Dienstag, 30. April 2013

Polen, Ende April...

Breslau, etwa 700.000 Einwohner (100.000 davon Studenten) zählende Hauptstadt Niederschlesiens, viertgrößte Stadt Polens und Sitz des Provinzialates der polnischen ASC (Anbeterinnen des Blutes Christi)-Provinz. Die letzte Tatsache war der Grund unseres Besuches dort in der vergangenen Woche. Denn seit 18 Jahren leben und arbeiten Schwestern aus dieser Provinz mit uns Missionaren vom Kostbaren Blut gemeinsam in Maria Baumgärtle. So fuhren der bisherige Rektor, P.Josef, und ich als sein Nachfolger, gemeinsam mit Sr.Ewa und Sr.Yvonne, den beiden ASC-Schwestern, die momentan in Baumgärtle sind, nach Breslau.

Und die Schwestern freuten sich offensichtlich sehr über diesen Besuch! Polnische Gastfreundschaft ist ja sprichwörtlich, aber in den gemeinsam verbrachten Tagen schien sie nicht mehr zu überbieten. Zwischendurch war ich fast ein wenig beschämt, auf jeden Fall aber sehr dankbar für die Begegnungen. Und für die neu gewonnene Klarheit darüber, wie wichtig es ist, sich für den anderen, bzw. die andere und seine/ihre Welt zu interessieren. Und dies konkret werden zu lassen, eben etwa durch einen Besuch in der Heimat des/der anderen.

Neben der Provinzialoberin und ihren beiden Rätinnen leben im Breslauer Haus noch die Provinzsekretärin, eine Schwester arbeitet als Religionslehrerin, eine als Ärztin, sie macht gerade die Anästhesie-Facharzt-Ausbildung zu Ende, eine arbeitet in einem Pfarrbüro, eine begleitet hauptberuflich Pilgerfahrten, eine ist für die Küche im Haus zuständig, eine begleitet Gruppen von Laien, die mit den Schwestern in Verbindung sind und eine pflegt zur Zeit ziemlich rund um die Uhr ihre Mutter.

Außer den offiziellen und informellen Gesprächen gab es viel Zeit für touristische Unternehmungen. Das Haus der ASC-Provinzleitung liegt in der Nähe des Olympiastadions. So weit war es also nicht bis ins Zentrum, welches wir an einem Vormittag erkundeten. Natürlich die Kirchen (Kathedrale, Dominikanerkirche, Namen-Jesu-Kirche, die polnisch-katholische Kirche...), aber auch den großen Marktplatz. Und am Ende der Stadtführung fuhren wir mit dem Aufzug auf einen der beiden Türme der Kathedrale, 60 Meter hoch, und genossen den Blick über die Stadt.
Am Nachmittag gab es noch Zeit für einen Ausflug bzw. eine Wallfahrt nach Trzebnica/Trebnitz zur hl.Hedwig – und ich bat diese Völker verbindende Frau unter anderem auch für eine weiterhin gute Zusammenarbeit von polnischen Schwestern und deutsch(sprachig)en Patres in Baumgärtle.

Einen weiteren ganzen Tag nahmen wir uns für einen gemeinsamen Ausflug Zeit. Unterwegs holten wir Sr.Ewa bei ihrer Mutter ab, sie hatte die Gelegenheit zu einem Kurzbesuch genutzt. Und dann ging es weiter nach Krzeszów/Grüssau – die „Perle des europäischen Barock“. Eine riesengroße Kirche, welche mit Mitteln der europäischen Union in den letzten Jahren hervorragend renoviert wurde. Direkt neben dieser (Kloster-)Kirche noch eine weitere (,die ehemalige Pfarrkirche). Sie ist dem hl.Josef geweiht und P.Josef meinte, er habe in seinem ganzen Leben noch nicht so viele Josefsdarstellungen auf einem Fleck gesehen. Während der kommunistischen Herrschaft hatte es ja keine Erlaubnis für Kirchenrestaurierungen gegeben, aber jetzt erstrahlen diese Kirchen wirklich. Und außerdem gab es einen ganz hervorragenden Audioguide: inhaltlich, sprachlich und technisch gut gemacht.
Nach der Kultur schließlich noch die Natur: über die Grenze fuhren wir weiter zu den Adersbacher Felsen in Tschechien, zwischen denen wir beinahe drei Stunden herum wanderten – und mit dem letzten Schnee den ein oder anderen Ball formten und warfen...

