Donnerstag, 31. Dezember 2015

An-bet-ung

Wie erkläre ich denn jetzt jemandem, eventuell auch einer regelmäßigen Kirchgängerin, den Unterschied zwischen „Ge-bet“ und „An-bet-ung“? Gar nicht so einfach.

„Wir sind angekommen, um Ihn anzubeten“ war das Motto des Weltjugendtags vor zehn Jahren in Köln, frei nach dem, was die Sterndeuter sagten, als sie in Jerusalem nach dem neugeborenen König der Juden fragten. „Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen“ (Mt 2,2). Papst Benedikt XVI. hat damals in Köln sehr Schönes zum Thema Anbetung gesagt – das lohnt sich, noch einmal zu lesen.

Vom Weltjugendtag in Köln ausgehend hat die Anbetung mancherorts eine gewisse Renaissance erfahren. Auch und gerade bei jungen Leuten. Wobei es da auch kritische Nachfragen gibt. Ein Mitbruder etwa ist erstaunt darüber, dass es wohl junge Leute gibt, die zur Anbetung in die Kirche kommen, aber nicht zur Sonntagsmesse. Eine solche Beobachtung deckt sich mit der Kritik mancher Liturgie-Experten, die in den vergangenen Monaten neue Formen von gottesdienstlicher Anbetung untersucht haben.

Wie an anderen Orten, so haben auch wir hier seit einigen Monaten einen regelmäßigen „Anbetungstag“ im Monat, jeweils der zweite Donnerstag eines Monats. In der Monstranz, dem Schaugefäß auf dem Altar, ist die Hostie zu sehen, die sonst unsichtbar im Tabernakel verborgen ist.

Neulich kniete ich da abends noch in der Bank mit Blick auf die Monstranz, als sich einer in die Bank vor mir hin begab und hin kniete. Und mir dadurch den Blick auf die Monstranz nahm. Anstatt der schönen Monstranz mit der weißen Hostie sah ich also jetzt einen Hinterkopf und Rücken. Was mich unweigerlich zu der Frage brachte, ob ich diesen vor mir knienden Bruder wohl genauso „liebe“ wie Jesus in der Eucharistie. Dann verstellt er mir nicht den Blick, sondern ich freue mich, wenn wir miteinander dort knien. Auch wenn meine Sicht, meine Perspektive jetzt anders ist.

Weil wir im Vorraum der Hauskapelle eine große Weihnachtskrippe aufgebaut haben, bei der auf Knopfdruck hin auch Musik und Text – die Weihnachtsgeschichte – zu hören sind, kommt es vor, dass bei Stille in der Kapelle das ein oder andere Geräusch von draußen in die Kapelle dringt. Entweder eben Musik und Text vom Band. Oder auch das Gespräch von Eltern und Kindern, die sich die miteinander die Krippe ansehen.

Und auch die Kinderstimmen, die ich da von draußen hörte, während wir drinnen anbeteten, empfand ich als neuerliche Anfrage nach meiner Bereitschaft, den Menschen ebenso mein Herz zu öffnen wie Jesus auf dem Altar. Welch eine schöne Begleitmusik zur Anbetung, die Kinderstimmen vom Vorraum draußen!

Ja, ich kämpfe immer wieder darum, mich beim Beten nicht ablenken zu lassen. Und freue mich über Stille bei der Anbetung. Oft wird mir in Gruppen dabei viel zu viel „gebetet“, das heißt, zu viele Worte gemacht. Vor lauter Gebeten komme ich dann nicht zum Beten.

Aber dann freue ich mich auch, wenn die Ebenen verschwimmen, wenn ich in den alltäglichen Begegnungen den wieder entdecke, dem ich im Gebet begegne, wenn das eine das andere befruchtet. Da bekommt das Leben das, was manche mit dem Modewort „Stimmigkeit“ bezeichnen. Für das Neue Jahr wünsche ich Dir und mir genau das!

