Sonntag, 31. Dezember 2017

A schöne Leich

Nein, ich will jetzt zum Jahresende nicht irgendwie makaber werden! Aber so wie mir eine Hospizbegleiterin deutlich machte, wie wichtig die Beerdigung ist, weil da praktisch zum letzten Mal im größeren Rahmen etwas über die verstorbene Person gesagt wird, so ähnlich könnten wir uns ja auch vom zu Ende gehenden Jahr verabschieden. Es würdigen und noch einmal die ein oder andere Erinnerung wach rufen. Und so wie die Wiener eine besondere Beziehung zu „aner schönen Leich“ pflegen, das im Hinblick auf 2017 versuchen...

Dabei geht es mir wohlgemerkt nicht darum, nostalgisch die Vergangenheit zu verklären. Im Gegenteil! Der Blick zurück soll das Leben im jetzt und hier fördern und darf mit dem Blick nach vorn kombiniert werden.

So ähnlich wie bei dem Ehepaar, das dieser Tage hier war, um sich zu verabschieden. Vor 21 Jahren waren sie aus Westfalen in unseren Nachbarort im Unterallgäu gezogen, hatten sich dort ein Haus gekauft. Beide waren immer schon große Liebhaber der Berge gewesen und so entschlossen sie sich, nachdem er in den Ruhestand gekommen war, zu diesem Schritt. Und jetzt – er ist inzwischen 84 und sie 82, die Arbeit in Haus und Garten wächst ihnen über den Kopf – ziehen sie zurück nach Westfalen, haben eine Wohnung in der Nähe eines ihrer Kinder erstanden. Abschied und Neubeginn!

In Maria Baumgärtle werden wir uns am Silvestertag um 23.30 Uhr in der Wallfahrtskirche treffen, um aus dem alten ins neue Jahr hinüber zu gehen, Gott zu danken, zu bitten und ihn zu loben. Dabei werde ich an einen Menschen erinnern, der wohl nicht Platz in jedem Jahresrückblick finden wird und der es doch verdient: Liu Xiaobo. 2010 bekam er den Friedensnobelpreis verliehen, den er damals nicht persönlich entgegen nehmen konnte, weil er nicht aus China ausreisen durfte. Zuletzt war er krebskrank und wieder wurde ihm die Ausreise verweigert, um sich im Ausland medizinisch behandeln zu lassen. Und nachdem er im Alter von 62 Jahren am 13. Juli 2017 gestorben war, wurde seine Leiche verbrannt und die Asche – wohl im Gegensatz zu chinesischen Bräuchen – im Meer verstreut. Was wohl so interpretiert werden muss, dass es darum ging, keinen Erinnerungsort zu institutionalisieren.

Deswegen möchte ich an dieser Stelle und in der Silvesternacht an Liu Xiaobo erinnern. Und mit ihm an alle, die sich für den Frieden einsetzen, auch wenn es sie das Leben kostet.

Freitag, 15. Dezember 2017

vierkerzenlang

Mit einem Gedicht von Rita Maier, einer jungen Frau, die hier in der Nähe wohnt und als Logopädin arbeitet und mich schon manchmal mit Dingen aus ihrer Schreibwerkstatt beschenkt hat, möchte ich Euch und Ihnen einen guten weiteren Weg im Advent und frohe Weihnachten wünschen!


vierkerzenlang
Weihnachtsmarktgedränge
Seniorenheimkinderchorgesänge
Backgelageklebrigkeit
gar nicht stade Zeit

vierkerzenlang
Menschenmengeneinsamkeit
Endloswunschzettelstreit
Tannenbaumgenöle
Glühweintrunkenheitsgegröle

vierkerzenlang
Lastchristmasdauerschleife
Dekoübertrumpfungsgekeife
Schneeschippeiskratzwetter
früher war mehr Lametta

vierkerzenlang
warten und doch unerwartet
erhofft und doch unglaublich
hilfloses Kind und doch wahrer Gott
Geburt der Liebe in dir und mir

Donnerstag, 30. November 2017

Dreifaltigkeit im Advent

Es war kein wunderschönes Wetter, aber wenigstens begann es erst nachmittags zu nieseln. Am vergangenen Dienstag, als ich von Babenhausen nach Memmingen wanderte. Die Orientierung war nicht allzu schwer, weil der Weg auch Teil des Jakobsweges und mit der Muschel gut markiert ist. Bei Wegkreuzungen in manchem Waldstück war das tatsächlich eine Hilfe.

Immer wieder ging es auch durch kleine Orte. „Kulturwandern“ nennt das Peter Lindenthal, ausgewiesener Experte für den österreichischen Teil des Jakobsweges. Bei vielen Häusern sah ich schon (vor)weihnachtlichen Schmuck: Strohsterne im Fenster oder ein großer Leucht-Stern irgendwo außen, Weihnachtsmänner unterschiedlicher Größen im Fenster oder auf dem Balkon etc.

Bei dem ein oder anderen Hauseingang oder im Vorgarten auch Sätze, Sprüche auf Metall oder Stein. Wie: „Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum“. Oder: „für das Vergangene danken, die Zukunft träumen, im Jetzt leben“, was mich an Dag Hammarskjölds 1953 notiertes: „Für das Vergangene: Dank – für das Kommende: Ja“ erinnerte. Oder: „Drei Dinge sind uns aus dem Paradies geblieben: die Sterne, die Blumen und die Kinder“.

Was mich zum Thema bringt: in wenigstens drei (!) Gärten sah ich eine sich ähnelnde Skulptur: drei etwas versetzt nebeneinander stehende schlanke, quaderförmige Granitsäulen, etwa einen Meter hoch. Auf den drei Säulen in zwei Gärten jeweils eine geschliffene Kugel aus demselben Material. In einem Garten keine Steinkugeln, sondern solche aus Milchglas, die vermutlich ein Leuchtmittel enthalten.

Ob die Leute sich etwas gedacht haben, als sie da ausgerechnet drei und nicht zwei oder vier oder noch mehr Steinsäulen im Vorgarten aufstellten? Mir kam – Berufskrankheit? - die Dreifaltigkeit in den Sinn. So ähnlich, wie über den ein oder anderen Heiligen berichtet wird, dass jedes Gebilde in der Natur, das irgendwie mit der Dreizahl zu tun hat, vom dreiblättrigen Kleeblatt angefangen, den Heiligen an die Dreifaltigkeit erinnerte und ihn ehrfürchtig werden ließ. Von unserem Gründer heißt es, wie vermutlich von anderen Heiligen auch, dass er immer beim Beten des „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist“ ehrfürchtig das Haupt neigte. Bis heute ist so etwas Praxis in der Liturgie des Stundengebets bei der ein oder anderen Gemeinschaft.

Der Dreizahl bin ich noch einmal begegnet bei der Vorbereitung der Adventsfeier mit unseren Mitarbeiterinnen hier im Haus. Diese wird am 4. Dezember, dem Gedenktag der heiligen Barbara, stattfinden. Barbara war eine junge Frau im dritten oder vierten Jahrhundert, die sich gegen den Willen ihres heidnischen Vaters zum Christentum bekehrt hat. Ihr Vater hatte sie in einem Turm untergebracht. So wird sie auch oft dargestellt, die Frau mit dem Turm. An die Wand ihres Zimmers soll sie ein Kreuz gezeichnet haben. Äußeres Zeichen ihrer Bekehrung und vielleicht auch ein Hinweis für einen Spitzel oder Verräter. Der Turm selbst wird oft mit drei Fenstern dargestellt. Dies nicht ohne Grund: Christen bekennen sich zum dreifaltigen Gott.

Vielleicht fragen Sie sich beim Lesen, ob ich mir nicht für den Advent etwas anderes hätte einfallen lassen können. Ein Auslöser für diese „anderen Adventsgedanken“ ist ein neues Adventlied von Norbert Becker, „Zeit ist voller Hoffnung“. Vor kurzem hat er das mit einer kleinen Gruppe von Menschen gesungen, ich war auch dabei. Und Norbert Becker hat darauf hin gewiesen, dass jede der drei Strophen endet mit: „...Er kommt zu uns, der starke Gott“. Also einmal entschieden nicht das liebliche, kleine Kind im Blick, sondern der starke Gott. Und darum meine ich geht es im Advent tatsächlich auch! Guten Advent!

Mittwoch, 15. November 2017

Narzissmus?

Das Abendessen war sehr fein! Zwar kam ich erst zum Essen, nicht schon zum Kochen, zu dem ich auch eingeladen gewesen wäre. Wobei das in diesem Fall tatsächlich an terminlichen Gründen lag. Während wir uns das Essen schmecken ließen, und nachher weiter, redeten wir über Gott und die Welt.
Dabei ging es unter anderem um einen Autor, der ein paar Tage zuvor in der nahe gelegenen Stadt einen Vortrag gehalten hatte. Und eine aus unserer Runde, von Beruf Fachärztin für Psychiatrie, meinte: „ein wenig Narzisst muss er wohl schon sein, wenn er meint, über seine Erfahrungen ein Buch schreiben zu müssen!“ Diese Äußerung ließ uns nachdenken. Wie das so ist mit dem Bücher schreiben und dem Narzissmus... Ist dann etwa der andere, der so viele Bücher schreibt, auch ein Narzisst? Vielleicht sogar ein noch größerer, weil er ja noch viel mehr Bücher geschrieben hat?
„Wenn einer so davon überzeugt ist, seine Erfahrungen etc. in der Welt verbreiten zu müssen...“ meinte die Psychiaterin.

Worauf mir ein wenig heiß wurde: wie ist das denn dann mit meinem Blog? Bin ich auch ein Narzisst? Wie meinte vor kurzem ein Mitbruder, der einen Post gelesen hatte: „wen interessiert das denn?“ Bin ich da in eine Falle getappt?

Wie fing es an? Das „Wie“ hat mit dem „Wo“ zu tun. Ich erinnere mich: ich war ein Jahr in Spanien und wollte der Bitte verschiedener Menschen nach kommen, von dort zu berichten. Was zum „BaM“ führte, zum „Bericht aus Madrid“, den Leute wie einen Newsletter bei mir bestellen konnten. Regelmäßig schrieb ich über meine Erlebnisse vor allem im Zusammenhang der Besuche bei Menschen in der Abschiebehaft.

Als ich wieder in den deutschen Sprachraum zurück gekehrt war – schneller, als ich gedacht und gewollt hatte, war mir an einer Fortsetzung des schriftlichen Kontakts mit den Lesern des „BaM“ gelegen. Auch wenn die Situation natürlich eine ganz andere war. Technisch wechselte ich vom Newsletter zum Blog. Um, ja, da kommt jetzt wohl doch der Narzissmus ins Spiel, um am eigenen Leben Anteil zu geben.

Ein wenig, jetzt kommt´s noch schlimmer, ist auch ein „missionarischer Gedanke“ damit verbunden. Manchmal versuche ich im eher säkularen Erzählen eine Botschaft zu verpacken. Nicht aufdringlich, sondern en passant. Was sehr oft nicht gelingt, ich weiß. Da bleibt es dann beim banalen Erzählen. Und ich fordere sicher die Geduld und das Wohlwollen meiner Leserinnen und Leser heraus. Deren Zahl überschaubar ist, im dreistelligen Bereich. Wobei ich weiß, dass ich auch Leserinnen und Leser habe, die das Geschriebene ausgedruckt bekommen, weil sie keine Internet-Nutzer/innen sind.