Tags darauf führte uns der Rückweg nach Deutschland über Bolesławiec/Bunzlau – die Stadt ist für ihr Porzellan bekannt. Und hier begann die Geschichte der ASC in Polen. Heute leben etwa 20, vorwiegend ältere Schwestern im dortigen Kloster. Und auch diese freuten sich über den Besuch aus Baumgärtle, zumal zwei von ihnen selbst dort gelebt und gearbeitet hatten. Die Gründerin der ASC-Schwestern, die vor zehn Jahren heilig gesprochene Maria de Mattias, wurde übrigens vor fünf Jahren zur Stadtpatronin von Bolesławiec/Bunzlau erklärt. Aus diesem Anlass gibt es dieses Jahr von Pfingsten ein Jubiläumsprogramm (fünf Jahre Stadtpatronin, zehn Jahre Heiligsprechung) mit Theater, Konzert, Film und Gottesdienst, gemeinsam veranstaltet von der Stadt, der Pfarrei und den Schwestern.

Montag, 15. April 2013

Ladegut im Zug

Von Erlebnissen beim Bahn-Fahren könnte ich lange erzählen. Vielleicht fahre ich deswegen so gerne mit dem Zug, wegen des Erlebniswertes...

Und inzwischen ließen sich verschiedene Kategorien von Erlebnissen einteilen. Heute soll es nicht um interessante Mitreisende, nicht um Verspätungen und verpasste Anschlüsse gehen, sondern um „Ladegut“.

Öfter war und bin ich mit ziemlich viel Gepäck unterwegs. Zum einen hat das damit zu tun, dass ich meistens zu viel einpacke und mit nehme. Sicher ist sicher! Zum anderen habe ich außer den persönlichen Sachen oft auch noch „Dienstliches“ dabei. Und sei es die Gitarre, die ich für irgendwelche missionarischen Einsätze benötige.

Wenn ich also in den Zug steige, dann nicht nur in der Hoffnung, einen Sitzplatz zu ergattern, sondern auch auf der Suche nach Stauraum für das Gepäck. Je nach Zugart reicht die Ablagefläche über dem Sitz oder sie ist so schmal, dass sich außer einer schmalen Tasche nichts darin verstauen lässt. Geht es hinter oder unter dem Sitz? Oder sind am Waggon-Eingang oder in dessen Mitte Abstellmöglichkeiten?

So sehr ich mich über die geräumige Gepäckfläche über dem Sitz freue – ich habe mir dort beim Aufstehen auch schon ziemlich den Kopf angeschlagen. Früher gab es das Gepäcknetz, da ließ sich allerhand verstauen. Die Art ist teilweise geblieben – keine durchgehende Fläche, sondern Gitterstruktur. Aber das Material ist stabil – nachgeben, dehnen tut sich da nichts mehr. Und manchmal ist die Unterlage bei der Gepäckablage auch durchgehend, was – wie an den beiden nun zu schildernden Erlebnissen deutlich wird – durchaus Vorteile hat.

Vor vielen Jahren waren mein Bruder und ich auf dem Rückweg von den Großeltern nach Hause. Und die Großeltern hatten uns eine Tasche Äpfel mit gegeben, vielleicht von den eigenen Apfelbäumen, ich weiß es nicht mehr. Obwohl wir die Tasche sorgsam in der Gepäckablage verstauten, scheint sie sich irgendwie, vielleicht durch die Bewegung des Zuges, geneigt zu haben. Was wir daran merkten, dass es auf einmal „Äpfel regnete“. Und während wir die ersten aufzufangen versuchten, kamen schon die nächsten herunter. Die Situationskomik war viel größer als der Peinlichkeitseffekt – lange noch lachte ich weiter, nachdem wir die Äpfel wieder eingesammelt und neuerlich verstaut hatten.

Jahre später war ich mit einem befreundeten Ordensmann unterwegs und hatte offensichtlich meine Wasserflasche nicht richtig zugeschraubt. Was ich an der Reaktion der Dame auf den Sitzen vor uns mit bekam, die genervt nach oben schaute und sich Wasser vom Kopf wischte. Auch hier gingen die Entschuldigung und das unterdrückte Lachen miteinander einher. Auf jeden Fall stand ich auf, um die Wasserflasche in der Gepäckablage richtig zu zuschrauben.

Besonders eindrücklich war ein Erlebnis, das sich kürzlich ereignete. In Feldkirch war ich eingestiegen, hatte mein Gepäck verstaut, diesmal auch wieder einmal die Gitarre. Ohne zu grüßen und zu fragen, ob der Platz auch frei sei, setzte sich eine junge Dame mir gegenüber. Und kurz nachdem sich der Zug in Bewegung gesetzt hatte, rutschte die Gitarre von oben herunter, streifte den Kopf der jungen Dame und glitt sanft auf den Mittelgang des Zuges. Ich vermute, dass bei meinem Gegenüber der Schrecken größer war als der Schmerz. Auf jeden Fall rief, bzw. stöhnte sie: „Mein Gott!“ (aha! Sie ist doch nicht stumm!), packte ihre Jacke und suchte sich fluchtartig einen anderen Platz. Wahrscheinlich vermutete sie in mir so eine Art „katholischen Taliban“ und schätzte sich glücklich, durch einen Terrorakt nicht mehr geschädigt worden zu sein. Natürlich hatte ich mich bei der jungen Dame entschuldigt, wobei sie das vor lauter Schreck wohl gar nicht mehr wahrzunehmen in der Lage war. Und froh war ich, dass die Gitarre keinen Schaden davon trug...

