Donnerstag, 31. Dezember 2015

An-bet-ung

Wie erkläre ich denn jetzt jemandem, eventuell auch einer regelmäßigen Kirchgängerin, den Unterschied zwischen „Ge-bet“ und „An-bet-ung“? Gar nicht so einfach.

„Wir sind angekommen, um Ihn anzubeten“ war das Motto des Weltjugendtags vor zehn Jahren in Köln, frei nach dem, was die Sterndeuter sagten, als sie in Jerusalem nach dem neugeborenen König der Juden fragten. „Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen“ (Mt 2,2). Papst Benedikt XVI. hat damals in Köln sehr Schönes zum Thema Anbetung gesagt – das lohnt sich, noch einmal zu lesen.

Vom Weltjugendtag in Köln ausgehend hat die Anbetung mancherorts eine gewisse Renaissance erfahren. Auch und gerade bei jungen Leuten. Wobei es da auch kritische Nachfragen gibt. Ein Mitbruder etwa ist erstaunt darüber, dass es wohl junge Leute gibt, die zur Anbetung in die Kirche kommen, aber nicht zur Sonntagsmesse. Eine solche Beobachtung deckt sich mit der Kritik mancher Liturgie-Experten, die in den vergangenen Monaten neue Formen von gottesdienstlicher Anbetung untersucht haben.

Wie an anderen Orten, so haben auch wir hier seit einigen Monaten einen regelmäßigen „Anbetungstag“ im Monat, jeweils der zweite Donnerstag eines Monats. In der Monstranz, dem Schaugefäß auf dem Altar, ist die Hostie zu sehen, die sonst unsichtbar im Tabernakel verborgen ist.

Neulich kniete ich da abends noch in der Bank mit Blick auf die Monstranz, als sich einer in die Bank vor mir hin begab und hin kniete. Und mir dadurch den Blick auf die Monstranz nahm. Anstatt der schönen Monstranz mit der weißen Hostie sah ich also jetzt einen Hinterkopf und Rücken. Was mich unweigerlich zu der Frage brachte, ob ich diesen vor mir knienden Bruder wohl genauso „liebe“ wie Jesus in der Eucharistie. Dann verstellt er mir nicht den Blick, sondern ich freue mich, wenn wir miteinander dort knien. Auch wenn meine Sicht, meine Perspektive jetzt anders ist.

Weil wir im Vorraum der Hauskapelle eine große Weihnachtskrippe aufgebaut haben, bei der auf Knopfdruck hin auch Musik und Text – die Weihnachtsgeschichte – zu hören sind, kommt es vor, dass bei Stille in der Kapelle das ein oder andere Geräusch von draußen in die Kapelle dringt. Entweder eben Musik und Text vom Band. Oder auch das Gespräch von Eltern und Kindern, die sich die miteinander die Krippe ansehen.

Und auch die Kinderstimmen, die ich da von draußen hörte, während wir drinnen anbeteten, empfand ich als neuerliche Anfrage nach meiner Bereitschaft, den Menschen ebenso mein Herz zu öffnen wie Jesus auf dem Altar. Welch eine schöne Begleitmusik zur Anbetung, die Kinderstimmen vom Vorraum draußen!

Ja, ich kämpfe immer wieder darum, mich beim Beten nicht ablenken zu lassen. Und freue mich über Stille bei der Anbetung. Oft wird mir in Gruppen dabei viel zu viel „gebetet“, das heißt, zu viele Worte gemacht. Vor lauter Gebeten komme ich dann nicht zum Beten.

Aber dann freue ich mich auch, wenn die Ebenen verschwimmen, wenn ich in den alltäglichen Begegnungen den wieder entdecke, dem ich im Gebet begegne, wenn das eine das andere befruchtet. Da bekommt das Leben das, was manche mit dem Modewort „Stimmigkeit“ bezeichnen. Für das Neue Jahr wünsche ich Dir und mir genau das!

Dienstag, 15. Dezember 2015

Gender in der Sakristei

Nein, wir brauchen keine „Gender-Ideologie“. Genauso wenig, wie wir eine „Priester-Ideologie“ brauchen. Wobei uns diese Erkenntnis ja nicht davon abhalten muss, uns mit Gender- oder Priester-Fragen zu beschäftigen. Zum Beispiel deswegen, damit das Ganze nicht ideologisch wird. Ich werde mich nicht am wissenschaftlichen Diskurs beteiligen, dafür bräuchte ich mehr Mußezeit zu eingehender Lektüre.
Ich möchte etwas banale, mich selbst aber manchmal auf dem Hintergrund von „Gender-Diskussionen“ zum Schmunzeln bringende Sakristei-Erlebnisse teilen.

Auf einen weißen Fleck am Messgewand wies mich ausgerechnet einer der Ministranten hin. Ein cooler Typ, der seine Baseball-Kappe nicht unbedingt ohne Aufforderung abnimmt, wenn er den Kirchenraum betritt. Nach der Messe gingen wir in die Sakristei und er meinte: „P.Alois, an dem Messgewand, dass sie heute an hatten ist ein Fleck!“ Gemeinsam schauten wir nach – tatsächlich! An der Seite, für mich selbst weniger gut wahrnehmbar. Natürlich bedankte ich mich bei dem Ministranten für seine Aufmerksamkeit.

Das „Schalt-Tableau“ in unserer Sakristei, mit Knöpfen und Kontrolllämpchen für Licht, Heizung, Glocken und Verstärkeranlage erweckt durchaus eher Interesse bei den männlichen Jugendlichen, die es eingehend mustern.

Dafür hatte ich neulich zwei 13-,14-jährige Ministrantinnen, deren lackierte Fingernägel mir entgegen leuchteten, als sie nach der Gabenbereitung mit Wasser, Glasschälchen und Tüchlein zum Hände abtrocknen anrückten. Knallig rot! Wobei ich eine leichte Farbnuance zu erkennen meinte. (Auch andere Fingernagel-Farben habe ich schon erlebt, schwarz scheint bisweilen sehr „in“ zu sein). Die beiden mit den roten Fingernägeln sprach ich dann nach der Messe an, dass sie ja fast den selben Farbton bei den Fingernägeln gewählt hätten und so richtig als Ministrantinnen im Partner-Look aufgetreten waren. Worauf sie los prusteten bzw. kicherten: „es ist dieselbe Farbe!“ Wie sich heraus stellte, war das Fingernägel-Lackieren wohl eine gemeinsame Aktion der beiden Damen gewesen. Inzwischen weiß ich, dass mancher Nagellack auch gegen „Nägel-Beißen“ aufgetragen wird.

In einer anderen Sakristei stand ich vor der Messe mit zwei Ministrantinnen, etwa im selben Alter, die vor Beginn der heiligen Messe längere Zeit damit beschäftigt waren, ihre Haarpracht zu ordnen. Immer wieder wurde der Oberkörper schwungvoll nach vorne gebeugt, damit die langen Haare nach vorne flogen. Darauf hin wurden diese geschickt mit der Hand hoch genommen und mit Hilfe eines Gummiringes zu einem Knoten geformt. Die eine junge Dame war schneller mit dem Erfolg dieser Aktion zufrieden, bei der anderen brauchte es allerhand Versuche, bis sie es gelten ließ.

Was mich an eine andere Sakristei erinnerte, in welcher Haargummis vorhanden sind, weil der Pfarrer wohl nicht möchte, dass die Mädchen mit „offenen Haaren“ ministrieren. Also hat der Mesner im Bedarfsfall Haargummis auszugeben.
In ferner Vorzeit gab es den Kamm in der Sakristei, wenn der ein oder andere Ministrant nicht ordentlich frisiert zum Dienst erschien. Dann hieß es: „kämm dich noch einmal, so kannst du doch nicht an den Altar treten!“. Ich erinnere mich, dass dieser „Sakristei-Kamm“, Marke „Laus-Rechen“ mir so unangenehm war, dass allein schon dass gereicht hat, um mit ordentlich frisierten Haaren zum Ministranten-Dienst zu erscheinen. Ob meine Vorliebe zum Kurzhaar-Schnitt aus dieser Zeit stammt?

Dienstag, 1. Dezember 2015

advent-ure

Morgenandacht, Deutschlandfunk 28.11.2015
von Maria-Anna Immerz aus Augsburg
Abenteuer Advent
Tage an Schnittstellen sind etwas Besonderes. An der Schnittstelle zwischen Abschluss und Neubeginn etwa. Heute ist ein solcher Tag. Der letzte Tag im Kirchenjahr. Heute Abend – mit dem Vespergebet zum 1. Advent – gehen Christen in ein neues Kirchenjahr; in vielen Gemeinden wird da der Adventskranz gesegnet.  Kein Feuerwerk zum neuen Jahr der Christen; aber das kleine Licht der Hoffnung, das wachsen wird.  
Schnittstellen-Tage sind Tage mit Spannung. Da gibt es Leute, die lassen den  Neuanfang schon Wochen vorher angehen, haben längst Tannenschmuck in den Zimmern, mehrere Adventskalender besorgt, Lebkuchen genossen. Und die anderen, die dehnen das „Alte“ bis zur Kante, um den Neubeginn stark zu fühlen. Doch auch sie werden heute den Adventskranz besorgen, Lichter herrichten, vielleicht ein Buch mit Texten und Geschichten für diese besondere Zeit.
Und dann bricht sie an, die Adventszeit mit ihren lieb gewonnenen Ritualen, Stimmungen, Gottesdiensten... Alle Jahre wieder. Und doch immer wieder ein bisschen anders. Heuer müssen wir gestehen: Advent beginnt für keinen erst heute Abend; er hat auch nicht mit den ersten Weihnachtsartikeln in Supermärkten begonnen – heuer war es nochfrüher. Advent, also „Ankunft“ war doch spätestens am 1. September, als unerwartet 1200 Asylsuchende am Münchener Hauptbahnhof ankamen. Advent, also „Ankunft“ war allenthalben, als sich Bustüren öffneten und Männer, Frauen, Kinder in Turnhallen traten. Advent, „Ankunft“ war auch, als Freiwillige am Starnberger Bahnhof, in Wegscheid, bei der Caritas ankamen und sich einteilen ließen, wo sie gebraucht wurden.
Ankunft – Advent: Das hatte nicht viel Trautes, nichts Heimeliges, nichts vom „alle Jahre wieder“. Dafür aber etwas von “adventure“ – von Abenteuer. Der Advent von mehreren Hunderttausend Menschen in unserem Land ist ein Abenteuer. Da hat man nicht alles gleich im Griff, da kann man nicht alles steuern – aber eben auch nicht alles abwehren. Weil das Abenteuer dieser Ankunft ja auch lockt: Werden wir es schaffen? Wir, die Deutschen? Wir, zusammen mit den neu Angekommenen? Immerhin hat der Advent der Asylsuchenden schon viel herausgelockt an Menschlichkeit aus unserer Gesellschaft; ja, dieser Advent hat schon das Beste aus vielen gelockt, was sie haben: ihr Herz.
Heute Abend beginnt der kalendarische Advent; der Advent im Ritus des Kirchenjahrs. Er wird uns Christen – und hoffentlich nicht nur uns – noch zu mehr locken: „Es kommt ein Schiff geladen, bis an sein höchsten Bord“ werden wir im beliebten alten Adventslied singen. Dabei werden heuer ungefragt die Bilder der Flüchtlingsboote mit vor Augen sein – die grausam gekenterten und die glücklich geretteten. Und wir werden in der Strophe weiter singen: „Trägt Gottes Sohn voll Gnaden, des Vaters ewigs Wort“.
Ja, dieser Advent wird uns unwillkürlich erinnern: Die da seit Monaten per Schiff oder auf dem Landweg bei uns ankommen, haben etwas zu tun mit dem Gottessohn, den wir erwarten. Nicht weil wir es uns fromm zurechtlegen, sondern weil Er, der Gottessohn, es uns selbst nahe gelegt hat: Mit denen, die nichts zu bieten haben, die fremd und obdachlos sind, hat Er etwas zu tun. Wer einen von ihnen aufnimmt, nimmt den Sohn Gottes selbst auf. Ehrenwort. Wem das auf Anhieb zu viel ist, dem möge der Adventkranz heute Abend ein erster Anker für das Abenteuer Advent 2015 sein: Er nährt die Hoffnung, dass es rund laufen und auf einen grünen Zweig kommen wird, was wir bei so viel Advent in unserem Land selbst noch nicht auf die Reihe bekommen. Gebe Gott selber, dass heute Abend Viele aus ganzem Herzen singen können: „Macht hoch die Tür; die Tor macht weit!“