Manchmal ist mein Geschreibsel Auslöser für eine Reaktion und ich erfahre etwas aus dem Leben eines Lesers, einer Leserin. Was mich freut! Denn „Beziehungspflege“ ist nicht nur ein Nebeneffekt meines narzisstischen Schreibens. Leider ist es mir bisher technisch nicht gelungen, eine Kommentarfunktion zu aktivieren. Was mich wiederum davon befreit, täglich Kommentare sichten zu müssen.

Das Ganze hat wohl auch mit dem zu tun, was mein großer Kollege aus früheren Jahren, Paulus, in einem Brief an die Gemeinde in Thessalonich geschrieben hat. Wir „wollten euch nicht nur am Evangelium Gottes teilhaben lassen, sondern auch an unserem eigenen Leben“ (1 Thess 2,8).

Zum Schluss: diejenigen, die sich wundern, woher ich die Zeit nehme, kann ich beruhigen. Im Normalfall ist so ein Post sehr schnell geschrieben (merkt man ja auch dem Stil an!), wenn erst einmal die Idee da ist. Und die kommt nebenbei, wächst aus dem Alltag heraus, ohne dass ich mich extra zum Überlegen hin setzen müsste. Also: viel Freude oder viel Geduld beim Lesen wünsche ich!

Dienstag, 31. Oktober 2017

eritreisch-orthodoxe Liturgie

Von April bis November 2016 war der aus Eritrea stammende Bisrat im Kirchenasyl bei uns im Haus. Um der Abschiebung nach Italien zu entgehen. Seine Frau lebte als Flüchtling anerkannt in Lauingen und Bisrat war überglücklich, als er nach Ende des Kirchenasyls wieder zu ihr ziehen konnte. Im September 2017 sind die beiden nun Eltern geworden: Petros heißt ihr Sohn.

Und Bisrat lud uns zur Taufe ein. Gerne nahm ich die Einladung an und machte mich am vergangenen Sonntag auf den Weg nach Ulm. Wo die evangelische Gemeinde die Pauluskirche der eritreisch-orthodoxen Gemeinde zur Verfügung stellt. Wenn ich recht verstanden habe, dann trifft sich die eritreisch-orthodoxe Gemeinde einmal im Monat dort zum Gottesdienst. (Oder fahren sie aus Lauingen einmal im Monat dorthin?)

Als ich ankam, war gerade ein kleines Grüppchen junger dunkelhäutiger Männer und eine ebenfalls dunkelhäutige Frau (sie mit einem knallgelben Rock bzw. Kleid und leuchtend roten Schuhen!) auf dem Weg in die Kirche. Vorbei gehende Passanten schauten die Gruppe freundlich interessiert an. Ich könnte mir vorstellen, dass andere vielleicht auch weniger freundlich, eher ängstlich reagieren.

Beim Betreten der Kirche sah ich dort viele Schuhe im Vorraum. Aha! Also zog auch ich meine Schuhe aus und spürte trotz der gestrickten Wollsocken den kalten Steinboden der Kirche recht deutlich. Ich weiß gar nicht, wann die Liturgie angefangen hatte. Bisrat meinte, die Taufe wäre um 13.00 Uhr. Ich kam um 12.15 Uhr bei der Kirche an und ging einfach hinein. Etwa 250 dunkelhäutige Personen, vorwiegend jüngere, etwa zwei Drittel davon Männer, diese auf der linken Seite der Kirche, rechts die Frauen.

Die meiste Zeit standen wir, während vorne ein kleiner Chor weiß gekleideter Männer mit Trommelbegleitung sang – eine für mein Ohr nicht so ganz leicht zugängliche Melodie. Die Chorsänger standen im Halbkreis, wobei sich zwischendurch die Formation auflöste und sich Gruppen bildeten, die tanzend einander begegneten.

Einzelne Momente während der Liturgie gab es, in denen sich die Anwesenden ehrfürchtig hin knieten. Wobei das auf die Weise geschah, wie wir es aus Moscheen kennen. Also den Oberkörper nach vorne gebeugt, so dass die Stirn den Boden berührt. Was für mich, der ich mir ganz hinten einen Platz gesucht hatte, recht lustig aussah. In der Kirche waren nämlich keine Bänke, sondern Stühle, vorne grün gepolsterte und im hinteren Drittel weiße Holzstühle. Als sich nun die Leute hin knieten und nach vorne beugten, verschwanden sie gleichsam und ich sah nur noch die (Rückenlehnen der) Stühle.

Noch andere interessante Momente in der Liturgie gab es für mich, die ich nicht verstand oder nicht zu deuten vermag. Irgendwann während des Gottesdienstes dann die Taufen: drei Kinder wurden an diesem Tag getauft, darunter eben auch Petros. Und weil der Gottesdienst kein Ende nahm, ich aber schon mit bekommen hatte, dass nicht nur die Kinder sich in der Kirche bewegen, machte ich mich auch auf den Weg nach vorn, um Bisrat zu begegnen, ihm und seiner Frau Shewit zu gratulieren und einen Blick auf das Baby zu erhaschen. Bisrat war ganz traurig, dass ich seiner Einladung, die Familie nach Lauingen zu begleiten, um dort weiter zu feiern, nicht nachkommen konnte. Es war inzwischen 14.00 Uhr und die Liturgie noch nicht zu Ende!

So machte ich mich mit vielen Eindrücken wieder auf den Weg, ich wollte noch einen Besuch in der Uni-Klinik machen. Die fremdartige Liturgie ließ und lässt mich fragen, wie den Menschen aus Eritrea wohl das fremde Deutschland vorkommen muss. Und wie Integration gelingen kann.

Nachdem Bisrat und seine Frau keine gültigen Personaldokumente haben, hat auch das Baby nur eine „vorläufige Geburtsurkunde“ bekommen. Was wird der kleine Petros in seinem Leben erfahren? Gebe es Gott, dass er durch die Liebe seiner Eltern getragen, Eritrea und Deutschland für sich irgendwie verbinden kann...

Sonntag, 15. Oktober 2017

Der Bart - muss weg!

Auch auf die Gefahr hin, dass diejenigen enttäuscht sind, die das hier lesen und mich gerne „mit“ gesehen hätten: nach einem Monat ist er wieder ab und weg, der Bart...

Im Urlaub war ich ja wandern, das Gepäck im Rucksack auf dem Rücken. Unter anderen Dingen kam auch der Rasierapparat aus Gründen der Gewichtsreduzierung nicht mit. Als ich nach zehn Tagen zu Hause ankam, meinte mein Bruder: „Mensch, lass doch. Sieht gut aus! Verleiht Dir Charakter!“ Natürlich glaube ich nicht daran, dass Charakter und Bart unbedingt zusammen hängen, aber ich griff Helmuts Anregung trotzdem auf.

Und bekam eher positive Rückmeldungen wie: „Steht Dir/Ihnen gut!“, „Le queda bien“ meinte unsere ecuadorianische Hauswirtschafterin. Im Nachhinein frage ich mich natürlich auch, ob die positiven Rückmeldungen überwiegen, weil negative Kritik nicht so schnell geäußert wird.

Bei der Provinzleitungssitzung meinte der Provinzial – selbst Bartträger: „Männer mit Bart sind kreativer!“. Und Thomas, früher jahrelang Bartträger ermutigte mich: „Dich macht der Bart überhaupt nicht älter!“
Eine Ordensfrau befand: „Super! Ich mag wilde Männer!“ Na ja...
Einer meinte auch: „aha, Oberammergau?“ Dort lassen sich ja die Mitwirkenden bei den Passionsspielen auch im Vorfeld den Bart wachsen.
Der Bart durfte also zunächst einmal nach dem Urlaub weiter wachsen. (War in der Früh auch eine gewisse Zeitersparnis!) Und es kam zu ersten Verwechslungen. „War das nicht der...?“ „Nein, das war doch der P. Alois“. „Ich habe ihn erkannt, als er zu sprechen anfing“. Oder in Oberrieden nach der Messe: „das war aber heute kein Pater von Baumgärtle, oder?“

Ich selbst fühlte mich nicht so ganz wohl mit den Gesichtshaaren, was nicht mit der Eitelkeit zu tun hat. Klar, dass es nicht ohne graue Haare abgeht. Sind ja auf dem Kopf sonst auch!

Ein indischer Mitbruder kam an einem Sonntag nachmittags zu Besuch und als ich ihm die Tür öffnete, stutzte er zunächst und meinte dann: „Alois, willst du jetzt Mönch werden?“ Diese Assoziation hätte mir ja gefallen.

Und dann kam der schicksalhafte Mittwoch in Mittelrieden. Am Sonntag danach hatte sich der Unterallgäuer Bäuerinnenchor zum Singen in Maria Baumgärtle angesagt, um Br. Anton zu seinem 70. Geburtstag zu gratulieren. Und als ich am Mittwoch davor zur Abendmesse in Mittelrieden war, wo die Vorständin des Bäuerinnenchors wohnt und gemeinsam mit ihrer Tochter auch kirchenmusikalisch aktiv ist, da meinte diese: „aber das kommt weg bis zum Sonntag!“ Und auf meinen leisen Widerspruch hin erklärte sie: „das sieht ja auch wie bei Störtebecker“. (Der war ein Legenden-umrankter Seeräuber Ende des 14. Jahrhunderts).
Okay – die Frau allein hätte mich natürlich nicht überzeugen können. Aber da ich selbst auch nicht ganz glücklich war, schien mir der Zeitpunkt tatsächlich gekommen. Und mit Hilfe des Internets machte ich mich auf die Suche nach einem Friseursalon in der Nähe, der auch Rasur anbietet. Und wurde fündig.

Als ich am Freitag Vormittag dort saß und in sehr angenehmer Atmosphäre den Bart weg rasiert bekam, da war das so wie der vorletzte Teil des Urlaubs. (Der letzte kam noch später beim Kauf neuer Wanderschuhe, weil ich mir bei den alten im Urlaub endgültig die Sohle zum Teil abgelaufen hatte. Und diese Schuhe waren bereits einmal neu besohlt worden).

Als ich also am Sonntag frisch rasiert vor die Gemeinde trat, war die Vorständin des Bäuerinnenchors sehr zufrieden. Bei anderen schlug mir herbe Enttäsuchung entgegen. „Wieso hast Du...? Hat Dir so gut gestanden!“
Okay, es kommt ja vielleicht wieder einmal ein Wanderurlaub...

Samstag, 30. September 2017

Hobbys

Mit einem geradezu zärtlichen Blick schaute er auf das Gefährt, während er um es herum ging. Auf der Suche nach einem Handwerker war ich unserem Nachbarn in der Maschinenhalle begegnet – bei seinem Lanz Bulldogg, ein Oldtimer-Traktor. Schwarz und kein Stäubchen darauf – unser Auto ist lange nicht so gut geputzt. Ein Ölfläschchen stand oben auf der Maschine und der Mann war wohl gerade sehr liebevoll an der Pflege des Bulldogg.

Mich erinnerte das an die – natürlich nicht ganz ernst gemeinte – Aussage einer Frau, die ich vor kurzem hörte: „Wenn ich wieder auf die Welt komme, dann möchte ich als Fahrrad zur Welt kommen“. „Wieso denn das?“ „Weil ich mir dann der liebevollen Aufmerksamkeit und Zuwendung meines Mannes sicher sein könnte“. Und jemand anderer wusste davon zu berichten, dass ein leidenschaftlicher Motorradfahrer in der Wintersaison hin und wieder in die Garage geht, um sein Motorrad anzusehen und darüber zu streicheln – wenn er schon nicht damit fährt.

