interessiert, sondern auch das Drumherum. Bisweilen ist es aufschlussreich, welche gesellschaftlichen Erscheinungen und Tendenzen da mit verpackt sind: das Verständnis von Beziehungen untereinander, Fragen von Immigration und Inkulturation, der Umgang mit neuen Medien und sozialen Netzwerken usw.





Freitag, 31. Oktober 2014

Xaver und Olga

„Tschüss Uroma“ sagt die Kleine und winkt mit ihrem Händchen dem Sarg zu, vor dem sie mit ihrer Mama gemeinsam steht. Drei Tage zuvor stand sie vor dem Sarg des Uropas. Da hatte ihr der Opa gezeigt, wie das mit dem Weihwasser funktioniert. Jetzt konnte sie es schon. Für den Uropa hatte sie wohl noch ein Bild gemalt, das sie zum Sarg legte. Nachher meinte die Großtante: „wahrscheinlich hält die Kleine nach dieser Erfahrung Beerdigungen jetzt für etwas ganz Normales und wartet auf die nächste. Ist ja schön, wenn so viele Leute zusammen kommen und man hinterher noch gemeinsam im Gasthaus sitzt“.

Kurz hintereinander waren sie also gestorben, Xaver und Olga. Nach 62 gemeinsamen Ehejahren. Sie war schon längere Zeit dement. Aber dass ihr Ehemann starb, das hat sie wohl doch „mit bekommen“, oder gespürt. Und wollte dann auch nicht mehr.

So gingen wir nach Xavers Beerdigung am Mittwoch, bei der wir auch für die sterbende Olga gebetet hatten noch zu ihr ins Altenheim: der Sohn, eine Enkelin und ich, um ihr die Krankensalbung zu spenden und bei ihr und für sie zu beten. Ein ganz dichter Moment. Am nächsten Morgen starb sie.
„Das was wir Zufall nennen ist vielleicht die Logik Gottes...“ schrieben die Kinder dann über die Todesnachricht der Mutter.

Natürlich war es eigenartig: mittwochs den Vater und Opa und samstags die Mutter und Oma zum Grab zu tragen. Und doch war es auf eine gute Weise anrührend.
Von der verstorbenen Mutter hatten die Kinder geschrieben, dass sie die „Strick-Oma“ war: Kinder und Enkel hatte sie mit Pullovern, Jacken und Socken versorgt. Wie freute ich mich, als ich sah, dass der Sohn zur Beerdigung seiner Mutter in einer gestrickten Jacke erschien. „Egal, was die Leute am Ort dazu sagen“.

Und wir legten Sonnenblumen nieder, an Xavers und an Olgas Sarg. Ein leuchtendes Zeichen froher Dankbarkeit. Das war für mich überhaupt die vorherrschende Stimmung an den beiden Begräbnistagen.
Bei Olgas Begräbnis hielt ich nach Xavers Holzkreuz Ausschau - und fand es nicht. Bis mir auffiel, dass auf dem Holzkreuz, das ich sah „Olga und Xaver“ stand. Der Sohn hatte dem Bestattungsunternehmer erklärt, er könne sich schlecht zwei Kreuze vorstellen, das sähe ja aus wie ein „beginnender Heldenfriedhof“. Und der Bestatter hatte die Idee, die Schrift vom Kreuz zu lösen und eine neue Schrift anzubringen, eben die Namen beider Verstorbener. So war es dann. Und es war richtig so.
Der Kirchenchor sang jeweils schöne und passende Lieder bei der Feier der Eucharistie in der Kirche. Ein Diakon verkündete das Evangelium. Und für Olgas Begräbnis hatte der Pfarrer sehr passend als Lesung einen Abschnitt aus dem ersten Kapitel des Buches Rut ausgewählt, wo erzählt wird, wie Rut sich nicht von ihrer Schwiegermutter Noomi trennen will. „Dränge mich nicht, dich zu verlassen und umzukehren. Wohin du gehst, dahin gehe auch ich, und wo du bleibst, da bleibe auch ich. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe auch ich, da will ich begraben sein. Der Herr soll mir dies und das antun – nur der Tod wird mich von dir scheiden“ (Rut 1,16f.).

Nach dem Begräbnis des Vaters hatte ich mich mit dem Sohn darüber unterhalten, dass ja eigentlich die Auferstehungshoffnung das Begräbnis eines Christen prägen sollte und er sich mit der schwarzen Farbe schwer tue, wie sie etwa auch an Allerheiligen vorherrschend ist. Weil diese Farbe eben dann eindeutig nicht nur mit festlicher Eleganz zu tun hat, sondern Ausdruck der Trauer ist.
Die beiden Begräbnisse von Xaver und Olga atmeten den Duft der Auferstehung – und es passte zum Leben, welches die beiden gelebt hatten.

Mittwoch, 15. Oktober 2014

Zugbegleiterin

Neulich abends im Zug von Memmingen nach Mindelheim. Die Zugbegleiterin fragt einen jungen Mann nach seiner Fahrkarte – er sucht sie, vergeblich. Mit dem Gerät, das sie bei sich trägt, druckt sie ihm etwas aus, womit er innerhalb von 14 Tagen einen bestimmten Betrag überweisen kann. Er hat wohl nicht genug Geld bei sich. Falls er nicht, so erklärt sie ihm freundlich, seine Fahrkarte noch während der Fahrt findet und ihr zeigt. Dann erübrigt sich das andere natürlich.
Der junge Mann saß schon in einem anderen Zug, vor dem Umsteigen in Memmingen, in meiner Nähe. Und auf dem Bahnsteig in Memmingen sah ich ihn mit anderen jungen Männern, die seine Hosentaschen untersuchten. Und ich war skeptisch, ob er überhaupt eine Fahrkarte hatte. Die Freundlichkeit und Höflichkeit der Zugbegleiterin erzeugten von daher fast ein wenig Gewissensbisse in mir.

Danach sah ich, wie die Zugbegleiterin im Zug Abfall aufzuräumen anfing. Nanu! Muss sie das überhaupt? Andere würden das vielleicht dem Räum- und Putzpersonal überlassen. Nein, sie findet etwas auf dem Boden und wirft es in den Abfallbehälter. Dann eine Zeitung, die sie in den Altpapierbehälter gibt. Und schließlich eine auf dem Boden herum rollende Bierflasche. Sie hebt sie hoch, hält sie gegen das Licht. Offenbar ist noch ein Rest Bier drin. So geht sie mit der Flasche zur Toilette, gießt den Rest aus und wirft die Bierflasche in den Altglasbehälter. Allerhand!

Als sie mit der Bierflasche an mir vorbei geht, sage ich zu ihr: „Sie sind wahrscheinlich froh, dass die schlimme Zeit vorbei ist?“ „Oktoberfest?“ fragt sie und ich nicke. Worauf sie etwas mit den Augen rollt und dann sagt: „aber die Trachten waren schön!“ Und dabei bekommen ihre Augen ein Leuchten. „Wirklich?“ frage ich, weil ich in den vergangenen Wochen auch allerhand Menschen in Lederhose oder Dirndl auf dem Weg zum oder vom Oktoberfest in München gesehen habe und nicht immer so von der „Schönheit der Tracht“ überzeugt war. „Doch“, sagt sie, „wenn sich die Leute nicht nur schon am Morgen voll laufen lassen würden!“

Die Begegnung mit dieser Zugbegleiterin geht mir nach. Manchmal steht ja hinter meinem Namen als Berufsbezeichnung „Exerzitienbegleiter“. Sie begleitet Züge und ich Exerzitien. Besser: sie begleitet Menschen in Zügen und ich in Exerzitien.
Und da finde ich die Fähigkeit der Frau beachtlich, sich nicht über die Besoffenen zu ärgern, sondern sich über deren Trachten zu freuen. Nicht weil ich es in Exerzitien mit Besoffenen zu tun hätte. Nein, wegen der Blickrichtung. Mit denjenigen, die Exerzitien machen, blicke ich auf ihre Wirklichkeit. Und es geht beileibe nicht darum, diese irgendwie zu verklären. Aber eventuell sieht sie aus einem anderen Blickwinkel auch noch einmal anders aus. Vielleicht lässt sich eben außer dem Bier auch die Tracht entdecken.

Das Gespräch mit der Zugbegleiterin ging an der Stelle nicht weiter. Als ich in Mindelheim ausstieg, sagte sie mir: „kommen Sie gut nach Hause!“. Worauf ich mich bei ihr verabschiedete: „und ich wünsche Ihnen noch einen guten Rest-Dienst und dann einen guten Feierabend!“.

Dienstag, 30. September 2014

Tierische Urlaubsnachlese...

Kühe! Jede Menge Rinder... Mit und ohne Glocken und Schellen traf ich sie an. Und – ich gebe es zu -, nachdem ich den Sommer über einige Male von Todesfällen durch angriffslustige Rinder gelesen hatte: ich war ein wenig vorsichtig. Einmal liefen zehn auf ein Gatter zu, auf dessen anderer Seite ich stand. Und zunächst konnte ich das Gatter nicht öffnen, die Kühe ließen sich nicht weg schieben, es dauerte, bis sie sich verzogen.
Weiter oben lief, ja sprang eine muntere Kuh auf mich zu, als sie mich sah. Was mich auch etwas nervös machte. Gott sei Dank bremste sie rechtzeitig.