Sonntag, 15. November 2015

bereit

Predigt am 15.11.2015 - Mk 13,24-32 – 33.So B

Liebe Brüder und Schwestern,

in zwei Wochen beginnt der Advent. Und schon heute geht es im Evangelium um das Ende der Welt. Der Advent hat eben auch damit zu tun, weil wir uns nicht nur auf Weihnachten vorbereiten, sondern auf die Wiederkunft Jesu. Etwas, das wir im Normalfall nicht so bedenken. Obwohl wir es doch jeden Sonntag bekennen: „Deinen Tod o Herr verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit“. Es tut gut, sich zwischendurch daran zu erinnern, nicht nur, um das eigene Leben mit größerer Ernsthaftigkeit und mehr Tiefgang zu leben. Sondern auch um sich selbst vor einer Kultur des Selber-Machens zu bewahren. Klar habe ich Verantwortung für mein Leben. Aber ich lebe auf einen hin, der auf mich zukommt. Unsere alltäglichen Begegnungen mit Jesus bereiten uns auf die endgültige Begegnung mit ihm vor.

Ich möchte Ihnen und Euch heute von zwei Menschen erzählen, die das verstanden haben, ein Mann und eine Frau.
Zuerst der Mann, weil der vor langer Zeit gelebt hat, nämlich im 16. Jahrhundert. Vorgestern, am Freitag, stand sein Name im Kalender, Stanislaus Kostka.
Er stammte aus polnischem Adel und wurde zur Erziehung nach Wien zu den Jesuiten geschickt. Und es gefiel ihm dort, so sehr, dass er überlegte, selbst ein Jesuit zu werden. Sein Chef in Wien, der Obere der Jesuiten, hatte jedoch Angst vor dem adeligen Vater in Polen, der wohl andere Pläne für seinen Sohn Stanislaus hatte. Mit dem wollte P. Maggi sich nicht anlegen.
Also floh Stanislaus Richtung Augsburg zu Petrus Canisius und weil er den dort nicht fand, weiter nach Dillingen, wo Canisius, ebenfalls ein Jesuit, sich aufhielt. Weil der Stanislaus auch in unserer Gegend war, hat er einen besonderen Platz im Augsburger Heiligenkalender.

Stanislaus blieb also eine Zeit in Dillingen und wurde dann nach Rom geschickt, um wirklich in die Gemeinschaft der Jesuiten aufgenommen zu werden, nach dem Urteil des Canisius schien er sich zu eignen. „Wir erwarten große Dinge von ihm“ schrieb er. Stanislaus hatte sich schon in Wien dadurch ausgezeichnet, dass er nicht jeden Blödsinn seiner Mitschüler mit machte, weswegen er auch allerhand Spott einstecken musste.
Also jetzt auf nach Rom. Und da ergab es sich, dass Petrus Canisius ebenfalls dienstlich dorthin kam und gebeten wurde, für die Jesuiten-Novizen, zu denen Stanislaus ebenfalls gehörte, einen Vortrag zu halten. In diesem Vortrag am 1. August 1568 sagte Canisius den jungen Männern, unter denen auch Stanislaus war: „Das Mittel, um einen Monat vorteilhaft und glücklich zu zu verbringen ist, dass man sich einrede und gleichsam glauben mache, es sei der letzte Monat auf Erden“. Dieser Satz schlug bei Stanislaus ein. Vierzehn Tage später starb der knapp 18jährige, der eigentlich gesund schien. Er hatte den Eindruck, die Worte des Canisius seien für ihn gesprochen worden.

Was wir im Evangeliumsabschnitt des heutigen Sonntags gehört haben ist die Antwort Jesu auf die an ihn gerichtete Frage: „Sag uns, wann wird das geschehen, und an welchen Zeichen wird man erkennen, dass das Ende von all dem bevorsteht?“(V.4). Mit den Zeichen ist es nicht so einfach und eindeutig, trotz Feigenbaum. Also bereit sein! Stell Dir vor, Du hättest nur noch diesen Monat.

So, jetzt noch zur Frau. Die lebt noch. Vor vielen Jahren habe ich sie kennen gelernt und im Heiligen Jahr 2000 waren wir gemeinsam mit einer größeren Pilgergruppe in Rom, sie mit damals 75 Jahren schon etwas wacklig. Und ab und zu mussten wir etwas langsamer gehen, damit sie mit kam.
Seit etwa sechs Jahren lebt nun die alte Dame im Altenheim in Geretsried und bekam vor kurzem eine Krebsdiagnose. Also rief sie an und sagte: „P. Alois, am 18. November muss ich ins Krankenhaus einrücken. Und ich möchte vorher einfach noch eine Lebensbeichte ablegen, reinen Tisch machen“. Natürlich schlug ich ihr vor, dafür den Wohnortpfarrer zu bitten, aber das wollte sie nicht. Die alte Dame hat durchaus ihren eigenen Kopf.
So erklärte ich ihr, dass das für mich jetzt doch auch nicht der nächste Weg wäre, nach Geretsried bei Starnberg. „Nein, nein, mir steht ein bestimmter Betrag für eine Taxifahrt im Monat zu, da kann ich zu Ihnen ins Baumgärtle kommen.“ Und so kam sie, am vergangenen Donnerstag, den Rollator im Kofferraum des Taxis. Meiner Ansicht nach völlig klar im Kopf, obwohl sie von irgendeinem Arzt, der sie wohl gar nicht persönlich gesehen hat, als dement eingestuft wurde.

Nebenbei hat sie sich dann auch gleich nach den Beerdigungskosten erkundigt.
Menschen wie sie und Stanislaus Kostka machen mich nachdenklich, nötigen mir Respekt ab und lassen in mir auch den Wunsch nach einem bewussten und entschiedenen Leben wachsen. AMEN


Samstag, 31. Oktober 2015

Anfragen und Fragen

„Pater Alois, könnten Sie nicht bei uns die Kindermette halten?“ So fragt mich die Frau, die mit ihrem Sohn, einem Erstkommunionkind, vorbei gekommen war. Spontan ermutige ich sie, wie in den vergangenen Jahren auch, einen Wortgottesdienst zu feiern, bei dem nicht unbedingt ein Priester gebraucht wird. Und ich versuche ihr gleichzeitig Mut zu machen: „Sie können das!“ „Aber die Kinder hören bei Ihnen halt doch besser zu“. Natürlich fühle ich mich ein wenig geschmeichelt, lasse mich aber nicht überreden.

Ein paar Tage später eine andere Frau aus einer anderen Gemeinde am Telefon: „Haben Sie im Advent viel Stress, P. Alois?“ „Was heißt Stress?“ „Ich wollte Sie fragen, ob Sie nicht eine Adventsandacht mit den Firmlingen bei uns im Käppele halten könnten“. Auch hier habe ich ohne langes Überlegen der Frau gesagt, dass es gar nicht schlecht ist, wenn die Kinder die Erfahrung machen, dass es auch einen Gottesdienst ohne Priester geben kann, dass sich Menschen auch einfach so zum Gebet versammeln können.

Das Überlegen begann dann hinterher... Warum habe ich so und nicht anders reagiert?

Es war nicht aus Sorge, dem Pfarrer ins Gehege zu kommen. Wir verstehen uns gut und ich meine, er hätte nichts dagegen, wenn ich zu den Anfragen ja gesagt hätte. Über die erste habe ich auch im Nachhinein mit ihm gesprochen. Außerdem hat er mit seinen sechs Pfarreien ja ohnehin genug Termine.

Abgesehen davon, dass ich mich über solche Anfragen freue, sind sie fast eine Versuchung für mich. Da ich einfach gerne mit Kindern und Jugendlichen zusammen bin und versuche, mich in ihre Welt hinein zu versetzen und sie auf dieser Basis anzusprechen. Wobei ich stets am lernen und für solche Gelegenheiten dankbar bin.

Und was ist besser? Klar finde ich es wichtig, wenn Kinder und Jugendliche mit einem Priester zusammen kommen. Das ist ja inzwischen alles andere als selbstverständlich. Wie oft habe ich die Klage über die fehlenden (jungen) Kapläne in den Pfarreien gehört, die früher dort Jugendarbeit gemacht haben und begeistern, mitreißen konnten. Jetzt bekäme ich die Chance zu der ein oder anderen Begegnung und nehme sie nicht wahr...

Terminlich bin ich zwar insgesamt recht gut eingedeckt, aber natürlich ließe sich etwas arrangieren.

Und doch habe ich abgelehnt... Richtig?

Hat es mit Erfahrungen aus meiner Zeit in Madrid zu tun? Bei der Reflexion unserer Arbeit mit Immigranten haben wir viel über „Paternalismus“ einerseits und „empowerment“ andererseits nachgedacht. Unser Einsatz, unsere Hilfe sollte keine Abhängigkeiten erzeugen, sondern im Gegenteil den anderen zur Selbständigkeit helfen. Nach wie vor bin ich von diesem Ansatz überzeugt. Manchmal erfordert er ein „inneres Loslassen“: es täte ja so gut, gelobt und gebraucht zu werden. Auf der anderen Seite ist es aber nicht so, dass diese Art und Weise des Einsatzes „unbelohnt“ bliebe. Wie schön ist es, wenn Menschen lernen, eigene Wege zu gehen.

Und wie viel Potential ist in unseren Gemeinden da. Immer neu gerate ich ins Staunen darüber und bin dankbar. Und voller Hoffnung im Blick auf die Zukunft.

Und ich meine, dass damit nicht Berufungen vermischt werden. Vielleicht sind gerade Anfragen wie die oben erwähnten ein Indiz dafür. Und als Brüder und Schwestern im Volk Gottes suchen wir gemeinsam, wie wir einander in unserer je eigenen Berufung, mit den uns von Gott geschenkten Charismen dienen können.

