Donnerstag, 15. Mai 2025

Päpste

„Warum schreiben Sie denn nichts zu dem, was sich momentan in Rom alles ereignet?“, so die Frage einer Leserin nach dem letzten Post.

Am Tag der Beerdigung von Papst Franziskus saß ich im Zug (Abfahrt in Rom um 10.00 Uhr, also exakt zur Zeit des Beginns der Beerdigungsmesse für Papst Franziskus), um in den Süden, nach Apulien, zu fahren. Leonardo, ein junger Mitbruder der italienischen Provinz der Missionare vom Kostbaren Blut hatte mich eingeladen, bei der Feier seiner Priesterweihe dabei zu sein. Keinen Moment dachte ich daran, mein Programm zu ändern, ich war mir sicher, dass der verstorbene Papst völlig einverstanden gewesen wäre. (Tatsächlich erzählte mir Leonardo von Kollegen, deren Bischof ihre Priesterweihe wegen des Papstbegräbnisses verschoben hatte…)

Ehrlich gesagt bin ich nicht unbedingt ein Freund von „Massenaufläufen“, auch Fußballstadien und Konzert-Arenen sind nicht „meine Welt“. Im Zusammenhang mit dem Papst, dem verstorbenen und dem soeben gewählten, stelle ich mir zusätzlich die ein oder andere Frage. Wir sind ja als Kirche – hoffentlich! – nicht ein „Verein von Papst-Fans“. Mit welchen Zahlen da operiert wird: einige betonten, dass jetzt nicht so viele Menschen in Rom waren wie damals, als Johannes Paul II. verstarb und beerdigt wurde. Die Zahl der akkreditierten Journalisten dagegen war wohl jetzt höher. Schon bei der Messe für den verstorbenen Papst Franziskus 4500, beim Konklave dann 5000. Klar leben wir im Zeitalter der (sozialen) Medien. Scheinbar beschäftigen sich Menschen auch damit, die Lautstärke des Beifalls bei Audienzen auf dem Petersplatz (in Dezibel!) zu messen und stellten fest, dass es seit Johannes Paul II. „leiser“ geworden ist. Wobei der Grund vermutlich im gestiegenen Handy-Gebrauch zu suchen ist: während früher Menschen die Hände noch zum Klatschen frei hatten, ist heute das Handy in der Hand, um Fotos zu machen. Na ja…

Bei den Bildern des Gratis-Konzerts von Lady Gaga an der Copacabana in Rio de Janeiro erinnerte ich mich an die Messe mit Papst Franziskus im Rahmen eines Weltjugendtages am selben Ort. Massen an Menschen! In Rom (und darüber hinaus) sagt man sehr nüchtern und lapidar: „morto un papa se ne fa un altro“ („ist ein Papst gestorben, dann wird eben ein neuer gewählt“), fast ein wenig wie „the show must go on!“. Meine Lieblingsautorin auf katholisch.de betonte am 5.5. die Notwendigkeit für jede/n Christen/in, selbst ein Gesicht der Kirche zu sein. Nicht nur der Papst…

Wobei ich durchaus ein Fan von Papst Franziskus war, bin und bleiben werde. Nach wie vor ist sein Foto (vor der Europa-Flagge) Bildschirmschoner auf meinem Laptop. Und ich erinnere mich daran, wie ich zu Pandemie-Zeiten, noch in Maria Baumgärtle, öfter am Morgen die Frühmesse aus Santa Marta eingeschaltet habe, um Franziskus Predigt zu hören. Danach musste ich ausschalten, um selbst zur Messe vor Ort zu gehen. Im Bücherregal steht ein Band mit Predigten von Jorge Mario Bergoglio aus seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires, in den ich regelmäßig hineinschaue. Besonders genossen habe ich stets die Aufzeichnungen der Begegnungen von Papst Franziskus mit seinen Mitbrüdern, den Jesuiten, für die er sich während seiner Reisen jeweils eigens Zeit nahm.

Als der soeben gewählte neue Papst Leo auf den Balkon trat, war ich nicht auf dem Petersplatz, sondern wie viele andere vor dem Bildschirm. Das lag daran, dass ich um 18.00 Uhr noch einen Webtalk mit Manfred Deselaers verfolgt hatte, der als Priester seit 30 Jahren in Auschwitz lebt. Immerhin war ja der 8. Mai, ein höchst passendes Datum für eine solche Veranstaltung. Als der Webtalk zu Ende ging, stellte ich fest, dass ich es wohl nicht mehr pünktlich auf den Petersplatz schaffen würde und setzte mich vor den Fernseher. „Wie wird der neue Papst grüßen? Buona sera, wie sein Vorgänger? Oder doch `Gelobt sei Jesus Christus´?“ Wunderbar dann sein Gruß: „der Friede sei mit Euch allen“. Da können alle zufrieden sein: der Gruß des Auferstandenen, der liturgische Gruß des Bischofs und ein Wunsch, gegen den wohl niemand etwas einwenden wird.