Zwei prächtige Steinböcke sah ich und jede Menge Murmeltiere. Am Portjoch, wo ich die österreichisch-italienische Grenze überschritt, da pfiffen sie und reckten die Köpfe.
Beim Abstieg vom Portjoch reckte ein anderes Tier seinen Kopf, bei dem mir wiederum mulmig wurde: eine etwa 60 cm lange schwarze Schlange, ich vermute eine Viper. Am Rand des Weges lag sie und ich schob zunächst einen Stein in ihre Richtung, damit sie sich fort bewege. Sie ließ sich jedoch davon nicht beeindrucken, so dass ich mich entschloss, in einem kleinen Bogen an ihr vorbei zu gehen. Weit genug, damit sie nicht plötzlich in Richtung meiner Füße nach vorne schnellen könnte. Tat sie auch nicht. Sie hob eben nur ihren Kopf und zischte...

Was gab´s noch? Einen kleinen Dinosaurier. Allerdings aus Metall und Kunststoff. Als ich vom Gampenpass herunter kommend das Tier sah, plötzlich nach einer Wegbiegung tauchte es auf, erschrak ich allerdings auch kurz. Danach aber hielt ich auf einer Bank neben dem Tier meinen Mittagsschlaf. Vom Gampenpass herunter gibt es einen „Schöpfungsweg“ und der Dinosaurier gehört zum Anschauungsmaterial desselben.

Am selben Tag wurde mir klar, dass ich das deutschsprachige Gebiet hinter mir gelassen hatte und im italienischsprachigen angekommen war. Ein Kettenhund ließ mich nicht passieren. Und ein Bauarbeiter beim Haus legte den Winkelschleifer auf die Seite und gebot dem Hund Ruhe. Als ich den Bauarbeiter auf deutsch nach dem Weg fragte, sagte er nur „italiano?“.

Mäuse, viele tote und eine lebendige waren auch anzutreffen. (Bei den Fröschen war das Verhältnis ähnlich...)

Und eine Ratte. Judiths Ratte. Judith ist die 13jährige Tochter einer der Vermieterinnen unterwegs. Die Mutter hatte schon erzählt, dass sie noch einen Kuchen backen müsse für die Geburtstagsfeier ihrer Tochter. Und als ich bezahlte, da lernte ich Judith kennen und auf ihrer Schulter saß eine Ratte. Ein Geburtstagsgeschenk, wie sich heraus stellte. Obwohl Judith auf einem Bauernhof daheim ist, wo es einen Hund, Katzen, Hasen, Schweine und Kühe gibt, wünschte sie sich eine Ratte. „Die nimmst du aber jetzt nicht mit in die Schule?“ fragte ich sie. Worauf sie den Kopf schüttelte. Und ihre Mutter meinte, vielleicht wäre das aber gar nicht schlecht. („Wie bitte?“, dachte ich mir.) Die Mutter erzählte, dass ihre Tochter Judith in einer ziemlich wilden Klasse sei, mit einigen Rabauken, die immer wieder zuschlagen. So dass Judiths Mutter den Lehrern im Vorjahr vorgeschlagen hatte, im Klassenzimmer einen Brutkasten aufzustellen, mit Eiern, aus denen kleine Hühner schlüpfen sollten. Die Lehrer hatten zugestimmt.
Was geschah? Die Kinder waren höchst fasziniert von diesem Brutkasten. Das zaghafte Piepsen der schlüpfenden Küken ließ es in der ansonsten lauten Klasse mucksmäuschenstill werden. Und die Küken, die nicht überlebten, rührten gerade die wildesten Typen der Klasse zu Tränen.

Sonntag, 31. August 2014

Urlaub!

Liebe Leserinnen und Leser dieses Blogs,

             es ist Urlaubszeit und den nächsten Post in diesem Blog gibt es - so Gott will - Ende September!
Gute Zeit und Gottes Segen,
P. Alois

Freitag, 15. August 2014

199

Der Countdown läuft! Die Gemeinschaft der Missionare vom Kostbaren Blut wurde vor 199 Jahren gegründet, am 15. August, – 2015 feiern wir unseren 200. Geburtstag.
Und was tut man am Geburtstag außer feiern? Zurück und voraus schauen.

Beim Zurück-Schauen meine ich, lassen sich viele Motive finden, um von Herzen zu danken. Ohne dabei Negatives auszublenden.

Beim Voraus-Schauen könnte einem unter Umständen mulmig werden. Zumindest, wenn wir die europäische Situation ansehen. Ich persönlich kann das ungute Gefühl nicht verhehlen, seit meinem Eintritt in die Gemeinschaft vor 30 Jahren einer der jüngsten zu sein. Das war ich damals und das bin ich heute. Und da stimmt etwas nicht.

Eine beeindruckende Jahrgängerin von mir ist Ordensfrau, Franziskanerin und zudem diplomierte Theologin und promovierte Psychologin. Und mir leuchtet es ein, wenn sie sagt: „der Gehalt der Orden wird bald nur noch in einer neuen Gestalt zu haben sein oder gar nicht mehr.“ Vielleicht können einen solchen Befund eher Menschen meiner Generation feststellen. Wenn er stimmt, dann müssen wir uns dagegen wehren, eine bisherige Gestalt festhalten zu wollen. Das passiert viel zu oft und leider geht manches kaputt dabei und der notwendige Aufbruch kann überhaupt nicht gelingen.

Es geht um den Gehalt, nicht um die Gestalt!

Voller Enthusiasmus haben mir die spanischen Mitbrüder, mit denen ich ein Jahr lang zusammen leben durfte, von der Entwicklung der „Familie der Missionare vom Kostbaren Blut“ in ihrem Land erzählt. Und auch wenn ich südländische Übertreibung abziehe, bleibt da ein Kern: verheiratete und unverheiratete Frauen und Männer möchten mit leben und sich engagieren...

Wenn es stimmt, dass Gott der Menschheit durch eine bestimmte Spiritualitätsform oder ein Charisma ein Geschenk machen wollte, dann geht es um diesen Inhalt und nicht darum, eine zeitbedingte Verwirklichung partout aufrecht erhalten zu wollen.

Schon länger denke ich mir, dass Gott das durch Jahre hindurch an ihn gerichtete Gebet vieler Menschen um geistliche Berufe sehr wohl erhört hat. Aber halt anders, als viele der Betenden es sich vorstellen. Gerade aufgrund meiner Bekanntschaft mit vielen Betenden komme ich zu diesem Schluss. Wir haben die geistlichen Menschen oft schon geschenkt bekommen, wenn sie auch nicht alle in einen Orden oder in ein Priesterseminar eingetreten sind. Wobei wir diese Formen in irgendeiner Form zweifelsohne weiter brauchen werden. Aber zu gedankenlos versuchen wir in der Kirche oft, das Bisherige oder oft schon Überholte aufrecht zu erhalten. Ohne uns die ungemütliche Frage nach dem zu stellen, was Gott denn vorhat.

Als Jugendlicher gehörte ich zum „Jugendkreis der Missionare vom Kostbaren Blut“. Und ich erinnere mich an eine Diskussion darüber, was man unter einem „jungen Missionar vom Kostbaren Blut“ verstehe. Ist das jetzt ein Ordensmitglied? Oder ist das ein junger Mann, der in seiner Welt der Schule, des Studiums, der Arbeit die Spiritualität der Gemeinschaft der Missionare vom Kostbaren Blut zu leben versucht?

Kloster zum Schnäppchenpreis“ titelten vor wenigen Tagen die Stuttgarter Nachrichten einen Artikel, in welchem vom mühsamen Verkauf von Ordenshäusern berichtet wurde. Klar: wer braucht so etwas und wer kann es sich leisten? Und auch: wer soll es bekommen und wer darf es auf keinen Fall erwerben? Bei all den Schmerzen, die mit solchen Verkäufen und Loslösungsprozessen einher gehen: sind sie nicht notwendig für das Sichtbar-Werden und Sich-Heraus-Kristallisieren einer neuen Gestalt für den „alten Gehalt“?
Ich kenne meine Pläne, die ich für euch habe – Spruch des Herrn -, Pläne des Heils und nicht des Unheils; denn ich will euch eine Zukunft und eine Hoffnung geben.“ (Jer 29,11)

Donnerstag, 31. Juli 2014

Traumberuf

„Du hast doch einen tollen Beruf!“ sagte mir neulich meine Mutter, nachdem sie in der Zeitung ein Foto von der Kinderwallfahrt in Maria Baumgärtle gesehen hatte. Stimmt! Ich kann es bestätigen, wenn natürlich auch nicht alle Tage gleich sind.

Vorige Woche war jedoch wieder ein solcher Tag, der mich vor allem dankbar sein lässt.
Wir feierten die Eiserne Hochzeit eines Paares. Eine Tochter war vorher bei mir und hatte mir den von ihr vorbereiteten Gottesdienstentwurf gezeigt, den wir genau so nahmen. Nachdem die Eltern mit 85 und 92 Jahren nicht mehr so ganz beweglich sind, war der Plan, im Wohnzimmer einer anderen Tochter einen Wortgottesdienst zu feiern.

Als ich dorthin kam, war alles vorbereitet. 15 Stühle standen im Kreis: das Jubelpaar, drei Töchter und ein Sohn mit ihren Partnern, drei Enkelkinder, zwei Urenkel, einer davon im Buggy auf dem Boden, zwei Schwestern der Jubilarin. Und die Mitte im Raum wunderschön vorbereitet.
Eine der Enkelinnen, Mutter der beiden kleinen Urenkel, übernahm die Begrüßung, hielt die in der Mitte liegenden Gegenstände hoch: das Hochzeitsbild („war ich nicht eine hübsche Braut?“ kommentierte die Jubelbraut und erzählte, dass das Brautkleid von der Cousine war, „1949 hat man doch nichts gehabt!“), ein Ährenbündel als Zeichen für die Landwirtschaft, die das Leben des Paares bestimmt hatte („schon am Tag nach der Hochzeit haben wir Getreide geerntet“), ein Glas Wein, welches der Vater gerne trank oder trinkt, ein Kreuz als Zeichen für den Glauben („ohne den wäre ich unter gegangen“, sagte die Frau).