Wenn eine Beziehung unter der Pflege eines Hobbys leidet, dann ist das natürlich fragwürdig und bedenklich. Auf der anderen Seite meine ich aber, dass wir es auch mit Gott zu tun bekommen können, der leidenschaftlich an der Fülle unseres Lebens interessiert ist. Und sich freut, wenn wir mit Leidenschaft mit einer Sache beschäftigt sind, gleichsam verloren daran.

Bevor ich mich am Freitag auf den Weg machte, begegnete ich S. Teresa. Nass war sie, abgekämpft, der Rücken tat ihr weh – und sie war überglücklich. Als sie mit einer großen Tasche voller Pilze heim kam, die sie gefunden und gesammelt hatte. „Keine Sorge, ich werde sie zuerst essen!“, grinste sie mich an. Noch am Vortag hatte sie mir auf dem Smartphone ein Foto von zwei Taschen voller Pilze gezeigt, welches ihr ihre Verwandten aus Polen geschickt hatten. Dazu sagte sie: „ich möchte morgen am freien Tag nach Polen und Pilze sammeln gehen!“ Nun hatte sie sich im Unterallgäu auf den Weg gemacht und war vor der Haustür fündig geworden.

In der Vorstellungsrunde der Wanderexerzitien erzählte eine Frau von ihrer Strickleidenschaft: schon über 90 Schals hat sie in diesem Jahr für die Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ gestrickt, und immer wieder ist sie dran, an Schals und Mützen. Wenn sie Wolle sieht, dann kommt ihr sofort die Frage, was sich daraus machen ließen. „Das ist wie eine Sucht“, sagt sie.

Wozu ich am Schluss die folgende Geschichte wieder geben möchte:

Zu einer betagten Ordensfrau kam eine ältere Dame und klagte:
Viele Jahre habe ich meine täglichen Gebete gebetet, doch nie habe ich dabei die Nähe Gottes gespürt“.
Da fragte die Nonne: „Haben sie Gott die Gelegenheit gegeben, ein Wort einzuwerfen?“
Wie das“, entgegnete die Frau, „nein, ich habe die ganze Zeit zu ihm gesprochen, das ist doch Beten!“
Nein“, sagte sie, „ich glaube nicht. - Ich empfehle ihnen, dass sie sich täglich eine Viertelstunde Zeit nehmen, einfach dasitzen und stricken. Und lassen sie Gott bei ihrem Stricken zuschauen. Mehr brauchen sie nicht zu tun. Ja, ihn nur beim Stricken zuschauen lassen! Jeden Tag eine Viertelstunde lang.“
Die Frau wunderte sich über diesen Vorschlag, bedankte sich und ging.
Schon nach einer Woche kam sie wieder und sagte: „Merkwürdig, wenn ich zu Gott meine Gebete spreche, bin ich wie taub für Gott. Doch wenn ich vor ihm still dasitze, stricke und schweige, dann fühle ich mich in seine Nähe eingehüllt“. (Quelle unbekannt)
Vielleicht geht es der einen oder anderen mit ihrem oder seinem Hobby ebenso...

Freitag, 15. September 2017

Urlaub

Urlaub!
Ganz in der Nähe. Und es begann mit der Anreise. P. Robert brachte mich mit dem Auto zum Bahnhof in Sontheim, von dort ging es mit dem Zug nach Memmingen. Wo ich eine halbe Stunde auf den Bus des Schienenersatzverkehrs warten musste, mit dem ich nach Leutkirch weiter fuhr. Wo ich wieder eine halbe Stunde auf den Linienbus bis Bad Wurzach warten musste. Im großen Bus von Leutkirch nach Bad Wurzach war ich an diesem Sonntag Abend der einzige Fahrgast. Aufgrund von Umleitungen ging es über ganz kleine Sträßchen – den ganzen Nachmittag Entschleunigung pur...

Und nach einer Übernachtung bei den Salvatorianern in Bad Wurzach – sehr liebenswürdige Mitbrüder, die sich sichtlich über meinen Besuch freuten – ging es am nächsten Tag los. Auf dem HW (Hauptwanderweg) 5 des Schwäbischen Alb-Vereins Richtung Pforzheim.

Bis auf die erste Übernachtung in Bad Wurzach hatte ich keine weitere geplant oder reserviert. Ich wusste wohl, dass das Hotel in Steinhausen (erstes Etappenziel – schönste Dorfkirche Deutschlands) Betriebsurlaub hatte. Und dachte deswegen daran, nach Bad Schussenried auszuweichen, in der Annahme, dort sicher ein Quartier zu finden. Aber unterwegs traf ich ein Paar, Pilger auf dem Jakobsweg Richtung Bodensee, die mir von einem Landgasthaus in Muttensweiler (Nachbarort von Steinhausen) erzählten. Eine erste von allerhand tollen Fügungen während des Urlaubs. Tatsächlich bekam ich im genannten Gasthaus ein Zimmer, obwohl Montag war. Hätte ja auch Ruhetag sein können.

Am zweiten Tag entschied ich mich für eine Variation. Und ging nicht den „Umweg“ über Biberach auf den Bussen, was in einem Tag kaum zu machen gewesen wäre, sondern eher direkt über Bad Buchau und den Federsee. Ein wunderschöner Weg, wie sich heraus stellte. Diesmal war die Sache mit dem Quartier spannend: das Gasthaus auf dem Bussen hat nur vier Gästezimmer und die waren belegt. Der Wirt empfahl mir eine Möglichkeit in Offlingen - „kann aber sein, dass die Betriebsferien haben!“ - oder 2 ½ Kilometer weiter in Unlingen. Also marschierte ich nach Offlingen: tatsächlich Betriebsferien! - und dann weiter nach Unlingen. Dort beim ersten Gasthaus: kein Zimmer frei, beim zweiten Gasthaus und der letzten Möglichkeit im Ort: kein Zimmer frei! Mit den Wirtsleuten redete ich über mein Not und die Möglichkeit, nach Untermarchtal zu kommen, wo ich im Bildungshaus der Schwestern wohl ein Plätzchen bekäme. Wie sich heraus stellte, gab es einen direkten Bus, Haltestelle vor dem Wirtshaus, nach Untermarchtal! Mit dem letzten Bus an diesem Tag gelangte ich dorthin und machte dort einen Ruhetag. Wie ich es mir erträumt hatte, saß ich auf einer Bank an der Donau und las...

Dann weitere drei Tage wandern, wieder ein Ruhetag – diesmal ein Sonntag in Tübingen – und noch einmal drei Tage wandern, um in Pforzheim anzukommen.

Es dürften so an die 250 Kilometer zu Fuß gewesen sein. Und: ohne einen Tropfen Regen! Welch ein Geschenk!
Davon gab es tatsächlich einige. Wenn es an meinen Wandertagen Mittag wurde, dann bat ich den Schutzengel um einen geeigneten Ruheplatz - und fand auch immer einen. Oft sogar eine Bank, auf der ich mich nach der mittäglichen Brotzeit der Länge nach für eine Siesta ausstrecken konnte.

Und die Blase am Fuß kam erst im Lauf des siebten Tages – da war es nicht mehr so weit.
In Pforzheim angekommen ging ich noch ins Reuchlin – Museum. Tatsächlich hatte ich mit Mittwoch einen der drei Tage „erwischt“, an denen es geöffnet ist. Dort traf ich als Aufsicht Anna Wozniak. Bei Missionstagen in einer Pforzheimer Pfarrei vor drei oder vier Jahren hatte ich bei der Familie Wozniak gewohnt. Welch ein freudiges Wiedersehen.

Dem sportlichen Teil schloss sich eine kulinarische Woche zu Hause bei meiner Mutter an, die eine Leibspeise nach der anderen kochte... Danke!

Dienstag, 15. August 2017

Glauben und so...

Dieser Tage war Matthias zu Besuch. Wenn er im Urlaub zu Hause bei seiner Mutter ist, dann schaut er im Normalfall auch bei uns vorbei. Bei schönem Wetter kommt er mit dem Fahrrad, ansonsten nimmt er das Auto. Seit einiger Zeit fährt er ein ehemaliges Postauto, ein Zweisitzer, auf dessen Ladefläche im Kofferraum er im Bedarfsfall sein Fahrrad transportieren kann.

Matthias ist Priester und wir sind ungefähr gleich alt. Wir tauschen uns aus und für mich ist das jeweils bereichernd. Was wohl auch mit seinem Humor zusammen hängt.
Matthias arbeitet zusammen mit einem anderen Priester in einer Pfarreiengemeinschaft, ich weiß gar nicht, wie viele Pfarrei dazu gehören,. Am Wochenende haben sie 5 heilige Messen, zwei am Vorabend, drei am Sonntag. Vor einiger Zeit – so erzählte er diesmal – hatte er die beiden Vorabendmessen. In der ersten wurde auch ein Jubiläum des Schützenvereins begangen, einige Schützen saßen ziemlich weit vorne, teils mit verschränkten Armen, anscheinend ohne sich irgendwie zu beteiligen. Es war köstlich, wie Matthias die Mimik und Körperhaltung der Schützen imitierte. „Beim Vater unser haben sie etwas mit gebrummelt“. Ansonsten gab es auch noch ein paar vereinzelte Menschen in der Kirche. Und in der zweiten Vorabendmesse waren auch sehr wenige Mitfeiernde. Matthias kommentierte: „ich bin hinterher noch zum Kesselfleisch-Essen der Feuerwehr, weil ich nach diesem Erlebnis ein Bier gebraucht habe“.

Im Hinblick auf die Pastoralvisitation in diesem Herbst hatten sie vor kurzem eine Zählung der Kirchenbesucher: weniger als 10 Prozent der vor Ort eingetragenen Katholiken waren da. Da ändert sich etwas im Leben des Glaubens, der Kirche. Die beiden Priesterkollegen haben im Gespräch entschieden, nicht von sich aus die Zahl der Gottesdienste zu kürzen: „das kommt sowieso“. Wie es schon mit Werktagsgottesdiensten geschah. Im Winterhalbjahr fragten sie einmal vorsichtig, ob in der einen Gemeinde nicht besser ein 14tägiger als ein wöchentlicher Rhythmus wäre. Und die (eher älteren) Leute schienen sehr dankbar. „Wir kommen ja ohnehin nur aus Mitleid mit dem Pfarrer, damit der nicht so allein ist – 14tägig, das passt uns gut!“

Gerade war Matthias bei einer Fortbildung mit einem aus Deutschland stammenden und in Holland lehrenden Pastoraltheologen, der den Teilnehmenden Kennzeichen der (Post-)Moderne nahe zu bringen versuchte. Ein solches ist seiner Meinung nach die Projekt-Orientierung des heutigen Menschen. Können wir bestätigen: Mitglieder für den Kirchenchor zu finden scheint ein aussichtsloses Unternehmen. Geht es aber darum, im September für die Festmesse an Weihnachten Leute zum Mitsingen und zu Proben einzuladen, sieht es nicht so schlecht aus. Ein überschaubarer Zeitraum, ein absehbares Ende.
Aber insgesamt scheint das nicht unbedingt „Glaubens-kompatibel“. Glaube als zeitlich begrenztes Projekt?

