Montag, 30. September 2024

Kulturerbe

Seit 1985 gibt es – jeweils im September – die europäischen Tage des Kulturerbes. Vergangenes Wochenende war ich „kulturell unterwegs“ bei zwei Veranstaltungen, die mir beide gut gefielen. Erleichtert wurde mir das Ganze noch dadurch, dass ich eine MIC (Musei in comune) – Card habe. Menschen mit einem römischen Wohnsitz können mit dieser Karte für einen Jahresbeitrag von fünf Euro alle städtischen Museen besuchen. Junge Römerinnen und Römer bekommen die MIC-Card sogar zu ihrem 18. Geburtstag geschenkt, wenn sie diese beantragen.

Am Samstag wurde in der Gemäldesammlung der Kapitolinischen Museen das Gemälde „Das Begräbnis der heiligen Petronilla“ vorgestellt und der junge Kunsthistoriker machte seine Sache ausgezeichnet. Eine halbe Stunde standen wir vor dem Bild und erfuhren interessante Einzelheiten dazu. Zu Petronilla habe ich eine Beziehung, weil sie die Patronin der Pfarrkirche der Gemeinde in Westfalen ist, in welcher meine Großeltern nach ihrer Vertreibung aus Schlesien eine neue Heimat fanden. Aber ich hatte mich nie näher für die Geschichte dieser Frau interessiert. Der Legende nach soll sie die Tochter des hl. Petrus gewesen sein und sich der Heirat mit einem gewissen Flacco dadurch entzogen haben, dass sie sich zu Tode fastete. „Eigentlich müsste sie als Tochter des hl. Petrus `Petrilla´ heißen, `Petronilla´ wäre die Tochter des Petronius“ wusste unser Kunsthistoriker. Auf jeden Fall gibt es im Petersdom einen Petronilla-Altar und für eben diesen malte Guercino dieses Riesenbild, mehr als vier Meter breit und mehr als sieben Meter hoch – Petersdom-Maße eben. Dem Riesengemälde geschah dasselbe wie anderen Gemälden im Petersdom auch: da aufgrund der Feuchtigkeit im Gebäude Schäden befürchtet wurden, brachte man es an einen Ort mit günstigeren Klima- bzw. Luftfeuchtigkeitsbedingungen und ersetzte es durch eine Mosaik-Kopie. Die ja in sich auch wieder ein Kunstwerk ist. Es soll Menschen geben, die allein wegen der verschiedenen Mosaike nach Rom reisen. Beim Petersdom gibt es dazu eine eigene Werkstatt, die Mosaike herstellt und vor allem auch restauriert. Zurzeit diejenigen der Reliquienkapellen unter den Säulen(-Heiligen), welche die berühmte Bernini-Kuppel (derzeit ebenfalls in Restaurierung befindlich) einrahmen. Während der napoleonischen Herrschaft wurde das Riesen-Petronilla -Ölbild nach Frankreich gebracht. Petronilla, die „Tochter des ersten Hauptes der Kirche ist Patronin Frankreichs, der ersten Tochter der Kirche“. Dies trägt wohl auch – so unser Führer am Samstag – zu ihrer Verehrung bei, trotz der eher unsicheren (wenn nicht fragwürdigen) geschichtlichen Ausgangslage. Vor dem Riesengemälde zu stehen und sich seine diversen „Reisen“ im Lauf der Geschichte vorzustellen, das allein nötigt ja schon Respekt ab. Soviel zu Petronilla und meinem Samstagsprogramm.

Am Sonntag dagegen nahm ich an einer Führung in der „Centrale Montemartini“ teil, in gewisser Weise eine „Außenstation“ der Kapitolinischen Museen und noch näher bei unserem Haus als diese. Dort war ich schon ein paar Mal und bin jedes Mal neu fasziniert. Denn bei der Centrale Montemartini handelt es ich um ein ehemaliges Heizwerk, es ging um Energieerzeugung. Bis in die 60er-Jahre unseres Jahrhunderts funktionierte das Gebäude als solches, dann waren die Maschinen in die Jahre gekommen und der römische Energieversorgungsbetrieb überlegte, eine Art „Museum der Energieerzeugung“ daraus zu machen. Ein paar Jahre später hatten die Kapitolinischen Museen Platznot und wollten einige ihrer Exponate auslagern. Es gab Gespräche und jetzt stehen römische (und auch ein paar griechische) Statuen vor den riesigen alten Dieselmotoren. Schon beim ersten Mal war ich von diesem Kontrast begeistert. Und das geht wohl auch anderen so, obwohl unsere Führerin am Sonntag erwähnte, dass es auch Kritik an dieser Form der Präsentation gäbe.

Auch in der Centrale Montemartini sind einige Mosaike – aus römischer Zeit – zu sehen, wahre Kunstwerke, mit teilweise wirklich „Mini-Steinchen“….