Dazu hatte ich die Hostienschale gestellt. Und mir kam der Ort so passend und würdig vor! Schon allein die Runde der im Kreis versammelten Menschen. Und dann noch die symbolischen Gegenstände in der Mitte. Ein Ort der Gegenwart Gottes! Schon bevor die Eucharistie in der Mitte lag!

Zwei Enkelinnen begleiteten die Lieder mit Gitarre und Querflöte. Und als ich zum Kreuzzeichen einlud, schaute der kleine Urenkel Jakob, ich schätze so zwischen zwei und drei Jahren alt, ganz aufmerksam, was die da alle machen. So lernten Kinder einmal glauben: durch den praktischen Mit-und Nachvollzug dessen, was „die Großen“ machen. Klar muss das Ganze dann inhaltlich gefüllt und persönlich adaptiert werden.

Der Sohn las die Lesung (Phil 4,4-9) – wie gut passte das. Nach den von den Enkelinnen gebeteten Fürbitten und dem Vater unser, bei dem wir uns im Kreis die Hände reichten, lud ich zum Friedensgruß ein, zu dem wir uns Zeit ließen. Und dann empfingen die Feiernden die Kommunion.

Mehrmals während der Feier hatte ich zu schlucken und spürte den berühmten „Kloß im Hals“. Ich darf da als „Nicht-Familienmitglied“ bei so einer dichten Feier dabei sein und bekomme ziemlich selbstverständlich eine Rolle in dieser Feier. Welch ein Geschenk, welch ein Grund zur Dankbarkeit.

Hinterher erzählte mir dann der „Jubelbräutigam“ noch Geschichten von ganz früher, die mit Maria Baumgärtle zu tun hatten und deswegen natürlich interessant waren. Und dann wollte ich doch auch noch den kleinen Urenkel, der vorher im Buggy gelegen und mich schon angestrahlt hatte, einmal halten. Seine Oma gab mir noch Anweisungen, den Kopf des Kleinen etwas mit der Hand zu unterstützen, weil er das selbst noch nicht könne.

Weil ich weitere Termine hatte, verabschiedete ich mich bald, obwohl ich auch zum Festmahl, das gleich in der Küche neben dem Wohnzimmer, wo wir zuerst gefeiert hatten, eingeladen worden war. Wobei ich sehr dankbar war, zu Fuß unterwegs zu sein und den Heimweg zum „Nachklingen“ zu haben.

Dienstag, 15. Juli 2014

Räume

„Tag der offenen Architektur“: seit ich einem der Architekten begegnet bin, der als junger Mann die Kirche in Salzburg mit gestaltet hat, in der ich drei Jahre lang Gottesdienste feiern und beten durfte, ist das für mich ein Thema. Es gibt eben nicht nur „Designer-Möbel“, es gibt auch „Designer-Architektur“. Nicht eine, die sich abhebt um des Sich-Abhebens willen, der Extravaganz frönend. Nein: durch schlichte Eleganz überzeugend – wie etwa im Fall der besagten Salzburger Pfarrkirche.
Die vor nicht langer Zeit renovierte Kirche St. Moritz in Augsburg „hat auch etwas“...

Welche Räume sind förderlich und welche hinderlich? Das mag subjektiv verschieden empfunden werden. Als vor kurzem die Untersberger Riesending-Schachthöhle eine gute Woche im Mittelpunkt des Medieninteresses stand, da konnte ich immer wieder hören: „nicht für viel Geld würde ich da hinein gehen“. Und dann wurde als Gegenbeispiel einer zitiert, der sich in Höhlen geborgen fühlt wie im Mutterschoß.

Ich hatte es vor kurzem mit 50 12-13jährigen zu tun, die in einem engen Raum in sechs oder sieben Stuhlreihen hintereinander saßen, bei einem Programm, das sie nicht unbedingt brennend interessierte. Und auch ich schaffte es dann kaum mit allen nur möglichen Tricks, etwas Aufmerksamkeit zu finden. Da mögen mehrere Faktoren eine Rolle gespielt haben: einer war – da bin ich mir sicher – auch die Raumsituation.

Auf der anderen Seite feierte ich am Abend desselben Tages Gottesdienst mit einer bunt zusammen gewürfelten Gemeinde, auch Jugendliche darunter, in einem kleinen Kirchenraum und bekam nachher bestätigt, wie hilfreich schon eben dieser Raum gewesen sei. Im Gegensatz zur „Riesen-Kirche“, welche die Frau sonst bei gottesdienstlichen Feiern erlebt, ein Raum, in dem sich die Menschen verlieren.

Und dann war ich, an Architektur interessiert, in der „Ha11e“, einem „Oldtimer-Hotel“ hier in der Nähe: dort können Leute ihr Auto in einer klimatisierten und beheizten Halle mit Luftreinigung (Ionisierung) und (natürlich!) Sicherheitsüberwachung abstellen. Und da stehen einige Ferraris und Porsches.

Am Morgen desselben Tages hörte ich, dass die Stadt München sich entschieden habe, angesichts zunehmender Flüchtlingsströme zunächst einmal keine Zeltstadt zu errichten, sondern auf Fahrzeughallen zurück zu greifen. Wobei die Zeltstadt als Idee noch nicht grundsätzlich verabschiedet ist. Wohin mit den Menschen, wohin mit den Autos?

Wie sagte doch schon mein früherer Heimatpfarrer, als man ihn von der Notwendigkeit der Feuerbestattung überzeugen wollte, weil das ja schließlich eine Platzfrage sei: „für eine Garage findet sich immer noch Platz“.

Unvergessen bleibt mir die Schilderung eines Ehepaares über dessen ersten Urlaubstag. Er ist Architekt, auch von ihm kenne ich einen Kirchenbau, der mich sehr anspricht. Das Ehepaar fuhr also in Urlaub – ich weiß nicht mehr wohin. Und den ersten Urlaubstag verbrachten die beiden damit, die Möbel in ihrem Zimmer oder Appartement umzustellen. Es war ihnen nötig erschienen, um sich die restliche Urlaubszeit dann wohl zu fühlen. Ob es der Vermieter hinterher so gelassen hat?




Montag, 30. Juni 2014

Lebensschutz

Nein, dieses Thema wollte ich eigentlich umgehen. Zu naiv, zu vereinfachend scheinen mir viele Lebensschützer. Manches finde ich fragwürdig, was da geschieht. Gefallen hat mir, wie ich den früheren Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser erlebt habe: die Schönheit des Lebens aufzuzeigen und zu feiern. Wobei gerade Erzbischof Alois der früheren Salzburger Landeshauptfrau auch die Stirn bot und sich von ihr nicht öffentlich auszeichnen lassen wollte. Von ihr, welche regelmäßige Abtreibungstermine am Salzburger Landeskrankenhaus möglich machte.

Also, ich wollte diesem Thema ausweichen. Aber jetzt erschüttern mich die Berichte aus der westirischen Stadt Tuam, wo ein Massengrab mit Kinderleichen entdeckt wurde. Genauer gesagt – und das, ich gebe es zu, bewegt mich vor allem: wieder entdeckt!

Erstmals entdeckten in den siebziger Jahren Kinder beim Spielen die Skelette. Doch ihre Schilderungen lösten keinen Schock oder Skandal aus. Stattdessen segnete ein Pfarrer das anonyme Massengrab, und es wurden einige Blumen gepflanzt. Die damalige Einstellung: Gras über die Sache wachsen lassen. Fassungslos reagierte dagegen unter anderem der irische Pater Brain D’Arcy auf die aktuelle Wiederentdeckung. „Ich konnte gar nicht glauben, dass dies in meiner Lebenszeit passiert ist, in meinem Land und unter der Religion, zu der ich gehöre und der ich mein Leben gewidmet habe“, zitierte ihn die „Frankfurter Allgemeine“.

Die unehelich geborenen Kinder, welche ihren Müttern weg genommen worden waren, sind unterernährt oder an durchaus heilbaren Krankheiten gestorben - eine Folge gravierender Vernachlässigung und Verwahrlosung in den Erziehungsanstalten. (Christ in der Gegenwart vom 29.6.2014)

Also: ich bin geschockt und traurig, wie mit den Frauen und ihren Kindern umgegangen wurde. Und ich bin geschockt über den Umgang mit der erstmaligen Entdeckung der Kinderskelette vor 40 Jahren.

Und ohne ein Leid gegen das andere aufwiegen zu wollen, ohne Skandale gegeneinander aufzurechnen, ohne vergleichen zu wollen, was sich nicht vergleichen lässt: könnte es sein, dass sich Menschen in 40 Jahren fassungslos fragen werden, wie damals (in unserem Heute) mit der Tatsache von Abtreibungen umgegangen wurde? Millionen von Menschen, die nicht das Licht der Welt erblicken dürfen...
Auf dem Salzburger Kommunalfriedhof stand ich vor kurzem vor einer Stele, die zum Gedenken an diese Menschen aufgestellt wurde.

Und dann berichtet die Wochenendausgabe (28./29.6.2014) der Augsburger Allgemeinen „Kinderwunsch-Ärzte im Visier der Justiz“: „Den Beschuldigten wird unter anderem vorgeworfen, dass sie Frauen zur Eizellenspende an Kliniken im Ausland vermittelt haben sollen. In Deutschland sind solche Eizellenspenden verboten. Frauen, die keine Kinder bekommen können, weichen deshalb oft in Länder wie Tschechien oder Spanien aus“.

