Dienstag, 15. März 2016

Thomas Frings und das Gottesgerücht

Es raschelt(e) – im (zumindest kirchlichen) Blätterwald. Heißt, es raschelt ja nicht mehr so viel, es blinkt eher auf den Bildschirmen. Ein Münsteraner Pfarrer hat „die Nase voll“. Das ist jetzt etwas zu salopp gesagt und trifft es wohl auch nicht ganz. Der 55jährige Thomas Frings ist seit 30 Jahren gerne Priester, erlebt aber gleichzeitig, dass da irgendetwas im kirchlichen Betrieb nicht stimmt. Und er benennt das sehr klar und – das finde ich toll – ohne Vorwürfe an irgendeine Adresse zu richten.

Mir scheint, der Pastor hat mehr Zu- als Widerspruch erfahren. Und für seine Entscheidung, sich ab Ostern aus dem Pfarrdienst „auszuklinken“ und erst einmal in einem holländischen Kloster eine Auszeit zu nehmen, gibt es viel Verständnis. Wenn nicht sogar Bewunderung. Wie sagte ein 75jähriger Priester, mit dem ich diese Tage darüber sprach? „Der hat sich getraut, ich hatte nicht den Mut dazu“.

Klar fühle ich mich als fast gleichaltriger Priester, der es in diesem Jahr immerhin auch auf 25 Priesterjahre bringt, herausgefordert. Was mache denn ich (noch hier)? Bin ich zu feige zu solch einem Schritt wie Thomas Frings?

In großer Dankbarkeit für seine Entscheidung möchte ich beschreiben, was mich bei aller Zustimmung zu seinen Analysen zu einer anderen Entscheidung bewegt.

Mir fiel als erstes mein erster „Dienstgeber“ als Bischof ein, ich war nach der Priesterweihe drei Jahre Kaplan in Klagenfurt am Wörthersee. Bischof war damals Egon Kapellari, der später als Bischof nach Graz wechselte und inzwischen seinen wohlverdienten Ruhestand lebt. Auch wir damaligen Kapläne setzten dem Bischof manchmal mit kritischen Fragen zu. Fragten zum Beispiel die in Kärnten so beliebte „Fleischweihe“ an. Dabei geht es – für Nicht-Kärntner sei es erklärt – um die österliche Speisensegnung, die sich in Österreichs Süden jedoch irgendwie verselbständigt hat und für nicht wenige Menschen das eigentliche und ausschließliche kirchliche Osterereignis ist. Sollen wir da mit machen? - so unsere Frage. Und der Bischof versuchte uns zu ermutigen, die pastorale Chance zu nutzen – worüber man trefflich streiten kann. Er gebrauchte jedoch eine Formulierung, die mich seit damals begleitet: „wir müssen das `Gottes-Gerücht´ aufrecht erhalten“.
Immer habe ich versucht, bei der Fleischweihe in Kärnten und bei anderen Gelegenheiten an anderen Orten, den Leuten mit Humor zugewandt und in einer teilweise säkularen Sprache etwas von Gott zu erzählen, bzw. ihn gemeinsam mit ihnen zu entdecken. Was manchen sehr dürftig vorkommen mag – das kann so sein, ich lasse das stehen.

Und dann habe ich mich zwar nicht in ein Kloster zurück gezogen, wie Thomas Frings das tun wird. Aber ich habe meine Entscheidung für eine Ordensgemeinschaft getroffen. Und ich versuche, in dieser und mit meinen Mitbrüdern „das Gottes-Gerücht aufrecht zu erhalten“. Was zunächst einmal gar nicht mit Pastoral und Predigt zu tun hat! Allein das Zusammenleben dieser unterschiedlichen Typen, bei inzwischen bedenklicher Altersstatistik, hat etwas mit dem „Gottes-Gerücht“ zu tun.
Klar freue ich mich über pastorale Erfolge, über einen guten oder bisweilen überdurchschnittlichen Kirchenbesuch! Aber ich relativiere diese Zahlen gleichzeitig.

Und, ja, das auch noch: ich bin davon überzeugt, dass sich die konkrete Gestalt unserer Kirche und ihrer Auftrittsmodalitäten vor Ort ändern wird. Und da erlebe ich durchaus auch, dass es darauf ankommt, eine Zerrissenheit aushalten zu können. Denn teilweise gibt es noch eine heile Welt, wo gleichzeitig an anderen Orten schon alles „zusammengebrochen“ zu sein scheint. Bernd Hagenkord von Radio Vatikan benannte vor kurzem als Herausforderung, „die Verbindung von Universalität und Lokalität bei medialer Gleichzeitigkeit zu leben“. Auch so eine Formulierung, die mich ansprach.

So gehe ich neugierig weiter, in der Hoffnung, Wichtiges nicht zu verschlafen und das Nötige und Geforderte auch zu tun...