Auch Ordensgemeinschaften versuchen ja das ein oder andere. Kann das gehen: zeitlich befristet Mitglied einer Ordensgemeinschaft zu sein? „Kloster auf Zeit“ ist ja schon älter, aber das scheint mir noch einmal etwas anderes. Papst Franziskus schien auch verwundert über das Ansinnen eines jungen Mannes, der fragte, ob er vielleicht einmal für zehn Jahre lang Priester sein könnte, um dann weiter zu sehen.

Was Matthias dann auch noch zu bedenken gab: „wir sind vier Geschwister, hatten dieselben Eltern, sind miteinander aufgewachsen, haben dieselben Pfarrer erlebt, teilweise die gleichen Religionslehrer. Aber heute sieht das sehr verschieden aus, was unser Glaubensleben angeht. Es ist wohl doch nicht zuletzt ein Geschenk, glauben zu können“.

Und woran machen wir es fest, dieses „glauben“? Anders gefragt: scheitern die Glaubens-“Profis“ vielleicht auch daran, die Anzeichen des Glaubens bei anderen zu entdecken, sie aufzugreifen und anderem in Verbindung zu bringen? Es sind spannende Zeiten...

Montag, 31. Juli 2017

Symposium Gemeinschaftsleben

Wäre ich ihm irgendwo abends auf der Straße begegnet, hätte ich vermutlich ein wenig Angst bekommen: eine kräftige Gestalt, breitschultrig und mit ansehnlicher Leibesfülle. Ob er als Türsteher bei einer Disco oder einem Nachtclub arbeitet? Dabei stellte sich heraus, dass Daryl die Sanftmut in Person ist. Er war einer der Teilnehmer unseres Symposiums zum Thema „Gemeinschaftsleben“ in der vergangenen Woche in Rom. Daryl war 15 Jahre in den USA Krankenhausseelsorger, bevor er vor zwei Jahren Leiter unserer Mission in Vietnam wurde. Dort lernt er jetzt Vietnamesisch und gibt Englisch-Unterricht für Menschen aus dem kirchlichen Umfeld. Und kümmert sich eben um die junge Gemeinschaft der Missionare vom Kostbaren Blut vor Ort.

Aus aller Welt waren Missionare vom Kostbaren Blut zusammen gekommen, um miteinander darüber zu sprechen, was Gemeinschaftsleben für uns bedeutet, ob es bestimmte, besondere Qualitäten eines Missionshauses von Missionaren vom Kostbaren Blut gibt. Voraus gegangen waren Überlegungen in den jeweiligen Herkunftsländern. Und dort werden wir jetzt versuchen, das in der vergangenen Woche gemeinsam Erarbeitete Wirklichkeit werden zu lassen, in unserem jeweiligen Kontext anzuwenden.

Aus Portugal war Luis Filipe da, ein alter Bekannter. Ich werde nie seine Freude und Leidenschaft vergessen, mit der er uns vor Jahren „sein Fatima“ gezeigt hat. Jetzt war er an einem Tag etwas bedrückt. Am Vorabend hatte er am Telefon mit seinen Eltern gesprochen, die ihm erzählten, dass ein Brand ihr Hab und Gut vernichtet hatte. Das heißt, das Wohnhaus blieb verschont. Aber all die Bäume, welche sein Vater vor 20 Jahren nach einem ähnlichen Brand gepflanzt hatte, wurden wieder vernichtet. Dazu die Bienenstöcke – Luis Vater scheint ein leidenschaftlicher Imker zu sein.

Die Mitbrüder aus der Iberischen Provinz (Spanien und Portugal) haben vor einigen Jahren mit einer Mission in Guinea-Bissau begonnen, einem sehr armen afrikanischen Land. Von dort war Joaquim gekommen, der während der Woche seinen 66. Geburtstag feierte.

Unter den italienischen Teilnehmern war Emo, der in unserem Gründungshaus im umbrischen S. Felice di Giano lebt. Momentan können sie das wunderschöne Refektorium in dem alten ehemaligen Kloster nicht benutzen, weil ein Erdbeben sich bis dorthin ausgewirkt hat. In Giano lebt Emo mit Altin zusammen, einem aus Albanien stammenden Mitbruder. Vielleicht kann auch in diesem Land eine Mission beginnen. Von Italien aus ist es nicht so weit. Und auch diesen Sommer werden einige Seminaristen der Missionare vom Kostbaren Blut für ein, zwei Wochen dorthin gehen, um Erfahrungen zu sammeln.

Im Gespräch mit dem indischen Vikariatsleiter Varakumar war ich davon betroffen, dass er mir sagte, im vergangenen Jahr seien drei Mitbrüder des Vikariats gestorben. Weil ja das Durchschnittsalter dort weit unter unserem liegt. Aber zum einen ist die Zahl der Menschen, die durch Verkehrsunfälle ums Leben kommen, in Indien hoch. Und dann erliegen die Menschen auch Krankheiten.

Die italienischen Mitbrüder hatten den Termin für eine Priesterweihe auf den Samstag vor Beginn des Symposiums gelegt, so dass Mitbrüder aus aller Welt mit feiern konnten. Geweiht wurde Alessandro Manzi, ein italienischer Ingenieur, der als „Laien-Missionar“ nach Tansania gegangen war, um dort mit zu arbeiten. Dabei hat er sich nicht nur in Afrika, bzw. Tansania „verliebt“. Sondern auch seine Berufung als Missionar vom Kostbaren Blut gefunden. Seine Priesterweihe am 22. Juli war ein wunderschönes Fest und eine beeindruckende weltkirchliche Erfahrung. Italienisch, Englisch und Suaheli wechselten sich ab. Und zum kleinen Empfang nach der Weihe gab es auch die ein oder andere afrikanische Spezialität zu probieren – bis hin zu getrockneten Heuschrecken.
Ich traf dabei auf eine Frau, die im Hotel in Dar es Salaam arbeitet und ihre Ausbildung vor vielen Jahren auch in der Hotelfachschule in Salzburg-Klessheim gemacht hat.

Samstag, 15. Juli 2017

Pontifikalamt

10. Juli, Augsburg, Tag der Priester und Diakone im Rahmen der „Ulrichswoche“. (Am 4. Juli steht Ulrich im Kalender, der heilige Patron des Bistums Augsburg.)
Der Tag begann mit einer feierlichen Eucharistie, „Pontifikalamt“ – von der mir nicht zuletzt auch weniger feierliche und durchaus erheiternde Momente blieben.

Wir Priester, um die 100 dürften wir schon gewesen sein, nahmen zum großen Teil bereits vor Beginn des Gottesdienstes unsere (reservierten) Plätze ein. Ein älterer hatte etwa weiter oben Platz genommen. Und wurde dann von einem Mesner gebeten, diesen Platz zu räumen, vermutlich mit dem Hinweis, dass dort die Domkapitulare säßen.

Und schmunzelnd kam der ältere Mitbruder zu uns „herab“ und schimpfte launig: „da oben sitzt die triumphierende Kirche und hier das niedere Fußvolk“. Nebenbei bemerkt: ich saß zwischen einem Kolumbianer und einem Inder, beide tätig im Bistum Augsburg!

Dann ein Ministrant. Tatsächlich gab es solche an diesem Montag – ob sie schulfrei bekommen hatten? Muss ja fast... Und dann war da der eine, der den Bischofsstab halten durfte. Und er drehte den Bischofsstab etwas hin und her, die Krümmung oben bewegte sich sanft. Bis einer, vermutlich der Bischofssekretär, ihm die Hand auf den Arm legte, um anzudeuten, dass der Stab ruhig gehalten werden solle.

Kurz darauf verschwand dann der Ministrant in Richtung Sakristei: war ihm übel geworden, musste er zur Toilette oder war es seine „Art der Rache“? Aus den hinteren Reihen rückte eine Ministrantin nach vorn, um den Bischofsstab zu halten. Später tauchte der kurzzeitig verschundene Ministrant wieder auf und übernahm seine frühere Rolle.

Wunderbar war die Kirchenmusik. Wobei ich mir nicht sicher bin, wie sehr die Menschen, einschließlich der Priester, einen Zugang zu ihr haben. Wir gebrauchen ja inzwischen kaum noch oder gar kein Latein mehr. Und da kann es schon passieren – ich rede aus eigenem Erleben heraus – dass die Gedanken abschweifen. Beim „quoniam tu solus sanctus“ war ich wieder wach da!

Sehr sympathisch fand ich den Schwarm an Mesnern, die an diesem besonderen Tag zu Hilfe geeilt waren. Solch einen Service bin ich ja aus dem Alltag gar nicht gewohnt. So half mir beim Anlegen des Messgewandes der pensionierte Mesner von Augsburg-Göggingen, den ich nach Maria Baumgärtle einlud. Worauf er mir etwas traurig erklärte, dass er das Autofahren aufgegeben habe.

Und nach der Messe bekam ich Hilfe vom pensionierten Dommesner, der mir mein Messgewand wunderschön zusammen legte – und richtig Freude daran zu haben schien.

Sympathisch fand ich, dass die Lesungen und Fürbitten von zwei Frauen vorgetragen wurden, ein gewisser Ausgleich zur „Männerdominanz“ an diesem Tag.

Ach ja, noch etwas Sympathisches: der Augsburger Bischof überließ an diesem Tag seinem Passauer Kollegen „das Feld“. Bischof Stefan Oster leitete die Eucharistie und predigte. Und er tat dies sehr gut!

Montag, 3. Juli 2017

Predigt bei der Sternwallfahrt am Vorabend des Kostbar-Blut-Festes 30.6.17 Maria Baumgärtle (Eph 2,13-20*Lk 22,14-20)

Liebe Brüder und Schwestern,

ehrlich gesagt, frage ich mich manchmal, was Euch und Sie bewegt, an diesem Abend hierher zu kommen. Wenn zu unseren Maiandachten oder jetzt bald wieder zum Unterallgäuer Radlertag viele Menschen kommen, dann leuchtet mir das ein. Das ist ja schön, oder soll ich sagen: „anrührend, berührend“.

Aber das „Hochfest des Kostbaren Blutes“? Braucht´s da nicht einen starken Magen? Also gesetzt einmal den Fall, Ihr seid nicht nur wegen der guten Musik der Musikkapelle von Bedernau hier, oder weil es einfach in Maria Baumgärtle grundsätzlich schön ist. Das könnte ich ja auch verstehen.

Wir sind gerade dabei, unser Gebetbuch, das „Lob des Kostbaren Blutes“ zu überarbeiten. Bis Weihnachten hätten wir gern das neue, an dem wir schon eine ganze Zeit arbeiten, vor kurzem saß die Kommission wieder zwei Tage hier in Baumgärtle zusammen, im September werden es zwei Tage in Schellenberg sein. Und wir haben z.B. darüber diskutiert, eine Kostbar-Blut-Litanei eines amerikanischen Mitbruders in das Buch hinein zu nehmen, in der etwa auch von dem Blut die Rede ist, das – wörtlich - „auf den Straßen verspritzt wird“. Wir weichen doch eher zurück, wenn wir nicht gar in Ohnmacht fallen, wo wir dem Blut begegnen.

Und sind jetzt hier, um das „Hochfest des Kostbaren Blutes“ zu feiern. Mir hilft seit Jahren der Gedanke interessanterweise eines Nicht-Christen, um zu verstehen, worum es geht. Mahatma Gandhi, der große Mann der Gewaltfreiheit in Indien sagte bzw. schrieb einmal:

Alles, was von fundamentaler Bedeutung für ein Volk ist, lässt sich nicht durch die Vernunft allein erreichen. Es muss durch Leiden erkauft werden. Vielleicht müssen Ströme von Blut fließen, bis wir frei werden, aber dann muss es unser Blut sein, nicht das Blut der anderen. Leiden ist eine viel stärkere Macht als das Gesetz des Dschungels, denn es kann auch unsere Gegner wandeln.