Oder eine Reaktion des Mainzer Kardinals Lehmann zur Entdeckung des irischen Massengrabes:

Er kenne „den abschätzigen Umgang mit ungeborenem Leben nach dem Tod“ aus Gesprächen mit Krankenschwestern, die entgegen aller gesetzlichen Bestimmungen zur Assistenz bei Abtreibungen bereit sein mussten, schreibt der Mainzer Bischof in einem Beitrag für das Magazin „Cicero“ (Juliausgabe). „Wer redet bei uns über solche Unmenschlichkeiten? Ich denke etwa an die Behälter mit abgetriebenen Föten für die kosmetische Industrie.“ (Radio Vatikan 26.6.14)

Wie gehen wir um mit dem Leben? Ich möchte niemand kriminalisieren. Und ich will mich nicht auf die Seite der schrecklichen Vereinfacher schlagen. Aber etwas stimmt nicht...

Sonntag, 15. Juni 2014

Come on: "Knoten"

Seit einiger Zeit feiern wir in Maria Baumgärtle jeweils am letzten Freitag eines Monats einen Jugendgottesdienst. Was mich bei diesem Abenteuer mit machen lässt, das ist nicht zuletzt ein Satz von Papst Franziskus: „Mir ist eine ,verbeulte’ Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, lieber als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und Bequemlichkeit … krank ist.“

Es ist ja schon nicht einfach, klassische Gottesdienstvorstellungen und jugendliche Lebenswelt unter einen Hut zu bringen. Wenn dann noch sehr unterschiedliche Vorstellungen bei den beteiligten Haupt- und Ehrenamtlichen dazu kommen, dann wird es spannend. Aber wieso in der Theorie bleiben? Ein Blick zurück auf die „Mai-Ausgabe“.

Dem Diakon ist immer ein „Thema“ wichtig. Weil ich das weiß, hatte ich mich vorbereitet. Und schlug – im Mai am Marienwallfahrtsort! - Maria vor. Natürlich nicht ganz so platt! Sondern anhand des Bildes der Knotenlöserin, welches etwa den Diözesanteil des Augsburger Gotteslobes eröffnet. Das Original hängt in Augsburg und Papst Franziskus hat es wohl früher dort entdeckt und zur Verbreitung des Bildes in Argentinien beigetragen. Maria und Knoten – da müsste sich doch etwas machen lassen! Der Diakon fuhr voll auf die „Knoten“ ab – Maria blieb außen vor. Okay.

Also Knoten! Petra – unsere ehrenamtliche „power-Frau“, voller Engagement und mit viel Einsatz, bereitete mit zwei Jugendlichen aus ihrer Gemeinde eine Einstiegsszene vor. In einen dicken weißen Strick machten sie Knoten und deuteten sie: „Stress zu Hause“ - ein Knoten, „Ärger mit der Freundin“ - ein Knoten, „Schulprobleme“ - ein Knoten – usw.
Und der Diakon griff das in seiner Predigt auf – und machte das gut. Es gibt Knoten, bei denen können und müssen wir uns anstrengen, um sie zu lösen. Dann gibt es andere Knoten, da schaffen wir es nicht und es ist gut, um Gottes Hilfe dabei zu bitten. Und dann gibt es Knoten, die lassen sich vielleicht überhaupt nicht auflösen. Aber es mag sein, dass genau diese wichtig sind für mein Leben! Gerade diese Knoten.

Zwischendurch wollte mich der Diakon schon einmal in die Predigt einbeziehen, nachdem wir bei früheren Gottesdiensten schon öfter im Dialog gepredigt hatten. Zunächst wollte ich nicht, weil ich an diesem Abend der Musiker war. Wir hatten keine Musikgruppe gefunden, so war es mein Part, die Gitarre zu nehmen. Aber mir gefiel dann seine Predigt und der Strick mit den Knoten so gut, dass ich doch noch einen Gedanken dazu fügte, der mir gekommen war: „der weiße Strick sieht genauso aus wie derjenige, den manche anständig gekleidete Ordensleute – wisst Ihr, welche ich meine? - Franziskaner, ja! - um den Bauch haben. Das ist auch ein weißer Strick mit drei Knoten drin. Und diese Knoten sind wichtig im Leben und sollen nicht aufgelöst werden. Und manchmal sind sie auch schmerzvolle Knoten, ja!“ Und irgendwann – ich weiß nicht, ob während des Gottesdienstes oder hinterher – kam uns noch die Idee, dass der Strick mit den Knoten sich eignen würde, um daran hoch zu steigen. Viel besser als eine glatte Schnur ohne Knoten. So finden Hände und Füße Halt.

Noch eine andere Kleinigkeit an diesem Abend: Petra hatte mir ihre Ideen vorab gemailt und um ein Echo gebeten. Und ich war etwas erschrocken, dass sie Eltern einbeziehen wollte und riet davon ab. Damit es nur ja ein Jugendgottesdienst sei. Petra befolgte aber meinen Rat nicht, so dass auch zwei, drei Elternteile einen Knoten in den Strick knüpften: „muss es immer das neueste Handy sein“ war z.B. ein Knoten. Und ich hatte den Eindruck, für die anwesenden (jüngeren) Jugendlichen hat das genau so gepasst: ihre Eltern als Mitfeiernde, „Mit-Wirkende“ im Gottesdienst zu erleben. Und nicht nur als die Kirchen-Chauffeure, die beim Tun ihrer Kinder zuschauen. Auch die Eltern selbst äußerten sich zufrieden.

So geht das immer wieder einmal: wir improvisieren und lassen uns aufeinander und unsere unterschiedlichen Vorstellungen ein. Und erleben dabei Abenteuer und lernen, ja werden beschenkt. Grund genug, um das bisweilen durchaus mühsame Abenteuer weiter zu verfolgen...

Samstag, 31. Mai 2014

Michael Brenninkmeyer

Am vergangenen Mittwoch (28.5.14) nachmittags wurde in Beirut im Libanon P.Michael Brenninkmeyer beerdigt. Ein paar Mal durfte ich ihm begegnen und er hat mich beeindruckt. Einer, zu dem ich aufschaute: nicht nur, weil er mich mit seinen über zwei Metern Körperlänge überragte, sondern auch aufgrund seines Lebens.

Dabei sagte er selbst nicht unbedingt viel: das Zuhören schien ihm wichtiger zu sein. Wurde er jedoch gefragt, dann antwortete er klar und hilfreich.

Michael Brenninkmeyer gehörte zu einer der reichsten Familien Europas. Der Name ist verbunden mit der Textileinkaufskette C&A, welche seinerzeit von Clemens und August Brenninkmeyer gegründet wurde. Laut Wikipedia macht die Textilsparte inzwischen lediglich ein Drittel des Familienvermögens aus. Die Familienmitglieder haben alle einen niederländischen Pass und sind katholisch. Was gepflegt wird. Beim jährlichen Familientreffen gehört eine katholische Eucharistiefeier dazu. Dies weiß ich wiederum vom ehemaligen Pfarrer von Interlaken in der Schweiz, wo das Brenninkmeyer-Familientreffen wenigstens einmal statt fand.


Michael wurde 1932 geboren und trat 1951 bei den Jesuiten ein. Damit ließ er den Reichtum der Familie hinter sich. Gemeinsam mit seinem Mitbruder P.Frans, der vor kurzem als letzter in Homs verbliebener katholischer Priester ermordet wurde, kam er 1966 nach Syrien. Der ehemalige apostolische Vikar von Aleppo in Syrien, Armando Borolaso, erzählt: „ich kann mich an keinen anderen Ordensmann erinnern, der in einer so reichen Familie geboren wurde, der so arm gelebt hat wie er“. Dabei war die Mühe, sein langes „Gestell“ in einen kleinen Volkswagen hinein zu zwängen nur ein sehr sprechender Ausdruck dafür.

Michael musste vor über einem Jahr aus Gesundheitsgründen Syrien verlassen und ging in den Libanon, wo er vor allem im Krankenhaus war. Am ersten Mai schrieb er an einen befreundeten englischen Benediktiner: „nächsten Monat habe ich ein Jahr Krankenhaus und dann Physiotherapie hinter mir... Ich hatte eine Magenoperation und hinterher musste ich neu lernen zu essen, das heißt, die Nahrung drinnen zu behalten“. Aus diesen wenigen Worten wird ein weiteres Charakteristikum Michaels deutlich, das ich in Erinnerung habe: sein feiner Humor. Während seines langen Krankenhausaufenthaltes verwendete Michael Zeit und Energie darauf, sich um zwei ältere Mitbrüder zu kümmern, die ebenfalls dort waren. Einer der muslimischen Pfleger war tief beeindruckt über Michaels Heiterkeit und beständiges Lächeln trotz aller gesundheitlichen Probleme.

Wenn wir uns trafen, dann sprachen wir auch über die Lage im Nahen Osten. Und natürlich gehen mir auch diese Gespräche nach. Zum Beispiel bremste er meine eigentlich positive Einstellung zu all dem, was in den vergangenen Jahren unter „Arabischer Frühling“ oder „Arabellion“ in den Medien verbreitet wurde. Vieles von dem schien ihm billige Propaganda zu sein und er misstraute dem eher. Wie sich ja jetzt zeigt, nicht zu Unrecht.

Zweifelsohne hat Michaels Leben Spuren bei ganz vielen Menschen hinterlassen und ich bin glücklich und dankbar, ihm begegnet zu sein, ihn kennen gelernt haben zu dürfen.