Donnerstag, 15. Oktober 2015

Menschen auf der Flucht

Gerade bin ich in Freilassing in den Zug eingestiegen. Hedwig hatte mich dankenswerterweise mit dem Auto von Salzburg hierher gebracht. Hatte es die vergangenen Tage in der elektronischen Fahrplanauskunft der Bahn noch geheißen, der Meridian würde ab Salzburg Hauptbahnhof fahren, so las ich heute Morgen mit einem leichten Erschrecken: „Zug fährt erst ab Freilassing“.
Und am Bahnhof in Freilassing sah es auch anders aus, als ich es gewohnt bin. Auf einem Bahngleis Absperrgitter die halbe Bahngleislänge entlang. Direkt am Bahnhofsgebäude drei Zelte, neben jedem ein Ofen. An verschiedenen Stellen mobile ToiToi-Toiletten. An einem Gebäude dem Bahnhof gegenüber Plakate „Freilassing hilft den Flüchtlingen“. Heute aber kaum Menschen, ein paar Zugreisende. Und beim Einsteigen auch zwei Polizisten, der eine streift sich noch schnell Lederhandschuhe über.
„Wie schaffen wir das?“ - vielleicht wäre es hilfreich zu sagen, dass das keine und keiner so recht weiß. Und wir gleichzeitig nicht aufhören sollten, sehr entschieden Menschen zu sehen. Und nicht zuerst Probleme. Die gibt es auch, keine Frage!

Zum Beispiel Brandschutz-Vorschriften. Nachdem wir selbst gerade dabei sind, ein altes Haus zu adaptieren, bekomme ich ein wenig davon mit. Es fängt schon damit an, dass es kaum möglich scheint, mit dem zuständigen Mann vom Brandschutz einen Termin zu finden, weil er an verschiedenen Stellen gefordert ist. Und zweifelsohne sind die Brandschutzvorschriften wichtig. Zu viel ist in den letzten Jahren passiert. Wobei in den kommenden Wochen ein Dilemma entstehen wird, wenn Flüchtlinge in Zelten untergebracht sind, die nur mühsam oder gar nicht beheizt werden können. Weil in leer stehenden Gebäuden die Brandschutzvorschriften nicht erfüllt sind. Wie damit umgehen?

Mit der Änderung der Definition eines „sicheren Herkunftslandes“ scheinen sich manche da leichter zu tun und ändern notfalls einfach die Kriterien. Von jungen Senegalesen weiß ich, dass sie – weil ja angeblich aus einem „sicheren Herkunftland“ - abgeschoben werden sollen. Der eine hat schon in seiner Heimat als Bäcker gearbeitet und ist zur Zeit in einer bayrischen Bäckerei beschäftigt. Und sein Chef ist begeistert. „Der kommt pünktlich am Morgen und er packt zu – man merkt, dass er schon zu Hause als Bäcker gearbeitet hat“. Leider ist noch nicht sicher, ob der junge Mann eine dauerhafte Arbeitserlaubnis bekommen wird. Dabei ist er schon recht gut integriert.

Apropos Vorschriften: eine ältere Dame war von der Not der Flüchtenden angerührt und beschloss, ihre Hilfe, konkret ihr Haus anzubieten, in welchem sie ganz alleine lebt. Wieso sollte da nicht eine Familie einziehen können? Sie war ziemlich traurig, als ihr Angebot bei der Behörde nicht angenommen wurde. Grund: wenn, dann bräuchte es für die Familie eine eigene Küche. Die eine vorhandene Küche gemeinsam zu nutzen geht nicht.

Und eine letzte, abenteuerliche Geschichte, die zum genauen Hinsehen anregt, Hedwig hat sie auf dem Weg zum Bahnhof erzählt. Ein Mann vom Waldbauernverband holte Holz in Deutschland. Auf dem Rückweg hielt er bei einer Raststätte, um einen Kaffee zu trinken. Vermutlich kletterte genau in dieser Zeit ein Flüchtling auf seinen Anhänger, was der Fahrer nicht bemerkt hatte. Erst an der Grenze, als der Flüchtling herunter sprang. Pech für den Fahrer des Lastwagens: er bekommt jetzt Schwierigkeiten als vermeintlicher Schleuser.

In den vergangenen Tagen überlegten wir, wie wir als Ordensgemeinschaft dem Aufruf von Papst Franziskus nachkommen könnten, Flüchtlinge bei uns aufzunehmen. Ich bin sehr dankbar, dass in einem unserer Häuser über ein Projekt zur Aufnahme unbegleiteter Minderjähriger verhandelt wird. In anderen Häusern tun wir uns etwas schwerer, aber teilweise sind auch dort schon Flüchtlinge gewesen.
Von Italien lese ich, dass von den 95.000 aufgenommenen Flüchtlingen 22.000 in kirchlichen Einrichtungen untergebracht sind. Und auch hierzulande ist ja das Engagement groß. Gott sei Dank!

Mittwoch, 30. September 2015

Der Papst beim Optiker

Der Papst war beim Optiker! Eine Sensation! Anfang September war das Bild in den Medien zu sehen. Der Papst geht einfach eben mal so selbst zum Optiker, ins Geschäft. Allerhand! Wahrscheinlich hat dieser inzwischen ein Foto vom päpstlichen Besuch im Schaufenster. Werbung ist alles. Oder vielleicht benennt er gar sein Optik-Geschäft um: „Päpstlicher Optiker“. Dann würde wenigstens dieses Geschäft dem Papst ein wenig Umsatz verdanken können. Wenn schon die Bekleidungsgeschäfte für edle Priesterkleidung in Rom stöhnen, weil der Papst eher für Einfachheit und Schlichtheit wirbt. Macht sich nicht gut fürs Geschäft! Apropos: wie die Medien melden, wollte der Papst auch beim Optiker nicht viel Geld ausgeben. Hat er ausdrücklich gesagt: neue Gläser ja, aber kein neues Gestell!
Der Papst beim Optiker! Sensation!
Ja hallo, geht’s noch? Klar kann man sich fragen, was weniger Aufwand bedeutete: ein Besuch des Optikers im Vatikan, oder der Papst mit Entourage außerhalb. Wobei das nur ein Polizeiauto gewesen sein soll. Aber ansonsten ist doch solch ein Besuch beim Optiker für einen normalen Menschen auch wieder nichts Ungewöhnliches. Der Papst – ein normaler Mensch? Darf man das sagen?

Ich möchte mich keineswegs mit dem Papst vergleichen, aber die Sensation des päpstlichen Optikerbesuches rief eine Erinnerung aus meiner Zeit als Pfarrer wach. Wir hatten keine Haushälterin und auch keine Zugehfrau. (Wobei wir von Montag bis Freitag zum Mittagessen in eine Art Kantine gehen konnten.)
Also gehörte zu meinem Alltag auch das Einkaufen. Und mehr als einmal bin ich dann gefragt worden: „Was? Herr Pfarrer, Sie gehen einkaufen?“ bzw. „Sie müssen selbst einkaufen?“ Je nach Gegenüber konnte ich es mir nicht verkneifen, zu erwidern: „Aber Sie gehen ja auch selbst einkaufen“. (Der Pfarrer, ein normaler Mensch?) Einmal kam dann eine weitere Reaktion des Gegenübers: „aber dass Sie dafür Zeit haben!“ Die ich natürlich wiederum konterte: „Ja, aber Sie haben doch auch Zeit zum Einkaufen!“

Klar kann man jetzt trefflich darüber streiten, ob ein Pfarrer sich bei all den „gewaltigen und ach so aufreibenden Anforderungen der Pastoral und Seelsorge“ die Zeit zum Einkaufen und Haushalt nehmen soll. Andere entscheiden anders als ich, auch gut.
Vielleicht kann auch nicht jeder meine Freude an schmutzigem Putzwasser nachvollziehen. Das Samstag-Vormittag-Programm sah nämlich in der Regel so aus: erst putzen, dann die Endfassung der Sonntagspredigt erstellen. Beim Ausgießen des schmutzigen Putzwassers kommentierte ich mir selbst und anderen gegenüber manchmal: „bei dieser Arbeit sieht man – im Ergebnis zu manch anderen Diensten und Arbeiten – wenigstens ein Ergebnis“. Und nach wie vor empfinde ich das Putzen als eine gute Predigtvorbereitung.

Zurück zum Papst beim Optiker. Und was ich jetzt sage, ist natürlich an den Haaren herbei gezogen. Und trotzdem sage ich auch das noch. Was mir bei Papst Franziskus auf- und gefällt, das ist seine immer wieder kehrende Aufforderung, die Wirklichkeit ernst zu nehmen. Und nicht von irgendwelchen Wunsch- oder Idealvorstellungen auszugehen. Das hat im übertragenen Sinn auch mit der Sicht und Optik zu tun. Schau hin! Schau genau hin!

Und wenn der Papst selbst zum Optiker geht und nicht seine Brille dorthin bringen lässt, zumal einen Monat vor der Familiensynode, dann könnte das den staunenden Betrachter vielleicht auch darauf hinweisen, sich eine eigene Meinung zu bilden, durch die eigene Brille zu sehen und sich nicht die Sichtweise eines anderen aufschwätzen zu lassen.

Au weia, wohin hat mich denn der päpstliche Optikerbesuch jetzt geführt? Gute und klare Sicht wünsche ich!

In einer Welt abgehobener VIPs und Managergehältern, die das Vielfache dessen ausmachen, was die „normalen“ Leute ihrer Firmen verdienen, in solch einer Welt tut das Beispiel der VIP Papst Franziskus gut. Und könnte vielleicht korrigierend wirken...

Dienstag, 15. September 2015

Urlaub an der Nordsee

„Ist schon eine Weite, was?“, so fragte mich der freundliche Pastoralreferent, zwei Tage nachdem er mich am Bahnhof abgeholt hatte. Ich wusste nicht so recht, wie antworten. „Weite?“ So hatte ich das bisher nicht empfunden. In die Weite sehe ich auf einem Berggipfel. Aber hier? Da stehe ich am Strand, am Ufer des Meeres. Mich beeindrucken die Wellen, ich spüre Salzgeschmack im Mund, aber in der Ferne, da sehe ich – nichts. Offensichtlich gibt es jedoch Menschen, die Weite empfinden. Vielleicht kann ich das ja „lernen“, zumindest möchte ich meinen Blick „weiten“ lassen durch das Empfinden des anderen. Und ich hoffe, dass ich jetzt nicht bei allen „bekennenden Meer-Urlaubern und Seefahrern unten durch“ bin und bitte, meine Ehrlichkeit zu honorieren.

An einem Tag war ich, als guter Urlauber, im „Westküstenpark mit Robbarium“. Abgesehen davon, dass ich selbst meinen Spaß an der Seehundfütterung hatte, gab es noch ein tieferes Moment der Freude. Viele junge Familien, Eltern mit ihren kleinen Kindern sind hier zu sehen. Und es fasziniert mich, wie die Erwachsenen sich „bestimmen lassen“ von ihren Kindern, bis hinein in die Urlaubs- bzw. Tagesplanung. Etwa durch den Besuch in solch einem kleinen Zoo. Natürlich auch mit etwas „erwachsener Raffinesse“: „Du“, sagt die Frau zum Mann, „wir gehen nicht gleich zum Spielplatz, sonst kommen wir mit denen (Blick auf die Kinder) nicht mehr weiter. (Um 11.00 Uhr ist ja die Seehundfütterung!)“. Aber dann: die Freude der Kinder wird zur Freude der Eltern.

Und das gilt bei verschiedenen Elterntypen: da ist ein junger Mann, dessen Haar- und Bartpracht so ist, dass ich ihm lieber nicht allein im Dunkeln begegnete. Bei seinen Ohrringen höre ich irgendwann zu zählen auf, hat er nicht auch noch einen in der Nase? Die ihn begleitende Frau dagegen zeichnet sich durch höchst interessant gefärbte Haare aus. Und gleichzeitig: sehr aufmerk- und einfühlsam gehen sie mit ihren beiden kleinen Kindern um.