Dienstag, 15. Dezember 2015

Gender in der Sakristei

Nein, wir brauchen keine „Gender-Ideologie“. Genauso wenig, wie wir eine „Priester-Ideologie“ brauchen. Wobei uns diese Erkenntnis ja nicht davon abhalten muss, uns mit Gender- oder Priester-Fragen zu beschäftigen. Zum Beispiel deswegen, damit das Ganze nicht ideologisch wird. Ich werde mich nicht am wissenschaftlichen Diskurs beteiligen, dafür bräuchte ich mehr Mußezeit zu eingehender Lektüre.
Ich möchte etwas banale, mich selbst aber manchmal auf dem Hintergrund von „Gender-Diskussionen“ zum Schmunzeln bringende Sakristei-Erlebnisse teilen.

Auf einen weißen Fleck am Messgewand wies mich ausgerechnet einer der Ministranten hin. Ein cooler Typ, der seine Baseball-Kappe nicht unbedingt ohne Aufforderung abnimmt, wenn er den Kirchenraum betritt. Nach der Messe gingen wir in die Sakristei und er meinte: „P.Alois, an dem Messgewand, dass sie heute an hatten ist ein Fleck!“ Gemeinsam schauten wir nach – tatsächlich! An der Seite, für mich selbst weniger gut wahrnehmbar. Natürlich bedankte ich mich bei dem Ministranten für seine Aufmerksamkeit.

Das „Schalt-Tableau“ in unserer Sakristei, mit Knöpfen und Kontrolllämpchen für Licht, Heizung, Glocken und Verstärkeranlage erweckt durchaus eher Interesse bei den männlichen Jugendlichen, die es eingehend mustern.

Dafür hatte ich neulich zwei 13-,14-jährige Ministrantinnen, deren lackierte Fingernägel mir entgegen leuchteten, als sie nach der Gabenbereitung mit Wasser, Glasschälchen und Tüchlein zum Hände abtrocknen anrückten. Knallig rot! Wobei ich eine leichte Farbnuance zu erkennen meinte. (Auch andere Fingernagel-Farben habe ich schon erlebt, schwarz scheint bisweilen sehr „in“ zu sein). Die beiden mit den roten Fingernägeln sprach ich dann nach der Messe an, dass sie ja fast den selben Farbton bei den Fingernägeln gewählt hätten und so richtig als Ministrantinnen im Partner-Look aufgetreten waren. Worauf sie los prusteten bzw. kicherten: „es ist dieselbe Farbe!“ Wie sich heraus stellte, war das Fingernägel-Lackieren wohl eine gemeinsame Aktion der beiden Damen gewesen. Inzwischen weiß ich, dass mancher Nagellack auch gegen „Nägel-Beißen“ aufgetragen wird.

In einer anderen Sakristei stand ich vor der Messe mit zwei Ministrantinnen, etwa im selben Alter, die vor Beginn der heiligen Messe längere Zeit damit beschäftigt waren, ihre Haarpracht zu ordnen. Immer wieder wurde der Oberkörper schwungvoll nach vorne gebeugt, damit die langen Haare nach vorne flogen. Darauf hin wurden diese geschickt mit der Hand hoch genommen und mit Hilfe eines Gummiringes zu einem Knoten geformt. Die eine junge Dame war schneller mit dem Erfolg dieser Aktion zufrieden, bei der anderen brauchte es allerhand Versuche, bis sie es gelten ließ.

Was mich an eine andere Sakristei erinnerte, in welcher Haargummis vorhanden sind, weil der Pfarrer wohl nicht möchte, dass die Mädchen mit „offenen Haaren“ ministrieren. Also hat der Mesner im Bedarfsfall Haargummis auszugeben.
In ferner Vorzeit gab es den Kamm in der Sakristei, wenn der ein oder andere Ministrant nicht ordentlich frisiert zum Dienst erschien. Dann hieß es: „kämm dich noch einmal, so kannst du doch nicht an den Altar treten!“. Ich erinnere mich, dass dieser „Sakristei-Kamm“, Marke „Laus-Rechen“ mir so unangenehm war, dass allein schon dass gereicht hat, um mit ordentlich frisierten Haaren zum Ministranten-Dienst zu erscheinen. Ob meine Vorliebe zum Kurzhaar-Schnitt aus dieser Zeit stammt?