Donnerstag, 15. Mai 2014

Zuhören

Anlässlich seines 20Jahr-Jubiläums hatte der Eine-Welt-Verein Mindelheim den Grünwalder Gospel-Chor zu einem Konzert eingeladen. Beeindruckend, was diese Frauen und Männer am vergangenen Freitag boten! Eine nebensächliche Kleinigkeit an diesem Abend geht mir jedoch noch genauso nach.
Zu Beginn des Konzerts grüßte eine Dame vom Eine-Welt-Kreis und – war nur äußerst mühsam zu verstehen. Das Mikrofon am Rednerpult war entweder nicht eingeschaltet oder kaputt. Mit äußerster Anstrengung war die Dame zu hören. Interessanterweise gab es keine Proteste unter den Zuhörenden – wollte keiner als „schwerhörig“ entlarvt werden?
Als nach einigen Liedern noch einmal jemand vom Eine-Welt-Kreis ans Rednerpult ging, da nahm der sympathische Leiter des Gospelchors eines der Chor-Mikrophone und reichte es der Sprecherin. Und: wunderbar – jetzt verstanden wir gut. Szenenapplaus, noch bevor die Dame überhaupt einen Satz zu Ende gesprochen hatte.

Es ist schon so etwas mit dem Hören und Verstehen! Das eine setzt das andere voraus – sonst geht ja überhaupt nichts. Kirchliche Aufmerksamkeit geht oft genug auf das Gehört- und Verstanden-Werden. Was ja nicht schlecht ist. Vielleicht müsste diesem Aspekt sogar noch viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. In der Pfarrkirche in Schellenberg war zunächst keine Lautsprecheranlage vorgesehen, die Akustik ist ausgezeichnet. Aber dank veränderter Hörgewohnheiten (oder eventuell auch aufgrund des steigenden Altersdurchschnitts derjenigen, die Gottesdienste mit feiern) ist inzwischen eine Lautsprecheranlage installiert.

Wobei mir die Handlung des Chorleiters an jenem Freitag Abend erst recht wie ein Bild für kirchliches Handeln schien: indem er ein Mikrofon zur Verfügung stellte, verhalf er jemandem dazu, gehört zu werden. Ginge es nicht darum? Klar, einerseits verwendet Jesus das Bild von den Schafen, die auf die Stimme des Hirten hören, denn sie kennen diese (vgl. Joh 10,1-6). Andererseits ist Jesus auch derjenige, der einen hört, den andere gern zum Schweigen brächten (vgl. Mk 10,46-52). Jesus hört und verschafft Gehör. Es kommt darauf an, in seiner Nachfolge Menschen eine Stimme zu geben.

Am Samstag nach dem Konzert des Gospelchors war bundesweit der „Tag der offenen Klöster“, an dem auch wir im Missionshaus Baumgärtle teilnahmen. Einer unserer Programmpunkte hieß: „Was ich schon immer eine Schwester/einen Pater fragen wollte“ - wir wollten uns Fragen öffnen und zum Gespräch zur Verfügung stehen.

Als wir am Abend des Tages und am Tag danach reflektierten, was bei uns gelaufen und wie es gelaufen war, tauschten wir eine interessante Erfahrung aus: wir hatten mehr zugehört als gesprochen. Es war uns so, als ob unsere Gäste dankbar dafür waren, selbst erzählen zu können. Das Bedürfnis nach Information und Auskünften über unser Leben schien dem gegenüber zweitrangig.
Diese Eindrücke nach dem „Tag der offenen Klöster“ decken sich mit anderen. Sehr viele Menschen kommen ja an diesen Ort, um etwas los zu werden, etwas auszusprechen, was ihnen unter den Nägeln brennt, bzw. auf der Seele lastet.

Kann es sein, dass wir diesen Aspekt unserer Berufung an diesem Ort noch viel mehr verstehen und entwickeln müssen? Menschen sein, die zuhören können, die außer der Zeit ein offenes Ohr haben..
Ich erinnere mich an Frere Roger Schutz von Taize, für den diese Haltung typisch war, gerade im Umgang mit jungen Leuten: „Meister des Zuhörens“ sein – das wollte und das war er.

Mittwoch, 30. April 2014

Morgenrituale...

Jede und jeder gestaltet ihn etwas anders, ihren oder seinen Morgen. Ganz abgesehen einmal von den grundlegenden Unterschieden zwischen passionierten Frühaufstehern (gibt es!) und Morgenmuffeln.
Bei mir gibt es die Reihenfolge G-K-G, Gymnastik, Kosmetik, Gebet.

Für Teil 1 ca. 10 Minuten, Teil 2 10-15 Minuten und Teil 3 30 Minuten. Detaillierter?
Die Gymnastikübungen dienen vor allem der Stärkung der Rückenmuskulatur und für ein paar davon nehme ich ein Deuser-Band zu Hilfe, seit Jahren bin ich ein großer Fan dieses Sportartikels, der „Sporthalle für zu Hause“. Der starke Rücken ist ja auch im übertragenen Sinn nicht so schlecht. Damit hat vielleicht dann eher Teil 3 zu tun.

Teil 2 werde ich hier nicht näher beschreiben, manchmal ist darin das Besteigen der Waage enthalten. Und der Blick auf deren Display löst verschiedene (nicht sehr heftige) Reaktionen aus.

Und nachdem ich Teil 1 im Schlafzimmer und Teil 2 in der Nasszelle absolviert habe, bewege ich mich für Teil 3 in mein Wohnzimmer, wo ich mir einen Gebetsplatz eingerichtet habe. An diesem stehe ich, atme durch, versuche mir der Gegenwart Gottes bewusst zu werden und setzte mich dann auf einen Meditationshocker, um eine Zeit im Schweigen „da“ zu sein.

Und neulich ist es mir passiert, dass ich auf dem Weg von Teil 2 zu Teil 3, also von der Kosmetik zum Gebet bemerkt habe, dass ich mich nicht auf die Waage gestellt hatte, wie ich mir das eigentlich vorgenommen hatte. Egal! Beim nächsten Mal halt, am nächsten Morgen.

Wobei mich diese Sache dann doch noch weiter beschäftigte. Das Körpergewicht im Auge zu behalten ist ja gut, vernünftig. Vor kurzem stand ich vor einem Apothekenschaufenster, in dem mich ein Werbeplakat amüsierte: „Sind Sie zu klein für Ihr Gewicht?“ stand da in fetten (!) Lettern zu lesen. Und anhand der in etwas kleineren Lettern daneben angebrachten Tabelle konnte ich feststellen, dass das tatsächlich auf mich zutrifft. Ich bin zu klein für mein Gewicht – oh je!

Aber noch einmal: das Körpergewicht ist die eine Sache. Aber was „wiegt“ denn sonst? Oder was zählt? So meine tief schürfenden Überlegungen noch vor dem Frühstück. Wenn man so die Lebensqualität eines Tages auch wiegen könnte – wie viel brächte ich am Abend dieses Tages auf die Waage?

Und schon war ich bei meinem Namenspatron, dem hl.Aloisius von Gonzaga. Dem man nachsagt, dass ihn eben dieser Gedanke existentiell umgetrieben hat. Was hat all das, was ich tue, für einen Wert im Hinblick auf die Ewigkeit?

Ich weiß nicht, mit welchem Alter Aloisius anfing, sich solche Gedanken zu machen. Die Sache passt nicht schlecht zur Ideenwelt des Jesuitenordens, dem der Heilige angehörte. Dessen Gründer schlägt eine recht drastisch-deutliche Übung vor: versetz dich einmal in die Stunde deines Todes: wie möchtest du dann gelebt haben? Bis heute wird diese Übung praktiziert, mit verschiedenen Methoden und Variationen. Z.B. „wie müsste die Leichenrede für dich klingen, oder: was sollte auf deinem Grabstein stehen?“

Ob das jetzt lediglich Gedanken eines älter werdenden Paters und Missionars sind? Weil ich sie am Morgen des besagten Tages nicht so weit vertiefte, habe ich das jetzt mit Dir und Ihnen, geneigte Leserin, geneigter Leser getan. Gute Zeit!

Dienstag, 15. April 2014

Plüschtier und Partizipation

Nein, es geht nicht um den Osterhasen. Dafür um anderes Getier:
gleich zweimal kommt in der April-Ausgabe der „Neue(n) Stadt“, einer absolut empfehlenswerten Monatszeitschrift, ein Plüschtier vor. Zum einen wird die Arbeit der in Graz lebenden Zahnärztin Elisabeth Danner beschrieben, bei der auch Kinder „den Mund öffnen“, die dies bei anderen Zahnärzten nicht tun. Unter anderem setzt Elisabeth Danner dabei geschickt die „Zahnputzmaus“ ein.

Wenige Seiten vorher in derselben Ausgabe des Monatsmagazins berichtet eine Kinderkrankenschwester von einem Erlebnis mit einem ängstlichen Kind in der Kinderarztpraxis. Hier konnte ein „großer, starker Elefant“ dabei helfen, dem Kind die Angst zu nehmen.

Schmunzelnd erinnere ich mich an viele Besuche in Kindergärten. Als Pfarrer war ich regelmäßig einmal in der Woche im pfarr-eigenen Kindergarten. Und in den Jahren davor habe ich während Gemeindemissionen in Deutschland und Österreich viele Kindergärten besucht. Wenn ich in den Kindergarten kam, dann konnte ich durchaus Anzeichen von Furcht in den Augen mancher Kinder entdecken: was ist das für ein großer, schwarzer, fremden Mann? Ich konnte sie ja verstehen, die Kleinen.

