Sonntag, 30. Juni 2013

Umzug

„Du Zigeuner!“ sagte mir eine Pfarrsekretärin, als ich ihr von meinem bevorstehenden Umzug berichtete. Meine häufigen Ortswechsel in den letzten Jahren lassen solch eine Deutung freilich zu. Wollte ich mich auf mein „Missionar“-Sein berufen, könnte das missverstanden werden. Der Gründer unserer Gemeinschaft meinte ja: „der Missionar ist keine unbewegliche Statue!“.

Also: ich möchte mich nicht rechtfertigen. Vielleicht haben diejenigen Recht, die meinen, dass ich es schlicht nirgends lange aushalte und dies Ausdruck einer inneren Instabilität sei. Sei´s drum!

Ganz frech würde ich solchen dasjenige entgegenhalten, was ich bei Ida Friedrike Görres als „Pilgersünde“ bezeichnet gefunden habe: „des Weges müde zu werden und sich voreilig eine Hütte zu bauen“, um „der angstvollen Unermesslichkeit des Unsichtbaren, des rufenden Ewigen“ auszuweichen. Wir sind und bleiben unterwegs...

Beim Schachteln packen ging mir Papst Franziskus nicht aus dem Kopf, der vor kurzem, vor den Gefahren des Reichtums warnend, humorvoll und gleichzeitig drastisch sagte: „ich habe noch nie einen Umzugswagen dem Leichenwagen hinterher fahren gesehen“. Beim Einpacken von 26 Umzugskartons – das geschah immerhin an einem Tag! - dachte ich wehmütig an meinen Umzug vor ein paar Jahren nach Madrid zurück. Es gelang zwar, eine Fluglinie zu finden, die mich gegen einen geringen Aufpreis zwei Gepäckstücke mitnehmen ließ, aber das war´s dann auch: ein Koffer und der große Rucksack. Und ich kam gut mit dem mitgenommenen Material aus, musste in Madrid kaum etwas einkaufen. Und jetzt: 26 Umzugskartons!

Wobei diese Kartons auch schon öfter umgezogen sind. Auf ein paar steht „P.Alois – Baumgärtle“ drauf und diese Aufschrift stammt von einem ersten Umzug dorthin im Jahr 1996. Diese, wie die anderen Kartons auch, nimmt man aufgrund ihres Zustands besser nicht mehr an den dafür vorgesehenen seitlichen Griffen, sondern trägt sie, am Boden unten haltend.

Wenigstens muss ich keine Möbel mitnehmen – das macht ja für andere Leute einen Umzug besonders mühsam. Das heißt, ein Möbelstück gibt es: mein Meditationshocker. Den Unkundige als Tischchen bezeichnen. Und auch ebenso verwenden, etwa, um eine Pflanze darauf abzustellen.
Dieses Möbelstück passt aber in einen Umzugskarton hinein. Ich hatte es auch nach Madrid mit genommen – im Rucksack! - , im Gegensatz etwa zum Kelch für die Eucharistiefeier. Kelche stehen überall herum. Aber solch ein Meditationshocker? Handwerker hätten sich vermutlich schnell selbst einen gebastelt. Tatsächlich fanden die spanischen Mitbrüder ebenso Gefallen an diesem Möbelstück und wollten ein solches. So dass ich auf Weihnachten hin in Traunstein ein Paket packte, zwei Exemplare Meditationshocker hinein gab, das Ganze mit Weihnachtsplätzchen, bzw. -keks gut polsterte und nach Madrid sandte.
Kelch und Meditationshocker: Symbole für „Über-Lebensmittel“ für mich. Ohne die Eucharistiefeier und eine halbe Stunde Meditation am Tag fehlt mir etwas.

Der Umzug ist mit Abschied nehmen verbunden. Und obwohl das durchaus auch angenehme Seiten haben kann, wird es gleichzeitig schwerer, je älter ich werde – das spüre ich.
Für das Neu-Anfangen gibt es zwei entgegen gesetzte Grundregeln. Die eine sagt: „schau erst einmal ein Jahr, bevor Du etwas änderst!“. Die andere: „wenn Du etwas ändern möchtest, tu es sofort. Später gelingt das nicht mehr!“ Ich habe mich nie strikt an eine der beiden Regeln gehalten, gefühlsmäßig gefällt mir die erste besser. Beim Blick auf meine Zeit in Schellenberg stelle ich fest, dass ich etwas sofort verändert habe – hierzu gibt es den Post von 31.1.12 „Die Brille und das Kabel“ - anderes habe ich lange ertragen. Wobei ich mir deswegen nicht unbedingt Vorwürfe mache, denn eventuell ist ja hin und wieder „Ertragen“ angesagt.

Welch ein Luxus, umziehen zu können, mit 26 Kartons und manchem Krimskrams. Und nicht mit ein paar Habseligkeiten am Leib flüchten zu müssen...