Donnerstag, 31. März 2011

Knotenkreuz


Vor vielen Jahren habe ich es gelernt, ein Kreuz auf diese Weise zu knüpfen. Einen einzigen Knoten muss man dazu beherrschen. Immer wieder und mit verschiedenen Gruppen habe ich seitdem Kreuze geknüpft, besonders in der Fastenzeit, zuletzt gestern mit einer Gruppe von Firmlingen in Traunreut.

Was geschieht dabei? Was ist dabei zu erfahren und zu lernen?
Eine regelmäßig wiederkehrende Reaktion, nachdem ich den Knoten erklärt, bzw. einmal vorgeführt habe: „ich kann das nicht!“ Mancher verharrt in dieser Haltung und kommt tatsächlich nicht so recht weiter, andere schaffen es, fangen beinahe an, über sich selbst und die eigenen Fähigkeiten zu staunen und sind plötzlich mit Eifer bei der Sache. „Ich kann das nicht!“ - ist das nicht eine/die natürliche Reaktion angesichts des Kreuzes?

Das zweite Geheimnis für ein „schönes Makramee – Kreuz“: der Knoten muss nicht nur richtig sein, sondern auch fest angezogen werden. Das kann weh tun, dabei können Blasen an den Händen entstehen. Tatsächlich gab es auch gestern wieder solche. Bisweilen kann es vorkommen, dass beim Knüpfen, Knoten nach Knoten, Finger auch zu bluten beginnen. Eine sehr körperliche Kreuzerfahrung!

Für manchen ist die Geschichte auch eine Geduldsprobe. Ganz im Handumdrehen entsteht es nicht, das Kreuz! Eine besondere Herausforderung ist es, wenn sich heraus stellt, dass irgendwo falsch geknotet wurde. Soll ich jetzt – nachdem ich womöglich beim Zuziehen viel Kraft aufgewendet habe – soll ich jetzt versuchen, die Knoten wieder aufzulösen, neu anfangen?
Wie war das mit dem Kreuzweg Jesu, dem dreimaligen Fallen und wieder Aufstehen?

Eine besondere Erfahrung ist es, wenn mehrere gemeinsam knüpfen, entweder ein großes Kreuz oder jeder sein eigenes. Die Charaktere zeigen sich: derjenige, der so vertieft arbeitet, dass er kaum mehr reagiert, wenn ein anderer ihn anspricht. Der andere, der lustlos zum Fenster hinaus sieht.
Je nach Alter der Beteiligten manchmal eine Art Wettkampf: „ich habe schon sieben Knoten“, „schau, ich bin schon viel weiter als du“. Aber durchaus auch, dass einer seine eigene Knüpfarbeit hinlegt und einem anderen hilft, einen Knoten macht oder die Technik noch einmal erklärt. Beim Kreuzweg Jesu hießen sie Veronika und Simon, die Helfenden.

Dienstag, 15. März 2011

Klare Verhältnisse

Ja, ich bin auch für klare Verhältnisse. Es erleichtert die Arbeit und das Zusammenleben insgesamt, wenn ich weiß, woran ich bin. Und ich gebe zu, in gewisser Weise ist er mir sympathisch: es ist gut, sich auf jemanden verlassen zu können. Manche würden ihn vermutlich als einen „geraden Michel“ bezeichnen. Bei ihm weißt du, woran du bist.

Gelegentlich bemerke ich, dass diese Klarheit eine andere Seite hat, die mich dann stutzig, bisweilen auch ein wenig traurig macht.
Als im Fasching Zivilfahnder der Polizei junge Leute kontrollierten, hat er dies am Rande mitbekommen und die Durchsuchten als „Russengschwerl“ bezeichnet. Wiederum: eine klare Zuordnung! Aber um welchen Preis? Zum einen erspare ich mir die Auseinandersetzung, weil es ja „die anderen“ oder Menschen aus der Gruppe der anderen sind – das geht mich also unmittelbar nichts an. Zum anderen bringe ich mich um die Buntheit des Lebens und seine Vielfältigkeit. So einfach ist das nicht... Nicht jede und jeder hat Dostojewski gelesen und sich den Luxus gegönnt, die Ausstellung anlässlich des 100. Todestages von Leo Tolstoi im vergangenen Jahr im Münchner Literaturhaus anzusehen. „Russengschwerl“?

Noch eine andere klare Einordnung: da ist ein leicht Behinderter, mit dem sich viele nicht so leicht tun. Denn irgendwie wirkt er auch intelligent. Ihn zur Arbeit zu bewegen, will nicht so recht gelingen. Also: „arbeitsscheu“, „Sozialschmarotzer“. Fertig! Ohne jemanden vorschnell in Schutz nehmen zu wollen und mich blauäugig ausnutzen zu lassen – wobei ich dazu glaube ich nicht neige – merke ich, dass mich die Geschichte dieses behinderten Menschen interessiert. Wie war das mit den getrennt lebenden Eltern, bei denen er abwechselnd lebte, solange seine Mutter noch am Leben war. Ob er in seinem Leben die Chance hatte, Sozialkontakte zu finden und zu pflegen?