Am Sonntag bei der offiziellen Messe zur Amtseinführung des neuen Papstes möchte ich auf dem Petersplatz dabei sein…

 

Mittwoch, 30. April 2025

Kirchliche Gebäude

Neben der schlichten Pfarrkirche in Klagenfurt-Annabichl, dort begann ich nach der Priesterweihe 1991 meinen Dienst, wurde in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein Pfarrzentrum gebaut, darin ein Saal und verschiedene Räume für pfarrliche Aktivitäten.

Während meiner Zeit in Klagenfurt hörte ich, hoffentlich habe ich das richtig in Erinnerung behalten, dass der frühere Bischof Köstner bei der Einweihung des Pfarrzentrums den Menschen der Pfarre sagte: „aber vergesst nicht, dass die Kirche das eigentliche Zentrum der Pfarre ist!“.

In unseren Tagen, in welchen zumindest Diözesen im deutschsprachigen Raum kritisch ihren Immobilienbestand prüfen, fiel mir die Geschichte von damals wieder ein. Es gab eine Phase, in welcher viele Pfarr- und Gemeindezentren gebaut wurden. Sicherlich hängt das damit zusammen, dass „aus der Pfarrei eine Gemeinde werden“ sollte und der Kirchenraum als liturgischer Ort für diesen Zweck nicht genügend Möglichkeiten zu bieten schien. Heute werden viele kirchlichen Gebäude, seien es die Kirchen selbst oder eben die Pfarr- und Gemeindezentren schlicht nicht mehr gebraucht bzw. scheinen die finanziellen Möglichkeiten es nahezulegen, sich von dem ein oder anderen Bau zu trennen.

Das tut (vielen) weh und ich bin weit davon entfernt, diesbezüglich etwas schönreden zu wollen. Und doch: vielleicht hilft es uns, einen Schritt zurück zu treten und nachzudenken.

Könnte es sein, dass die Gemeinde- und Pfarrzentren in gewisser Weise ein „Schnellschuss“, ein Fehler, um nicht gar von „Sündenfall“ zu sprechen, waren? Klar: hinterher weiß man es immer besser. In „nachkonziliarer Euphorie“ konnten kaum Zweifel am Bau eines Gemeindezentrums aufkommen, im Gegenteil, es war geradezu Ausdruck eines neuen, gewandelten Selbstverständnisses der Gemeinde vor Ort.

Heute reden wir von „Kirche im Sozialraum“ und versuchen als Kirche mit verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren zusammen zu arbeiten, uns bestmöglich zu vernetzen, z.B. im Sozialbereich oder im Einsatz für ökologische Fragen. Vielleicht kann es in diesem Zusammenhang auch als Chance gesehen werden, wenn sich die ein oder andere kirchliche Gruppe für ihre Treffen auf „Raumsuche“ begeben muss. Das neue Miteinander sieht völlig anders aus als in den Jahren vor der Existenz von Pfarr- und Gemeindezentren, in welcher die Menschen (zumindest diejenigen männlichen Geschlechts) nach der Liturgiefeier zum Frühschoppen ins (Dorf-)Wirtshaus gingen. Diese Form von „Kirche im Sozialraum“, in welcher Kirche noch ein wichtiger „Player“ war, ist vorbei. Heute kann die Kontaktaufnahme mit „Nicht-Kirchgängern“ vielleicht in dem ein oder anderen Fall tatsächlich mit der Anfrage um einen Raum beginnen, bzw. eine sich für irgendein Anliegen gebildete Gruppe sucht gemeinsam danach.

Wo es allerdings noch kirchlichen Gebäudebestand gibt, sollte abgesehen von Verkaufsüberlegungen die Nutzung desselben kritisch hinterfragt werden. Wie zugänglich sind die Räume, wie verfügbar? Was ich immer wieder erlebt habe ist die Vermietung von Gemeinderäumen für z.B. Familienfeiern oder andere private Feste. Eine Win-Win-Situation: die Gruppe hat einen geeigneten Raum, die Pfarrei ein wenig Einkommen.

Ein anderes Projekt, das ich selbst erlebt habe: in unserer (Missionare vom Kostbaren Blut) ehemaligen Pfarrei Hl. Kreuz in Traunstein wohnte für einige Zeit ein ökologisch engagierter Priester, der auf unserem Grundstück einen „Schöpfungsgarten“ angelegt hat und mit ganz verschiedenen Menschen in diesem Garten arbeitete. Dieses Projekt geht weiter auch nach dem Wegzug des Priesters. Und die „Schöpfungsgärtner“ treffen sich für die ein oder andere Besprechung im Pfarrhaus, wo ihnen unser ehemaliges großes Esszimmer mit der Küche nebenan zur Verfügung steht.

Mich selbst schmerzte es, dass ich bei meinen Mitbewohner/innen keinen Rückhalt fand, um eine Anfrage einer Nachbarin positiv zu beantworten, die unseren Garten für die Feier eines Kindergeburtstags nutzen wollte. Viele Bedenken: „könnte ein Präzedenzfall werden. Und wenn etwas passiert, Versicherungsfragen…“, welche das Projekt letztlich nicht zustande kommen ließen.