Es stimmt: so wie die Eltern ihre Kinder, erziehen die Kinder auch ihre Eltern. Welch ein Lernort für Menschlichkeit! Familie, wie genial ist diese „Einrichtung“. Ich hoffe, dass die bevorstehende römische Familiensynode dies unterstreichen und nicht nur „problemorientiert“ Stirnrunzeln und Kopfschütteln erzeugen wird. Applaus für die Familie! Ohne zu idealisieren. Wenigstens der Papst selbst hört ja nicht auf, dazu auffordern, die Wirklichkeit als solche wahr und ernst zu nehmen.

Noch etwas, was mir in diesem Zusammenhang auffällt: natürlich gehört auch der Strandbesuch zum Familienurlaub an der See. Kinder und Eltern sind mit Schäufelchen und Eimern bepackt, bei größeren Kindern ist oft auch ein Flugdrachen dabei. Diesen beim starken Wind an der See steigen zu lassen ist teilweise ein echtes Kunststück. Manche Kinder können ganz viel Zeit damit verbringen: Löcher graben und darin das Wasser sich sammeln lassen. Oder den Drachen hin und her sausen zu lassen.
Andere sind „fleißig“: sie befüllen den mit gebrachten Eimer oder auch eine kleine Plastiktüte mit den Muscheln, die es am Strand zu finden gibt. Und bisweilen habe ich den Eindruck echter Sammelleidenschaft, um nicht von „Sammlerwut“ zu sprechen.
Gehören diese beiden Dimensionen zu unserem Leben auch als Erwachsene? Dem Spiel hingegeben zu sein – dazu nehmen wir uns sicher zu wenig Zeit – und ergebnisorientiert zu arbeiten.

Zum Schluss kehre ich noch einmal zur Seehundfütterung im kleinen Tiergarten zurück, wobei dieser mit „größter Seehundanlage Deutschlands“ wirbt. Das halbstündige Programm der Fütterung wird durch die Tierpflegerin ganz hervorragend gestaltet. Über Funkmikrophon und durch Szenenwechsel erhält das ganze Showcharakter. Und da hinein werden interessante Informationen verpackt, so dass klein und groß auf ihre Kosten kommen. „Lassen Sie sich durch das Kindchenschema bei den Seehunden nicht täuschen: große, runde Augen und Stupsnase. Seehunde sind Raubtiere. Wenn Sie am Strand einem begegnen sollten, halten Sie Abstand“. Da fühle ich mich ertappt und frage mich, ob ich da auch bei „Menschenkindern“ herein falle – was ja dort aber auch schön sein kann.

Ach ja, und noch etwas habe ich im Tiergarten gelernt: da gab es ein Infoschild über Möwen, sechs verschieden Arten waren abgebildet. Aha! Möwe ist nicht gleich Möwe. Und tatsächlich fiel es mir dann schon am nächsten Tag auf und ich schaue genauer hin...

Sonntag, 30. August 2015

Eucharistische Missverständnisse

Da war der indische Priester, der in Kufstein zur Aushilfe war und im dortigen Krankenhaus die Messe feierte. Nach der Kommunionspendung setzte er sich, um still und persönlich zu beten. Als er die Augen wieder öffnete, war nur noch eine Person in der Kapelle. Bei dieser erkundigte er sich, wo denn die anderen seien, welche die Messe mit gefeiert hatten. „Die meinten, es sei zu Ende und sind gegangen“. Offenbar hatte der Priester (zu) lange und andächtig gebetet.

Hier in der Nähe gibt es eine kleine Kapelle, in welcher in den Sommermonaten einmal monatlich Gottesdienst gefeiert wird. Die Mesnerin hat eine Ferienwohnung und lädt auch hin und wieder Gäste ein, die Messe mit zu feiern. Einmal hatte sie einen Gast aus Brandenburg, der zunächst meinte, er habe ja gar nichts Passendes anzuziehen, aber dann doch mit in die Messe ging. Als sich die Leute beim Friedensgruß die Hand reichten, fasste er das als Verabschiedung auf und verließ dann auch die Kapelle.

Vielleicht könnte die eine oder der andere von Ihnen oder Euch weitere Missverständnisse dazu fügen. Nicht alle sind so humorvoll wie die beiden oben beschriebenen. Ein nicht selten begegnendes ist, wenn Leute in der Kirchenbank sich beim Kommunionempfang gegenseitig fragen: „gehen wir auch nach vorn, uns etwas abzuholen?“

Aber womöglich ist das noch nicht einmal das schlimmste Missverständnis. Dieses dürfte eher darin bestehen, die Messe als isoliertes Ritual zu verstehen. Und damit eben nicht zu verstehen.
Wie viel Wert legen manche auf eine korrekte Liturgie. Sehr hautnah bekomme ich das schon im eigenen Haus mit, wo hin und wieder verschiedene Vorstellungen diesbezüglich aufeinander prallen und Mitbrüder sich in die (mehr oder weniger vorhandenen) Haare geraten können. „So ist es richtig“, „nein so“.

Dabei feiern wir Tod und Auferstehung Christi nicht als „Ritual“, sondern als Lebensausdruck, der nicht nur unsere äußere Mitfeier verlangt, sondern unser Leben.
Wenn uns miteinander um den Tisch des Herrn Versammelten das bewusst wäre, was wir da tun, wenn wir Eucharistie feiern und die Kommunion empfangen, wie anders wären unsere Beziehungen untereinander, wie anders auch unsere alltägliche Lebensführung...

Wobei ich das keinesfalls als „moralische Keule“ verstanden wissen möchte. Wir feiern Tod und Auferstehung Jesu Christi und in dieser Feier ist auch Platz für meine „Todeserfahrungen“. Für mein Scheitern und die Erfahrungen meiner Unzulänglichkeit, meines Zurückbleibens hinter meinen Idealen - mit all dem bin ich aufgehoben in dieser Feier.

Wie dankbar bin ich aber auch für die Gewissheit, gerade in dieser Feier mit so vielen verbunden zu sein, mit denen ich nicht Kontakt von Angesicht zu Angesicht habe: weil wir geographisch weit voneinander entfernt leben, oder weil sie bereits gestorben sind.
Mir ist der Gedanke, dass sich in der Eucharistiefeier Himmel und Erde begegnen ein sehr kostbarer.
Manchmal sage ich es auch zu Beginn der Feier, dass wir uns durch diese unsere Perspektive korrigieren lassen können, die dazu neigt, nur Handgreifliches, unmittelbar Wahrnehmbares für wahr zu halten. Und dadurch die Wirklichkeit reduziert, die ja viel größer und weiter ist.

Der Anspruch der Feier jedoch ist nicht nur, dass sie schön ist, das auch. Sondern dass sie mit unserem alltäglichen Leben korrespondiert, dass dieses darin vorkommt und gleichzeitig durch diese Feier geprägt wird. Deswegen feiere ich gerne Messe – nicht nur am Sonntag...

Samstag, 15. August 2015

Religiöse Kunst im Internet

Mit dem Fahrrad war ich hier in der Gegend unterwegs. Und blieb in einem kleinen Weiler bei einem Kapellchen stehen, dessen Türe offen stand. Die kleine Kapelle scheint neu zu sein, es sieht alles frisch aus. Und es steht Gott sei Dank auch nicht allzu viel darin herum, wie in anderen Kapellen, die manchmal den Eindruck machen, „Entsorgungsorte“ für fromme Gegenstände zu sein. Nein, hier wohltuend. Beim Hinausgehen bemerkte ich noch den Kreuzweg an den Wänden der Kapelle: kleine Schwarz-Weiß-Lithografien hinter Glas. Und das Besondere: die Bildunterschriften zu den jeweiligen Stationen auf französisch. Nanu!?
Ob die Kapelle von frankophilen Menschen erbaut wurde? Immerhin steht vorne neben dem Altar auf einem Podest die Lourdes-Madonna (, ebenfalls mit französischer Bezeichnung).
Meine erste Vermutung war jedoch, dass die Menschen beim Kirchenbau auf der Suche nach einem Kreuzweg für ihr Kapellchen im Internet gesucht haben und vermutlich dort fündig wurden.

Ähnliches begegnet mir manchmal. In Salzburg hat uns eine Wohltäterin über E-Bay einen neuen Himmel für Fronleichnam ersteigert. Der bisherige Himmel war tatsächlich unansehnlich, so dass wir für diese Spende dankbar waren. Und ich meine, es gab sogar eine Herkunfts- und Altersbeschreibung für den kunstvollen Stoff, der an der Decke des Fronleichnam-Prozessions-Himmels angebracht wurde und nun an Fronleichnam durch die Straßen eines Salzburger Stadtteils getragen wird.

Und vor kurzem brachte eine Frau hierher zwei Statuen mit der Bitte, sie zu segnen. Eine Jesus- und eine Marien-Statue. Für meinen Geschmack so „kitschig-hässlich“, dass ich mir das Segnen einen Moment überlegte. Aber ich will ja nicht meinen Geschmack zum Maßstab machen. Einer Freundin der Frau war ihre Marienstatue herunter gefallen und zerbrochen. So dass sich die Frau kurzerhand entschloss, im Internet auf die Suche zu gehen und tatsächlich fündig wurde und die beiden Statuen kaufte, die Maria für die Freundin und den Jesus für sich.

Das Internet ist also auch ein Marktplatz für religiöse Gegenstände unterschiedlicher Qualität. Was mir im Hinblick auf den aus Frankreich stammenden Kreuzweg in der kleinen Kapelle zu denken gibt, ist der Wandel in der Beziehung zu solchen Kunstgegenständen. Wenn nicht zuerst einmal in der eigenen Umgebung geforscht wird oder eventuell sogar daran gedacht, einen (heimischen) Künstler um eine Arbeit zu bitten. Sondern der Marktplatz Internet aufgesucht wird. Das hat nichts mit einem übertriebenen Lokalpatriotismus zu tun. Und auch sonst ist der Kunstmarkt ja international und wir leben in einer globalisierten Welt. Obwohl die Produkte oder besser Kunstwerke der Augsburger Silberschmiede weit verbreitet sind, ist es doch auch schön, regionale Eigenheiten, wie etwa einen „oberschwäbischen Barock“ fest machen zu können.

Könnte also der Bezug zu solch einem Kreuzweg in einem kleinen schwäbischen Kapellchen nicht noch ein anderer sein, wenn er eigens angefertigt würde, vielleicht von einem in der Gegend beheimateten Künstler? Bzw. wenn er aus einem diözesanen Depot stammte und man die Vorgängerkirche kennt, in welcher er angebracht war?

Klar gibt es in Sachen Kunst einen Markt und darunter fallen auch religiöse Gegenstände. Aber wenn solche Sachen im Internet „verhökert“ werden, dann fallen damit vielleicht auch Grenzen, die einen guten Sinn gehabt haben.

Freitag, 31. Juli 2015

Weihwasser

Wenn uns Menschen etwas wichtig ist, dann reicht es oft nicht, dass nur zu sagen, nur mit Worten auszudrücken. Es verlangt – nachdem wir Menschen aus „Fleisch und Blut“ sind, nach „Verleiblichung“. Rituale sind en vogue, viele zeigen durch ihr outfit, was in ihrem Leben zählt etc.

In Sachen Glauben gilt das ebenso. Und Glaubensverlust bzw. -schwund mag genau damit einhergehen, dass es für ach so aufgeklärte Zeitgenossen im 21. Jahrhundert ja manche Glaubensverleiblichung früherer Zeiten, manches Ritual scheinbar nicht mehr braucht. Was nicht ganz von der Hand zu weisen ist: inhaltsleere Zeichen sollten tatsächlich überprüft und eventuell auch abgeschafft werden. Aber Vorsicht, gemach, gemach!

