Nein, dieses Thema wollte ich
eigentlich umgehen. Zu naiv, zu vereinfachend scheinen mir viele
Lebensschützer. Manches finde ich fragwürdig, was da geschieht.
Gefallen hat mir, wie ich den früheren Salzburger Erzbischof Alois
Kothgasser erlebt habe: die Schönheit des Lebens aufzuzeigen und zu
feiern. Wobei gerade Erzbischof Alois der früheren Salzburger
Landeshauptfrau auch die Stirn bot und sich von ihr nicht öffentlich
auszeichnen lassen wollte. Von ihr, welche regelmäßige
Abtreibungstermine am Salzburger Landeskrankenhaus möglich machte.
Also, ich wollte diesem Thema
ausweichen. Aber jetzt erschüttern mich die Berichte aus der
westirischen Stadt Tuam, wo ein Massengrab mit Kinderleichen entdeckt
wurde. Genauer gesagt – und das, ich gebe es zu, bewegt mich vor
allem: wieder entdeckt!
Erstmals
entdeckten in den siebziger Jahren Kinder beim Spielen die Skelette.
Doch ihre Schilderungen lösten keinen Schock oder Skandal aus.
Stattdessen segnete ein Pfarrer das anonyme Massengrab, und es wurden
einige Blumen gepflanzt. Die damalige Einstellung: Gras über die
Sache wachsen lassen. Fassungslos reagierte dagegen unter anderem der
irische Pater Brain D’Arcy auf die aktuelle Wiederentdeckung. „Ich
konnte gar nicht glauben, dass dies in meiner Lebenszeit passiert
ist, in meinem Land und unter der Religion, zu der ich gehöre und
der ich mein Leben gewidmet habe“, zitierte ihn die „Frankfurter
Allgemeine“.
Die
unehelich geborenen
Kinder,
welche ihren Müttern weg genommen worden waren,
sind unterernährt oder an durchaus heilbaren Krankheiten gestorben -
eine Folge gravierender Vernachlässigung und Verwahrlosung in den
Erziehungsanstalten. (Christ in der Gegenwart vom 29.6.2014)
Also: ich bin geschockt und traurig,
wie mit den Frauen und ihren Kindern umgegangen wurde. Und ich bin
geschockt über den Umgang mit der erstmaligen Entdeckung der
Kinderskelette vor 40 Jahren.
Und ohne ein Leid gegen das andere
aufwiegen zu wollen, ohne Skandale gegeneinander aufzurechnen, ohne
vergleichen zu wollen, was sich nicht vergleichen lässt: könnte es
sein, dass sich Menschen in 40 Jahren fassungslos fragen werden, wie
damals (in unserem Heute) mit der Tatsache von Abtreibungen
umgegangen wurde? Millionen von Menschen, die nicht das Licht der
Welt erblicken dürfen...
Auf dem Salzburger Kommunalfriedhof
stand ich vor kurzem vor einer Stele, die zum Gedenken an diese
Menschen aufgestellt wurde.
Und dann berichtet die Wochenendausgabe
(28./29.6.2014) der Augsburger Allgemeinen „Kinderwunsch-Ärzte im
Visier der Justiz“: „Den Beschuldigten wird unter anderem
vorgeworfen, dass sie Frauen zur Eizellenspende an Kliniken im
Ausland vermittelt haben sollen. In Deutschland sind solche
Eizellenspenden verboten. Frauen, die keine Kinder bekommen können,
weichen deshalb oft in Länder wie Tschechien oder Spanien aus“.
Oder eine Reaktion des Mainzer
Kardinals Lehmann zur Entdeckung des irischen Massengrabes:
Er
kenne „den abschätzigen Umgang mit ungeborenem Leben nach dem Tod“
aus Gesprächen mit Krankenschwestern, die entgegen aller
gesetzlichen Bestimmungen zur Assistenz bei Abtreibungen bereit sein
mussten, schreibt der Mainzer Bischof in einem Beitrag für das
Magazin „Cicero“ (Juliausgabe). „Wer redet bei uns über solche
Unmenschlichkeiten? Ich denke etwa an die Behälter mit abgetriebenen
Föten für die kosmetische Industrie.“ (Radio Vatikan 26.6.14)
Wie
gehen wir um mit dem Leben? Ich möchte niemand kriminalisieren. Und
ich will mich nicht auf die Seite der schrecklichen Vereinfacher
schlagen. Aber etwas stimmt nicht...