Dann setzten wir uns regelmäßig im Stuhlkreis. Wobei ich genauso regelmäßig den mir von Erzieherinnen angebotenen „Erwachsenenstuhl“ ablehnte, um auf einem Kindergartenstuhl wie die Kleinen zu sitzen und diese nicht mehr als nötig zu überragen. Gespannt und teilweise immer noch ein wenig furchtsam schauten mich viele Kinderaugen an. Bis...bis „Fridolin“ sich zeigte! Langsam holte ich meine Plüschente aus einer Stofftasche hervor. Zuerst den Schnabel, dann den Kopf und schließlich die ganze Ente. „Mein Freund Fridolin begleitet mich in den Kindergarten, damit ich keine Angst dort haben muss!“ Das verstanden die Kinder und freuten sich zudem an Fridolin, der inzwischen selbst einige Jahre auf dem Buckel hat – was ich den Kindern nicht verriet.

Weil ich als zweites dann die Gitarre auspackte, musste irgendwie für Fridolin gesorgt werden.
Und das geschah dann im Normalfall so, dass er von einem Kind zum anderen wanderte – was noch mehr Freude auslöste. Einmal war es für mich auch mit etwas Schaudern verbunden, als ich sah, wie einem Kind kräftig die Nase tropfte, auf meinen „Plüsch-Fridolin“. Lachend erzählte ich hinterher einer im Kindergarten arbeitenden Ordensfrau davon. Und sie erklärte mir, ihre Mitschwester sei Spezialistin im Waschen von Plüschtieren – also auch dieses Problem ließ sich lösen.

In vielen Fällen gab es während einer solchen Gemeindemission auch einen Elternabend im Kindergarten, zu dem natürlich vor allem Mütter kamen. Dabei gelang es im Normalfall gut, nach einem kurzen Impulsreferat von mir, die Anwesenden miteinander ins Gespräch zu bringen und dieses zu moderieren. Alle lernten wir dabei. Dankbar denke ich noch an eine junge Frau zurück, die es aus der ehemaligen DDR in die Oberpfalz verschlagen hatte. Und die von zu Hause her mit Gott und Kirche schon rein gar nichts anfangen konnte. Durch ihr Kind im Kindergarten wurde sie nun mit solchen Themen konfrontiert und fragte sehr unbefangen nach. Welch ein Geschenk für alle Beteiligten.
Und natürlich blieb es nicht bei den Kinderfragen, sondern wir waren sehr bald bei eigenen Glaubensfragen und – zweifeln. „Miteinander im Glauben unterwegs“ - wie das Motto vieler Gemeindemissionen hieß.

Fridolin begrüßte die Kinder ein weiteres Mal beim Kindersegnungsgottesdienst im Rahmen der Gemeindemission. Manchmal sangen wir der Ente dabei sogar ein Lied. Und manchmal – nicht grundsätzlich jedes Mal – hatten die Kinder auch ihre Plüschtiere von zu Hause mit gebracht.

Montag, 31. März 2014

Musik, Manager, mehr (vom) Leben...

Eine Rock-Göre! Singen kann sie. Und wollte sie auch. Singen, sich zeigen. So erzählt sie selbst über sich. Als dann eine Darstellerin und Sängerin für eine Rolle in einem Musical über eine Ordensfrau gesucht wurde, legte sie das Info-Blatt zunächst einmal auf die Seite. War doch nicht ganz ihre Wellenlänge. Obwohl sie zu Hause mit christlichen Werten aufgewachsen war. Irgendwann entschied sie sich aber doch und übernahm die Rolle. Die ihr schlussendlich, in Verbindung mit Nachfragen einer Ordensfrau, unter die Haut ging. Einige Zeit später bat sie um Aufnahme in die Gemeinschaft der Ursulinen und hat inzwischen, nach einigen Jahren, sich an diese Gemeinschaft gebunden, die Profess abgelegt.. Zur Zeit erregt sie Aufsehen in Italien, nachdem sie bei „The Voice of Italy“, einer Casting-Show im Fernsehen, gesungen hat. Und Komplimente bekam. Und eben auch schon über ihren Weg befragt wurde. Sie fand Zugang zu einer für sie fremden Welt über ihr Talent, ihre Leidenschaft. Suor Cristina, 25 Jahre jung.

Einem anderen saß ich neulich leibhaftig gegenüber. Er hat nicht nur ein Studium der Wirtschaftswissenschaften hinter sich, sondern nach Abschluss desselben in der Automobilindustrie gearbeitet, bei einem Zulieferer für einen der bayrischen Autoproduzenten. Aber irgendetwas fehlte ihm noch. Was ihn dazu brachte, ins Internet zu gehen und folgende Suchbegriffe einzugeben: „Kirche-Jugend-Orden“. Auch er war kirchlich aufgewachsen und hatte in seiner Heimat gerne in der Jugendarbeit mit gemacht. Nachdem der junge Mann also seine Suchbegriffe eingegeben hatte, landete er auf www.donbosco.de. Und fing an zu lesen. Die Lektüre wühlte ihn aber so auf, dass er nach einer halben Seite wieder aufgab. Aber es ließ ihn nicht los. Und er kehrte zu dieser Seite zurück und las weiter. Bis er dort den Namen und die Kontaktdaten eines Ansprechpartners bei den Salesianern Don Boscos fand und sich mit diesem verabredete. Zunächst wollte er nur einen Tag im Kloster bleiben und verbrachte dann doch das ganze Wochenende dort. „Irgendwie fühlte es sich an wie Zu Hause“.

Junge Menschen auf der Suche und beim Finden! Die mich in Frage stellen. Was fänden junge Menschen auf der Suche bei unseren Internetauftritten und in unseren Häusern?

Wobei mich auch die Voraussetzungen dieses Suchens nachdenklich machen. In Verbindung mit einem Modell aus der anglikanischen Kirche, welches Christian Hennecke bei einem Studientag in Augsburg weiter gab. Diesem Modell nach gibt es vier Generationen. In der ersten gehen die Eltern gemeinsam mit ihren Kindern in die Kirche. In der zweiten schicken die Eltern ihre Kinder in die Kirche. In der dritten gehen weder Eltern noch Kinder in die Kirche, aber sie wissen noch um diese, kennen sich ein wenig mit Glaubens- und Kirchenthemen aus. Und in der vierten ist auch dieses Wissen nicht mehr da. In Deutschland gibt es das alles.

Es ist also nicht mehr selbstverständlich, dass jemand auf seiner/ihrer Suche nach Leben, nach „Mehr“ den Suchbegriff „Kirche“, geschweige denn „Orden“ eingibt. Nicht nur, weil er oder sie dieses Stichwort nicht mit Leben verbindet, sondern weil dieses Stichwort gar nicht (mehr) in seinem/ihren Denk- und Lebensraum vorkommt.

Wir werden noch nicht von allen als die Trendsetter erkannt, die wir ja sind. Der viel diskutierte „Veggie-Day“ der Grünen ist seit Jahrhunderten Bestandteil eines klösterlichen Wochenrhythmus: wenigstens einmal, wenn nicht zweimal in der Woche fleischlos – gar keine Frage.
Und wenn bei jungen Leuten in Städten angeblich gar nicht mehr unbedingt ein eigenes Auto sein „muss“, und Car-Sharing eine gern und oft genutzte Alternative ist: auch so etwas pflegen Ordensleute seit langem.
Und global vernetzt waren wir schon, bevor es ein Internet gab.

Wie unser Trendsetter-Dasein mit der Suche von (jungen) Menschen in Verbindung bringen?

Samstag, 15. März 2014

Chiara Lubich, zum sechsten Todestag

Im vorletzten Post hatte ich bereits von meinem Italien-Aufenthalt Anfang Februar erzählt. Heute noch einmal etwas dazu.
Einer der Teilnehmer am Ordensmännertreffen, welches der Grund für meine Italien-Reise war, ein deutscher Benediktiner, fragte, ob es nicht möglich wäre, während des Treffens in Castel Gandolfo einen Besuch im Haus von Chiara Lubich zu machen.
Chiara Lubich war die Gründerin und Präsidentin der Fokolarbewegung, am 14.März 2008 starb sie mit 88 Jahren und am 7.Dezember 2013 wurde der Seligsprechungsprozess für sie eröffnet.

Ich gab die Anfrage des Benediktiners weiter und wir bekamen eine Zusage. Nicht nur das, ich wurde gefragt, ob ich als Übersetzer für den Deutschen mit gehen würde. Nachdem der Besuch im Haus Chiaras in der Mittagspause unseres Treffens statt finden sollte, schluckte ich zunächst („Siesta fällt aus!“), sagte aber dann zu.

Zu fünft machten wir uns also auf den Weg von Castel Gandolfo nach Rocca di Papa, verfuhren uns unterwegs, trotz eines einheimischen Autofahrers, und fanden schließlich das Haus, in dem Chiara Lubich lange Jahre gelebt hatte.
Freundlicherweise stellte sich uns eine der Gefährtinnen Chiaras zur Verfügung, um mit uns durch das Haus zu gehen. Und schon diese kleine zierliche Person war das erste, was mich an diesem Nachmittag beeindruckte. Doni, so heißt sie, ist von Beruf Ärztin. Und sie war eine aus der Gruppe der Ärztinnen und Mediziner, welche lange vor dem Fall des Eisernen Vorhangs von Chiara Lubich in die damalige DDR geschickt wurden, um dort das Evangelium zu verkünden. Auf ihre und die einzige damals dort mögliche Weise: nicht predigend, sondern durch ihr Leben, als Ärztinnen und Ärzte. Doni war über zehn Jahre in Berlin und Leipzig. Schmunzelnd gab sie zu, dass wir uns leider nicht auf Deutsch unterhalten könnten. Denn nach ihrer Zeit in Deutschland ging Doni nach Krakau und war dort ebenfalls über zehn, ich meine fast 20 Jahre. Und sie sagte: „ich habe mich so angestrengt, die schwere polnische Sprache zu erlernen, dass ich mein Deutsch darüber vergessen habe“. Mit dieser beeindruckenden Persönlichkeit, vom äußeren her eine kleine, zierliche, alte Dame, durften wir nun also das Haus Chiaras besuchen.
Welches überhaupt nicht spektakulär ist. Und gerade deswegen so besonders. Ein Wohnhaus. Mit Empfangszimmer, Wohnzimmer, Schlafzimmer und Büro. Ja, eine Kapelle ist auch dort.

