Sonntag, 30. Juni 2019

Teilen

Familienexerzitien in Untermarchtal. Am Vorabend von Fronleichnam begannen wir und nahmen am folgenden Tag an der Fronleichnamsfeier der Gemeinde(n) teil: Festmesse mit Musikkapelle in der Vinzenzkirche mit anschließender Prozession. Der Spiritual – neu in seinem Amt – gab zu, die genaue Prozessionsordnung nicht zu kennen und machte deshalb einen Vorschlag. Was dazu führte, dass Kinder mit Körbchen, in welchen Blütenblätter waren, nicht genau wussten, wo in der Prozession jetzt ihr Platz sein sollte. Während ich – am ersten Altar angekommen - noch überlegte, ob ich dem Spiritual einen Hinweis geben oder direkt zu den Kindern gehen sollte, nahm mir eine Schwester das ab, ging zu den Kindern hin und sagte ihnen: „Geht doch direkt vor dem `Himmel´, dann könnt Ihr die Blütenblätter streuen“. Gott sei Dank!
Während der Prozession war es bewölkt, hin und wieder gab es sogar ein paar Regentropfen. Keine brütende Hitze. Für ein paar Kinder allerdings wieder zu kalt. Ein Mädchen im ärmellosen Kleidchen fing an, sich die Arme warm zu reiben. Was von Sr. Erika-Maria bemerkt wurde, die dann diesem Mädchen ihre Strickjacke anbot, welche das Mädchen gerne annahm. Ein erstes Symbol für das Teilen, welches einen wichtigen Stellenwert während der Exerzitien hatte.

Ich selbst war oft berührt vom dichten und tiefen Austausch der Paare untereinander. Während es ein eigenes Kinderbetreuungsprogramm mit großartigen Bastel-Aktivitäten gab, begleiteten wir als Dreierteam in einem Dreischritt die Elternpaare. „Die Liebe ist unendlich erfinderisch“ - dieser Satz des hl. Vinzenz von Paul stand als Motto über den Tagen. So lud ich am ersten Tag zur Achtsamkeit ein und schlug Übungen dazu vor. Am zweiten Tag ging es um die Kreativität: Sr. Marlies leitete ganz wunderbar einen Bibliolog zu Mk 2,1-12 (die Geschichte von dem Gelähmten, der von Jesus geheilt wurde, nachdem seine vier Freunde das Dach des Hauses abgedeckt und ihn auf seiner Bahre vor die Füße Jesu hinuntergelassen hatten) an. Am dritten Tag lud Markus, selbst Ehemann und Familienvater die Paare ein, die Anfänge ihrer Beziehung in den Blick zu nehmen, sich einander neu zu versprechen und gegebenenfalls auch segnen zu lassen. Bei den Austauschrunden im Plenum war eine große Offenheit und ein gegenseitiges Sich-Beschenken, über das ich dankbar staunte.

Am Freitag und Samstag Morgen lud ich jeweils zur Eucharistiefeier um 7.30 Uhr ein und begründete meine Einladung. Denn zunächst war das auch im Team eine Frage: passt das? Auch hier war ich dankbar überrascht, dass in der Reflexionsrunde am Ende der Tage mehrere sich für diese morgendlichen schlichten Feiern bedankten. Ich selbst bemerkte dazu, dass es eine Übereinstimmung gab zwischen dem Teilen des Lebens in den Gesprächen untereinander und dem Teilen des Lebens Gottes, welches in der Eucharistie geschieht. Tatsächlich hatten die morgendlichen Feiern eine besondere „Qualität“. Und andererseits bin ich davon überzeugt bzw. mache die Erfahrung, dass die Eucharistiefeier – entsprechend gefeiert – auch für das Teilen untereinander öffnen kann und bereitet.

„Die Liebe besteht in der Mitteilung von beiden Seiten“, dieser Satz aus der „Betrachtung, um Liebe zu erlangen“, ziemlich am Ende des Exerzitienbuchs des hl. Ignatius, kann über den gemachten Erfahrungen stehen. Da stärken Eheleute ihre Beziehung, indem sie sich einander mitteilen. Da stärkt Gott uns, indem er sich uns in der Eucharistie mitteilt. Die Feier befruchtet das Leben, das Leben findet seinen Ausdruck in der Feier.

Deswegen hat auch der Bunte Abend am letzten gemeinsamen Abend „gepasst“. Manche mögen womöglich die Nase rümpfen, wenn so etwas im Rahmen von „Exerzitien“ vorkommt. Aber diese gute Stunde gemeinsamen Spielens von Kindern und Erwachsenen, die große Freude und das ausgelassene Lachen dabei, das war ein weiterer Ausdruck für Leben und Feier...