Für mich ist das Hochfest des Kostbaren Blutes deswegen so wichtig, weil es mir sozusagen die „Rückseite der Liebe“ zeigt. Wir alle sehnen uns nach Liebe, danach verstanden, unterstützt, angenommen zu werden. Und je schlechter ich drauf bin, desto mehr bin ich darauf angewiesen.

Wie dankbar bin ich Menschen, die sich nicht zurück ziehen oder mich zurück weisen, wenn ich eine solche Phase durchlebe, wenn ich mich nicht von meiner Schokoladenseite zeige.
Und gleichzeitig erfahre ich, dass mir der Blick auf das Blut Jesu hilft, andere anzunehmen in all ihrer Widerborstigkeit und Schwäche.

Liebe ist nicht nur ein Gefühl und nicht nur eine Auswirkung davon, dass die „Chemie zwischen Menschen stimmt“ - das kann durchaus hilfreich dazu kommen. Ansonsten scheint mir Liebe eher mit engagiertem Einsatz verbunden, von „Herzblut“ reden wir manchmal.

Ich habe vielleicht schon einmal erzählt von dem Besuch buddhistischer Mönche in einem Haus katholischer Ordensleute in Italien, in dem ich auch einmal drei Monate gelebt habe. Einer der Mönche erzählte: „Ich stellte abends meine schmutzigen Schuhe vor die Tür, und am Morgen fand ich sie geputzt vor. Ich hängte mein schmutziges Gewand draußen an den Kleiderhaken, und am Morgen fand ich es gewaschen und gebügelt wieder. Meine Gastgeber wussten, dass ich als Südostasiat unter der Kälte litt. Da stellten sie die Heizung höher und gaben mir zusätzliche Decken... Eines Tages fragte ich: `Warum tut ihr das eigentlich?´- `Weil wir dich gern haben´, war die Antwort“. Diese Erfahrung hat den Weg zu einem echten Dialog zwischen Buddhisten und Christen eröffnet. Ich weiß, dass der buddhistische Mönch später auch erzählt hat, dass er das Kreuz verstanden habe. Was für einen Buddhisten eine, sagen wir es harmlos, ziemlich ungewöhnliche Sache ist. „Das ist die `Super-Liebe´“, so formulierte er es.

Das vergossene Blut als „Rückseite der Liebe“ oder als höchster Ausdruck der Liebe – das feiern wir am Hochfest des Kostbaren Blutes. In großer Dankbarkeit für die Liebe Gottes, die sich uns darin zeigt. Und als Anregung bzw. Herausforderung für unsere Beziehungen, die Art, wie wir miteinander umgehen.

Wie schnell verletzen wir einander, durch unsere Haltung und unsere Worte. Und wie heilsam sind Menschen, die sich für andere einsetzen, was mit dem Ertragen beginnt. Nicht „dein Blut vergießen“ durch meine Sticheleien und Hässlichkeiten, sondern „mein Blut vergießen“, indem ich auf dich eingehe und dich achte. So stiften wir Frieden in dem, der unser Friede ist, durch dessen Blut Nähe möglich wurde. AMEN

Donnerstag, 15. Juni 2017

Liturgie vermitteln 2017

Fatimatag. An jedem 13. eines Monats begehen wir diesen (s. Post vom Mai). Die Kirche ist im Juni schwach besetzt. Und nachher bestätigt eine Frau meinen Eindruck: „Heute waren wenig Leute da!“ „Im Mai war es auch schon so“, fährt sie fort. „Ich kann mich erinnern an einen 13. Mai vor Jahren, da waren 13 oder 14 Busse hier. Ich half im Gasthaus nebenan und wir kamen kaum nach mit der Arbeit“. Von so einem Wallfahrer - Ansturm in früheren Jahren hatte ich noch nie gehört und mache mir jetzt doch meine Gedanken, erforsche mein Gewissen.

Mir kommt zu Hilfe, was jüngst Johannes Röser in „Christ in der Gegenwart“ schrieb. Früher hätte man nach den Attentaten von Manchester und London Bußgottesdienste gefeiert und dazu eingeladen. Heute veranstaltet man ein Benefizkonzert, lädt dazu ein und gedenkt in diesem Rahmen in einer Schweigeminute der ums Leben Gekommenen. Zeit und Kultur ändern sich. Und in diesem Zusammenhang wirkt vermutlich ein „Fatimatag“ für viele wie ein aus dem Rahmen gefallenes Ereignis.

Und ich denke an das Gespräch mit dem Brautpaar am Vorabend zurück. Wir wollten die Feier der Trauung besprechen und begannen bei den Liedern, die das Paar schon mit dem Chor ausgesucht hatte. „Ich umarm die ganze Welt“ von Nena, „Seite an Seite“ von Christina Stürmer, „The Rose“ und „Hallelujah“ sowieso. Wieder einmal begann ich die Gratwanderung: einerseits die Leute, konkret das nette Brautpaar, nicht verprellen, vor den Kopf stoßen wollen. Andererseits die Liturgie mit ihrem Anspruch verteidigen. Und da geht, passt das ein oder andere Lied einfach nicht. Was dem Brautpaar natürlich nicht einleuchtet: „wieso, ist doch schön?“

Ich möchte, dass sich die Mitfeiernden in der Liturgie finden können, dass ihnen die Feier nicht aufgesetzt vorkommt. Und ich kann die Feier nicht gleichzeitig so verändern, dass ich allen Wünschen nachgebe und nachkomme. Weil diese Feier ja ihre eigenen Kriterien und Regeln hat, die ihre Schönheit mit ausmachen. Ich kämpfe dafür, teste dabei für mich selbst schmerzhaft meine Konflikt- und Widerstandsfähigkeit und hoffe, dass die Menschen, die mit feiern werden, im vorgegebenen Rahmen etwas entdecken. Bzw. sich vielleicht sogar ein wenig getragen fühlen.

Muss ich gar den ein oder anderen Anspruch deutlich machen und verteidigen, um ernst zu nehmender Gesprächspartner zu bleiben? Ich will dieses Argument nicht überstrapazieren und mich selbst in eine Art Märtyrerrolle hinein manövrieren. Ich will mich nicht der Mühe des Gestaltens entziehen, weiß aber auch um die Entlastung der vorgegebenen Form. Immer gleich Bleibendes kann durchaus Langeweile erzeugen, ständig sich Änderndes aber genauso Überdruss.

Also weiter auf dem Grat – mit der Hoffnung auch schöne Aussichten links und rechts, vorne und hinten...

Zur Entspannung schaue ich abends ins Fernsehprogramm. Im Rahmen der ARD-Themenwoche „woran glauben wir?“ ein Film über St. Ottilien, das Klosterdorf, nicht so weit weg von hier gelegen. Sehr sympathisch gemacht, die Mönche kommen gut rüber. Gleich anschließend noch ein Film im Rahmen der Themenwoche: eine lesbische Lehrerin, die gleichzeitig mit der offiziell eingegangenen Lebenspartnerschaft mit ihrer Partnerin ihre missio für den Religionsunterricht zurück gab, bevor ihr diese entzogen werden konnte. Unsere Welt! Alles nebeneinander, Lebensentwürfe „zum Aussuchen“, frei wählbar. Mit „Regeln“ für Liturgie habe ich zunächst einmal wenig „Erfolgsaussichten“. Und trotzdem...

Mittwoch, 31. Mai 2017

Familien-Exerzitien? Familien-Exerzitien!

Im Vorfeld hatten wir lange darum gerungen, gekämpft: „Familienexerzitien“ - so heißt das Unternehmen seit Jahren – sind doch etwas anderes als „Ehepaarexerzitien mit Kinderbetreuung“. Eine aus dem bisherigen Team verteidigte das Bisherige und die Teilnehmer, denen man nicht plötzlich etwas anderes vorsetzen könne. Den „Neuen“ im Team war das zunächst nicht so einsichtig...

Und jetzt haben sie statt gefunden, diese Exerzitien, und es war etwas von beidem dabei. Und es war gut, sehr gut!
Es gab die wahrnehmbare Freude der Erwachsenen, einmal Zeit für sich allein, bzw. für sich als Paar zu haben. Und es gab die spürbare Freude, wenn die Kinder von einer Zeit eigenen Programms wieder zu den Eltern kamen. Die Gottesdienste feierten wir bis auf einen alle zusammen.

Einmal feierten die Kinder untereinander Gottesdienst und wir Erwachsenen Eucharistie. Von zwei Männern (!) wurde ich hinterher darauf angesprochen, wie gut das getan habe. „Wir haben uns in der Studentengemeinde kennen gelernt, wo wir regelmäßig Eucharistie auf diese Weise gefeiert haben. Seit damals - glaube ich -  haben wir das nicht mehr so erlebt...“

Mit großem Engagement waren groß und klein bei der Sache. Für die ein oder andere Einheit mit den Erwachsenen hatten wir Abschnitte aus „Amoris Laetitia“, dem von Papst Franziskus nach zwei Bischofssynoden zum Thema Familie verfassten Schreiben, ausgesucht. Da hätten wir – so eine Rückmeldung und auch mein Empfinden – wohl noch mehr in die Tiefe gehen können.

"Herzen" kamen immer wieder vor: Herzen, auf die Familien schrieben, was sie gerne miteinander tun. Herzen, auf die Familienmitglieder schrieben, was sie aneinander gut finden und schätzen.
Gerade bei dieser Einheit habe ich das Vergnügen und die Freude der Familien genossen, die sie an der Aktion hatten.

In einem großen Herzen in der Mitte stand eine biblische Erzählfigur, Jesus. Und eine der jüngsten Teilnehmerinnen ging jeden Morgen zu diesem Jesus, um ihn zu grüßen, wonach sie strahlend zur Mama lief. Auch abends wurde Jesus dann noch einmal gegrüßt. Zwischendurch war die Kleine gerne mit den Kuschelfiguren einer Freundin unterwegs.

Ein anderes Mädchen hatte seinen Ohrring verloren. Was zu einer konzertierten Suchaktion führte. Und tatsächlich: im Schwimmbad wurde der Ohrring wieder gefunden! Bei dieser Geschichte zeigte sich etwas anderes, was ich voller Bewunderung und Staunen wahr nahm. Aus den einzelnen Familien war durchaus so etwas wie „eine große Familie“ geworden. Gut, einige kennen sich schon lange, das trägt da sicher dazu bei. Auf jeden Fall hatte ich das Empfinden von „Kirche“, wie ich sie mir wünsche und vorstelle.

Nicht zuletzt empfinde ich großen Respekt vor den anderen im Team: mit großem Einsatz, mit Leidenschaft, Kompetenz und Glauben wurde da gearbeitet. In den biblischen Texten der Liturgie ging es in diesen Tagen einmal um die Zusammenarbeit des Apostels Paulus mit dem Ehepaar Priska und Aquila in Korinth. Auch davon wurde etwas lebendig und zeigte das Potential von Kirche heute auf...

Nicht zuletzt genoss ich als jüngster Mann der Hausgemeinschaft, in der ich zu Hause bin, dass ich mit ganz vielen jüngeren zu tun hatte. Bis hin zur schonungslosen Frage eines Mädchens beim gemeinsamen Grillen: „ist das jetzt schon deine zweite Wurst?“.