In diesem Haus lebte und starb Chiara Lubich. Schwer krank lag sie vor sechs Jahren in der römischen Gemelli-Klinik und wollte gerne nach Hause. Und ihre Gefährtinnen entschieden sich, ihr diesen Wunsch zu erfüllen, als klar war, dass ihr in der Klinik nicht mehr geholfen werden konnte.
In ihrem Büro an den Wänden eingerahmte Briefe hinter Glas von Papst Paul VI. und Papst Johannes Paul II. Wichtig für sie, die streng gläubige Katholikin. Und gleichzeitig gehören heute und gehörten schon zu Chiaras Lebzeiten Menschen verschiedener Weltreligionen und auch Menschen ohne religiöse Weltanschauung zu dem von ihr gegründeten Werk.
So wird etwa ein dreitägiges Treffen von Christen, Juden, Muslimen, Hindus, Buddhisten, Shintoisten und Sikhs in Castel Gandolfo mit einem Festakt am 20.März in der Aula Magna der römischen Universität Urbaniana enden, anlässlich des sechsten Todestages Chiaras. Und überall auf der Welt wird auf verschiedene Weise ihrer gedacht werden.
(vgl.: http://www.focolare.org/area-press-focus/de/news/2014/03/12/ricordata-chiara-lubich-in-molte-citta-del-mondo-nel-6-anniversario-della-sua-morte-2/)
„Omnia vincit amor“ steht auf einer kleinen Plakette, welche auf dem Schreibtisch Chiaras liegt, „alles besiegt die Liebe“. Felsenfest hat sie daran geglaubt und die Menschen im von ihr gegründeten Werk leben und tragen diesen Glauben weiter.

Freitag, 28. Februar 2014

Klischees, Konkretes, Krankendienst...

Klischees? Mag ich nicht wirklich! Und tatsächlich bin ich auch schon in Wohnungen von „Männer-WGs“ gewesen, denen ihre Junggesellen-Bewohner nicht sofort anzusehen waren. Auch da gibt es geschmackvolle Details und Accessoires. Ohne dass eine weibliche Hand ordnend oder schmückend eingegriffen hätte.
Und doch...

Unser Senior war neulich zehn Tage im Krankenhaus. Ein – wie sich herausstellte – Schlaganfall, verbunden mit einer Blutung im Hirn. Früher hat dieser Mitbruder unermüdlich in unserem Garten gearbeitet und vor allem viele Rosen gepflanzt. Diese blühen zwar noch nicht, aber doch andere Blumen, erste gelbe Frühlingsboten. Als wir den Patienten im Krankenhaus besuchen wollten, hatte ich mir fest vorgenommen, ihm von den blühenden Blumen in „seinem“ Garten zu erzählen, um ihn auch zu motivieren, Lust auf zu Hause zu machen. Fast beschämt war ich, als die Schwestern sich mit einem Gläschen, in welches sie einige eben dieser Blumen gestellt hatten, zum Krankenbesuch aufmachten. Ich hätte „nur erzählt“, die Schwestern handelten und nahmen Blumen mit, welche unser Kranker sofort an die nächste Krankenschwester weiter schenken wollte, die sein Zimmer betrat. Die Geschichte mit den Blumen geht mir noch aus einem anderen Grund nach. Wieso ich diese Verbindung herstelle, ist mir gar nicht ganz klar. Jedenfalls kam sie mir... Ist das nicht auch mit meiner „Verkündigung“ manchmal so? Dass ich Geschichten erzähle und hoffe, dass sie den zuhörenden Menschen gefallen? Und könnte es nicht das ein oder andere Mal möglich sein, die gute Nachricht handgreiflich erfahrbar zu machen, und dadurch eindrücklicher, als es die Worte einer Geschichte vermögen? Es ist etwas anderes, von „kleinen gelben Blumen“ zu hören, oder das Gelb leuchten zu sehen und vielleicht sogar einen „Geruchstest“ zu machen...

Inzwischen ist unser Senior wieder nach Hause zurück gekehrt. Am Mittwoch vor einer Woche habe ich ihn vom Krankenhaus abgeholt, nachdem er sich am Dienstag Abend bereits einmal unangemeldeterweise selbst auf den Weg gemacht und dadurch für etwas Hektik im Krankenhaus gesorgt hatte.
Und wieder: Schwester Ewa fragte, ob sie etwas Besonderes vorbereiten, kochen solle, um dem Heimkehrer einen gebührenden Empfang zu bereiten. Und sie ließ nicht locker, als mir auf die Schnelle keine großartigen Ideen kamen. Schlussendlich gab es ein Eis zum Nachtisch...

Ein weiteres Detail, hier würde das spanische „detalle“ fast besser passen, weil es eben nicht nur „Detail“ bedeutet, sondern auch „nette Geste“, eines meiner spanischen Lieblingswörter: während wir Mitbrüder darauf achten, dass unser Senior-Mitbruder zu den Mahlzeiten kommt, dabei etwas isst und auch nicht vergisst, seine Medikamente einzunehmen, bereitet ihm eine Schwester auch einen Teller mit Obst für sein Zimmer. Und der Apfel wird dabei auch geschält und geschnitten. Und er bekommt auch den ein oder anderen Joghurt-Becher, weil er das offensichtlich gerne isst.

Gott sei Dank gibt es neben uns praktisch denkenden und agierenden Männern auch noch die Schwestern, die Zusätzliches tun und unternehmen...

Samstag, 15. Februar 2014

Albaner See

Da! Es raschelt geheimnisvoll. Und als ich hin sehe, zu der Stelle, wo ich das Rascheln gehört habe, da sehe ich noch ein paar Blätter des Rankenwerkes auf der Mauer zittern. Eine Eidechse hat sich wohl in Bewegung gesetzt, als mein Schatten auf die Stelle fiel, an der sie sich gesonnt hatte. Diese Szene gehört für mich zu Spaziergängen und Wanderungen im Süden dazu.
Diesmal war es Anfang Februar. Nach einem Ordensmännertreffen in Castel Gandolfo machte ich mich zu Fuß auf den Weg zum Bahnhof. Und bemerkte dort, dass der nächste Zug nach Rom erst in 1 ½ Stunden fährt. So lange wollte ich jetzt nicht am Bahnhof Castel Gandolfo stehen bleiben. Also marschierte ich hinunter zum Albaner See. Und scheuchte eben beim Vorbeigehen die Eidechse auf.

Schon in den Vortagen hatte ich immer wieder ein kleines gelbes Flugzeug über dem See bemerkt, auch an diesem Tag war es unterwegs. „Vigili del fuoco” war auf dem Flugzeug zu lesen - „Feuerwehr“. Und später am Bahnhof klärte mich ein Mitreisender auf, dass dieses Flugzeug am nahe gelegenen Flughafen Ciampino stationiert sei und hier wohl Übungsflüge mache: Wasser aus dem See entnehmen, um es zu eventuellen Brandorten hin zu transportieren. Das Wasser-Entnehmen sah ich leider nicht, wohl aber, wie sich der Wassertank des Flugzeugs über dem See wieder entleerte. Und dann drehte der Pilot eine weitere Runde über die bewaldeten Hänge, welche den See im Vulkankrater säumen.

Unten am See angekommen sah ich die Surfer, die ich ebenfalls schon in den Tagen zuvor von oben bewundert hatte. Wie sie sich vom Wind über den See treiben ließen. In schwarzen Neoprenanzügen gut gegen die Kälte des Windes und des Wassers geschützt. Eine ganze Reihe solcher Surfer war da am Freitag mittags unterwegs, beneidenswert...

Mir fiel eine Erzählung von Marie Luise Kaschnitz ein, deren Todestag sich in diesem Oktober zum 40. mal jährt. In „Der schwarze See“ beschreibt sie recht schaurig gruslige Ereignisse an diesem Albaner See, die in der Erzählung im seltsamen Kontrast zum fröhlichen Treiben der Ausflügler stehen. Letzteres erlebe ich auch heute, natürlich schon dem Februar entsprechend, nicht so, wie es einige Monate später sein wird.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Sees, von Castel Gandolfo aus gesehen, liegt der Monte Cavo, auf dessen Gipfel ein ganzer Wald von großen Antennen steht. Heute sieht man dies. In den vergangenen Tagen war der Gipfel oft in den Wolken. Ich erinnere mich daran, dass Gaspare del Bufalo, der Gründer meiner Ordensgemeinschaft, sich dorthin zurück gezogen haben soll, um die „Regel für die Studenten“ zu schreiben. Ja, ich gehe in einem Gebiet, das Gaspare sehr wohl vertraut war.

