Montag, 31. Januar 2011

Gute Nachrichten aus Madrid!


Zur Erinnerung: im Dezember 2009 verabschiedete Spanien ein neues Fremdenrecht. (Ein solches wurde in den vergangenen Jahren immer wieder einmal verabschiedet, bzw. erneuert, je nachdem, welche Partei gerade an der Regierung und wie die wirtschaftliche Situation im Land war. Außerdem spielt dabei auch der Prozess der Europäisierung eine Rolle). Festgelegt in diesem neuen Gesetzespaket wurde etwa die Verlängerung der Internierungsdauer in Abschiebehaft auf bis zu 60 Tage (vorher 40). Erwähnt wurde die Möglichkeit des Zugangs zu Abschiebehaftzentren für Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen (engl.: NGO, span.: ONG), wobei das „Regolamento“ diese Zugangsbedingungen näher bestimmen sollte. Das „Regolamento“ sind die Ausführungsbestimmungen zum Gesetzespaket, die „eigentlich“ innerhalb von 6 Monaten nach Verabschiedung des Gesetzes veröffentlicht werden müssten. Im Normalfall dauert so etwas länger, das ist bekannt. Im Hinblick auf das im Dezember 2009 verabschiedete Fremdenrecht ist mir allerdings noch kein Regolamento bekannt.

Als ich im Oktober 2010 meine letzten Besuche im Abschiebehaftzentrum Madrid – Aluche machte, waren dort gerade Bauarbeiten im Sprechzimmer am laufen. Dieses wurde erweitert, so dass anstatt fünf nunmehr zehn Besuchende gleichzeitig eintreten und jeweils einer festgehaltenen Person gegenüber sitzen können. Neu ist auch, dass sich die Gesprächspartner nun durch eine Glasscheibe getrennt gegenüber sitzen und durch eine Art Telefon miteinander sprechen.

Am 13. Januar 2011 hat nun ein Richter in Madrid entschieden, dass Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen erweiterte Zugangsmöglichkeiten zum Abschiebehaftzentrum haben müssen. Bisher unterwarfen sich die NGO – Mitglieder denselben Bedingungen wie Familienangehörige und Freunde. Das heißt: die Besuchszeit ist nachmittags von 15.00 bis 19.00 Uhr, es gibt unterschiedlich lange Wartezeiten unter schwierigen Bedingungen (Warten im Freien, bei Wind und Wetter und Hitze, ohne angemessene sanitäre Einrichtungen). Außerdem darf im Rahmen dieser allgemeinen Besuchszeit jede besuchende Person nur einen Besuch pro Tag machen und auch jede festgehaltene Person nur einen Besuch pro Tag empfangen. Und schließlich ist die Besuchszeit auf 20 Minuten beschränkt.

Wenn jetzt NGO – Mitglieder z.B. auch vormittags Besuche machen dürfen (der richterliche Beschluss räumt ihnen praktisch die selben Möglichkeiten ein, wie sie Rechtsanwälte haben), dann bedeutet das eine große Erleichterung. Zum einen ist dann eher die Begleitung eines Menschen möglich (als in begrenzten 20 Minuten Besuchszeit). Außerdem muss ein NGO – Mitglied kein schlechtes Gewissen haben, dass es vielleicht an diesem Tag einem Familienmitglied die Besuchsmöglichkeit „weg genommen hat“, weil ja nur ein Besuch pro Tag empfangen werden kann. Es ist zu hoffen, dass den NGO – Mitgliedern auch lange Wartezeiten unter schwierigen Bedingungen erspart bleiben.

Die Migrationsabteilung der spanischen Ordensleutekonferenz hat den Nichtregierungsorganisationen bzw. den Besuchenden im Abschiebehaftzentrum Madrid – Aluche gratuliert. Und es ist zu wünschen, dass diese neue, positive Regelung auch auf andere Abschiebehaftzentren Spaniens angewendet wird.

Nebenbei: bei der Tagung der im Zusammenhang mit Abschiebehaft im deutschen Sprachraum engagierten Menschen Mitte Januar in Wien hat der Innsbrucker Bischof Manfred Scheuer daran erinnert, dass schon das Konkordat eine Besuchsmöglichkeit für den Seelsorger bei Menschen in seinem Seelsorgebereich vorsieht. Und das UNO – Flüchtlingshilfswerk kritisiert, dass Menschen bis zu 18 Monate in Abschiebehaft festgehalten werden können.