Montag, 15. Mai 2017

Fatima 13. Mai

1949 führten meine Mitbrüder in Maria Baumgärtle den „Fatimatag“ein. Wie an anderen Orten überall auf der Welt wird also auch hier an diesem Ort jeweils am 13. eines Monats an die Ereignisse von Fatima erinnert. Dass nämlich im Jahr 1917 – mitten im ersten Weltkrieg – an diesem Ort im Zentrum Portugals Maria drei Hirtenkindern erschien.

Als die Mitbrüder den Fatimatag einführten, wenige Jahre nach Ende des zweiten Weltkriegs, war das Anliegen des Gebetes um den Frieden zweifelsohne noch anders präsent. Die Tradition riss jedoch seit damals nicht ab und bis heute kommen am 13. eines jeden Monats Menschen hierher, um miteinander zu beten, zu beichten und die Eucharistie zu feiern.

Und am vergangenen 13. Mai haben wir hier ein „250-Jahr-Jubiläum“ gefeiert.
Zum einen 100 Jahre seit den Erscheinungen im portugiesischen Fatima.
Zum anderen 100 Jahre „Patrona Bavariae“. Der letzte bayrische König Ludwig III. hatte die Idee, beim Papst in Rom anzufragen, ob nicht Maria unter diesem Titel, „Schutzfrau Bayerns“ verehrt werden könne. Und seit 1917 wurde das dann so gemacht. Also noch einmal 100 Jahre.

Und schließlich hatten wir ein „Jubelpaar“ unter uns, das an diesem Tag seine Goldene Hochzeit feierte. Ab und zu kommt das vor, dass ein Paar sich entscheidet, im Rahmen eines ohnehin stattfindenden Gottesdienstes sein Ehejubiläum zu begehen.

Mir schien, allein schon die Verbindung dieser Anlässe sorgte für eine festliche Stimmung in der Wallfahrtskirche, obwohl wir leider seit einiger Zeit niemanden mehr haben, der an diesem Tag die Orgel spielt.

Unter den Wallfahrern hatten wir schließlich diesmal auch welche, die am Morgen des Tages im Fürstentum Liechtenstein aufgebrochen waren, drei Frauen, die davon gehört hatten, wie schön der Fatimatag in Maria Baumgärtle sei. Sie brachen um 6.30 Uhr zu Hause auf, in der Annahme, im Gasthaus hier noch frühstücken zu können. Das Gasthaus war jedoch zur Ankunftszeit der Damen noch geschlossen, so dass P. Ferdinand die drei kurzerhand an unseren Frühstückstisch einlud.

So feierten wir in froher Stimmung den Fatimatag im Mai und freuen uns auf die weiteren Fatimatage in diesem Jahr.

Früher gab es dabei nur am Vormittag zwei Eucharistiefeiern und eine Andacht. Seit einigen Jahren feiern wir von Mai bis Oktober – wenn der 13. nicht auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt, auch am Abend die Eucharistie, der sich eine Lichterprozession anschließt, welche uns von der Walllfahrtskirche zur Kapelle in unserem Rosengarten führt.

Als ich in diesem Jahr auf einer Deutschlandkarte eingezeichnet sah, wo überall in unserem Land der Fatimatag begangen wird, ist mir neu die Gebetsgemeinschaft deutlich geworden, die ja weit über die an unserem kleinen Wallfahrtsort Versammelten hinaus geht.
Und so lade ich hierher ein bzw. auch dazu, am eigenen Ort sich im Gebet um den Frieden mit vielen Menschen auf der Welt zu verbinden...

Sonntag, 30. April 2017

Sylvest

Als am Mittwoch in der Karwoche abends Pfarrer Endres anrief, um mir Sylvests Tod mit zu teilen, konnte und wollte ich es nicht glauben. Später am Abend kam P. Ferdinand mit derselben Nachricht, die er von jemand anderem gehört hatte. Und wieder: ich höre die Nachricht, aber es kann nicht sein! Nicht Sylvest! Nicht durch einen solchen Unfall. Er, den ich immer als so umsichtig erlebt habe.

In den folgenden Tagen, also ab Gründonnerstag, hatte ich meist den Eindruck, irgendwie neben mir zu stehen. Das „Programm“ musste laufen und lief. Und wahrscheinlich habe ich mich noch nie am Karfreitag so gerne zu Beginn der Liturgie auf dem Boden ausgestreckt. In diesem Jahr entsprach die Haltung mehr als je zuvor meinem Inneren.

Dann am Samstag die Todesanzeige in der Zeitung. Es stimmt doch! Irgendwie schien mir, eine „offizielle Bestätigung“ nötig zu haben.
In der Predigt der Osternacht erzählte ich von Sylvest und dem Eindruck, dass das Halleluja im Hals stecken bleiben kann.

Am Dienstag nach Ostern die Beerdigung. Sylvests Sarg in der Kirche. Wie aufmerksam geplant vom Pfarrer, der bei seiner Predigt auch mit sich zu kämpfen hatte. Und bei allem Schmerz ein heilsamer Abschied.

Wie viele Stunden waren wir mit Sylvest zusammen. Der Pfarrer noch mehr als ich. Sylvest war Kirchenpfleger der Pfarrei Bedernau. Wo in den vergangenen Jahren die Pfarrkirche renoviert wurde. Die nicht das einzige Gebäude der Pfarrei ist. Und jetzt gehört zu dieser Pfarrei noch die Wallfahrtskirche – auch diese wurde renoviert, wieder war der Kirchenpfleger gefragt. Und er kam, war immer zur Stelle. Mit einem Lächeln und großem Sachverstand. Dachte mit und legte selbst Hand an.

Wenn ich mit einer eher provisorischen Lösung zufrieden gewesen wäre, dann achtete er auf die bessere Variante. Sylvest hatte nicht ein Ehrenamt inne, sondern sorgte sich um seine Kirchen.

Eine Szene kam mir noch einmal beim Zurück-Denken. Das Außengerüst stand noch um die Kirche und der Boden war aufgeweicht und nass. Und da rutschten vom Kirchendach größere Mengen Schnee herunter und platschten auf die nasse Wiese. So dass der Dreck von dort zurück an die gerade frisch gestrichene Außenwand der Kirche spritzte. Zufällig gab es an selbigem Tag eine Baubesprechung und wir standen bei der Kirche. Der Architekt wies auf die Dreckflecken an der Wand hin und meinte, der Maler müsse halt noch einmal nach streichen. Sylvest schlug vor, eine Gießkanne zu holen und den Dreck ab zu waschen. Was dann auch geschah und funktionierte!

Wir haben, soweit ich mich erinnere, nie ein ausdrückliches Glaubensgespräch geführt. Außer bei der Arbeit am Kirchenbau – wie oft sind mir miteinander auf dem Gerüst innen und außen herum gestiegen – haben wir immer wieder auch Gottesdienst miteinander gefeiert. Er war dabei gerne auf der ersten Empore. Ohne den Glauben ausdrücklich zu thematisieren war dieser als Basis da und verband uns.

Und außer der persönlichen Freude am neuen Altar der Wallfahrtskirche freute ich mich auch an Sylvests anerkennend-freudigem Blick auf denselben. Miteinander waren wir vorher einmal in die Werkstatt des Steinmetz nach Augsburg gefahren, er hatte Pfarrer, mich und andere Kirchenverwaltungsmitglieder in sein Auto geladen.
Auf dem einzigen Foto, das ich von ihm habe, da ist er kaum zu erkennen. Er sitzt auf dem Traktor am Abschluss einer Baumfäll – Aktion im Garten des Baumgärtler Missionshauses.


Samstag, 15. April 2017

Ostern

Beim letzten Mal habe ich von der Rückfahrt von Augsburg erzählt. Aber auch der Aufenthalt in der Stadt ist aus mehreren Gründen berichtenswert. Einen Grund wähle ich für heute aus.

Am Hauptbahnhof angekommen, schlenderten wir von dort aus in Richtung Königsplatz. Und da stand an einer Hausecke der Harlekin. Schon öfter hatte ich ihn dort stehen gesehen auf einem Plastikschemel in seinem gelb-blau-grün-roten Gewand mit der passenden Mütze. Während ich ihn immer nur freundlich gegrüßt hatte, zog Sr. Ewa diesmal ihre Geldbörse und warf ihm etwas in seine Blechbüchse. Der Harlekin bedankte sich, tief verbeugend und winkend. Wir waren schon weiter gegangen, drehten uns noch einmal um, und da machte er auch noch ein Kreuzzeichen – wohl im Hinblick auf Sr. Ewa und Sr. Tatiana, die beiden Ordensfrauen in Tracht.

Ein wenig weiter kam dann ein etwas verwahrlost aussehender, bärtiger Mann im dicken Mantel humpelnd auf uns zu und hielt uns seinen Becher bettelnd unter die Nase. Sr. Ewa fragte ihn, ob er etwas zu essen wolle. Nachdem sie die Frage zweimal wiederholt hatte, nickte der Mann und Sr. Ewa bat Sr. Tatiana, den von zu Hause mitgenommenen Reiseproviant auszupacken. Der Mann bekam ein belegtes Brot und etwas Obst und zog weiter.

Eine weitere Begegnung mit einem ähnlich aussehenden Zeitgenossen gab es, als wir mittags im Frühlingssonnenschein bei einer Pizza im Freien saßen. Der Mann – ähnlich gekleidet wie der vorher Beschriebene, aber etwas jünger – näherte sich uns mit seinem Becher und bat, ihm dort etwas hinein zu werfen. Und wiederum fragte Sr. Ewa, ob er denn etwas zu essen wolle, wobei sie gleich auf die Pizza auf dem Teller vor sich deutete. Als der Mann bejahte, machte sich Sr. Ewa ans Werk und schnitt ein großes Teil ihrer Pizza ab, um es dem Mann zu geben.

Hatte ich mich bisher immer gefragt, wie Papst Franziskus das meint, wenn er sagt, man solle einem Bettler nicht nur etwas in seine Bettelbüchse werfen, sondern ihn auch anschauen, ihn vielleicht sogar berühren, so hatte ich das an diesem Tag ganz praktisch erlebt. Wobei das bei Sr. Ewa einen ganz natürlichen Eindruck machte, nicht etwa „das gute Werk einer Ordensfrau“, sondern das Teilen unter Geschwistern. Wohltuend!
Vor kurzem hatte ich sie schon einmal so erfahren, als wir miteinander einkaufen waren und eine junge Frau, wohl eine Rom oder Sinti, uns dabei bat, den Fisch zu bezahlen, den sie gerade aus der Tiefkühltruhe genommen hatte. Sr. Ewa verhandelte etwas mit der jungen Frau, fragte, ob wir nicht etwas anderes, weniger Teures, bezahlen könnten. Aber die junge Frau blieb beim Fisch und schließlich gab Sr. Ewa nach. Vermutlich wäre ich allein nicht so großzügig gewesen, aber ich freute mich an Sr. Ewa.

Und ich bringe das mit Ostern in Verbindung, dem neuen Leben, das der Auferstandene vom himmlischen Vater geschenkt bekommt und weiter schenkt. Immer gibt er sein Leben...

