Montag, 31. Juli 2017

Symposium Gemeinschaftsleben

Wäre ich ihm irgendwo abends auf der Straße begegnet, hätte ich vermutlich ein wenig Angst bekommen: eine kräftige Gestalt, breitschultrig und mit ansehnlicher Leibesfülle. Ob er als Türsteher bei einer Disco oder einem Nachtclub arbeitet? Dabei stellte sich heraus, dass Daryl die Sanftmut in Person ist. Er war einer der Teilnehmer unseres Symposiums zum Thema „Gemeinschaftsleben“ in der vergangenen Woche in Rom. Daryl war 15 Jahre in den USA Krankenhausseelsorger, bevor er vor zwei Jahren Leiter unserer Mission in Vietnam wurde. Dort lernt er jetzt Vietnamesisch und gibt Englisch-Unterricht für Menschen aus dem kirchlichen Umfeld. Und kümmert sich eben um die junge Gemeinschaft der Missionare vom Kostbaren Blut vor Ort.

Aus aller Welt waren Missionare vom Kostbaren Blut zusammen gekommen, um miteinander darüber zu sprechen, was Gemeinschaftsleben für uns bedeutet, ob es bestimmte, besondere Qualitäten eines Missionshauses von Missionaren vom Kostbaren Blut gibt. Voraus gegangen waren Überlegungen in den jeweiligen Herkunftsländern. Und dort werden wir jetzt versuchen, das in der vergangenen Woche gemeinsam Erarbeitete Wirklichkeit werden zu lassen, in unserem jeweiligen Kontext anzuwenden.

Aus Portugal war Luis Filipe da, ein alter Bekannter. Ich werde nie seine Freude und Leidenschaft vergessen, mit der er uns vor Jahren „sein Fatima“ gezeigt hat. Jetzt war er an einem Tag etwas bedrückt. Am Vorabend hatte er am Telefon mit seinen Eltern gesprochen, die ihm erzählten, dass ein Brand ihr Hab und Gut vernichtet hatte. Das heißt, das Wohnhaus blieb verschont. Aber all die Bäume, welche sein Vater vor 20 Jahren nach einem ähnlichen Brand gepflanzt hatte, wurden wieder vernichtet. Dazu die Bienenstöcke – Luis Vater scheint ein leidenschaftlicher Imker zu sein.

Die Mitbrüder aus der Iberischen Provinz (Spanien und Portugal) haben vor einigen Jahren mit einer Mission in Guinea-Bissau begonnen, einem sehr armen afrikanischen Land. Von dort war Joaquim gekommen, der während der Woche seinen 66. Geburtstag feierte.

Unter den italienischen Teilnehmern war Emo, der in unserem Gründungshaus im umbrischen S. Felice di Giano lebt. Momentan können sie das wunderschöne Refektorium in dem alten ehemaligen Kloster nicht benutzen, weil ein Erdbeben sich bis dorthin ausgewirkt hat. In Giano lebt Emo mit Altin zusammen, einem aus Albanien stammenden Mitbruder. Vielleicht kann auch in diesem Land eine Mission beginnen. Von Italien aus ist es nicht so weit. Und auch diesen Sommer werden einige Seminaristen der Missionare vom Kostbaren Blut für ein, zwei Wochen dorthin gehen, um Erfahrungen zu sammeln.

Im Gespräch mit dem indischen Vikariatsleiter Varakumar war ich davon betroffen, dass er mir sagte, im vergangenen Jahr seien drei Mitbrüder des Vikariats gestorben. Weil ja das Durchschnittsalter dort weit unter unserem liegt. Aber zum einen ist die Zahl der Menschen, die durch Verkehrsunfälle ums Leben kommen, in Indien hoch. Und dann erliegen die Menschen auch Krankheiten.

Die italienischen Mitbrüder hatten den Termin für eine Priesterweihe auf den Samstag vor Beginn des Symposiums gelegt, so dass Mitbrüder aus aller Welt mit feiern konnten. Geweiht wurde Alessandro Manzi, ein italienischer Ingenieur, der als „Laien-Missionar“ nach Tansania gegangen war, um dort mit zu arbeiten. Dabei hat er sich nicht nur in Afrika, bzw. Tansania „verliebt“. Sondern auch seine Berufung als Missionar vom Kostbaren Blut gefunden. Seine Priesterweihe am 22. Juli war ein wunderschönes Fest und eine beeindruckende weltkirchliche Erfahrung. Italienisch, Englisch und Suaheli wechselten sich ab. Und zum kleinen Empfang nach der Weihe gab es auch die ein oder andere afrikanische Spezialität zu probieren – bis hin zu getrockneten Heuschrecken.
Ich traf dabei auf eine Frau, die im Hotel in Dar es Salaam arbeitet und ihre Ausbildung vor vielen Jahren auch in der Hotelfachschule in Salzburg-Klessheim gemacht hat.

