Mittwoch, 30. September 2015

Der Papst beim Optiker

Der Papst war beim Optiker! Eine Sensation! Anfang September war das Bild in den Medien zu sehen. Der Papst geht einfach eben mal so selbst zum Optiker, ins Geschäft. Allerhand! Wahrscheinlich hat dieser inzwischen ein Foto vom päpstlichen Besuch im Schaufenster. Werbung ist alles. Oder vielleicht benennt er gar sein Optik-Geschäft um: „Päpstlicher Optiker“. Dann würde wenigstens dieses Geschäft dem Papst ein wenig Umsatz verdanken können. Wenn schon die Bekleidungsgeschäfte für edle Priesterkleidung in Rom stöhnen, weil der Papst eher für Einfachheit und Schlichtheit wirbt. Macht sich nicht gut fürs Geschäft! Apropos: wie die Medien melden, wollte der Papst auch beim Optiker nicht viel Geld ausgeben. Hat er ausdrücklich gesagt: neue Gläser ja, aber kein neues Gestell!
Der Papst beim Optiker! Sensation!
Ja hallo, geht’s noch? Klar kann man sich fragen, was weniger Aufwand bedeutete: ein Besuch des Optikers im Vatikan, oder der Papst mit Entourage außerhalb. Wobei das nur ein Polizeiauto gewesen sein soll. Aber ansonsten ist doch solch ein Besuch beim Optiker für einen normalen Menschen auch wieder nichts Ungewöhnliches. Der Papst – ein normaler Mensch? Darf man das sagen?

Ich möchte mich keineswegs mit dem Papst vergleichen, aber die Sensation des päpstlichen Optikerbesuches rief eine Erinnerung aus meiner Zeit als Pfarrer wach. Wir hatten keine Haushälterin und auch keine Zugehfrau. (Wobei wir von Montag bis Freitag zum Mittagessen in eine Art Kantine gehen konnten.)
Also gehörte zu meinem Alltag auch das Einkaufen. Und mehr als einmal bin ich dann gefragt worden: „Was? Herr Pfarrer, Sie gehen einkaufen?“ bzw. „Sie müssen selbst einkaufen?“ Je nach Gegenüber konnte ich es mir nicht verkneifen, zu erwidern: „Aber Sie gehen ja auch selbst einkaufen“. (Der Pfarrer, ein normaler Mensch?) Einmal kam dann eine weitere Reaktion des Gegenübers: „aber dass Sie dafür Zeit haben!“ Die ich natürlich wiederum konterte: „Ja, aber Sie haben doch auch Zeit zum Einkaufen!“

Klar kann man jetzt trefflich darüber streiten, ob ein Pfarrer sich bei all den „gewaltigen und ach so aufreibenden Anforderungen der Pastoral und Seelsorge“ die Zeit zum Einkaufen und Haushalt nehmen soll. Andere entscheiden anders als ich, auch gut.
Vielleicht kann auch nicht jeder meine Freude an schmutzigem Putzwasser nachvollziehen. Das Samstag-Vormittag-Programm sah nämlich in der Regel so aus: erst putzen, dann die Endfassung der Sonntagspredigt erstellen. Beim Ausgießen des schmutzigen Putzwassers kommentierte ich mir selbst und anderen gegenüber manchmal: „bei dieser Arbeit sieht man – im Ergebnis zu manch anderen Diensten und Arbeiten – wenigstens ein Ergebnis“. Und nach wie vor empfinde ich das Putzen als eine gute Predigtvorbereitung.

Zurück zum Papst beim Optiker. Und was ich jetzt sage, ist natürlich an den Haaren herbei gezogen. Und trotzdem sage ich auch das noch. Was mir bei Papst Franziskus auf- und gefällt, das ist seine immer wieder kehrende Aufforderung, die Wirklichkeit ernst zu nehmen. Und nicht von irgendwelchen Wunsch- oder Idealvorstellungen auszugehen. Das hat im übertragenen Sinn auch mit der Sicht und Optik zu tun. Schau hin! Schau genau hin!

Und wenn der Papst selbst zum Optiker geht und nicht seine Brille dorthin bringen lässt, zumal einen Monat vor der Familiensynode, dann könnte das den staunenden Betrachter vielleicht auch darauf hinweisen, sich eine eigene Meinung zu bilden, durch die eigene Brille zu sehen und sich nicht die Sichtweise eines anderen aufschwätzen zu lassen.

Au weia, wohin hat mich denn der päpstliche Optikerbesuch jetzt geführt? Gute und klare Sicht wünsche ich!

In einer Welt abgehobener VIPs und Managergehältern, die das Vielfache dessen ausmachen, was die „normalen“ Leute ihrer Firmen verdienen, in solch einer Welt tut das Beispiel der VIP Papst Franziskus gut. Und könnte vielleicht korrigierend wirken...