Vielleicht ist das so wie mit der Pflanze in unserem Wohnzimmer. Neulich kam ich hinein und sie sah ganz armselig aus: die Blätter hingen welk nach unten, völlig matt und kraftlos. Schnell wurde mir klar: Ines hatte eine Woche Urlaub, Sr. Yvonne ist in Reha und durch meinen Krimi-Verzicht in der Fastenzeit kam ich auch tagelang nicht in dieses Zimmer. Also nahm ich schnell die Pflanze zum Waschbecken und versorgte sie kräftig mit Wasser. Nachdem ich das zweimal getan hatte. fingen die Blätter an, sich aufzurichten, fast zuschauen konnte man dabei. Neues Leben!
Frohe Ostern!

Freitag, 31. März 2017

Digitales Beten

Eindeutig und sonnenklar: ich gehöre nicht zu den „digital natives“. Und nehme – wenn ich zum Beten etwas in die Hand nehme – lieber ein Buch als ein Smartphone oder Tablet. Wobei das eben meine Vorliebe ist. Und ich freue mich über alle Möglichkeiten des Betens mit Hilfe moderner Technik. Ein Angebot aus unserer Diözese, Credo online, hat inzwischen auch über die Diözesangrenzen hinaus Beachtung (und – noch wichtiger – Mit-Betende!) gefunden.

Und die Impulse von „pray as you go“ sind einfach hervorragend! So kommt mir das vor, wenn ich denn einmal am PC einen dieser täglichen Impulse anhöre, weil das – wie gesagt – nicht mein bevorzugtes Medium ist.

Schon vor einigen Jahren war mir ja aufgefallen, dass die jungen italienischen Mitbrüder beim gemeinsamen Stundengebet in der Hauskapelle ihr Smartphone vor sich liegen hatten und damit beteten.

Lustig war dann die Rom-Pilgerfahrt, bei der wir in Ermangelung deutscher liturgischer Bücher ein Tablet verwendeten. Während der Lektor die Lesung vortrug, wurde allerdings der Bildschirm eben dieses Tablets schwarz. Und auch der zu Hilfe eilende Priester und Laptop-Besitzer brauchte eine Weile, bis der Lesungstext dann wieder erschien.

Das Tablet anstelle des Messbuchs verwenden? Ein wenig sperrt sich auch da etwas in mir. Weil ich solch ein Gerät ja für sonst alles mögliche verwende. Unter Umständen mag das aber auch einen Reiz haben. Mit dem „Alltagsgerät“ vor Gott treten, so wie wir mit den Gaben von Brot und Wein ja ebenso unsere alltägliche Welt vor Gott hin legen.

Gestern auf jeden Fall habe ich die Benutzer/innen moderner Technik fast beneidet. Wir saßen im Zug auf dem Rückweg von Augsburg. Der Zug kam in Schwabmünchen zum Stehen. Und fuhr nicht weiter. Wiederholte Ansage: „wegen einer Signalstörung verzögert sich die Weiterfahrt“ zunächst „um wenige Minuten“, dann „auf unbestimmte Zeit“. Während sich unter den Fahrgästen Ungeduld und Unmut ausbreitete, zückte Sr. Tatiana, mit der ich unterwegs war, ihr Smartphone und rief die „Nieszpory“ (Vesper) auf, um sie zu beten.

Nachdem wir in Buchloe umgestiegen waren, bekam dann Sr. Ewa, die andere mit reisende Schwester das Smartphone ausgeliehen und konnte ebenso auf dem Weg nach Mindelheim die Vesper beten.

Wogegen sich der Pater mit dem Rosenkranz begnügte. Und sich über die Technik-affinen Schwestern freute...

Mittwoch, 15. März 2017

Wähle also das Leben

„Wähle also das Leben“ - jedes Jahr freue ich mich auf den Donnerstag nach Aschermittwoch. Nicht deswegen, weil nach dem Fasten am Aschermittwoch das Essen tags drauf besonders schmeckt. Nein, vielmehr wegen der für die Liturgie vorgesehenen Lesungstexte.

„Wähle also das Leben“ heißt es da im Buch Deuteronomium (30,19) – und am zweiten Tag der österlichen Bußzeit wird noch einmal die Marschrichtung für den Weg nach Ostern klar. Es geht um das Leben! Die Übungen der Fastenzeit, von denen am Vortag, am Aschermittwoch, zu hören war, Fasten, Almosen geben und beten, die sind kein Selbstzweck. Es geht um das Leben!

Und das Evangelium des Donnerstags nach Aschermittwoch ist das Pendant zur Lesung. In der Lesung werden wir eingeladen, das Leben zu wählen, im Evangelium lädt Jesus ein, unser Kreuz auf uns zu nehmen, das Leben zu verlieren.
Das gehört zusammen!

In diesem Jahr habe ich diese Texte auch verwendet beim Requiem für eine Frau, die am Donnerstag nach Aschermittwoch beerdigt wurde. Sehr oft nehme ich die für den Wochentag vorgesehenen Texte auch bei einem Requiem. Und an diesem Donnerstag schien es mir besonders zu passen.

Die Angehörigen der Verstorbenen beschrieben sie nicht nur als eine lebens-bejahende, sondern als eine lebenslustige Frau. Sie hatte Freude am Karten- und am Theaterspiel, sie genoss es, Ausflüge zu machen. Auch die Geselligkeit schätzte sie, einen Plausch auf der Gartenbank. Nach der Beerdigung sprach ich mit einer jüngeren Frau aus der Nachbarschaft der Verstorbenen, die sagte, sie habe sich gerne mit der Frau unterhalten, weil sie „gar nicht so wie ein altes Mütterchen war, zurück gezogen im Stübchen“, sondern eben wach und fit. Auch schicke Kleidung hatte ihr gefallen; tatsächlich war auch mir das bei der Frau aufgefallen, wenn ich sie in der kleinen Kapelle des Ortes sah. Mit dem Rollator kam sie regelmäßig dorthin, wenn die heilige Messe gefeiert wurde.

Kurz vor ihrem 90. Geburtstag war sie nun, plötzlich und unerwartet, an einer Virusinfektion gestorben.

Mit Hilfe des Evangeliumstextes (Lk 9,22-25) konnte ich beim Requiem den Mitfeiernden auch das Geheimnis der Lebensbejahung, der Lebenslust und -freude der Verstorbenen erklären.

Sie hatte mit Jesus gelebt, der uns einlädt, unser Kreuz auf uns zu nehmen, was uns zunächst einmal ja sperrig vorkommt, wovor wir zurück weichen möchten.

Schon als Kind war die Verstorbene woanders hin geschickt worden, um die Kühe zu hüten. Nach ihrer Heirat war sie oft genug für Haus und Hof zuständig, weil ihr Mann noch auswärts am arbeiten war.

Später hatte sie die eigene Mutter zu sich genommen und gepflegt.
Eigene Krankheiten und Operationen ertrug sie, musste nicht nur ihren Mann, sondern vor drei Jahren auch den ältesten Sohn zu Grabe tragen. „Auch wenn sie diese Schicksalsschläge sehr trafen, waren ihr Lebensmut, ihr Glaube und ihr Vertrauen in Gott ungebrochen“. So hatten ihre Kinder im Lebenslauf geschrieben, den sie für das Requiem vorbereitet hatten. Und ich meine, das trifft es, so habe ich die Verstorbene erlebt. Sie hat im Kreuz das Leben gewählt.


Dienstag, 28. Februar 2017

Heizungs-Krimi

Als ich nach einer Woche in Wien wieder zurück kam, war hier allerhand passiert. Nicht nur der schwere Autounfall einer Mitarbeiterin, nicht nur der plötzliche Auszug unseres Kirchenasylanten, der sich doch entschieden hatte, in den Irak zurück zu seiner Familie zu reisen.

Nein: zwischenzeitlich war es den Mitbrüdern und -schwestern im Haus kalt geworden. Das ist eine nicht völlig neue Erfahrung. Wir haben ein sehr ausgeklügeltes Heizsystem. Es fängt damit an, dass wir die Wärmeenergie als Fernwärme von unserem Nachbarn beziehen, der bei sich eine Hackschnitzelheizung stehen hat. Nur wenn nicht genug von dort kommt, dann schaltet noch der Ölbrenner bei uns im Haus zu. Und da ist beides schon passiert: unser Ölbrenner hat nicht eingeschaltet, es kam aber auch schon auf Dauer zu wenig Wärme vom Nachbarn.

Unsere über den Computer steuerbare individuelle Raumtemperaturregelung ist auch bereits in die Jahre gekommen. Der ein oder andere Kondensator trocknet ein oder die Technik spielt andere Streiche.
Nicht zuletzt ist auch Fehlbedienung ein Grund für Störungen: an den Fenstern etwa sind Kontakte, so dass das Heizungsventil schließt, wenn das Fenster geöffnet wird. Wenn nun das Fenster nicht richtig geschlossen wird, dann wird der Kontakt nicht hergestellt und das Ventil geht nicht mehr auf: Frieren ist die Folge.
Zwischenfazit: unsere Heizung ist für Überraschungen gut und beschäftigt uns immer wieder.

Und nun – während meiner Woche in Wien – war etwas Neues passiert. Gott sei Dank habe ich technisch begabte Mitbrüder im Haus. Einer davon stellte fest, dass der Wasserdruck im Heizsystem sehr gesunken war. Da kann die Heizung natürlich auch nicht funktionieren. Also füllte der Mitbruder Wasser nach. Was zu einer kurzzeitigen Verbesserung führte: der Wasserdruck sank wieder. Oh Schreck! Wohin geht das Wasser? Rundumfrage im Haus: wird es bei irgend jemandem im Zimmer nass? Hat jemand eine Pfütze auf dem Boden oder einen nassen Fleck an der Wand bemerkt, wo so etwas nicht sein sollte bzw. vorher nicht war? Es könnte ja einen Frostschaden gegeben haben... Nein, keine Wasserflecken. Beruhigung und Beunruhigung zu gleich.

Inzwischen ist natürlich auch der Heizungsmonteur mit auf Fehlersuche. Der fragt mich nach einem Plan der Heizungsstränge. Ich beginne in den mit „Plänen“ beschrifteten Ordnern bei mir im Zimmer zu suchen. Dort sind „Polierpläne“ und „Elektropläne“ zu finden, aber keine für die Heizung.
Also suchen wir vor Ort, im Heizungskeller, versuchen das Heizsystem zu verstehen. Ich gebe zu, ich habe damit gewisse Schwierigkeiten, bei den vielen Rohren und Leitungen.

Schlussendlich meint der Monteur eine Möglichkeit zu ahnen und beim Gang durch den Keller entdecke ich zufällig drei Pappschachteln, die mit „Umbau 94-96“ beschriftet sind: in einem davon finden sich Pläne der Heizung. Welche nicht komplett stimmen. Der Monteur erklärt, dass das ganz normal sei: beim konkreten Bauen wird manchmal aufgrund der tatsächlichen Situation etwas ein wenig anders gebaut als es im Plan vorgesehen ist. Und dummerweise wird so eine Änderung dann nicht im Plan nachgetragen. Interessant – denke ich mir!

In unserem gefliesten Keller gibt es drei große Platten, mit Imbusschrauben verankert. Wir müssen wohl oder übel da einmal hinein schauen. Zwei andere Männer von der Heizungsfirma öffnen die erste Platte, die ihrer Meinung nach vier bis fünf Zentner wiegt. Und da drunter ist Wasser und – verrostete Rohre. Wiederum zwiespältige Gefühle. Die Ursache des Wasserverlustes scheint gefunden und - wir müssen den Schaden natürlich beheben. Am besten ohne allzu viel aufreißen zu müssen.