Samstag, 15. Juni 2019

Der Dopf

Bei einer Kinder-Maiandacht am letzten Sonntag im Mai bestand meine Aufgabe darin, gemeinsam mit den Kindern eine Marienstatue anzuschauen und zu „erschließen“: was sagt uns diese Figur in ihrer Form und mit ihren Farben? Nachdem ich die Kinder nach vorne eingeladen hatte, um die Statue besser sehen zu können, stellte ich die Frage: „was gefällt euch denn am besten an dieser Figur?“ Ein kleiner Junge im Kindergartenalter sagte daraufhin: „der Dopf“. Ratlos fragte ich nach: „entschuldige, ich habe Dich jetzt nicht verstanden. Was gefällt Dir am besten?“ Wieder: „der Dopf“. Jetzt wurde mir ein wenig heiß: meint der kleine Junge die Blumen neben der Statue? Ich meine zwar, dass die in einer Vase standen, aber vielleicht sieht er einen Blumentopf. Nach kurzem Zaudern fragte ich noch einmal nach, ich wollte ja wirklich wissen, was dem Kleinen am besten gefällt. „Tut mir leid – ich habe es immer noch nicht verstanden. Kannst Du es noch einmal sagen?“ „Der Dopf“ sagte er und zeigte mit seiner kleinen Hand auf – den Kopf der Marienstatue. Die anderen Kinder vorne und einige der Erwachsenen in den Bänken fingen zu lachen an. Und ich war heilfroh, dass der Junge, der offensichtlich Mühe hatte, „Kopf“ zu sagen, mit lachte und nicht zu weinen anfing. Das wäre noch einmal eine spannende Herausforderung geworden...

Immer noch geht mir diese Szene nach und ich habe sie oft erzählt. Ein wenig hilft sie mir, über die Tücken und Möglichkeiten menschlicher Kommunikation ganz allgemein nachzudenken. Denn es ist ja so, dass wir einander nicht immer verstehen. Wir reden miteinander, versuchen uns verständlich zu machen und scheitern doch immer wieder dabei. Im Fall des kleinen Jungen hat seine Mutter wohl sofort verstanden, was er sagen will. Einander zu kennen hilft! Andererseits kann es auch eine Falle sein: wenn ich den anderen so gut kenne, dass mir schon im Vorfeld klar zu sein scheint, was er mir sagen möchte.
Was schließlich mir begriffsstutzigem Menschen geholfen hat, den Buben zu verstehen, war seine Idee, außer dem Sprechen noch eine andere Möglichkeit zu wählen. Er zeigte mit dem Finger auf das, was er meinte. Gott sei Dank hat er das getan! Ob das in unseren Dialogen sonst auch noch öfter zu beachten wäre: verschiedene Kommunikationsformen zu üben und zu pflegen? Kann es gelingen, wenn ich mein Gegenüber nicht verstehe, ihn oder sie einzuladen, sich noch auf eine andere Weise als bisher auszudrücken?

Wenige Zeit später erlebte ich eine weitere nachdenklich machende Kommunikationsgeschichte.
Wir hatten Besuch, zwei Ordensfrauen aus der Generalleitung der Anbeterinnen des Blutes Christi.
Eine der beiden, Sr. Dani, eine US-Amerikanerin kam zu einer Mahlzeit und erzählte, dass sie beim Anblick der Marienstatue in unserer Gartenkapelle erschrocken sei. Ob ihr da jemand weiter helfen könne... Da ich weiß, dass P. Peter die betreffende Statue sehr schätzt und immer wieder einmal mit Menschen darüber ins Gespräch kommt, forderte ich ihn auf, Sr. Dani beim Verständnis zu helfen. Also wurde ein Lokaltermin vereinbart: Sr. Dani, P. Peter und als Übersetzer musste ich mit gehen.
P. Peter fing mit seinen Erklärungen an: Maria zeigt der Welt ihr Kind und hält es ihr entgegen. Und Sr. Dani: „what about the face?“ (was ist mit dem Gesicht?) P. Peter bat um Geduld und erklärte weiter: „das Kind hat den Kelch in der Hand als Heilmittel für die Welt“. Und Sr. Dani: „what about the face?“ P. Peter bat um Geduld und erklärte weiter, wurde noch ein oder zwei mal von Sr. Danis hartnäckiger Frage: „what about the face?“ unterbrochen, bevor sie dann aus der Gartenkapelle ging, offensichtlich blieb ihre Frage unbeantwortet.

Auch diese Szene hat etwas Humorvolles. Mir gefiel die Offenheit Sr. Danis. „Die sagt, was sie denkt und empfindet – auch ohne Scheu vor irgendwelchen Konventionen“. So erlebte ich sie insgesamt während der Tage ihres Besuchs bei uns.
Und bei P. Peter dann das hin und wieder erfahrbare „gefährlich kirchliche Verhalten“: zu verkündigen, ohne auf die Fragen zu hören.
Also auch das wieder ein Lehrstück der Kommunikation...