Ich selbst bin – ich steht dazu, Weihwasserfan! In Maria Baumgärtle brauchen wir auch allerhand von dieser Materie. Zwar kein Vergleich mit anderen Wallfahrtsorten, wo gleich mehrere 1000 Liter auf einmal gesegnet werden, um dann von Menschen in Flaschen abgefüllt und mit nach Hause genommen zu werden. Aber unser großes Fass in der Hauskapelle leert sich auch recht schnell. Und ich habe schon gehört, dass manche Menschen dem „Baumgärtler Weihwasser“ eine besondere Kraft zuschreiben. Was ich meinerseits nicht propagiere, um nicht magische Deutungen zu fördern.

Ich habe ein wenig Weihwasser bei mir im Zimmer und bekreuzige mich damit nach dem Aufstehen. Da habe ich das Zeichen des Kreuzes und die Erinnerung an meine Taufe verbunden. In katholischen (Gäste-, Exerzitien-)Häusern war das früher Standard, manchmal gibt es das auch heute noch und ich freue mich darüber: Weihwasser im Zimmer. Wobei manches Weihwasserkesselchen so nah am Lichtschalter positioniert ist, dass immer wieder einmal eines beim Versuch, das Licht einzuschalten, hinunter fällt. Und je nachdem, wie gut es gefüllt ist, dann Wasserflecken hinterlässt.

In Maria Baumgärtle mache ich mich dafür stark, dass wir miteinander beten, wenn Wasser zu segnen ist. Dass also nicht der Mesner sich einen Pater „organisiert“, der das still und heimlich (und sicher gültig) macht, sondern dass wenigstens eine kleine Gruppe, welche Kirche repräsentiert, versammelt ist. Volk Gottes, Versammlung der Getauften...

Besonders stark spricht mich dieses Zeichen, das Weihwasser, dann im Umfeld von Sterben und Tod an. Weil Taufe mit ewigem, unvergänglichen Leben zu tun hat.

So habe ich Steffi, meine kleine Nichte, voll unterstützt, als wir nachmittags nach der Beerdigung meines Vaters noch einmal miteinander zum Grab gingen und sie bemängelte, dass da kein Weihwasser im Schälchen sei. Für das Kind vielleicht nicht unbedingt mit tiefer Taufsymbolik verbunden. Aber etwas stimmte nicht und fehlte.

Also machte ich mich mit Steffi und den anderen beiden Nichten, Kathi und Linda und dem leeren Schälchen auf den Weg in die Aussegnungshalle, wo ich am Vormittag ein großes Weihwasserfass hatte stehen sehen. Und wir wurden fündig und konnten ein gefülltes Schälchen beim Grab abstellen. Wie gut tat dieser kleine Weg mit den dreien und dieser kleine gemeinsame Beitrag zur „Grabpflege“.

Da passte es dann gut, dass die Kinder sich bald noch intensiver mit Wasser an die Grabpflege machten, die Schalen auf dem Grab und sogar die Kränze gossen, die Gießkannen auch nutzten, um den am Grab Stehenden einen Guss auf die Hände anzubieten – es war ja schrecklich heiß, und sich hinterher am Brunnen die Haare nass machten.

Leben und Tod, Tod und Leben – ganz nah beieinander...

Mittwoch, 17. Juni 2015

Landpfarrer

Liebe Leser/innen dieses Blogs,

                 nachdem ich mich selbst so an den Posts des "Landpfarrers" freue, möchte ich Euch in diesem Monat auf seinen Blog verweisen. Lohnt sich!

www.landpfarrer.blogspot.de

Montag, 1. Juni 2015

Kirchenasyl II

Kaum hatte ich den letzten Post geschrieben, bekam ich einen Anruf von einem evangelischen Pfarrer in Memmingen: „wir sind in Not und müssen schnell handeln. Ein junger kurdischer Mann, der vor dem IS aus dem Irak geflohen ist, soll nach Bulgarien abgeschoben werden. Ich appelliere an ihre Barmherzigkeit: nehmen Sie ihn auf!“ Natürlich habe ich den evangelischen Mitbruder gefragt, wieso er das nicht tue. „Wir haben ihn bei uns im 2. Stock des Pfarrhauses aufgenommen. Aber ich habe mit meiner Frau ein agreement gemacht, dass das nur vorläufig sei“. Als ich dem evangelischen Pfarrer erklärte, dass wir bereits einen jungen Syrer als Kirchenasylant im Haus haben und ich auf die Strukturen unseres Hauses und meine Mitbewohner/innen Rücksicht nehmen muss, hatte er Verständnis und bat mich um weitere Adressen von Klöstern, bei denen er nachfragen könnte.

Wieder: ich will nicht Nutzen ziehen aus der misslichen Lage so vieler Menschen. Aber ich glaube, in den zwei Jahren, in denen ich jetzt hier bin, ist das der erste Kontakt zu einem evangelischen Pfarrer hier in der Gegend. Und dieser wiederum lernt katholische Ordensleute in seinem Umfeld kennen, weil er sich auf die Suche nach Quartier macht. Hat das nicht mit der ganz praktischen Ökumene zu tun, die nicht nur einfacher ist als theologische Disputationen, sondern diesen womöglich auch die nötige Grundlage schafft?

Etwas suspekt war mir die Begeisterung des evangelischen Kollegen, mit er der mir erzählte, dass der junge Kurde bereits die Bibel auf arabisch liest und womöglich einer der kommenden Täuflinge sein könnte. Langsam – dachte ich mir!

Papst Franziskus hört mit einer gewissen Hartnäckigkeit nicht auf, die Menschen an die Werke der Barmherzigkeit zu erinnern. Manchmal fragt er seine Zuhörer wie Schüler danach. Und wenn die Schüler die sieben leiblichen und die sieben geistlichen Werke der Barmherzigkeit nicht kennen, dann bekommen sie als Hausaufgabe auf, diese zu lernen. Damit sie sie in die Praxis umsetzen.
Bei verschiedenen Gelegenheiten hat der Papst das jetzt schon getan.

Und der Leiter des Referats für Weltkirche in unserer Diözese fragte vor kurzem im kleinen Kreis, ob nicht die Flüchtlinge in gewisser Weise ein Segen für die Gemeinden hierzulande seien. Weil da neues Engagement geweckt werden kann. Tatsächlich haben christliche Gemeinden die Barmherzigkeit ja oft an Hauptamtliche der Caritas „delegiert“. Wobei ich nicht leugnen will, dass engagierte Christinnen und Christen unheimlich viel Gutes in ihrem Umfeld leisten und damit tatsächlich oft heilsam für ihr Umfeld sind.

Wenn ein Flüchtling ins Kirchenasyl aufgenommen werden muss, dann muss er in entsprechende Räumlichkeiten. In die einer Kirche oder – in unserem Fall – eines Ordenshauses. Das ist klar.
Das Naheliegende wäre ja, dass Christen hierzulande sich entschließen, in den leer stehenden Zimmern ihrer Häuser und Wohnungen Menschen in Not aufzunehmen. Denn in gewissem Sinn sind ja auch diese Räume „Kirchenräume“.
Im Sozialstaat haben wir uns angewöhnt, nach „dem Staat“ oder „der Kirche“ zu rufen: dabei sind wir deren Teil.

Ein 86jähriger Mitbruder im Altenheim, dem ich von unserem Kirchenasyl erzählte, der fing eher zu schimpfen an und sah es als Folge der „Nazi-Vergangenheit“ Deutschlands an, dass „wir jetzt alle aufnehmen müssen“. „Der Deutsche muss zahlen!“
Mein Mitbruder ist ja nicht der einzige, der so denkt, von daher muss mit Klugheit vorgegangen werden.

Samstag, 16. Mai 2015

Kirchenasyl

„AsylbLG“ ist die Abkürzung für „Asylbewerberleistungsgesetz“. Weiß ich seit kurzem. Und bin ganz glücklich gewesen, vor kurzem einen Brief vom BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) bekommen zu haben. Unter all den „frommen Dingen“, die hier bei uns ankommen, sticht so etwas heraus.
Damit mich niemand falsch versteht: ich möchte nicht aufgrund des Unglücks anderer glücklich werden oder deren Not missbrauchen, um meine Zufriedenheit zu steigern.

Aber seit knapp drei Wochen lebt ein junger Syrer bei uns im Kirchenasyl. Ein Tropfen auf den heißen Stein, ja. Und irgendwie scheint es fast ein wenig eine Alibi-Geschichte zu sein. Der junge Mann war in Gefahr, nach Ungarn abgeschoben zu werden. Und weil es von dort immer wieder Berichte über Misshandlungen von Flüchtlingen gibt, wollte man dieser drohenden Abschiebung zuvor kommen. Und wir helfen dabei.

Der junge Mann hat eine Schwester nicht weit weg von hier verheiratet und eine andere in Holland. Die Eltern und weitere Geschwister leben noch in Syrien. Im Heimatort ist nur der Vater geblieben, der sein Haus nicht verlassen möchte. Die anderen Familienmitglieder sind geflohen, weil es zu viele Bombenangriffe gab. Der Vater besucht regelmäßig seine Frau und die anderen Kinder.

Und H., der bei uns wohnt, ist geflohen, um nicht zwangsrekrutiert zu werden, auf andere schießen zu müssen und selbst in Lebensgefahr zu kommen. Auf dem Landweg, über die Türkei und Griechenland kam er an.

Und es ist eine mir schon bekannte Erfahrung: es macht einen Unterschied aus, vom Elend Hunderter Flüchtlinge zu lesen oder Bilder in den Nachrichten darüber zu sehen, oder mit einem persönlich zu sprechen, seine Geschichte zu hören.
Wobei wir dankbar sind, dass das auf Englisch geht. Andere Syrer sprechen nur Arabisch – da hätten wir keine Chance.

Klar erfordert das Zusammenleben jetzt auch Fingerspitzengefühl. Sr.Ewa in der Küche macht das ganz bravourös. Falls für uns Schweinefleisch auf den Tisch kommt, dann hat sie für den Muslim H. eine Alternative vorbereitet. Und ich habe auch bemerkt, dass im Brotkorb jetzt öfter als früher Weißbrot zu finden ist – wohl auch ein Zugeständnis an den Geschmack unseres Gastes. Wahrscheinlich kommt dazu, dass Sr.Ewa entdeckt hat, dass sie genau gleich alt ist wie H.s Mutter...

H. ist abends lange wach und schläft dann bis mittags. Das macht seine Mitarbeit im Haus bzw. Garten etwas mühsam. Die ich ihm anbiete, damit ihm hier bei uns nicht die Decke auf den Kopf fällt. Bei Tisch hat er sich allerdings sofort eingebracht, hilft uns auf- und abdecken.

Und H. hat eine große Leidenschaft: Fußball! In der deutschen Bundesliga kennt er sich viel besser aus als ich und es ist für mich höchst erstaunlich, was er alles über einzelne Spieler weiß. So haben wir auch schon das ein oder andere Fußballspiel im Fernsehen gemeinsam angesehen. Ein Versuch, sein Leben zu teilen.

