Vor 30 Jahren, am 29.Juni 1991, bin ich im Salzburger Dom zum Priester geweiht worden. Welch ein Fest war das damals, genauso wie dann eine Woche später die erste heilige Messe in der Heimatgemeinde. Die ganze kleine Stadt schien auf den Beinen und sich mit zu freuen.
Wie viel hat sich geändert seither! Junge Männer, die heute geweiht werden, erleben zum Teil völlig andere Begleitumstände. Womöglich sind am Tag der Priesterweihe Demonstrant/inn/en vor dem Dom mit Transparenten, die auf Missstände in der Kirche hinweisen. Und der Neugeweihte wird eventuell auch deutlich angefragt, wieso er durch seine Entscheidung und Berufswahl ein solches System noch stützt.
Meine Fotoalben sind in Umzugskartons auf dem Dachboden und ich packe sie jetzt nicht aus. Aber vor meinem geistigen Auge sehe ich das ein oder andere Motiv und vor allem Menschen, die mich in den vergangenen Jahrzehnten begleitet, die vor 30 Jahren mit gefeiert haben und zum Teil inzwischen verstorben sind. Diese Erinnerungen lassen mich dankbar sein und ganz existentiell erfahren, wozu Papst Franziskus hin und wieder Priester eingeladen hat: sie sollen ihre Herkunft nicht vergessen. Dabei geht es nicht nur darum, nicht „abzuheben“ und sich schlimmstenfalls als „Übermensch“ vorzukommen, sondern sich im positiven Sinn als ein Mitglied der Gemeinschaft der Glaubenden zu erfahren und zu wissen. Wie viel habe ich von glaubenden Frauen und Männern gelernt...
Als ich nach einer (nur dreijährigen) Zeit als Pfarrer in einer Pfarrgemeinde verabschiedet wurde, sagte mir jemand: „Du hast immer als Bruder gepredigt!“. Über dieses Kompliment freue ich mich bis heute und hoffe, dass die darin angesprochene Haltung lebendig bleibt. Mein Glaube wird genährt im gemeinsamen Leben mit anderen und durch das Teilen von Lebens- und Glaubenserfahrungen. Und vieles von dem, was ich dann sage und in der Verkündigung weiter gebe, hat sein Fundament darin. Es ist nicht meine Weisheit und ich erhebe auch nicht den Anspruch, der Lehrer schlechthin zu sein. Ab und zu mag es gelingen, Neugierde auf den Lehrer Jesus Christus zu erwecken, gerade auch im Teilen von eigenen Fragen.
Im Blick auf die heutige Kirchenlandschaft habe ich den Eindruck, ein „Auslaufmodell“ zu sein. Zumindest was die konkrete Ausprägung meines priesterlichen Dienstes angeht. Das stimmt mich nicht unbedingt traurig! Die Gestalt der Kirche wandelt sich und mit ihr die in ihr vorhandenen Dienste und Aufgaben. Ein wenig bewegt mich die Sorge, für das Neue einigermaßen offen zu bleiben. Wobei ich mich auch tröste mit dem Gedanken, dass es in der Kirche wie in der Gesellschaft immer „Ungleichzeitigkeit“ gibt.
Wenn auch die ein oder andere Veränderung in gewisser Weise mit Schmerz verbunden ist, so spüre ich vor allem Hoffnung. Ich hoffe, dass sich eine „Priesterkaste“ nicht auf Dauer halten wird. Dass wir noch viel mehr geschwisterlich glauben und leben, und auf dieser Basis priesterliche Dienste neu und anders geschätzt werden können. Die ein oder andere Diskussion im Zusammenhang des synodalen Weges in Deutschland kann da weiter führen.
Wofür ich weiter kämpfen möchte: dass das Evangelium nicht vergessen wird, bzw. wir noch viel mehr zu ihm zurück kehren. Manchmal beschleicht mich der Eindruck, dass wir vor lauter Überlebenskampf uns nicht mehr genug Zeit für diese Quelle unseres Lebens nehmen. Auf der Grundlage des Evangeliums lässt sich priesterliches Leben in vielfacher und sich ändernder Gestalt leben, wie ich es dankbar, wenn auch nicht immer ohne „Umstellungsschwierigkeiten“ in den vergangenen Jahrzehnten erfahren durfte: der Dienst als Gemeindepfarrer oder -missionar unterscheidet sich erheblich von dem des Jugend- oder Flüchtlingsseelsorgers.
Als Mitglied der Generalleitung unserer Gemeinschaft freue ich mich über eine Perspektiven-Erweiterung und stelle fest: „es gibt nichts, was es nicht gibt!“ Auch das tut manchmal weh, erfüllt aber andererseits auch mit Gelassenheit. Die Kirche und in ihr auch unsere Gemeinschaft sind Gottes Werk, wir sind Mitarbeitende...