Dienstag, 1. Dezember 2015

advent-ure

Morgenandacht, Deutschlandfunk 28.11.2015
von Maria-Anna Immerz aus Augsburg
Abenteuer Advent
Tage an Schnittstellen sind etwas Besonderes. An der Schnittstelle zwischen Abschluss und Neubeginn etwa. Heute ist ein solcher Tag. Der letzte Tag im Kirchenjahr. Heute Abend – mit dem Vespergebet zum 1. Advent – gehen Christen in ein neues Kirchenjahr; in vielen Gemeinden wird da der Adventskranz gesegnet.  Kein Feuerwerk zum neuen Jahr der Christen; aber das kleine Licht der Hoffnung, das wachsen wird.  
Schnittstellen-Tage sind Tage mit Spannung. Da gibt es Leute, die lassen den  Neuanfang schon Wochen vorher angehen, haben längst Tannenschmuck in den Zimmern, mehrere Adventskalender besorgt, Lebkuchen genossen. Und die anderen, die dehnen das „Alte“ bis zur Kante, um den Neubeginn stark zu fühlen. Doch auch sie werden heute den Adventskranz besorgen, Lichter herrichten, vielleicht ein Buch mit Texten und Geschichten für diese besondere Zeit.
Und dann bricht sie an, die Adventszeit mit ihren lieb gewonnenen Ritualen, Stimmungen, Gottesdiensten... Alle Jahre wieder. Und doch immer wieder ein bisschen anders. Heuer müssen wir gestehen: Advent beginnt für keinen erst heute Abend; er hat auch nicht mit den ersten Weihnachtsartikeln in Supermärkten begonnen – heuer war es nochfrüher. Advent, also „Ankunft“ war doch spätestens am 1. September, als unerwartet 1200 Asylsuchende am Münchener Hauptbahnhof ankamen. Advent, also „Ankunft“ war allenthalben, als sich Bustüren öffneten und Männer, Frauen, Kinder in Turnhallen traten. Advent, „Ankunft“ war auch, als Freiwillige am Starnberger Bahnhof, in Wegscheid, bei der Caritas ankamen und sich einteilen ließen, wo sie gebraucht wurden.
Ankunft – Advent: Das hatte nicht viel Trautes, nichts Heimeliges, nichts vom „alle Jahre wieder“. Dafür aber etwas von “adventure“ – von Abenteuer. Der Advent von mehreren Hunderttausend Menschen in unserem Land ist ein Abenteuer. Da hat man nicht alles gleich im Griff, da kann man nicht alles steuern – aber eben auch nicht alles abwehren. Weil das Abenteuer dieser Ankunft ja auch lockt: Werden wir es schaffen? Wir, die Deutschen? Wir, zusammen mit den neu Angekommenen? Immerhin hat der Advent der Asylsuchenden schon viel herausgelockt an Menschlichkeit aus unserer Gesellschaft; ja, dieser Advent hat schon das Beste aus vielen gelockt, was sie haben: ihr Herz.
Heute Abend beginnt der kalendarische Advent; der Advent im Ritus des Kirchenjahrs. Er wird uns Christen – und hoffentlich nicht nur uns – noch zu mehr locken: „Es kommt ein Schiff geladen, bis an sein höchsten Bord“ werden wir im beliebten alten Adventslied singen. Dabei werden heuer ungefragt die Bilder der Flüchtlingsboote mit vor Augen sein – die grausam gekenterten und die glücklich geretteten. Und wir werden in der Strophe weiter singen: „Trägt Gottes Sohn voll Gnaden, des Vaters ewigs Wort“.
Ja, dieser Advent wird uns unwillkürlich erinnern: Die da seit Monaten per Schiff oder auf dem Landweg bei uns ankommen, haben etwas zu tun mit dem Gottessohn, den wir erwarten. Nicht weil wir es uns fromm zurechtlegen, sondern weil Er, der Gottessohn, es uns selbst nahe gelegt hat: Mit denen, die nichts zu bieten haben, die fremd und obdachlos sind, hat Er etwas zu tun. Wer einen von ihnen aufnimmt, nimmt den Sohn Gottes selbst auf. Ehrenwort. Wem das auf Anhieb zu viel ist, dem möge der Adventkranz heute Abend ein erster Anker für das Abenteuer Advent 2015 sein: Er nährt die Hoffnung, dass es rund laufen und auf einen grünen Zweig kommen wird, was wir bei so viel Advent in unserem Land selbst noch nicht auf die Reihe bekommen. Gebe Gott selber, dass heute Abend Viele aus ganzem Herzen singen können: „Macht hoch die Tür; die Tor macht weit!“