Hin und wieder spreche ich ihn auch auf den Deutsch-Kurs an, den er auf seinem Smartphone hat. Da wünschte ich mir etwas mehr Initiative bei ihm. Allerdings ist er aus dem Alter heraus, in dem man Kinder mit Zwang zu Hausaufgaben zu bewegen versucht.
Apropos Smartphone: als er den Code für unser drahtloses Internet bekam, da war er glücklich. Jetzt kann er mit zu Hause in Kontakt sein, Kontakte über Facebook und WhatsApp pflegen. Wenn es zu Hause mit dem Internet klappt. Das ist dort weniger selbstverständlich als bei uns.
Und mich erinnert die Anwesenheit H.s daran, beim Beten um den Frieden nicht nach zu lassen.

Donnerstag, 30. April 2015

Mai in Baumgärtle und Bedernau

Der Mai ist gekommen...
Es ist wunderschön hier. Die Wallfahrtskirche inmitten großer Löwenzahnwiesen. Und zum kräftigen Gelb der Löwenzahnblüten kommt das frische Buchen-Grün im Hintergrund. Eine Augenweide!
Wobei: die Wallfahrtskirche ist eingerüstet und zugesperrt. Ausgerechnet jetzt im Mai! Tatsächlich habe ich schon einige Menschen, die mit Gruppen zur Wallfahrt hierher kommen wollten, auf das kommende Jahr 2016 vertröstet. Dann werden wir in der neu renovierten Wallfahrtskirche Gottesdienste feiern können... Bis September mindestens ist die Kirche zu!

Im Zusammenhang mit den Renovierungsmaßnahmen gab und gibt es verschiedene Entscheidungen zu treffen, nicht nur baulicher Art. So fällt etwa die traditionelle „Krieger- und Friedenswallfahrt“ am 1.Mai aus. Im Normalfall eine große Geschichte für Maria Baumgärtle mit vielen Fahnenabordnungen von Veteranen-Vereinen, zwei Musikkapellen und vielen Wallfahrern. Der Gottesdienst ist im Freien und nur bei schlechtem Wetter in der Kirche – und die steht eben 2015 nicht zur Verfügung. Also hat der ausrichtende Veteranenverein entschieden: wir lassen das dieses Jahr ausfallen, zumal wir im Herbst noch eine Jubiläumsfeierlichkeit veranstalten.

Die Maiandachten haben wir uns nicht so ohne weiteres ausfallen zu lassen getraut. Ebenfalls eine große Geschichte: an jedem Sonn- und Feiertag im Mai, jeweils von einem anderen Chor mit gestaltet und mit einer Predigt. Auch hier ist der Ansturm der Menschen so, dass wir in den vergangenen Jahren von der Wallfahrtskirche in die Hauskapelle übertragen haben, teilweise mit Bild, wenigstens mit Ton. Und im Normalfall standen auch noch Leute am Eingang der Wallfahrtskirche.

Dieses Jahr dürfen wir die Gastfreundschaft der katholischen Pfarrgemeinde St. Georg in Bedernau genießen und unsere Maiandachten dort feiern.
Im Hinblick auf die Predigten überlegte ich schon länger eine Thematik, die sich durchziehen könnte, durch den Marienmonat Mai. Und lange Zeit hatte ich die Idee, irgendetwas im Bezug auf unsere Gemeinschaft zu sagen, die ja dieses Jahr ihren 200. Geburtstag feiert. Also etwa: wie hat der hl. Kaspar del Bufalo, unser Gründer, Maria verehrt, welchen Bezug hatte er zu ihr?

Nachdem ich aber hin und wieder in der Bedernauer Pfarrkirche bin, haben mich immer mehr die vielen Mariendarstellungen dort angesprochen. Nicht nur Statuen und Bilder aus dem Leben Mariens, sondern auch allerhand symbolische Darstellungen sind dort in vielen Medaillons vor allem an der Decke der Pfarrkirche zu finden. So dass ich mich schließlich entschlossen habe, die Predigten anhand des marianischen Bildprogramms der Bedernauer Pfarrkirche zu halten. Die Hälfte der acht Mai-Predigten steht einigermaßen.

Was mich dabei glücklich nachdenklich macht ist die Tatsache des „Segens der Notlösung“. Wenn wir nicht nach Bedernau ausweichen müssten, dann hätte es diese Lösung für Maipredigten nicht gegeben. Das „Ausweichquartier“ bietet - zunächst unvermutete - Chancen.
Und ich frage mich, ob das sonst auch so ist oder wenigstens sein kann. Das Ungeplante, die „Notlösung“ kann eventuell überraschende Möglichkeiten bieten...

Mittwoch, 15. April 2015

am Morgen

„Die Sache konzentriert angehen und gut frühstücken!“ Im Vorbeigehen bei der Fahrschule hörte ich diesen Gruß der Fahrlehrerin an einen jungen Mann, der vermutlich gerade seine letzte Fahrstunde vor der Führerscheinprüfung gemacht hatte. Die nächste Fahrschülerin wartete schon im Auto. „Die Sache konzentriert angehen und gut frühstücken!“ Dieser Rat passt vermutlich nicht nur im Hinblick auf die Führerscheinprüfung.

Eine weitere Station für mich an diesem Nachmittag war das Flüchtlingsheim. Ich wollte noch einmal bei der syrischen Familie vorbei schauen, die vor einem guten Monat über ihre Flucht erzählt hatte. Seit damals hatte ich den Besuch geplant. Und jetzt hatte ich kein Glück: er war beim Sprachkurs und sie mit den Kindern beim Markt in der Stadt. Wobei ich mich über diese Information ja freute. Keine Untätigkeit also, kein abstumpfendes Herumsitzen.

Eine Dame, die gerade den Deutschkurs für einige Frauen dort beendet hatte, erklärte mir, dass die Leute morgens lange schlafen. „Aber jetzt, wenn das Wetter schöner wird, stehen sie vielleicht doch früher auf!“ Ich möchte nicht unbedingt einen Vorwurf an die Menschen im Flüchtlingsheim daraus machen: was soll man tun, wenn man nicht arbeiten darf und der Sprachkurs erst am Nachmittag stattfindet? Vielleicht doch einfach morgens länger liegen bleiben?

Wobei wir wieder bei der Gestaltung des Morgens wären: liegen bleiben, gut frühstücken?
Ich erinnere mich noch an Clemens, der zwar bereit war, mich in der Früh auf dem Weg zu seiner Arbeit zum Bahnhof in Heidelberg mit zu nehmen, damit ich pünktlich zur Vorlesung in Mainz war. Aber er machte mir klar, dass es mit ihm – dem typischen „Morgenmuffel“ - dabei kein Gespräch geben würde. Konnte ich, obwohl kein „Morgenmuffel“ gut damit leben.

Mir scheint er wichtig, der Morgen, der Start in den Tag. Vom verstorbenen Bischof Hemmerle wird erzählt, dass er befreundete Bischöfe und andere Menschen in sein Morgengebet hinein nahm. Und einer, der ihn im Urlaub wecken wollte, hörte nach dem Anklopfen an der Zimmertür: „ich bin gerade in Afrika, es dauert noch ein Weilchen“.

Menschen, die mir lieb sind, schon am Morgen in mein Gebet hinein nehmen. Aber vielleicht nicht nur solche, die mir lieb sind. Vom erwähnten Bischof Hemmerle erzählt man auch, dass er schon morgens betend seinen Tag mit den Begegnungen, die vor ihm lagen, durch ging.

Bei mir ist es eher ein Gebet im Schweigen, mit ganz wenigen Worten – das kommt eher vor, wenn meine Gedanken abschweifen. Auch das passiert.
Und seit einiger Zeit schließe ich dieses Morgengebet mit Worten, welche die selige Elisabeth von der Dreifaltigkeit formuliert hat:
O mein Gott, Dreifaltigkeit, die ich anbete:
Hilf mir, in Dir zu wohnen, regungslos und friedvoll,
so als weilte meine Seele bereits in der Ewigkeit.
Nichts soll meinen Frieden stören können,
nichts mich aus Dir heraus ziehen können,
o mein Unwandelbarer;
vielmehr soll mich jede Minute weiter hineinführen
in die Tiefe Deines Geheimnisses.
Schenk Frieden meiner Seele,
mach sie zu Deinem Himmel, zu Deiner geliebten Wohnung
und zum Ort Deiner Ruhe.
Gib, dass ich Dich dort nie allein lasse,
sondern ganz da bin, ganz wach in meinem Glauben,
ganz anbetend,
ganz ausgeliefert an Dein schöpferisches Handeln.

Dienstag, 31. März 2015

Beichten

Für die örtliche Zeitung gab ich ein Interview, dessen Fragen mir der Redakteur vorher schriftlich zukommen ließ. In den kommenden Tagen wird es in der Mindelheimer Zeitung zu lesen sein. Hier "exklusiv vorab"...

Lieber Herr Pater Alois,
ich freue mich, dass wir uns zum Thema „Beichten“ am Montag um 9.30 Uhr treffen können. Zu Ihrer Einstimmung:  Ich denke ich an folg Fragen:
-          Stellenwert  des Beichtens  in Baumgärtle:
Das ist für uns eine der Hauptaufgaben und ein Dienst, den wir sehr gerne tun!
-          Wie viele Beichten pro Jahr  etwa?
Es sind ca. 5000 Beichten in den vergangenen beiden Jahren (2013 und 2014), da blieb die Zahl fast gleich. Ein Schwerpunkt ist die Fastenzeit: seit dem Aschermittwoch bis zum Palmsonntag heute haben wir ca. 600 Beichten!
-          Woher kommen die Beichtkinder?
Ich würden lieber von „Beichtenden“ sprechen. Unter diesen sind Frauen und Männer, Kinder, Jugendliche, Erwachsene...
Sie kommen aus dem gesamten Allgäu (Unter-, Ost-, Ober-), zwischendurch hört man auch „oberbayrischen Akzent“, dann kommen auch Menschen aus der Nachbardiözese, bzw. dem Bundesland Baden-Württemberg.
-          Gibt es Zeiten mit viel „Nachfrage“?
Außer der Fasten- und Osterzeit sind es die Wochen um Allerheiligen und auch vor Weihnachten.
-          Was präferieren die Menschen:  Beichtstuhl, Beichtzimmer …
Die Menschen sind verschieden: manche möchten gerne im Beichtstuhl beichten, andere ziehen ein Beichtgespräch vor, bei dem man sich gegenüber sitzt.
-          Was ist das Beichten  für die Menschen Ihrer Erfahrung nach?  Z.B. Schuldbekenntnis. Erleichterung, Orientierung, Beratung, Hilfe….
-          Ist die Beichte vielen  eine Gottesbegegnung, eher ein Ritual oder – insb.  die Osterbeichte -  eine Vorschrift/ein „alter Brauch“ ?
-          Was suchen die Menschen?  Rat, Einfühlung, Trost, ein Gespräch….
Diese drei Fragen beantworte ich miteinander. All die genannten Motive spielen eine Rolle, bei dem einen mehr das, bei der anderen mehr jenes. Was mir wichtig ist: Beichte ist „mehr“ bzw. etwas anderes als ein „Beratungsgespräch“, weil da ja ein „unsichtbarer Dritter“ am Werk ist. Meistens muss ich das nicht extra erwähnen, oft wird es im Geschehen spürbar. Das hat nichts mit Magie zu tun und ich erlebe die Beichtenden durchaus als verantwortungsbewusste Menschen, die es sich nicht leicht machen und gleichsam mit der Beichte einen bequemen Weg suchten.
-          Welche besonderen Anliegen gibt es? S.o.
-          Erfährt  der Beichtvater  auch geleg.  eine Art Reaktion?
O ja! Immer wieder bedanken sich Menschen. Für die konkrete Beichte bzw. auch die grundsätzliche Möglichkeit, in Maria Baumgärtle beichten zu können.
-          Bereiten sich  viele  gezielt  aufs Beichten vor?
Ja. Nicht wenige, und auch nicht nur Kinder, tun dies auch schriftlich!
-          Haben Leute auch  „Angst“ vor dem Beichten?
Vielleicht ist es eher „Beklommenheit“. Aber ich meine, das nimmt ab. Und das ist wiederum eine Chance für die Beichte. Ohne Angst vor „Hochwürden“ geschwisterlich einander im Glauben begegnen zu können.
-          Wie wichtig ist die Person  des Beichtvaters?
Sie hat eine gewisse Bedeutung, aber zu hoch würde ich das nicht ansetzen.
-          Kann ein Bußgottesdienst die Beichte ersetzen?
Man kann nicht Äpfel und Birnen vergleichen. Beides ist gut. In einer Pfarrei sollte es beides geben. Unser Spezialgebiet in Maria Baumgärtle ist die Beichte!
-          Wie kann man Menschen zur Beichte animieren, wenn sie alte Vorstellungen aus der Schulzeit haben. Was tut die Kirche, das Sakrament zu „vermitteln“?
Papst Franziskus hat – zumindest in Rom – bereits einen Anstieg der Beichten bewirkt. Und ich hoffe, das zieht Kreise auch jenseits der Alpen. Ich würde nicht direkt „Beichtwerbung“ machen. Wenn Menschen (wieder) lernen, über ihren Glauben ins Gespräch zu kommen (und nicht nur über kirchliche „Reiz-Themen“), dann ist das die beste Vorbereitung auf gute Beichten!
-          Wer kommt zum Beichten  nach B.?   Jüngere-Ältere? Bekannte-Unbekannte? Männer-Frauen?      -   Gläubige, Suchende, Zweifler, Atheisten….?
Jede dieser Gruppen ist wohl vertreten, Atheisten vielleicht am wenigsten...
-          Was spüren Sie  als Geistlicher an  Wandel: z.B. bestimmter  Einstellungen, an materieller Not, Existenzangst,  Beziehungskrisen… 
Vor allem habe ich den Eindruck, dass die berufliche Belastung für viele größer geworden ist und wird. Außerdem glaube ich auch, dass die Erfahrung von Einsamkeit in unserer Gesellschaft zunimmt...
-          Gehen Erfahrungen aus den Kontakten/Gesprächen in die kirchliche Arbeit  ein?
Unbedingt! Zum einen bin ich ja reich beschenkt, wenn ich um das Ringen und Kämpfen meiner Brüder und Schwestern im Glauben mit bekomme. Und oft genug fühle ich mich bei Beichten wie ein „ganz kleines Licht“ angesichts dessen, was da jemand lebt oder auch zu tragen hat.
Und natürlich prägt das Gehörte auch meine Verkündigung.