 

Sonntag, 15. September 2024

Karriere

Fünf Wochen war ich weg von Rom. Und nehme jetzt die Arbeit und Aktivitäten wieder auf. Dazu gehört auch der Freiwilligendienst in dem von den Schwestern Mutter Teresas geführten Männerwohnheim. Als ich am Mittwoch dort eintreffe und wie gewohnt in die Küche gehe, lächelt mich Sr. Mary Vicuña an: „es gibt allerhand Veränderungen“. Ich erwarte, dass sie mir jetzt erzählen wird, welche Schwestern versetzt wurden oder neu hier sind. „Sie wollen dich im zweiten Stock“ fährt Sr. Mary fort und ich verstehe, dass die Veränderung mich betrifft. Ein wenig bin ich traurig, denn die Küchenarbeit hatte mir Spaß gemacht. Zum einen eine gute Alternative zum Sitzen am Schreibtisch, zum anderen gefiel mir auch das Freiwilligenteam dort in der Küche: feine Leute mit Humor…

Aber ich ergebe mich in mein Schicksal (mit etwas mulmigem Gefühl: „was wird mich dort erwarten?“) und lasse mich von Sr. Olivetta vom Erdgeschoss in den zweiten Stock – Karriere! - begleiten. Zumal ich ja zugegebenermaßen auch schon länger neugierig war, noch etwas mehr von diesem großen Haus zu sehen. Oben angekommen bittet mich Sr. Olivetta, den Gang, der Belag sind Steinfliesen, zu kehren. Dieser ist bestimmt 25, wenn nicht 30 Meter lang und etwa 2 ½ Meter breit. Als Arbeitsgerät bekomme ich dafür einen Besen, der keine 30 Zentimeter breit ist und eine Kehrschaufel mit langer Stange. Ich denke etwas wehmütig an große Besen zurück, mit denen ich an anderen Orten schon gekehrt habe, und mache mich mit dem kleinen Besen ans Werk. Als ich das erste Drittel der Fläche gekehrt habe, bringt mir einer der Männer einen Eimer Wasser und einen Wischmopp: „das ist für Dich!“. „Aha, danke“, sage ich und verstehe, dass es nicht nur um „besenrein“ geht, sondern mehr erwartet wird. Nachdem ich das zweite Drittel fertig gekehrt habe, merke ich leichte Rückenschmerzen und muss seltsamerweise darüber lächeln: „nicht ganz in Form, Herr Pater? Nichts mehr gewohnt!“. Oder hatte ich schlicht eine falsche Haltung eingenommen? Sei`s drum! Ich kehre fertig und mache mich ans Wischen. Auch da kommen Erinnerungen hoch. Als Pfarrer in Salzburg war Samstag mein Putztag. Und beim Ausschütten des schmutzigen Wassers dachte ich mir bisweilen mit einem Anflug von Selbstironie: „hier siehst du einen Erfolg deiner Arbeit – das ist sonst nicht immer so!“ Irgendwann war der Gang gekehrt und gewischt. Was nun? Es galt, Bettwäsche zusammen zu legen. Der Haken (oder Reiz) dabei: die Betttücher sind – mit schwarzem Stift -  „beschriftet“, z.B. „II p / 15“, für „2. Stock, Zimmer 15“. Und diese Schrift muss beim zusammengelegten Betttuch natürlich oben und zu lesen sein. Es kommt ein weiterer Freiwilliger zu Hilfe, Angelo. Wobei ich den Eindruck habe, dass dieser einen großen Gesprächsbedarf hat, womit „der Deutsche“, der gern effektiv arbeiten möchte, erst einmal zurechtkommen muss. Schlussendlich entscheide ich mich, Angelo nicht vor den Kopf zu stoßen, sondern ihm zuzuhören. Hin und wieder bekommen wir auch ein Betttuch gefaltet, mit der Schrift oben. Angelo war, soweit ich verstanden habe, einmal im Priesterseminar und hat dieses verlassen. Später hat er in einer Telekommunikationsfirma gearbeitet. Er wohnt in einer Sozialwohnung, die vermutlich verkauft werden soll. Deswegen hat er Sorge, dass er umziehen muss, womöglich in eines der gefährlicheren Quartiere Roms, wo die Mieter auch einen Tribut an die Mafia entrichten müssen. „Ich habe sicherheitshalber schon einmal die Schwester gefragt, ob hier im Haus ein Bett frei wäre“, lächelt er. Während ich ihm zuhöre, steigt mein Respekt vor ihm bzw. merke ich wieder einmal, in welch komfortablen Verhältnissen ich leben darf. Völlig unverdient, ich weiß.

Jetzt kommen die Spannbetttücher dran. Und wir scheitern. So ein Betttuch sorgfältig und schön zusammen zu legen, so dass gleichzeitig noch die Schrift oben zu lesen ist, wir sind überfordert. Zu unserer Ehrenrettung möchte ich erwähnen, dass auch Sr. Olivetta und Anna, eine weitere Freiwillige, nicht mit dieser Aufgabe zurechtkommen. Sie erinnern sich an einen ehemaligen Bewohner aus Bangladesch, der es perfekt konnte und der in seine Heimat zurückgekehrt ist.