Und weiter denke ich nach über den Wunsch, mit klaren Verhältnissen zu leben und die damit verbundene Gefahr, es sich zu einfach zu machen.
Ob sich beides verbinden lässt? Klarheit und Weite, Offenheit? Es wäre doch einen Versuch, nein, vermutlich immer wieder neue Versuche wert.

Und vielleicht entdeckst du dann auch die zwei schwarz gekleideten und mit Ketten behängten Typen am Bahnhof, um die viele sofort einen Bogen machen würden. Als sie den gerade aus dem Bus ausgestiegenen Gemeindereferenten sehen, reden sie ihn mit seinem Namen an und fragen ihn: „wann ist denn der nächste Jugendgottesdienst?“ Herzlich willkommen euch beiden und bringt eure Freunde mit!

P.S.: Die geschilderten Begebenheiten haben sich in den vergangenen Wochen in meinem Umfeld tatsächlich zugetragen, ich nenne lediglich keine Namen!

Donnerstag, 3. März 2011

Freundschaft


Vor ein paar Tagen habe ich ein E – Mail von einem Freund bekommen. Ich freute mich, „Lieber Alois“ begann es. Beim Lesen bekam ich den Eindruck, dass die Anrede zwar persönlich war, der Rest aber wohl ein Mail, das sich an mehrere richtete. Tatsächlich wartete ich beim Lesen auf die Antwort auf eine Frage, die ich meinem Freund in meinem letzten Mail gestellt hatte – und fand sie nicht, das kräftigste Indiz für die „unpersönliche Mail“.

Das Thema „Freundschaft“ geht mir immer wieder einmal durch den Kopf bzw. das Herz. Am Fest des Apostels Matthias am 24. Februar lasen wir einen Text aus dem Johannesevangelium (15,9-17), wo Jesus daran erinnert, dass er die Seinen nicht mehr Knechte nennt, sondern Freunde genannt hat (Joh 15,15). Freund Jesu sein, Jesus zum Freund haben, mit ihm in Freundschaft verbunden sein...
Wobei Jesus im selben Zusammenhang recht klar macht, dass es dabei nicht um „traute Zweisamkeit“ geht, die Freundschaft will ausgeweitet werden, unter all den Seinen gelebt werden.
Und da gilt für Ordensgemeinschaften dasselbe wie für natürliche Familien: Brüder und Schwestern kann man sich nicht aussuchen, im Gegensatz zu den Freunden.

Ich kann mich erinnern, dass ich bei einer der ersten Predigten des damals gerade neuen Papstes Benedikt XVI. aufmerkte, als er seine Zuhörer nicht mit „liebe Brüder und Schwestern“, sondern mit „liebe Freunde“ ansprach. Wobei ich das bisher nicht übernommen habe, wenn ich predige.

„Von Menschen und Göttern“ heißt der inzwischen mit vielen Preisen ausgezeichnete Film über eine Gruppe von Trappistenmönchen, von denen sechs 1996 in Algerien auf gewaltsame Weise ums Leben kamen. In Frankreich war der Film ein Kassenschlager, im deutschen Sprachraum scheint er nur in ausgewählten Kinos zu laufen. Auf mehrfache Weise ist in diesem Film „Freundschaft“ Thema. Ob es um die Beziehungen der christlichen Mönche zu den einheimischen Muslimen geht, ob es um die Beziehungen der Mönche untereinander geht – es gibt in ihrer nüchternen Alltäglichkeit sehr bewegende Szenen.

Und ich habe mir noch einmal das Testament des Priors der Gemeinschaft, Frere Christian de Chergé durch gelesen. Dessen Schluss (der ganze Text lässt sich leicht im Internet finden), in dem Frere Christian auch seinen Mörder als Freund anspricht, möchte ich auch hier an das Ende stellen:

In diesen Dank, mit dem nun alles über mein Leben gesagt ist, schließe ich sicherlich Euch ein, Freunde von gestern und von heute, Ihr lieben Freunde von hier, zur Seite meiner Mutter und meines Vaters, meiner Schwestern und Brüder, hundertfach hinzu geschenkt, wie es versprochen war.
Und auch Du bist eingeschlossen, Freund meines letzten Augenblicks, der Du nicht weißt, was Du tust! Ja, auch für Dich will ich diesen Dank und dieses A-Dieu, das Du beabsichtigt hast. Daß es uns geschenkt sei, uns als glückliche Schächer im Paradies wiederzusehen, wenn es Gott, dem Vater von uns beiden, gefällt. Amen. Inch‘Allah