Donnerstag, 30. Juni 2011

Kindermund



Der Kaplan hatte mich gebeten, eine der beiden Erstkommunionfeiern zu übernehmen. Um im Vorfeld die Kinder ein wenig kennen zu lernen, bat ich den Kaplan dann nicht nur, mich bei den Erstbeichten in den entsprechenden Gruppen einzuteilen, sondern ich nahm auch Kontakt mit der Religionslehrerin auf und fragte, ob ich die Kinder der dritten Klassen einmal in der Schule besuchen dürfe, eine Idee, die ihr gut gefiel.

Also ging ich an einem Dienstag in die Schule, wo die katholischen Kinder aus drei dritten Klassen, die normalerweise in zwei Gruppen bei zwei Lehrerinnen Religion haben, versammelt waren. Ein paar wenige Kinder kannten mich schon, für die anderen wollte ich mich vorstellen. Und begann mit dem, was wohl ein „Pater“ ist. Weil ein solcher für die Mehrheit heutiger Kinder, wenn überhaupt, dann ja am ehesten von der Pizzawerbung oder Bieretiketten her bekannt ist, war das mein Aufhänger – das hatte schon öfter bei Schulbesuchen während Gemeindemissionen geklappt. „Vielleicht habt Ihr schon, wenn Euer Papa ein Bier trinkt, so einen Mann mit einem komischen Gewand auf der Bierflasche abgebildet gesehen?“ Pech – Fehlanzeige. Und bevor ich noch der Verführung zum Alkohol in der Grundschule angeklagt werde, versuche ich einen Themenwechsel.

Ich erzähle von meinem letzten Jahr in Madrid. „Warst Du auch bei Real Madrid?“ ruft einer. Und bevor ich überhaupt antworten kann, schreien schon zwei andere dazwischen, dass sie bereits zweimal in der Allianzarena in München gewesen seien. Wir sind beim Fußball gelandet...

Es wird Zeit, die Gitarre auszupacken – hat wie ein Zaubermittel bei Kindern schon öfter gut geholfen. Heute habe ich mich für ein Lied aus Tansania entschieden, weil dort auch Missionare aus meiner Gemeinschaft arbeiten und die exotische Sprache Suaheli vielleicht einen Reiz auf die Kinder ausübt. Also singen wir „Asante sana Jesu“ gemeinsam. Dann auch auf deutsch: „wir loben dich, Herr Jesus“. Und ich erzähle ein wenig von der Arbeit der Mitbrüder in Tansania, die gemeinsam mit Ordensschwestern ein „village of hope“, das „Dorf der Hoffnung“ gegründet haben, wo Kinder eine Heimat finden, deren Eltern an Aids gestorben sind. Das ist eine Krankheit, die dort oft vorkommt, sage ich den Kindern. Und schon fragen sie nach, was das für eine Krankheit sei und wie man sie bekommt. Die beiden Religionslehrerinnen sitzen schweigend da und schauen mich mit einem leichten Lächeln um den Mund an. Und ich entscheide mich nach einem kurzen Überlegen, den Kindern zu sagen, sie sollten ihre Eltern zu Hause fragen, wenn sie das wissen möchten. (Nach der Stunde sagt mir die eine Lehrerin, das ich das richtig gemacht hätte.)

Zwei Wochen später, an Christi Himmelfahrt, feiern wir die Erstkommunion der Kinder in der Kirche. Wir hatten uns entschieden, sowohl das Messformular des Hochfestes Christi Himmelfahrt als auch die Lesungen dieses Festtages zu verwenden. Zu Beginn der Predigt wollte ich dann, auf die eben gehörte Lesung und das Evangelium eingehend, irgendwie eine Brücke schlagen zwischen Christi Himmelfahrt und Erstkommunion und fragte in meiner Einfalt, ob die Kinder wüssten, was denn heute für ein Feiertag sei. Schnell ging ein Finger nach oben und als ich den Jungen bat, es zu sagen, antwortete er: „Vatertag“. Womit er nicht nur mich, sondern auch einen guten Teil der versammelten Gemeinde zum Lachen brachte. Etwas Besseres hätte zu Beginn der Predigt kaum passieren können, denn dadurch was Eis gebrochen, Beziehung noch auf einer anderen Ebene hergestellt und die Aufmerksamkeit gewachsen bzw. ganz anders als vorher da...

Beim Erstkommunionausflug nach Maria Eck am 28. Juni war ich dann der Gitarrist bei der Messe, welcher der Kaplan vorstand. Und ich war erstaunt, wie gesammelt eine so große Schar Kinder dabei war und mit feierte. Es stimmt wohl doch, dass Kinder von Natur aus religiös sind und es nur darauf ankäme, diese natürliche Veranlagung zu entfalten...