Und letztlich hoffen wir, dass sich Einrichtungen wie Abschiebehaftzentren sowieso erübrigen, es gäbe andere, billigere und vor allem menschengerechtere Möglichkeiten.

Samstag, 15. Januar 2011

Traunstein - Traunreut - Rom - Castelgandolfo


Heute morgen bin ich aus Rom bzw. Castelgandolfo zurück gekommen. Das Jahrestreffen der internen Ordensmänner der Fokolarbewegung war ein Geschenk und eine große Bereicherung, abgesehen von der Freude des Wiedersehens mit vielen, vielen Bekannten...
Erzählen möchte ich aber heute noch von anderem aus der ersten Monatshälfte:

3. Januar. Um halb neun morgens betrete ich die Kirche, den Vorbau, in dem das große Weihwasserbecken steht, und rieche – nein, nicht Weihrauch, der von gestern vielleicht noch in der Luft hängen würde. Nein, wenn mich nicht alles täuscht, dann ist das Zigarettenrauch. Ein paar Schritte weiter gehe ich durch die große Metalltür in den Kirchenraum und sehe auf der Bank an der rechten Seite im Halbdunkel Uwe sitzen. Ob er...?

Erst gestern hat mir P. Ferdinand von ihm erzählt: Uwe ist ein Obdachloser – und momentan ist er es wirklich. Nachdem in den städtischen Sozialräumen auch Menschen sind, die mit Alkohol und Drogen zu tun haben und es immer wieder Konflikte gibt, zieht Uwe das Schlafen in Hauseingängen vor, nachdem er seine bisherige Wohnmöglichkeit verloren hat. Und er verbringt viel Zeit in der temperierten Kirche. Das ist immer noch besser als draußen im Freien. Manchmal hilft er auch, wenn es etwas zu tun gibt und bekommt ein wenig dafür.
Ich weiß nicht, ob ich wirklich Zigarettenrauch im Kirchenvorraum gerochen habe. Und wenn, dann könnte der ja auch von jemand anderem stammen. Bis in den Herbst hinein habe ich immer wieder Jugendliche mit ihren Skateboards vor der Kirche gesehen. Der geteerte Vorplatz und die Stufe, die es dort gibt, reizen offensichtlich zum Training. Aber auch die Bänke vor der Kirche sind immer wieder von verschiedenen Menschen besetzt. Aber wenn Uwe im Vorraum der Kirche geraucht haben sollte: wer weiß, ob dieser Rauch in Gottes Nase nicht mindestens genauso wohlgefällig ist wie der Weihrauch im Kirchenraum?
Ich muss zurück denken an Madrid. Es gibt dort die sogenannte „rote Pfarrei“. Dem Kardinal ein Dorn im Auge, er wollte sie eigentlich schließen, was aber zu großen Protesten führte. Jetzt ist die Pfarrei rechtlich keine Pfarrei mehr, aber eben doch noch eine „Seelsorgsstelle“ mit regelmäßigen Gottesdiensten. An diesem Ort finden sich Menschen, die sich in anderen Pfarreien nicht so leicht finden: Drogensüchtige, Prostituierte, viele Migranten... Neben anderen Dingen, die einem Liturgen Kopfzerbrechen bereiten, sei dort während Gottesdiensten auch geraucht worden – und wohl nicht nur harmlose Zigaretten.

Einen Tag später: diesmal bin ich in der Kirche in Traunreut. Vor der Messe sitze ich dort in einer Bank und bemerke, wie im Mittelgang an mir vorbei eine ältere Frau mit Stock bzw. Krücke nach vorne geht. Sie setzt sich in die Bank vor mich. Kaum sitzt sie, höre ich hinter mir jemanden schwer schnaufen. Und mir wird allein durch diese beiden Menschen deutlich, was manche auf sich nehmen, um jetzt da zu sein, die Messe mit zu feiern. Meine 15 Minuten Autofahrt wirken dagegen vernachlässigbar – wahrscheinlich hat die eine oder der andere zu Fuß mehr als 15 Minuten gebraucht. Im Evangelium der Messe hören wir dann, wie Jesus den Simon Petrus „Kephas – Fels“ nennt. Und noch einmal schaue ich auf die Leute in der Kirche und meine zu verstehen, dass sie ganz entscheidend dazu beitragen, dass es einen Felsen gibt, auf den gebaut werden kann.
Überhaupt war ich erstaunt, in einer Werktagsmesse um die 40 Mitfeiernde zu sehen, auch jüngere Menschen sind darunter. „Katholisches Bayern?“ Nach der Messe belehrt mich der Kaplan eines besseren: viele sind (Spät-)Aussiedler, die noch bis vor einem oder zwei Jahrzehnten in Ländern gelebt hatten, in denen der Glaube unterdrückt war, bzw. es keine Gelegenheit gab, die Messe mit zu feiern. So genießen sie jetzt nicht nur – ja, auch das – fließendes Wasser und geteerte Straßen, sondern auch die Möglichkeit, einfach in die Kirche gehen und die Messe mit feiern zu können.
Da können wir Hiesigen wohl im guten Sinn etwas lernen und uns bereichern lassen!