Montag, 16. März 2015

Fasten und Berufung

Wieder einmal eine Woche gefastet, klassisch mit Milch und Semmel nach Dr. Mayr. Und das auf knapp 1200 Höhenmeter in Schweizer Traumlandschaft im Benediktinerinnenkloster Maria Rickenbach/NW.
Keine typischen, heftigen Kopfschmerzen am dritten Tag, ganz leichte zu Beginn.
Dafür trotz nicht zu viel Bewegung Muskelkaterschmerzen: die Fastenexperten sagen, das hänge mit der Übersäuerung des Körpers zusammen, die eben durch das Fasten abgebaut wird.

Bewegt habe ich mich dann doch: bis auf Mittwoch hat praktisch die ganze Woche die Sonne geschienen und der Schnee hat geglitzert. Der lag da oben noch! Schifahrer sind praktisch bis vor die Haustür gefahren und Schneeschuhgeher waren auch jeden Tag unterwegs.
Meine längste Runde dauerte zwei Stunden, dabei 200 Höhenmeter hinauf und wieder hinunter. Und als ich heim kam und die Schuhe wechselte, da wurde mir kurz schwindlig und ich war froh, mich an einem Heizkörper festhalten zu können. Das war wohl doch zu viel auf nüchternen Magen!

Zum Fastenbrechen am vorletzten Tag machte ich einen Ausflug (mit der Bahn! Genauer mit der Zentralbahn der SBB) nach Engelberg, ganz in der Nähe. Dort ist ein Benediktinerkloster, welches mich anzog. Nicht so sehr wegen der schönen Kirche, in der es auch gelungen ist, ein paar völlig neue Elemente (Altar, Ambo, Taufstein, Beichtstühle) in die alte Barockkirche hinein zu stellen. Nein, in der Gruft liegt ein ehemaliger Mitstudent begraben.
Ich erinnere mich noch so gut an Frater Michael, drei Jahre älter als ich, und an unseren gemeinsamen Studienbeginn in Salzburg. Nach den Semesterferien nach dem ersten Studienjahr kam er nicht mehr: er war im September 1985 in den Bergen abgestürzt.

Für den Besuch in Engelberg nahm ich den Engelberger Wintersport-Tourismus in Kauf, fuhr aber schnell wieder in die Einsamkeit auf der Höhe zurück. Maria Rickenbach ist nur über eine Seilbahn erreichbar. Die letzte fährt um 18.40 Uhr.

Als ich die Engelberger Kirche verließ, sah ich über den Bergen eine ganze „Wolke“ von Gleitschirmfliegern, sieben oder acht. Einzelne sieht man immer wieder dort im Tal. Und dieser Blick, dieses Bild: Gleitschirmflieger über den Bergen mit dem Turm der Klosterkirche im Vordergrund, das geht mir nach.
Ist es nicht so, dass wir Menschen abenteuerlustig sind? Vielleicht ist das jetzt zu pauschal und es trifft nicht auf alle zu, auf jüngere wohl eher.
Und kann es sein, dass außer dem Wunsch nach sozialer Absicherung bzw. gesellschaftlichem Aufstieg früher auch eine gewisse Abenteuerlust den Klostereintritt motivierte? So in Zeiten, als Missionare per Schiff andere Kontinente erreichten.
Inzwischen reisen viele ständig fliegend durch die Welt. Das ist kein Abenteuer mehr.
Gleitschirmfliegen wohl noch eher.

Ließe sich der „Abenteuereffekt“ von Kloster-, Ordensleben jungen Menschen verdeutlichen?
Oder gibt es den gar nicht? Oder sind wir Ordensleute inzwischen einfach auch zu verbürgerlicht: eine abgesicherte Existenz mit viel weniger Sorgen als viele in der Gesellschaft um uns herum...

Und wie ist das mit dem Abenteuer, sich auf eine Lebensgemeinschaft mit Menschen einzulassen, die ich mir nicht ausgesucht habe? Im Gegensatz zu partnerschaftlichen Lebensformen heute, wo das ja nicht so ist (,im Gegensatz zu früher)? Ja und sind wir denn solche „Lebensgemeinschaften“ oder nicht vielleicht doch eher Arbeits-Zweck-Gemeinschaften von Individualisten, die eher nebeneinander leben?

Fragen über Fragen: ob mir das Fasten wohl gut bekommen ist?
Eigentlich fühle ich mich „erleichtert“ und ein wenig neu...

Sonntag, 1. März 2015

Mutig neue Wege gehen

„Mutig neue Wege gehen“ - so lautet das Motto des Glaubenstages am 1. März in der Pfarreiengemeinschaft Tussenhausen. Ob ich einen Kurs, einen Workshop dabei halten kann?
Mir gefällt die Idee des Glaubenstages und ich überlege, wie diese Thematik angegangen werden kann. Und bald habe ich es: wer geht denn mutig neue Wege? Mir kommen bald einmal Flüchtlinge in den Sinn, die zu Hause alles aufgeben und sich in eine ungewisse Zukunft aufmachen.
Außerdem ist das Thema omnipräsent in den Medien.

Also setze ich mich mit der Caritas-Migrationsberaterin in Verbindung. Ob sie jemand weiß, der bereit und fähig wäre, seine (Flucht-)Geschichte zu erzählen? Tatsächlich ist das ja nicht so einfach. Es fängt mit der Sprachbarriere an. Aber dann gibt es tatsächlich Trauma-Erfahrungen durch die Flucht, die es den Betroffenen schwer bis unmöglich machen, davon zu erzählen. Und dazu kommt Misstrauen: die Syrer etwa kommen aus einem Staat, in dem der Geheimdienst überall aktiv war. Und auch Geheimdienstleute sind geflohen. Wer weiß, so fragt sich der syrische Flüchtling, wem ich mit meiner Erzählung eventuell schade?

Aber wir, d.h. die Caritas-Mitarbeiterin, finden jemand. Eine syrische Familie aus Damaskus, die vor zwei Jahren die Flucht angetreten hat und seit einigen Monaten in Deutschland lebt. Mohammed, seine Frau Mysam und ihren beiden entzückenden kleinen Söhne. Mohammed hatte zu Hause ein Restaurant, die Familie hatte ein Haus und zwei Autos. Aber die Lage war trotzdem unerträglich für sie. Und so flohen sie nach Ägypten - dem einzigen Land, in dem sie als Syrer kein Visum bezahlen mussten. Bis auch dort die Lage für die Syrer gefährlich wurde. Also hatten sie die Wahl, nach Syrien zurück zu kehren oder nach Europa weiter zu fliehen. Und entschieden sich dafür. Wobei Mohammed mit nassen Augen erzählte: „wenn ich von den Fluchtbedingungen geahnt hätte, dann wäre ich nach Syrien zurück gekehrt, um dort zu sterben.“ Wie so viele landeten sie auf einem einfachen, kleinen Fischerboot, auf dem 600 Menschen zusammen gepfercht waren, ohne Nahrung und Wasser. Und darunter eben die junge Familie mit den kleinen Kindern. Sie hatten ohnehin nur das Nötigste mit genommen, wobei die Schlepper zwei von den drei Rucksäcken über Bord warfen.
Der Kapitän hatte sein Satellitentelefon über Bord geworfen, um nicht geortet zu werden. Ein großer Tanker fuhr am Flüchtlingsboot vorbei. Welch enttäuschte Hoffnung! Endlich ein Flugzeug über ihnen, aus dem Fotos gemacht wurden. Un kurz darauf ein Schiff des Roten Kreuzes, welches Rettung brachte.

In der Schlussrunde äußerten mehrere Kursteilnehmer ihre Betroffenheit. Und den Unterschied, den es ausmacht, solche Geschichten zu lesen, im Fernsehen zu sehen oder sie einen lebendigen Menschen erzählen zu hören.
Zwei afrikanische Flüchtlinge kamen aus einer anderen Flüchtlingsunterkunft, Samson aus Eritrea und sein Freund aus Senegal. Leider hatten wir nur noch Zeit für Samsons Geschichte, der auf der Suche nach Freiheit seine Heimat verlassen hatte. Sein jüngerer Bruder ist in der Schweiz gelandet.

Welch eine dichte Atmosphäre in diesen 90 Minuten Workshop in einem Klassenzimmer. Dass die beiden Kinder von Mohammed und Mysam zwischendurch Krach machten, störte überhaupt nicht. Und am Ende eine gegenseitige Dankbarkeit: die Flüchtlinge dankten für die Gelegenheit, erzählen zu können, spürten wohl auch die ihnen entgegen gebrachte Offenheit. Und wir waren voller Dank, solche Geschichten aus erster Hand zu hören zu bekommen.

