Montag, 30. Juni 2014

Lebensschutz

Nein, dieses Thema wollte ich eigentlich umgehen. Zu naiv, zu vereinfachend scheinen mir viele Lebensschützer. Manches finde ich fragwürdig, was da geschieht. Gefallen hat mir, wie ich den früheren Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser erlebt habe: die Schönheit des Lebens aufzuzeigen und zu feiern. Wobei gerade Erzbischof Alois der früheren Salzburger Landeshauptfrau auch die Stirn bot und sich von ihr nicht öffentlich auszeichnen lassen wollte. Von ihr, welche regelmäßige Abtreibungstermine am Salzburger Landeskrankenhaus möglich machte.

Also, ich wollte diesem Thema ausweichen. Aber jetzt erschüttern mich die Berichte aus der westirischen Stadt Tuam, wo ein Massengrab mit Kinderleichen entdeckt wurde. Genauer gesagt – und das, ich gebe es zu, bewegt mich vor allem: wieder entdeckt!

Erstmals entdeckten in den siebziger Jahren Kinder beim Spielen die Skelette. Doch ihre Schilderungen lösten keinen Schock oder Skandal aus. Stattdessen segnete ein Pfarrer das anonyme Massengrab, und es wurden einige Blumen gepflanzt. Die damalige Einstellung: Gras über die Sache wachsen lassen. Fassungslos reagierte dagegen unter anderem der irische Pater Brain D’Arcy auf die aktuelle Wiederentdeckung. „Ich konnte gar nicht glauben, dass dies in meiner Lebenszeit passiert ist, in meinem Land und unter der Religion, zu der ich gehöre und der ich mein Leben gewidmet habe“, zitierte ihn die „Frankfurter Allgemeine“.

Die unehelich geborenen Kinder, welche ihren Müttern weg genommen worden waren, sind unterernährt oder an durchaus heilbaren Krankheiten gestorben - eine Folge gravierender Vernachlässigung und Verwahrlosung in den Erziehungsanstalten. (Christ in der Gegenwart vom 29.6.2014)

Also: ich bin geschockt und traurig, wie mit den Frauen und ihren Kindern umgegangen wurde. Und ich bin geschockt über den Umgang mit der erstmaligen Entdeckung der Kinderskelette vor 40 Jahren.

Und ohne ein Leid gegen das andere aufwiegen zu wollen, ohne Skandale gegeneinander aufzurechnen, ohne vergleichen zu wollen, was sich nicht vergleichen lässt: könnte es sein, dass sich Menschen in 40 Jahren fassungslos fragen werden, wie damals (in unserem Heute) mit der Tatsache von Abtreibungen umgegangen wurde? Millionen von Menschen, die nicht das Licht der Welt erblicken dürfen...
Auf dem Salzburger Kommunalfriedhof stand ich vor kurzem vor einer Stele, die zum Gedenken an diese Menschen aufgestellt wurde.

Und dann berichtet die Wochenendausgabe (28./29.6.2014) der Augsburger Allgemeinen „Kinderwunsch-Ärzte im Visier der Justiz“: „Den Beschuldigten wird unter anderem vorgeworfen, dass sie Frauen zur Eizellenspende an Kliniken im Ausland vermittelt haben sollen. In Deutschland sind solche Eizellenspenden verboten. Frauen, die keine Kinder bekommen können, weichen deshalb oft in Länder wie Tschechien oder Spanien aus“.

Oder eine Reaktion des Mainzer Kardinals Lehmann zur Entdeckung des irischen Massengrabes:

Er kenne „den abschätzigen Umgang mit ungeborenem Leben nach dem Tod“ aus Gesprächen mit Krankenschwestern, die entgegen aller gesetzlichen Bestimmungen zur Assistenz bei Abtreibungen bereit sein mussten, schreibt der Mainzer Bischof in einem Beitrag für das Magazin „Cicero“ (Juliausgabe). „Wer redet bei uns über solche Unmenschlichkeiten? Ich denke etwa an die Behälter mit abgetriebenen Föten für die kosmetische Industrie.“ (Radio Vatikan 26.6.14)

Wie gehen wir um mit dem Leben? Ich möchte niemand kriminalisieren. Und ich will mich nicht auf die Seite der schrecklichen Vereinfacher schlagen. Aber etwas stimmt nicht...