Sonntag, 2. Januar 2011

Neujahr



Mit dem geöffneten Tor vor dem Missionshaus in Maria Baumgärtle wünsche ich Euch offene Türen in diesem Neuen Jahr, Mut zu neuen Wegen und Freude mit bewährten...

In den Tagen vor Weihnachten konnte ich in Baumgärtle gut im Beichtdienst helfen. Wieder neu hat mich die an diesem Ort selbstverständliche Praxis gefreut. Die letzten Tage vor Weihnachten saß ständig einer von uns Patres im Beichtstuhl und wir wechselten uns dann ab, weil das konzentrierte Zuhören ja auch anstrengend ist. Das Geschehen finde ich unbedingt würdigenswert. Zum einen weil da Leute eine gute Art für ihre Seelen- bzw. Psychohygiene gefunden haben. Ohne damit das Beichtgeschehen verpsychologisieren zu wollen. Es geht mir ja selbst als Beichtendem immer wieder neu so, dass ich ins Staunen darüber gerate, was da passiert. Es begegnen einander zwei nach außen hin unvollkommene Menschen: der eine beichtet seine Sünden und wer weiß, ob er sich und seinen Zustand dabei richtig erkennt und ins Wort bringen kann. Auf der anderen Seite sitzt einer und sagt nach dem Bekenntnis und vor der Lossprechungsformel vielleicht noch etwas. Und bei diesem ist genauso die Frage, ob er den anderen richtig verstanden hat und mit seinem Zuspruch trifft. Und an dieses Geschehen zwischen menschlich gesehen zwei unvollkommenen Menschen bindet sich ein göttliches Ereignis, geschieht Befreiung von Sünde und Neuanfang.

Aber auch eine Ebene tiefer passiert viel: wo findet denn ein vergleichbarer Glaubensaustausch sonst statt in unseren kirchlichen Vollzügen? Dass da ein Mensch sein Leben – etwa anhand der Gebote Gottes – ansieht und zum Ausdruck bringt vor einem anderen? Und wie oft bin ich als Beichtvater nicht nur innerlich berührt, sondern auch beschämt von dem, was ich da höre, was ich mitbekomme vom Ringen im Leben eines Menschen. Keine Frage, dass mir das zur Motivation wird für meinen Glaubensweg.
Manchmal kommen Ehepaare und Familien miteinander nach Baumgärtle zur Beichte. Aber auch sonst berührt es mich, wie ich mitbekomme, wenn einer nach der Beichte die Tür aufhält für den Nächsten. Da wird das Miteinander – im – Glauben – Unterwegs – Sein geradezu „handgreiflich“. Und Beichte wird ganz natürlich als kirchliches Geschehen und nicht als eine anonyme, versteckte Angelegenheit im Halbdunkel erfahren.
In der Baumgärtler Wallfahrtskirche gehen die Menschen ja sogar nach vorne zu den Beichtstühlen, deren Zugang im Altarbereich liegt. Was architektonisch zunächst fragwürdig wirken könnte, bringt im Hinblick auf den Vollzug des Sakramentes Wesentliches zum Ausdruck.

Ansonsten genoss ich die Weihnachtsfeiertage mit der Hausgemeinschaft in Baumgärtle. Zum einen ist das die einzige in unserer deutschsprachigen Provinz, in der es außer den Patres auch Brüder gibt, Br. Anton und Br. Michael. Auch die drei polnischen ASC – Schwestern hatten noch eine Mitschwester über die Festtage zu Besuch, so dass wir zu insgesamt elft am heiligen Abend Weihnachtslieder sangen. In der heiligen Nacht und am Fest der heiligen Familie war ich in der kalten Pfarrkirche in Unterrieden zum Gottesdienst.

Und ab dem 26.12. verbrachte ich die letzten Tage des alten Jahres mit meinen Eltern und traf dabei auch drei meiner (leiblichen) Brüder - natürlich etwas Wunderschönes!