Dienstag, 15. September 2015

Urlaub an der Nordsee

„Ist schon eine Weite, was?“, so fragte mich der freundliche Pastoralreferent, zwei Tage nachdem er mich am Bahnhof abgeholt hatte. Ich wusste nicht so recht, wie antworten. „Weite?“ So hatte ich das bisher nicht empfunden. In die Weite sehe ich auf einem Berggipfel. Aber hier? Da stehe ich am Strand, am Ufer des Meeres. Mich beeindrucken die Wellen, ich spüre Salzgeschmack im Mund, aber in der Ferne, da sehe ich – nichts. Offensichtlich gibt es jedoch Menschen, die Weite empfinden. Vielleicht kann ich das ja „lernen“, zumindest möchte ich meinen Blick „weiten“ lassen durch das Empfinden des anderen. Und ich hoffe, dass ich jetzt nicht bei allen „bekennenden Meer-Urlaubern und Seefahrern unten durch“ bin und bitte, meine Ehrlichkeit zu honorieren.

An einem Tag war ich, als guter Urlauber, im „Westküstenpark mit Robbarium“. Abgesehen davon, dass ich selbst meinen Spaß an der Seehundfütterung hatte, gab es noch ein tieferes Moment der Freude. Viele junge Familien, Eltern mit ihren kleinen Kindern sind hier zu sehen. Und es fasziniert mich, wie die Erwachsenen sich „bestimmen lassen“ von ihren Kindern, bis hinein in die Urlaubs- bzw. Tagesplanung. Etwa durch den Besuch in solch einem kleinen Zoo. Natürlich auch mit etwas „erwachsener Raffinesse“: „Du“, sagt die Frau zum Mann, „wir gehen nicht gleich zum Spielplatz, sonst kommen wir mit denen (Blick auf die Kinder) nicht mehr weiter. (Um 11.00 Uhr ist ja die Seehundfütterung!)“. Aber dann: die Freude der Kinder wird zur Freude der Eltern.

Und das gilt bei verschiedenen Elterntypen: da ist ein junger Mann, dessen Haar- und Bartpracht so ist, dass ich ihm lieber nicht allein im Dunkeln begegnete. Bei seinen Ohrringen höre ich irgendwann zu zählen auf, hat er nicht auch noch einen in der Nase? Die ihn begleitende Frau dagegen zeichnet sich durch höchst interessant gefärbte Haare aus. Und gleichzeitig: sehr aufmerk- und einfühlsam gehen sie mit ihren beiden kleinen Kindern um.

Es stimmt: so wie die Eltern ihre Kinder, erziehen die Kinder auch ihre Eltern. Welch ein Lernort für Menschlichkeit! Familie, wie genial ist diese „Einrichtung“. Ich hoffe, dass die bevorstehende römische Familiensynode dies unterstreichen und nicht nur „problemorientiert“ Stirnrunzeln und Kopfschütteln erzeugen wird. Applaus für die Familie! Ohne zu idealisieren. Wenigstens der Papst selbst hört ja nicht auf, dazu auffordern, die Wirklichkeit als solche wahr und ernst zu nehmen.

Noch etwas, was mir in diesem Zusammenhang auffällt: natürlich gehört auch der Strandbesuch zum Familienurlaub an der See. Kinder und Eltern sind mit Schäufelchen und Eimern bepackt, bei größeren Kindern ist oft auch ein Flugdrachen dabei. Diesen beim starken Wind an der See steigen zu lassen ist teilweise ein echtes Kunststück. Manche Kinder können ganz viel Zeit damit verbringen: Löcher graben und darin das Wasser sich sammeln lassen. Oder den Drachen hin und her sausen zu lassen.
Andere sind „fleißig“: sie befüllen den mit gebrachten Eimer oder auch eine kleine Plastiktüte mit den Muscheln, die es am Strand zu finden gibt. Und bisweilen habe ich den Eindruck echter Sammelleidenschaft, um nicht von „Sammlerwut“ zu sprechen.
Gehören diese beiden Dimensionen zu unserem Leben auch als Erwachsene? Dem Spiel hingegeben zu sein – dazu nehmen wir uns sicher zu wenig Zeit – und ergebnisorientiert zu arbeiten.

Zum Schluss kehre ich noch einmal zur Seehundfütterung im kleinen Tiergarten zurück, wobei dieser mit „größter Seehundanlage Deutschlands“ wirbt. Das halbstündige Programm der Fütterung wird durch die Tierpflegerin ganz hervorragend gestaltet. Über Funkmikrophon und durch Szenenwechsel erhält das ganze Showcharakter. Und da hinein werden interessante Informationen verpackt, so dass klein und groß auf ihre Kosten kommen. „Lassen Sie sich durch das Kindchenschema bei den Seehunden nicht täuschen: große, runde Augen und Stupsnase. Seehunde sind Raubtiere. Wenn Sie am Strand einem begegnen sollten, halten Sie Abstand“. Da fühle ich mich ertappt und frage mich, ob ich da auch bei „Menschenkindern“ herein falle – was ja dort aber auch schön sein kann.

Ach ja, und noch etwas habe ich im Tiergarten gelernt: da gab es ein Infoschild über Möwen, sechs verschieden Arten waren abgebildet. Aha! Möwe ist nicht gleich Möwe. Und tatsächlich fiel es mir dann schon am nächsten Tag auf und ich schaue genauer hin...