Mittwoch, 15. Juni 2011

Pfingsten

Am Pfingstsonntag erwartet mich nach dem Hochamt Frau I. vor der Kirche. Sie ist vor kurzem in den Vorstand der Landsmannschaft der Banater Schwaben gewählt worden und lädt mich ein zu deren sommerlichem Grillfest. Und ich bekomme mit, wie sie auch noch mit einem Jugendleiter der Pfarrei verhandelt: „Ihr habt doch verschiedene Spielgeräte? Könnt Ihr uns nicht etwas für das Sommerfest ausleihen, damit wir etwas für die Kinder haben?“ Kennen gelernt habe ich Frau I. vor einigen Wochen bei der Segnung der neuen Geschäftsräume des Eine – Welt - Ladens in Traunreut, dort ist sie ehrenamtliche Mitarbeiterin. Eine imponierende Frau: sie macht mir gegenüber auch deutlich, wie sie durch ihren Einsatz gelingende Integration fördern möchte: die „Tradition im Herzen“ nicht aufgeben, gleichzeitig aber auch bewusst junge Leute ins Boot holen…
Nebenbei: der Eine – Welt - Laden hat in Traunreut, der Stadt, in der 70% der Sozialwohnungen des Landkreises Traunstein sind, wirtschaftlich keinen leichten Stand. Auf der anderen Seite möchten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Initiative entschieden mit ihrem Angebot in der größten Stadt des Landkreises vertreten sein. Immerhin wird im Rathaus Eine – Welt - Kaffee getrunken. Ob das schon in jeder bayrischen oder deutschen Gemeinde der Fall ist?
Zurück zum Pfingstsonntag: ich gebe die Einladung von Frau I. an den Kaplan weiter, da ich zeitlich verhindert bin. Mit dem Kaplan zusammen gehe ich nach unserem Pfingsthochamt zur evangelischen Kirche. Dort hat auch die rumänisch – orthodoxe Gemeinde Gastrecht und die hat uns für heute zur Priesterweihe ihres Diakons Constantin eingeladen. Dazu ist Bischof Sofian von Kronstadt aus München angereist. Wir erleben eine eindrucksvolle Weiheliturgie. Neben dem Kaplan und mir feiern noch zwei weitere katholische Priester mit, dazu die „Hausherren“, die evangelische Pfarrerin und der evangelische Pfarrer und auch der griechisch – orthodoxe Priester, der einmal im Monat in Traunreut Gottesdienst mit seiner Gemeinde feiert.
Nach der zweieinhalbstündigen Liturgie richtet der Bischof das Wort an die Versammelten und redet uns liebevoll aufrüttelnd, nicht anklagend ins Gewissen. Die Sünden der Christen schaden der Gemeinde, der Kirche und auch der Gesellschaft. Und: sie verhindern letztlich auch die Einheit der Kirche. Ist es nicht widersinnig, wenn wir alle um den heiligen Geist beten und dann an verschiedenen Orten Pfingsten feiern? Ich freue mich über den missionarischen Impetus, aber auch darüber, dass unser Zusammensein gleichzeitig Zeugnis des Möglichen ist und vielleicht ein hoffnungsvolles Zukunftszeichen.
Während in der nördlichen Hemisphäre die Weltgebeteswoche um die Einheit der Christen regelmäßig im Januar stattfindet, wird dieses Gebetsanliegen in der südlichen Hemisphäre um Pfingsten herum aufgegriffen. Ich denke an einen wunderschönen ökumenischen Gottesdienst im Rahmen einer Pfinstnovene in Salzburg – Parsch zurück.
Als ich nach der Weiheliturgie aus der Kirche heraus komme, steht da wieder Frau I. Ihr rumänisch – orthodoxer Ehemann liegt mit Migräne im Bett, also ist sie, die Katholikin, heute auch zum rumänisch – orthodoxen Gottesdienst gegangen. Wohl nicht nur in „ökumenischer Stellvertretung“ für ihren Mann, sondern auch weil sie für das Sommerfest der Banater junge Leute gewinnen möchte, die einen Volkstanz aufführen. Sie hat unter den rumänisch – orthodoxen Gemeindmitgliedern eben solche in Trachten gesehen und wittert ihre Chance.
Und auch das scheint mir ein pfingstliches Geschehen werden zu können: wenn sich die Banater Schwaben mit Mitgliedern der rumänisch – orthodoxen Gemeinde vor Ort zum Sommerfest treffen.