Mittwoch, 3. April 2013

Österliche Begegnungen...

An Ostern kann man schon einmal etwas übersehen, nicht wahr? Zum Beispiel, dass es Zeit für einen Post im Blog wäre...
Nach dem „Übersehen“ noch zwei Tage offline führen jetzt zu diesem verspäteten Eintrag.

Wobei wir ja Ostern eine ganze Woche feiern – und die Osterzeit bis Pfingsten dauert. Da wird mindestens noch ein Post folgen – versprochen!

Also kurzer Rückblick auf die letzten Tage:
in Baumgärtle war ich zur Aushilfe. Ab dem Sommer werde ich meine Zelte überhaupt dort aufschlagen. Damit habe ich mich jetzt allerdings weniger befasst, denn in der Karwoche ging es vor allem um den Dienst für Menschen, die zur Beichte kamen. Es gab Lachen, es gab Tränen, es gab Aufatmen – wunderschöne Erlebnisse mit den Brüdern und Schwestern, die sich auf den Weg gemacht hatten.
Immer neu bin ich fasziniert von der Möglichkeit, welche die Beichte bietet, das eigene Leben aus der Perspektive Gottes anzuschauen und die Eindrücke davon auch ins Wort zu bringen. Irgendwo genial! Ich denke, es gibt da Zusammenhänge: diese Übung wird helfen, auch zwischendurch das Leben aus einer anderen Blickrichtung heraus wahrzunehmen. Und die Bemühung, meinen vielleicht bisweilen sehr banal wirkenden Alltag in seiner Tiefendimension wahrzunehmen, ist zweifelsohne die Beichtvorbereitung schlechthin...

Danach, auf dem Rückweg hierher, Begegnung mit meinen Eltern und Brüdern und deren Familien. Neue Begeisterung, diesmal über die Kinder. Ich habe den Eindruck, dass sie mich auf ihre Weise ebenfalls lehren, das Leben auf eine andere Weise wahrzunehmen. Vergiss mal alles andere und bewundere Felix, die weiße Plüschtier-Robbe!

Abschließend zitiere ich aus dem Bericht (kurz vor Ostern) einer deutschen Ärztin, die einige Jahre in der Zentralafrikanischen Republik gearbeitet hat und bitte mit ihr zusammen um das Gebet um den Frieden.

Seine Stadt Bangassou (1200 km hinter Bangui) und der Bischof Aguirre selbst wurden letzte Woche brutal geplündert, alle Autos, PC's u Kommunkationsmittel weg, Krankenhäuser und Schulen kaputt geschlagen von 5 verschiedenen marodierenden ausländischen Rebellengruppen aus den umliegenden Ländern (Uganda, Sudan und Tschad), die sich nun als Islamisten gegen alle Christen richten- und vor allem Frauen und Kinder brutalst misshandeln und ermorden. Es ist unbeschreiblich, was da abgeht!

Als ich gestern mit Bruno, meinem Pflegesohn in Bangui, endlich telefonieren konnte, - immerhin lebt er noch! - , saß er im Dunkeln unterm dem Tisch - wie ich damals 2003 - und ich hörte die Schießereien um ihn.
Auch tagsüber sind die Straßen leer und wer nicht fliehen kann, bleibt am besten in seinem Mauseloch unsichtbar und hofft, dass die Plünderer an ihm vorbeiziehen. Es stinkt schon nach rumliegenden Leichen.

Er sitzt seit Tagen im Haus fest und hat wie so viele dort , kein Trinkwasser mehr, weil es seit Samstag nacht weder Strom noch Wasser noch Radio gibt.Diese völlige Ungewissheit, was passiert ist und wie lange dieser Zustand dauert, ist auch sehr schlimm. Wie bei so vielen ist sein Arbeitsplatz geplündert, all seine Habe dort weg - und die Humanitäre Organisation, bei der er arbeitete, stellt ihre Aktivitäten ein bzw. ist geflohen, das heißt, er ist gleichzeitig auch wieder arbeitslos, obwohl er vor kurzem als vorbildlicher Buchhalter eine Beförderung erhalten hatte.

Vor 10 Jahren hat sich der Präsident Bozizé beim 7. Putsch an die Macht geputscht, (4 Putsche hab ich erlebt), nun ist er geflohen und dieses Mal weiß man noch nicht mal, wer denn die Macht will, welcher der unzähligen Rebellenführer (meist keine Zentralafrikaner!) sich durchsetzen wird.

Keiner kann aus dem Haus, kein Gottesdienst kann stattfinden - das ist lebensgefährlich. So leben die Menschen die Karwoche wirklich "live" und sind auf einem steilen Kreuzweg!“