Samstag, 15. Juli 2017

Pontifikalamt

10. Juli, Augsburg, Tag der Priester und Diakone im Rahmen der „Ulrichswoche“. (Am 4. Juli steht Ulrich im Kalender, der heilige Patron des Bistums Augsburg.)
Der Tag begann mit einer feierlichen Eucharistie, „Pontifikalamt“ – von der mir nicht zuletzt auch weniger feierliche und durchaus erheiternde Momente blieben.

Wir Priester, um die 100 dürften wir schon gewesen sein, nahmen zum großen Teil bereits vor Beginn des Gottesdienstes unsere (reservierten) Plätze ein. Ein älterer hatte etwa weiter oben Platz genommen. Und wurde dann von einem Mesner gebeten, diesen Platz zu räumen, vermutlich mit dem Hinweis, dass dort die Domkapitulare säßen.

Und schmunzelnd kam der ältere Mitbruder zu uns „herab“ und schimpfte launig: „da oben sitzt die triumphierende Kirche und hier das niedere Fußvolk“. Nebenbei bemerkt: ich saß zwischen einem Kolumbianer und einem Inder, beide tätig im Bistum Augsburg!

Dann ein Ministrant. Tatsächlich gab es solche an diesem Montag – ob sie schulfrei bekommen hatten? Muss ja fast... Und dann war da der eine, der den Bischofsstab halten durfte. Und er drehte den Bischofsstab etwas hin und her, die Krümmung oben bewegte sich sanft. Bis einer, vermutlich der Bischofssekretär, ihm die Hand auf den Arm legte, um anzudeuten, dass der Stab ruhig gehalten werden solle.

Kurz darauf verschwand dann der Ministrant in Richtung Sakristei: war ihm übel geworden, musste er zur Toilette oder war es seine „Art der Rache“? Aus den hinteren Reihen rückte eine Ministrantin nach vorn, um den Bischofsstab zu halten. Später tauchte der kurzzeitig verschundene Ministrant wieder auf und übernahm seine frühere Rolle.

Wunderbar war die Kirchenmusik. Wobei ich mir nicht sicher bin, wie sehr die Menschen, einschließlich der Priester, einen Zugang zu ihr haben. Wir gebrauchen ja inzwischen kaum noch oder gar kein Latein mehr. Und da kann es schon passieren – ich rede aus eigenem Erleben heraus – dass die Gedanken abschweifen. Beim „quoniam tu solus sanctus“ war ich wieder wach da!

Sehr sympathisch fand ich den Schwarm an Mesnern, die an diesem besonderen Tag zu Hilfe geeilt waren. Solch einen Service bin ich ja aus dem Alltag gar nicht gewohnt. So half mir beim Anlegen des Messgewandes der pensionierte Mesner von Augsburg-Göggingen, den ich nach Maria Baumgärtle einlud. Worauf er mir etwas traurig erklärte, dass er das Autofahren aufgegeben habe.

Und nach der Messe bekam ich Hilfe vom pensionierten Dommesner, der mir mein Messgewand wunderschön zusammen legte – und richtig Freude daran zu haben schien.

Sympathisch fand ich, dass die Lesungen und Fürbitten von zwei Frauen vorgetragen wurden, ein gewisser Ausgleich zur „Männerdominanz“ an diesem Tag.

Ach ja, noch etwas Sympathisches: der Augsburger Bischof überließ an diesem Tag seinem Passauer Kollegen „das Feld“. Bischof Stefan Oster leitete die Eucharistie und predigte. Und er tat dies sehr gut!

Montag, 3. Juli 2017

Predigt bei der Sternwallfahrt am Vorabend des Kostbar-Blut-Festes 30.6.17 Maria Baumgärtle (Eph 2,13-20*Lk 22,14-20)

Liebe Brüder und Schwestern,

ehrlich gesagt, frage ich mich manchmal, was Euch und Sie bewegt, an diesem Abend hierher zu kommen. Wenn zu unseren Maiandachten oder jetzt bald wieder zum Unterallgäuer Radlertag viele Menschen kommen, dann leuchtet mir das ein. Das ist ja schön, oder soll ich sagen: „anrührend, berührend“.

Aber das „Hochfest des Kostbaren Blutes“? Braucht´s da nicht einen starken Magen? Also gesetzt einmal den Fall, Ihr seid nicht nur wegen der guten Musik der Musikkapelle von Bedernau hier, oder weil es einfach in Maria Baumgärtle grundsätzlich schön ist. Das könnte ich ja auch verstehen.

