Bei einer Tagung lerne ich sie kennen,
E. und P. Sie sind eines von drei Ehepaaren, die teilnehmen. Ich bin
einer der vier oder fünf „Singles“, die dabei sind. E. und P.
dürften schätzungsweise „rund um die Goldene Hochzeit“ sein. E.
geht mühsam, mit einem Stock, bzw. einer Krücke. Wenn ich recht
verstanden habe, hatte sie einen Unfall. Und ist froh, dass sie sich
wieder einigermaßen bewegen kann. Was mir auffällt, ist, wie die
beiden miteinander umgehen. Beim Frühstück gibt es ein Buffet. Und
sie sind sehr aufmerksam füreinander, ob der/die andere alles hat,
was er/sie braucht. Nicht wie frisch Verliebte, aber doch mit einer
ganz großen Achtsamkeit und – im guten Sinn – Fürsorge.
„Brauchst Du noch einen Orangensaft?“
Beim Friedensgruß in der Messe umarmen
sich die beiden, was überhaupt nicht aufgesetzt oder künstlich
wirkt. E. ist katholisch, ihr Mann P. evangelisch. Und gerade er hat
mich beeindruckt. Im Gespräch habe ich verstanden, wie sehr ihn
seine Herkunft geprägt hat. Seine Mitgliedschaft im CVJM war ein
Versuch, sein Christ-Sein bewusst und entschieden zu leben.
Gleichzeitig bekomme ich mit, wie gut er sich in katholischer
Liturgie und Kirche auskennt, vermutlich besser als mancher Katholik.
Und es ist auch wahrzunehmen, dass diese gemischt-konfessionelle Ehe
mit allerhand Schwierigkeiten konfrontiert war. Gerade der Umgang
damit, die Freiheit, die daraus leuchtet, beeindruckt mich sehr. Und:
ein ganz merkwürdiges Gefühl in mir, es ist mir neu, aber es ist
nicht zu verleugnen. Ich habe den Eindruck, dass ich von P. als
evangelischem Christen beschenkt werde, gerade in seinem
Evangelisch-Sein. Derart, dass ich ihn fast bitten möchte: „P.,
bleib Deiner Konfession treu. Ich brauche Dein Zeugnis als
evangelischer Christ!“
Dann noch ein anderes Paar: B. und S.
Beide flohen aus Eritrea, ihre Heimatdörfer liegen nicht so weit
auseinander. Wenn ich recht verstanden habe, dann lernten sie sich
auf der Flucht kennen. Und haben in München geheiratet, beide sind
koptisch-orthodox und nehmen ihren Glauben sehr ernst.
B. erzählte, dass ihm bei der Ankunft
in Italien der Fingerabdruck abgenommen wurde, seine Frau kam da
irgendwie durch, ohne registriert zu werden. Was zur Folge hat, dass
sie mit unterschiedlichem Rechtsstatus in Deutschland sind. Ihm droht
aufgrund der Dublin-Regelung die Abschiebung nach Italien, wo er ja
registriert wurde.
Konkret lebt also sie in einer
Asylbewerberunterkunft und er im Kirchenasyl, welches seine
Abschiebung verhindern soll. Es ist sein dritter
Kirchenasyl-Standort. Weil er einmal untergetaucht war, ist die
Kirchenasyl-Zeit verlängert worden. Er macht sich große Sorgen um
seine junge, hübsche Frau. Welche in der Unterkunft mit vielen
Männern zusammen lebt.
Um den 1. Mai herum, als die Kopten
Ostern feierten, konnte sie ihn für zwei Tage besuchen: welch ein
Fest. Wobei es beinahe dramatisch begann. Aufgrund des strengen
Fastens vor Ostern, vielleicht aber auch, weil sie das Auto-Fahren
nicht verträgt, klappte sie kurz nach der Ankunft zusammen. Ihr Mann
B. wusste aber wohl Bescheid, konnte mit der Situation umgehen und
half ihr. Welch ein Fest für die beiden, die zwei gemeinsamen Tage.
Er zeigte sich in seinem Hochzeits- und Festgewand, wunderschön weiß
mit goldenen Borten. Und strahlte und freute sich.
Als S. wieder heim fahren musste,
machte sich B. wiederum große Sorgen. Dummerweise war ihre SIM-Card
für das Handy kaputt gegangen. Und er konnte ja nicht aus dem
Kirchenasyl heraus, um irgendwo eine neue zu besorgen. Seine Idee war
gewesen, ihr via Telefon unterwegs zu helfen, damit sie auch beim
richtigen Bahnhof umsteigt. Im Gegensatz zu ihm hat sie bisher kaum
Deutsch gelernt. Es scheint, als verließe sie sich da auch sehr auf
ihren Mann.
Dafür hatte sie in ihrer Unterkunft
eritreisch gekocht und die Speisen mit gebracht – was natürlich
die Oster- und Wiedersehensfreude der beiden noch einmal vergrößerte.
Welch eine Welt, die es jungen
Ehepaaren so schwer macht...
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