Sonntag, 15. Juni 2014

Come on: "Knoten"

Seit einiger Zeit feiern wir in Maria Baumgärtle jeweils am letzten Freitag eines Monats einen Jugendgottesdienst. Was mich bei diesem Abenteuer mit machen lässt, das ist nicht zuletzt ein Satz von Papst Franziskus: „Mir ist eine ,verbeulte’ Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, lieber als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und Bequemlichkeit … krank ist.“

Es ist ja schon nicht einfach, klassische Gottesdienstvorstellungen und jugendliche Lebenswelt unter einen Hut zu bringen. Wenn dann noch sehr unterschiedliche Vorstellungen bei den beteiligten Haupt- und Ehrenamtlichen dazu kommen, dann wird es spannend. Aber wieso in der Theorie bleiben? Ein Blick zurück auf die „Mai-Ausgabe“.

Dem Diakon ist immer ein „Thema“ wichtig. Weil ich das weiß, hatte ich mich vorbereitet. Und schlug – im Mai am Marienwallfahrtsort! - Maria vor. Natürlich nicht ganz so platt! Sondern anhand des Bildes der Knotenlöserin, welches etwa den Diözesanteil des Augsburger Gotteslobes eröffnet. Das Original hängt in Augsburg und Papst Franziskus hat es wohl früher dort entdeckt und zur Verbreitung des Bildes in Argentinien beigetragen. Maria und Knoten – da müsste sich doch etwas machen lassen! Der Diakon fuhr voll auf die „Knoten“ ab – Maria blieb außen vor. Okay.

Also Knoten! Petra – unsere ehrenamtliche „power-Frau“, voller Engagement und mit viel Einsatz, bereitete mit zwei Jugendlichen aus ihrer Gemeinde eine Einstiegsszene vor. In einen dicken weißen Strick machten sie Knoten und deuteten sie: „Stress zu Hause“ - ein Knoten, „Ärger mit der Freundin“ - ein Knoten, „Schulprobleme“ - ein Knoten – usw.
Und der Diakon griff das in seiner Predigt auf – und machte das gut. Es gibt Knoten, bei denen können und müssen wir uns anstrengen, um sie zu lösen. Dann gibt es andere Knoten, da schaffen wir es nicht und es ist gut, um Gottes Hilfe dabei zu bitten. Und dann gibt es Knoten, die lassen sich vielleicht überhaupt nicht auflösen. Aber es mag sein, dass genau diese wichtig sind für mein Leben! Gerade diese Knoten.

Zwischendurch wollte mich der Diakon schon einmal in die Predigt einbeziehen, nachdem wir bei früheren Gottesdiensten schon öfter im Dialog gepredigt hatten. Zunächst wollte ich nicht, weil ich an diesem Abend der Musiker war. Wir hatten keine Musikgruppe gefunden, so war es mein Part, die Gitarre zu nehmen. Aber mir gefiel dann seine Predigt und der Strick mit den Knoten so gut, dass ich doch noch einen Gedanken dazu fügte, der mir gekommen war: „der weiße Strick sieht genauso aus wie derjenige, den manche anständig gekleidete Ordensleute – wisst Ihr, welche ich meine? - Franziskaner, ja! - um den Bauch haben. Das ist auch ein weißer Strick mit drei Knoten drin. Und diese Knoten sind wichtig im Leben und sollen nicht aufgelöst werden. Und manchmal sind sie auch schmerzvolle Knoten, ja!“ Und irgendwann – ich weiß nicht, ob während des Gottesdienstes oder hinterher – kam uns noch die Idee, dass der Strick mit den Knoten sich eignen würde, um daran hoch zu steigen. Viel besser als eine glatte Schnur ohne Knoten. So finden Hände und Füße Halt.

Noch eine andere Kleinigkeit an diesem Abend: Petra hatte mir ihre Ideen vorab gemailt und um ein Echo gebeten. Und ich war etwas erschrocken, dass sie Eltern einbeziehen wollte und riet davon ab. Damit es nur ja ein Jugendgottesdienst sei. Petra befolgte aber meinen Rat nicht, so dass auch zwei, drei Elternteile einen Knoten in den Strick knüpften: „muss es immer das neueste Handy sein“ war z.B. ein Knoten. Und ich hatte den Eindruck, für die anwesenden (jüngeren) Jugendlichen hat das genau so gepasst: ihre Eltern als Mitfeiernde, „Mit-Wirkende“ im Gottesdienst zu erleben. Und nicht nur als die Kirchen-Chauffeure, die beim Tun ihrer Kinder zuschauen. Auch die Eltern selbst äußerten sich zufrieden.

So geht das immer wieder einmal: wir improvisieren und lassen uns aufeinander und unsere unterschiedlichen Vorstellungen ein. Und erleben dabei Abenteuer und lernen, ja werden beschenkt. Grund genug, um das bisweilen durchaus mühsame Abenteuer weiter zu verfolgen...