Sonntag, 15. Februar 2015

Feier in Rom

Samstag, 7. Februar in der kleinen Kirche S. Maria in Trivio, gleich hinter dem berühmten Trevibrunnen in Rom. Es ist kurz vor 17.00 Uhr und immer mehr Menschen strömen in die kleine Kirche. Fleißige Helfer bringen immer weitere Stühle in den ohnehin schon engen Kirchenraum. Eine deutsche Feuerpolizei würde vermutlich den Kopf schütteln oder die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und das Lokal sperren bzw. teilweise räumen. Wobei man ja sagen muss, dass die zahlreich in der Kirche vorhandenen Opferlichtständer nicht ganz so gefährlich sind: durch Münzeinwurf wird eine Art Glühbirne zum Leuchten gebracht, also kein offenes Feuer. Das gibt es nur vorne im Altarraum.

Was führt die Menschen an diesem Abend hier zusammen? Antonio, Anfang 40, legt sein feierliches Treueversprechen als Missionar vom Kostbaren Blut ab. Dadurch bindet er sich für immer an diese Gemeinschaft und diese wiederum sagt definitiv „ja“ zu ihm. Als äußeres Zeichen wird Antonio im Verlauf der Feier das Missionskreuz überreicht bekommen, welches die Missionare bei besonderen Anlässen oder im Predigteinsatz tragen.

Antonio war in einem diözesanen Priesterseminar, verließ dieses aber am Ende des Studiums und arbeitete. Bis er die Missionare vom Kostbaren Blut kennen lernte, in deren Reihen er nun als Priester wirken möchte. Gleich am Tag nach dem feierlichen Treueversprechen wurde Antonio zum Diakon geweiht.

In der ersten Bank saßen Antonios Eltern und der Bürgermeister der Heimatgemeinde. Als dieser in der Kirche ankam, zog seine Frau eine quadratische Schachtel aus ihrer Handtasche und ich dachte mir: „schau, das Geschenk des Bürgermeisters“. War es aber nicht: in der Schachtel war eine Schärpe in den italienischen Nationalfarben, welche sich der Bürgermeister feierlich über den Kopf streifte.

In der zweiten Reihe saß Antonios Bruder, neben sich im Buggy die kleine Tochter. Deren Mutter, also Antonios Schwägerin, war im Fotoeinsatz und stand vorne, um ja kein Detail der Feier zu verpassen und als Foto festzuhalten. Lustig war, die Kommunikation zwischen der fotografierenden Frau und ihrem Mann zu beobachten, wenn die kleine Tochter sich leise oder auch ein wenig lauter unzufrieden vernehmen ließ. Durch eine Art Zeichensprache versuchte die Frau von vorne ihrem Mann entsprechende Maßnahmen verständlich zu machen, in meiner laienhaften Deutung: „versuch´s mit dem Schnuller!“ oder „gib ihr ein Keks!“. Die Sache funktionierte, denn die Kleine beruhigte sich jeweils sehr schnell wieder.

Weil der Generalobere unserer Gemeinschaft anwesend war, leitete dieser die Feier und hielt auch die Predigt, die aus dem Englischen ins Italienische übersetzt wurde. Der italienische Provinzobere fügte am Schluss der Feier noch ein paar Worte hinzu und hob dabei unter anderem auf die Internationalität der Versammlung ab. Tatsächlich waren an diesem Abend außer den italienischen Mitbrüdern auch welche aus den USA, aus Indien, Tansania, Kroatien und – mit mir – Deutschland vertreten. Ein frohes Fest für alle.

Bei der Agape hinterher sagte der italienische Provinzial, auf mich zeigend, zu einem jungen Mann: „Federico, mit dem kannst Du Deutsch reden!“. Was dann auch geschah. Wie sich heraus stellte, hat Federico fünf Jahre in Heidelberg gelebt, um Molekularbiologie zu studieren und darin zu promovieren. Und er hätte auch eine Arbeitsstelle bekommen. Wenn... Wenn er sich nicht auf einen anderen Weg eingelassen hätte. Er lebt nun in Albano, wo junge Männer in einer Art Vorbereitungsjahr ihren Weg zu klären versuchen, um hinterher gegebenenfalls in die Gemeinschaft der Missionare vom Kostbaren Blut einzutreten und in Rom Theologie zu studieren.

Samstag, 31. Januar 2015

Kirche im Aufbruch

Im Oktober wird es wieder eine Fußwallfahrt geben! Nicht in Tirol, durch das Inntal, von Georgenberg nach Kufstein Maria-Hilf. Nein, im Schwäbischen, mit Maria Baumgärtle als Ziel. Und es soll durch den Naturpark „Augsburg – Westliche Wälder“ gehen – eine sehr reizvolle Landschaft.

Die Anfangs-Idee bedarf der Umsetzung und damit war ich in den vergangenen Wochen beschäftigt, nicht nur, aber auch damit. Gestartet hätte ich gerne in Bobingen. Mit einem Pfarrer und zwei Pfarrsekretärinnen in drei verschiedenen Pfarreien habe ich deswegen telefoniert und unterschiedliche Lösungen angedacht. Und ich war hoch erfreut und dankbar für alle Unterstützung, die mir da entgegen gebracht wurde. Aber leider... Entweder die Räume eignen sich nicht oder sie sind zum gewünschten Termin belegt. Apropos: zum Vormerken: 9. - 11.Oktober!

Also wendete ich mich wieder an die Pfarrei in Diedorf, die ebenfalls schon einmal als Startpunkt gedacht war. Und auch hier: freundliches Entgegenkommen. Zwar wird vermutlich an eben diesem Wochenende auch noch ein Chorwochenende im Pfarrheim sein - „aber wir bringen das hin!“ Super! Wir können kommen. Die erste Übernachtung ist gesichert. Wir können uns am Freitag treffen, thematisch in die Wallfahrt einsteigen, uns untereinander kennen lernen, übernachten und am nächsten Tag los marschieren.

Jetzt braucht es die zweite Übernachtung, von Samstag auf Sonntag, möglichst auf halbem Weg von Diedorf nach Maria Baumgärtle. In Mittelneufnach hatten wir bei früheren Wallfahrten gute Erfahrungen gemacht. Also dort wieder anklopfen! Für das wunderschöne Gemeindezentrum mit Turnhalle und Duschen ist die politische Gemeinde Ansprechpartner.
Nachdem ich schon ein diesbezügliches E-Mail geschrieben hatte und sehe, dass das Gemeindebüro der nicht allzu großen Gemeinde nur mittwochs geöffnet ist, hake ich telefonisch nach. Und begegne am Telefon einer überaus zuvorkommenden und liebenswürdigen Gemeindesekretärin.

Das Gemeindezentrum ist leider wegen einer Veranstaltung besetzt. Schade! Aber... „Im Kindergarten gäbe es ja auch eine Turnhalle und auch eine Dusche, halt nur eine. Es könnte höchstens wegen Hygiene- und anderer Vorschriften schwierig werden. Ich frage nach und rufe Sie wieder an“. Ist das ein Service, denke ich mir. Und kurz darauf ruft mich die Gemeindesekretärin an und bestätigt: „im Kindergarten geht es nicht, ich habe mit dem Hausmeister gesprochen. Aber Sie könnten im Sportheim des Sportvereins übernachten. Und Duschen gibt es da auch. Ich habe mit dem Vorsitzenden gesprochen und kann Ihnen seine Telefonnummer geben“. Boah! Diese Frau würde ich ja gerne sofort ins Organisationskomitee aufnehmen.

Und der Vorsitzende des Sportvereins ist ähnlich entgegen kommend. Wir können kommen. Auch die Nacht von 10. auf 11.10. ist geklärt.

Jetzt geht es dann noch um Verpflegung, ein Begleitfahrzeug und dessen Chauffeur und...

Und wozu das alles? Abgesehen davon, dass der „Rabbi Jesus“ mit seinen Jüngern in Galiläa zu Fuß unterwegs war und diese dort Entscheidendes gelernt haben, werden wir auch diesmal „wallfahren“, mit dem ein oder anderen Anliegen auf dem Weg sein und dafür beten.

Aber bereits die Erlebnisse beim Vorbereiten machen Appetit, vermitteln eine Ahnung von der „Kirche im Aufbruch“, die sich Papst Franziskus wünscht und zu der er uns einlädt. Gehen wir!

Donnerstag, 15. Januar 2015

Kuriakose Elias Chavara in Mindelheim

„Dies“ am Dienstag in Mindelheim: gemütliches Beisammensein der Priester und Diakone aus dem Dekanat, den Pfarreien hier in der Gegend. Programmpunkt diesmal: P. Geesan informiert über seinen im vergangenen November heilig gesprochenen Ordensgründer.

Die Gruppe der indischen Priester, die in dieser Gegend hier Dienst tun, ist sehr groß. Von insgesamt 25 Männern, die da zusammen kommen, sind bestimmt 10 aus Indien. Und die Erfahrung dabei insgesamt ist gut.
Am Dienstag hat Geesan sehr sympathisch zunächst sein Heimatland vorgestellt – als junger Mann höchst professionell mit Bildern über den PC auf der Leinwand. Landkarten machten etwas von den gewaltigen Ausmaßen des Landes deutlich, außer Bildern von Mahatma Gandhi und Mutter Teresa waren auch Tempelbauten der Hinduisten, der Buddhisten und der Sikhs zu sehen.
Zur Lebensgeschichte seines Ordensgründers Kuriakose Elias Chavara gab es gar ein Filmchen, ebenso wie über die Feier der Heiligsprechung dieses Mannes Ende November in Rom.

Interessiert fragten die deutschen Mitbrüder nach, vor allem die verschiedenen Riten interessierten: syro-malabarisch, syro-malankarisch...

Und die Idee einer gemeinsamen Indien-Reise mit interessierten Menschen aus der Gegend hier kam auf. Wobei einzelne indische Priester mit Menschen aus ihren Gemeinden auch schon dort waren.

Mir hat dieser Dienstag gut getan! Klar weiß ich, dass es dabei um eine „Momentaufnahme“ ging. Durch das Zusammenleben mit einem indischen Mitbruder über längere Zeit kenne ich verschiedene, auch weniger leichte Erfahrungen. Und doch...

In einer Zeit, in der Fremdes und Fremde Angst zu machen scheinen, ist dieses interessierte Miteinander wohltuend.

Sprachlos werden die deutschen Priester, wenn sie hören, dass es in einer indischen Ordensgemeinschaft mehr als 1000 Kandidaten gibt, bzw. wenn die 300 Zimmer des ordenseigenen Priesterseminars stets ausgelastet sind. Diese Wahrnehmung löst aber glaube ich weniger Neid aus als vielmehr die Erkenntnis: es ist möglich. Nicht in jeder Region dieser Erde sind die Tendenzen beim Priester- und Ordensnachwuchs gleich.

Wir haben am Dienstag in Mindelheim nicht über die Kasten gesprochen, auch die Probleme zwischen verschiedenen Sprachgruppen waren kein Thema. Natürlich gibt es das alles und es darf nicht stillschweigend unter den Teppich gekehrt werden.

Und doch: wohltuend war das unbefangene und von Sympathie begleitete Interesse am anderen, das Teilen seiner Freude (über den heilig gesprochenen Ordensgründer) und das Zusammensein.

Etwas in diesem Stil könnte ein attraktives Alternativprogramm zu Versammlungen „für“ oder „gegen“ auf den Straßen deutschen Städte sein. Und ohne deswegen stolz zu sein, weise ich darauf hin, dass der Rahmen für diese unsere Begegnung ein dezidiert kirchlicher war: global player mit weitem und offenem Horizont...