Im Wallfahrtsort Maria Baumgärtle gibt
es einen neuen Wallfahrtsort, sozusagen einen „Unter-Wallfahrtsort“.
Aber einen nicht wenig besuchten!
Es fing damit an, dass die örtliche
Zeitungsausträgerin diesen ihren Dienst aufgab und sich
offensichtlich niemand fand, um diese Aufgabe zu übernehmen.
Also musste die „Mindelheimer
Zeitung“ nach einer Lösung suchen, damit ihre Abonnenten weiterhin
ihren Qualitätsjournalismus genießen können.
Diese Lösung besteht nun in einer
recht unansehnlichen Holzkiste, die zentral in Maria Baumgärtle
steht, und in die zu nächtlicher Stunde ein Packen Zeitungen gelegt
wird. Die Abonnenten können sich dann – im Normalfall wohl zu
nicht mehr ganz so nächtlicher Stunde - ihr Exemplar aus der Kiste
holen. Was übrigens gar kein ungefährliches Unterfangen ist, wie
ich aus eigener Erfahrung bezeugen kann.
Denn für uns übt im Normalfall Br.
Anton, der Mesner, den Zeitungs-Beschaffungs-Dienst aus, da er das
gut mit dem morgendlichen Aufsperren der Wallfahrtskirche verbinden
kann. Als Br. Anton durch eine Operation und die anschließende
Rekonvaleszenz eine ganze Zeit lang außer Gefecht war, brauchten wir
einen Vertreter. Und Br. Michael öffnete zwar die Kirche, meinte
aber stur, dass gefälligst jemand von den Zeitungslesern sich um die
Zeitung kümmern solle – er selbst schaut kaum einmal hinein. Also
übernahm ich den Dienst. Und an einem Regentag, den aufgespannten
Schirm in der einen Hand, versuchte ich mit der anderen den Deckel
der Holzkiste zu öffnen und eine Zeitung heraus zu ziehen. Leider
ist an der Unterseite des Deckels ein Metallstück angebracht, das
mir die Haut der Hand aufriss, so dass ich blutend die Zeitung zum
Haus trug, darauf achtend, die Zeitung nicht blutverschmiert den
anderen Zeitungslesern im Hause zu präsentieren.
Diese Zeitungsholzkiste erlebe ich
tatsächlich als eine Art „säkularen Wallfahrtsort“ am
Wallfahrtsort. Denn von meinem Zimmerfenster aus habe die Kiste im
Blick. Und sehe immer wieder morgens Menschen dorthin gehen oder mit
dem Fahrrad oder Auto fahren, um sich ihr Zeitungsexemplar abzuholen.
Nicht wenige dieser Menschen schauen sich dann gleich die
Schlagzeilen auf der ersten Seite an oder blättern an Ort und
Stelle, neben der Holzkiste, schon einmal die Zeitung auf. Wenn es
nicht regnet – versteht sich!
Für viele Menschen ist das
allmorgendliche Zeitung-Lesen ein fast heiliges Ritual, dem in Maria
Baumgärtle nun noch das Ritual des Zeitung-Holens vorgeschaltet
wird. Wenig später kommen dann andere oder zum Teil dieselben
Menschen zur Frühmesse in die Hauskapelle oder Wallfahrtskirche. So
vergleiche ich diese Wege zur Zeitungskiste und zur Wallfahrtskirche
und die verschiedenen „Informationen“, die dort jeweils zu
bekommen sind, den Qualitätsjournalismus der Mindelheimer Zeitung
(die zur Augsburger Allgemeinen gehört) und die liturgischen Texte.
Und in diesem Zusammenhang frage ich
mich auch, was meinen Blick auf die Welt prägt. Ich lese ja
leidenschaftlich gerne die Zeitung. Momentan fange ich noch vorne an,
nicht hinten bei den Todesanzeigen, wie es nach meiner Kenntnis viele
tun. Auch ich lese die Zeitung gerne morgens, nämlich dann, wenn ich
erst abends die heilige Messe feiere, um dann gemeinsam mit den
Mitbrüdern frühstücken zu können. Wobei ich dankbar bin, den Tag
mit der halbstündigen Meditation begonnen zu haben. Und mich auf
dieser Grundlage dem mehr oder weniger Wichtigen und Berichtenswerten
aus aller Welt widmen zu können. Die Zeitungslektüre kann auf diese
Weise wie zu einer Verlängerung des Morgengebets werden...
Wenn ich morgens nach der Meditation
gleich zur Messe gehe, dann hoffe ich, die Zeitung mittags zu finden,
was bei mehreren Zeitungsnutzern und verschiedener Disziplin im
Zurücklegen des aktuellen Exemplars an Ort und Stelle nicht immer
sicher ist. Ein Lob auf die Druckerschwärze!
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