Wir sind gerade dabei, unser Gebetbuch, das „Lob des Kostbaren Blutes“ zu überarbeiten. Bis Weihnachten hätten wir gern das neue, an dem wir schon eine ganze Zeit arbeiten, vor kurzem saß die Kommission wieder zwei Tage hier in Baumgärtle zusammen, im September werden es zwei Tage in Schellenberg sein. Und wir haben z.B. darüber diskutiert, eine Kostbar-Blut-Litanei eines amerikanischen Mitbruders in das Buch hinein zu nehmen, in der etwa auch von dem Blut die Rede ist, das – wörtlich - „auf den Straßen verspritzt wird“. Wir weichen doch eher zurück, wenn wir nicht gar in Ohnmacht fallen, wo wir dem Blut begegnen.

Und sind jetzt hier, um das „Hochfest des Kostbaren Blutes“ zu feiern. Mir hilft seit Jahren der Gedanke interessanterweise eines Nicht-Christen, um zu verstehen, worum es geht. Mahatma Gandhi, der große Mann der Gewaltfreiheit in Indien sagte bzw. schrieb einmal:

Alles, was von fundamentaler Bedeutung für ein Volk ist, lässt sich nicht durch die Vernunft allein erreichen. Es muss durch Leiden erkauft werden. Vielleicht müssen Ströme von Blut fließen, bis wir frei werden, aber dann muss es unser Blut sein, nicht das Blut der anderen. Leiden ist eine viel stärkere Macht als das Gesetz des Dschungels, denn es kann auch unsere Gegner wandeln.

Für mich ist das Hochfest des Kostbaren Blutes deswegen so wichtig, weil es mir sozusagen die „Rückseite der Liebe“ zeigt. Wir alle sehnen uns nach Liebe, danach verstanden, unterstützt, angenommen zu werden. Und je schlechter ich drauf bin, desto mehr bin ich darauf angewiesen.

Wie dankbar bin ich Menschen, die sich nicht zurück ziehen oder mich zurück weisen, wenn ich eine solche Phase durchlebe, wenn ich mich nicht von meiner Schokoladenseite zeige.
Und gleichzeitig erfahre ich, dass mir der Blick auf das Blut Jesu hilft, andere anzunehmen in all ihrer Widerborstigkeit und Schwäche.

Liebe ist nicht nur ein Gefühl und nicht nur eine Auswirkung davon, dass die „Chemie zwischen Menschen stimmt“ - das kann durchaus hilfreich dazu kommen. Ansonsten scheint mir Liebe eher mit engagiertem Einsatz verbunden, von „Herzblut“ reden wir manchmal.

Ich habe vielleicht schon einmal erzählt von dem Besuch buddhistischer Mönche in einem Haus katholischer Ordensleute in Italien, in dem ich auch einmal drei Monate gelebt habe. Einer der Mönche erzählte: „Ich stellte abends meine schmutzigen Schuhe vor die Tür, und am Morgen fand ich sie geputzt vor. Ich hängte mein schmutziges Gewand draußen an den Kleiderhaken, und am Morgen fand ich es gewaschen und gebügelt wieder. Meine Gastgeber wussten, dass ich als Südostasiat unter der Kälte litt. Da stellten sie die Heizung höher und gaben mir zusätzliche Decken... Eines Tages fragte ich: `Warum tut ihr das eigentlich?´- `Weil wir dich gern haben´, war die Antwort“. Diese Erfahrung hat den Weg zu einem echten Dialog zwischen Buddhisten und Christen eröffnet. Ich weiß, dass der buddhistische Mönch später auch erzählt hat, dass er das Kreuz verstanden habe. Was für einen Buddhisten eine, sagen wir es harmlos, ziemlich ungewöhnliche Sache ist. „Das ist die `Super-Liebe´“, so formulierte er es.

Das vergossene Blut als „Rückseite der Liebe“ oder als höchster Ausdruck der Liebe – das feiern wir am Hochfest des Kostbaren Blutes. In großer Dankbarkeit für die Liebe Gottes, die sich uns darin zeigt. Und als Anregung bzw. Herausforderung für unsere Beziehungen, die Art, wie wir miteinander umgehen.

Wie schnell verletzen wir einander, durch unsere Haltung und unsere Worte. Und wie heilsam sind Menschen, die sich für andere einsetzen, was mit dem Ertragen beginnt. Nicht „dein Blut vergießen“ durch meine Sticheleien und Hässlichkeiten, sondern „mein Blut vergießen“, indem ich auf dich eingehe und dich achte. So stiften wir Frieden in dem, der unser Friede ist, durch dessen Blut Nähe möglich wurde. AMEN