Und momentan – der Handwerker hat ja für eine solche Maßnahme auch nicht von heute auf morgen Zeit – füllen wir täglich neu Wasser in die Heizung. Und pumpen ständig aus den Tiefen des Schachts im Keller Wasser heraus...

Mittwoch, 15. Februar 2017

Diener des Herrn

Sie wissen, was eine Primiz ist? Wenn ein Mann zum Priester geweiht wurde und als solcher zum ersten Mal die heilige Messe in seiner Heimat feiert – in der Regel kurz nach der Priesterweihe, dann nennt man das Primiz. Früher war das ein großes Fest, noch heute strömen in manchen Gegenden Tausende Menschen dafür zusammen. In unserer Gegend hier gibt es in Verbindung damit noch einen besonderen Brauch. Am Elternhaus des Primizianten oder im Vorgarten des Hauses wird ein Primizkreuz angebracht bzw. aufgestellt, um an dieses denkwürdige Ereignis zu erinnern. Da hängt oder steht also dann ein Kreuz, manchmal mit Symbolen der Eucharistiefeier, Kelch und Hostie, versehen, und dabei steht der Name des Primizianten und das Datum seiner Primiz.
Hier in der Gegend sieht man gar nicht so selten ein solches Primizkreuz, in manchen Dörfern gibt es mehr als eines davon. Vor zwei Jahren wurde anlässlich einer Primiz an einem Haus in einem Dorf hier in der Nähe eines angebracht. Und wir hatten zu der Zeit eine Ordensschwester aus einem anderen Teil Deutschlands hier auf Besuch. Diese feierte mit Freude die Primiz mit – aber gegenüber dem Primizkreuz war sie dann doch etwas skeptisch. „Da könnte man doch, wenn jemand die Meisterprüfung als Automechaniker abgelegt hat, auch ein Kreuz am Haus anbringen“, meinte sie etwas spöttisch. Diese Aussage der Ordensfrau erzeugte auf der Stirn unseres Seniors mindestens so viel Stirnrunzeln wie das Primizkreuz auf der Stirn der Ordensfrau.

Ich erinnerte mich an diese Szene, als ich anlässlich meines silbernen Priesterjubiläums im vergangenen Jahr eine Kerze geschenkt bekam. Verziert mit der Aufschrift: „25 Jahre Diener des Herrn“. Nicht nur, dass ich meine, alle möglichen Leute hätten eine derartige Kerze verdient, es ist ja nicht so, dass einen die Priesterweihe zum „Diener des Herrn“ macht. Auch mit der Zeitangabe tat ich mich schwer. Denn ich kann mich sehr gut an die Jahre vor der Priesterweihe erinnern, in denen ich ja genauso – wenn nicht noch intensiver als später! - versucht hatte, dem Herrn zu dienen. So sind für mich die 25 Jahre in gewisser Weise eine unzulässige Einschränkung, an der ich mich stoße. Tatsächlich habe ich diese Jubiläumskerze umgedreht, die Schriftverzierung schaut zur Wand hin und nicht ich auf sie.

Ähnlich war es, als bei meiner Primiz vor 25 Jahren jemand Fotos von diesem Ereignis zusammen stellte und darüber schrieb: „das Ziel erreicht“. Was ja eine gewisse Berechtigung hat, weil es tatsächlich Jahre des Studiums und der Vorbereitung gibt. Andererseits war mir damals klar, dass ich eher am Anfang stehe. Nicht am Ziel! Und dass das Ziel ein ganz anderes ist.

Damit lade ich zum Aufbrechen und Anfangen ein, „das Ziel vor Augen“ (Phil 3,14) und zum Dienst bereit (Lk 17,7-10) – für beides braucht es keine Priesterweihe!

Dienstag, 31. Januar 2017

Geburtstagsausflug nach Kufstein

Gerade zurück aus Kufstein!

Zum 75. Geburtstag hatten wir Pfarrer Albert Leinauer einen Ausflug dorthin geschenkt. Zum einen und vor allem, damit er unser Haus dort, das Missions- und Exerzitienhaus Maria Hilf in Kufstein-Kleinholz kennen lernen kann. Zum anderen hatten wir ein wenig Begleitprogramm überlegt: eine Wanderung ins Kaisertal (immerhin bei der Abstimmung am Nationalfeiertag über den schönsten Ort in Österreich auf dem Siegerplatz!) sollte es sein.

Als wir das erste Mal fahren wollten, war die Wettervorhersage so schlecht, dass wir uns für einen Aufschub und einen neuen Termin entschieden. Als wir das zweite Mal fahren wollten, war gerade P. Helmut gestorben und am Tag unseres geplanten Ausflugs war die Beerdigung.

Jetzt war also der dritte Anlauf. Und nach zwei oder gar drei wunderschönen Winterwochen mit Sonne und Schnee fing es zu regnen an, als wir uns am Montag, den 30. Januar auf den Weg machten.

Trotzdem erkundeten wir abends noch „das Städtchen Kufstein am grünen Inn“ und beendeten die Erkundigung standesgemäß im „Auracher Löchl“. Nachmittags hatten wir Albert schon durch das Exerzitienhaus geführt und ihm von dessen Geschichte erzählt.

Am Tag darauf: eisglatte Straßen und Wege! Oh nein! Es lud überhaupt nicht zum Wandern ein. So dass wir uns zunächst einmal mit dem Auto auf den Weg nach Mariastein machten, „den“ „Wallfahrtsort“ im Unterinntal. Immerhin hat der Besuch dort auch ein sportliches Moment, weil es viele Stufen zu erklimmen gilt, um in die Wallfahrtskirche im Burgturm zu kommen. Also nicht die Stufen ins Kaisertal, aber immerhin hier.

Durch diese Erfahrung mutiger geworden, entschlossen wir uns, zurück nach Kufstein und dort zum Hechtsee zu fahren. Um diesen herum wollten wir gehen. Schon beim Aussteigen aus dem Auto wurde uns jedoch die Gefahr bewusst: spiegelglatt. Eher rutschend als gehend machten wir uns auf den Weg, fast schon entschlossen, gleich wieder zum Auto zurück zu kehren.

Da zweigte der Weg nach links zur Thierbergkapelle ab und P. Willi befand, dass dieser nicht so gefährlich sei. Kein Eis, sondern Schnee, der sich begehen ließ. Und tatsächlich schafften wir den Aufstieg auf den Thierberg, mit nur einem Fall. Vom Thierberg herunter war die Sache schon wieder etwas kritischer. „Muntere Rutschpartie“ war´s keine, aber wir kamen heil unten an. Und standen kurz nach 12.00 Uhr mittags vor dem Gasthof Neuhaus, um dort zu lesen, dass ab 14.00 Uhr geöffnet ist. Also weiter! Zurück zum Hechtsee. Immerhin zunächst auf einer geräumten und mit Split gestreuten Straße.

Tatsächlich hatte das Gasthaus am Hechtsee geöffnet, so dass wir es uns nach den überstandenen Strapazen gut gehen lassen und endlich noch einmal auf Albert anstoßen konnten.

Als jüngster dieser Mannschaft war und bin ich sehr angetan von der Abenteuerlust oder – bereitschaft meiner älteren Mitbrüder. Schön war´s!

Sonntag, 15. Januar 2017

Elphi

Gestern Abend (11.1.17) sah ich mir einen Teil des Festaktes zur Eröffnung der Elbphilharmonie in Hamburg an. Vor zwei Jahren hatte ich den Bau gesehen und bewundert. Und mich dann wie viele tausend andere auch an der Verlosung einer Eintrittskarte für den gestrigen Abend beteiligt. Da ich leer ausging, nutzte ich die Fernsehübertragung.

Und genoss diese. Wobei dies vor allem mit dem Gesamteindruck zu tun hatte. Also nicht nur an der Musik von Mendelssohn oder Brahms oder an den Ansprachen von Bundespräsident, Architekt und Intendant lag.
Am selben Tag hatte sich in den USA Obama verabschiedet und Trump eine Pressekonferenz gegeben. Und da weiß man ja noch nicht, wie die Sache sich entwickeln wird. Die Beratungen über die innere Sicherheit bei verschiedenen politischen Parteien (auch in Hamburg ist gut kontrolliert und bewacht worden!) und Bilder von den jüngsten Terroranschlägen gehen noch mit.

Und in aller Aufgeregtheit und Unsicherheit tat es einfach gut, sich im Sessel - nicht der Elbphilharmonie, aber immerhin des eigenen, gut geheizten Wohnzimmers – zurück zu lehnen und der Musik und den Ansprachen zu lauschen, Bilder aus dem futuristisch anmutenden Konzertsaal zu sehen.

Mir kam ein Büchlein von Kardinal Martini in den Sinn, „Welche Schönheit rettet die Welt?“, der Titel inspiriert von einer Frage aus Dostojewskis Roman „Der Idiot“. In all dem Elend und Grauen ein wenig Schönheit genießen... War da nicht ein gleichsam kollektives Aufatmen zu spüren bei den 2100 Menschen im Saal der Elbphilharmonie?

Von da ausgehend schweiften die Gedanken weiter zu - „Berufskrankheit“ - unserer Liturgie. Und ihrer Schönheit. Immer wieder einmal gibt es Berichte von Menschen, die sich durch das Erlebnis einer Liturgiefeier in ihrem Leben neu ausrichten. Und auch wenn scheinbar Kirche heute vor allem wegen ihrer caritativen Leistungen wahrgenommen wird, so darf wohl der Bereich der gottesdienstlichen Feier in seiner Wirkung auf viele Menschen nicht unterschätzt werden. Und auch wenn manch dummes Geplapper in Gottesdiensten ärgerlich ist – manchmal meine ich, selbst dieses kann eine gut gefeierte Liturgie nicht gänzlich kaputt machen.

Ich denke zurück an zwei Eucharistiefeiern schon vor Jahren in der Wieskirche. Ich war jeweils für mehrere Tage wandernd unterwegs, einmal auf dem Münchner Jakobsweg, einmal auf dem Prälatenweg, bayrischen Fernwanderwegen. Und habe in der nahe der Wies gelegenen Landvolkshochschule übernachtet. Von dort aus ging ich am Sonntag in die Wieskirche zur Frühmesse: eine wunderschön gefeierte Liturgie, dazu noch eine gute Predigt in diesem Kirchenbau, am Morgen noch ohne fotografierende Touristen – bis heute kann ich das Gefühl der Freude und Dankbarkeit in mir spüren bzw. aufrufen.

Jetzt soll natürlich die Liturgie nicht die raue Wirklichkeit ausblenden und die Grausamkeit der Welt außen vor lassen. Und es geht auch nicht nur um die Menge des eingesetzten Weihrauchs oder die kirchenmusikalische Qualität. Nein – im Idealfall kommen die Feier und der tatkräftige Einsatz zusammen. Zu sehen ganz praktisch etwa im Film „Von Menschen und Göttern“: die existentielle Hingabe der katholischen Mönche an ein Land (Algerien) und seine muslimische Mehrheitsbevölkerung hier und die schlichte Feierlichkeit der Liturgie eben dieser Mönchsgemeinschaft dort.

Wie bin ich dankbar für den neuen Altar in unserer Wallfahrtskirche. Der Chorraum und damit die ganze Kirche haben gewonnen. Und im Missionshaus nebenan haben wir derzeit wieder einen Kirchenasylanten...