Zurück zum Bahnhof, ich möchte doch den Zug nach Rom erreichen. Weil es bergauf geht, ziehe ich mir Jacke und Pullover aus und gehe im Hemd, den Rucksack auf dem Rücken. Spätestens beim Bahnhof angekommen merke ich, dass meine Entscheidung richtig war, ich habe geschwitzt beim Heraufmarschieren und ziehe mir schnell die Jacke wieder an, um mich in den letzten Minuten des Wartens auf den Zug nicht zu erkälten. Denn allein der Blick auf die Orangen und Zitronen an den Bäumen, die ich aus dem Zugfenstern bei der Fahrt nach Rom sehe, reicht nicht als Vitaminzufuhr gegen eine heraufziehende Erkältung.

Freitag, 31. Januar 2014

Strauchschnitt...

Zum Ensemble des Wallfahrtsorts Maria Baumgärtle gehört auch das Kreuzweggelände. Es ist riesig groß, umgeben von einem Zaun und Pflanzen. Auf einer Seite eine Buchenhecke, auf drei Seiten Sträucher und Stauden, (zu) üppig gepflanzt. Hunderte von Metern (ehrlich!) lang (nicht hoch!)...

So etwas gehört gepflegt. Vor einigen Wochen, noch im alten Jahr, rief mich ein Landschaftsgärtner an, der das wohl die letzten Jahre gemacht hatte, nicht ganz billig.
Auf der anderen Seite hatte ich eine Zusage von einer Gruppe von Rentnern im Ort im Ohr: sie würden mich, so wie meinen Vorgänger, nicht hängen lassen, wenn es einmal etwas zu tun gäbe.
Schon länger hatte ich überlegt, was denn eine geeignete Aktion für diese Rentnergruppe sein könnte. Und jetzt schien mir unser Kreuzweggelände die Gelegenheit zu sein.

Also versuchte ich in Kontakt zu treten, zunächst über die bei uns angestellte Gärtnerin. Und tatsächlich kam einer der Männer, um sich die Sache anzusehen. Als wir miteinander redeten, schien mir jedoch, die Aktion käme ihm zu groß für die Rentnertruppe vor. So dass ich mich an einem Freitag an die Abteilung Garten- und Landschaftspflege der Unterallgäuer Werkstätten wandte und einen Besichtigungstermin anvisierte.

Wie erstaunt war ich, als am Montag darauf zehn (10!) Männer und eine Frau nachmittags auf dem Kreuzweggelände unterwegs waren, mit Scheren und Sägen. Wir hatten noch eine neue, stabile Heckenschere gekauft, zwei Geräte hatten die Männer woanders ausgeliehen. Und außer den acht Männern im Rentenalter kamen eben noch zwei jüngere Landwirte mit und schnitten in einer dreistündigen Aktion unsere Sträucher und Stauden zusammen. Wie genoss ich dieses Bild: überall im Kreuzweggelände fleißige Helfer. Die natürlich nach der Aktion zur Brotzeit ins Gasthaus eingeladen wurden.

Wobei die Sache mit dem Schneiden ja noch nicht abgeschlossen war. Was geschieht denn jetzt mit dem Schnittgut? Ein Anruf beim Wertstoffhof hatte ergeben, dass dort Grüngut abgeliefert werden kann, aber zu gewissen Bedingungen. Der erste Kubikmeter ist frei, jeder weitere kostet € 6.-. Und außerdem scheint das Abladen beim örtlichen Wertstoffhof nur händisch möglich zu sein. Um das Grüngut direkt vom Hänger in den Container kippen zu können, muss man zum Wertstoffhof der nah gelegenen Stadt fahren. Welch ein Aufwand!

Aber siehe da: jemand wusste, dass in einer nahe gelegenen Ortschaft der Brauch des „Funkenfeuers“ gepflegt wird. Am ersten Fastensonntag wird dort ein großes Feuer entzündet, um den Winter zu vertreiben. Und die Funkengesellschaft hätte schon in früheren Jahren einmal Grüngut aus Baumgärtle abgeholt. Also rief jemand von den Rentnern dort an. Und ja: die Leute werden das Grüngut abholen, wegen der Vorschriften des Landratsamts noch nicht sofort, damit das Feuer nicht zu früh und unkontrolliert brennt. Und das Schöne dabei: für jeden Kipper Material gibt es einen Kasten Bier.

An einem weiteren Montag luden die Rentner mit Unterstützung einiger Maschinen das abgeschnittene Material auf einen riesengroßen Haufen zusammen, der jetzt auf die Abholung durch die Funkengesellschaft wartet.

Und ich habe bei dem ganzen Unternehmen ein paar sehr sympathische Männer kennen gelernt...

Mittwoch, 15. Januar 2014

Pater Hugo

Am 10.Januar verstarb in Kufstein P.Hugo Büchel. Aus diesem Anlass veröffentliche ich einen Text, den ich im September 2011 über ihn geschrieben habe:

Wieder einmal bin ich in Kufstein, in unserem Missions- und Exerzitienhaus Mariahilf. Von 2000 bis 2005 habe ich hier gewohnt und gearbeitet. Das ein oder andere hat sich verändert, trotzdem fühle ich mich zu Hause und es werden Erinnerungen wach.

Und neuerlich staune ich über die Energie und Arbeitsleistung von P.Hugo, inzwischen über 80 Jahre alt und 21 Jahre in Kufstein sesshaft. Wobei es bei Hugos Tätigkeit nicht nur um etwas Äußerliches geht. P.Hugo betreut den Garten.
Viele Stunden verbringt er draußen, bei sengender Hitze, Wind und Wetter. Schon früher fragte ich mich, ob wir die Produkte aus dem eigenen Garten, welche für die Gäste des Exerzitienhauses auf den Tisch kommen, wohl ausreichend werbewirksam vermarkten. Jeden Tag gibt es frischen Salat und Gemüse. Kirchlich gesehen befinden wir uns im „Schöpfungsmonat“. Einige begehen die Zeit zwischen dem 1. September als „Tag der Schöpfung“ und dem 4. Oktober, Gedenktag des hl. Franz von Assisi, dem naturverbundenen Heiligen schlechthin, als solche. Ob P. Hugo das weiß? Er lebt es, das ganze Jahr über.
Mancher Mitbruder mag darüber lächeln, dass da einer wertvolle Zeit mit Gartenarbeit verbringt. Abgesehen davon, dass diese Tätigkeit zweifelsohne positiv auf das psychische Gleichgewicht wirkt, werden ja inzwischen „Stadtgärten“ modern. Sogar mitten in Madrid habe ich so etwas gesehen. Zwischen den Hochhäusern bauen einige Nachbarn miteinander Gemüse an. Ich vermute, dass so etwas zu einem anderen, bewussten Umgang mit Lebensmitteln aller Art führt. Da geht es um mehr als um ein abgehobenes „zurück zur Natur“.

P.Hugo tut aber durchaus noch anderes. Viel Zeit verbringt er auch im Wohnheim der Stadt Kufstein. Regelmäßig besucht er die alten Leute dort, bringt manchen die Kommunion und lädt alle zur Messe ein, die er jeden Donnerstag und einmal im Monat auch sonntags dort feiert. Das Besondere an diesem Dienst ist, dass er ihn praktisch ehrenamtlich ausübt. Es gibt weder einen direkten Auftrag, noch eine Bezahlung dafür. Als einer, der in den vergangenen Jahren in viele Altenheime hinein gesehen hat, halte ich diesen Dienst für unschätzbar wichtig. Als Ordensgemeinschaft überlegen wir oft, wohin, zu welchen Menschen wir vor allem gerufen sind. Ich zweifle daran, dass P.Hugo sich längere Zeit akademisch mit dieser Frage auseinander gesetzt hat. Er geht hin. Zu vielen, zu denen sonst niemand oder kaum jemand geht.

Schließlich feiert Hugo seit Jahren mit großer Treue jeden Werktagmorgen um 7.00 Uhr die Messe.
Drei Tage in der Woche steht sie offiziell in der Gottesdienstordung der Wallfahrtskirche, an den anderen Tagen nicht, weil da die „offizielle Messe“ abends gefeiert wird. Zweifelsohne hat sich auch Hugo nicht pastoraltheologisch mit der Idee eines „geistlichen Zentrums“ auseinander gesetzt und wäre wohl irritiert, wenn man ihn auf koordinierte Gottesdienstangebote im pastoralen Raum anspräche. Nein, er steht da am Altar und jeden Morgen sind Menschen da und feiern mit, dankbar für die Treue und Verlässlichkeit.

Jeden Werktag von 10.00 bis 12.00 Uhr und von 16.00 bis 18.00 Uhr ist in der Wallfahrtskirche Beichtgelegenheit, was Menschen aus dem tirolerisch – bayrischen Umfeld gerne wahrnehmen. Die Mitbrüder im Haus teilen sich den Dienst auf. Wobei es den anderen beiden – sie sind jünger als Hugo - nicht selten so geht, dass sie zu spät kommen und Hugo schon im Beichtstuhl sitzt. Weil er auf das Läuten der Beichtglocke schneller reagiert hat oder sowieso gerade in der Kirche war.

Zweifelsohne ist Hugo im Garten, während ich hier schreibe...

Zufällig war ich an P.Hugos 85.Geburtstag vor einem Jahr in Kufstein. Als sich die Hausgemeinschaft zur nachmittäglichen Kaffeetafel versammelte, fehlte das Geburtstagskind: P.Hugo war draußen beim Schnee schaufeln! Jetzt darf er ausruhen!

Mittwoch, 1. Januar 2014

Der Landpfarrer: Gott ist weltlich

Der Landpfarrer: Gott ist weltlich: Lampedusa und die engen Grenzen Europas. Die gescheiterte Demokratie und der Bürgerkrieg in Ägypten. Assad, seine Chemiewaffen und die ...