Donnerstag, 15. März 2018

Sterbestunde

„Was soll ich denn sagen, wenn eine alte Frau eine Messe um eine gute Sterbestunde bestellt?“ Wie sehr Regina diese Frage bedrängt, war ihr anzusehen und aus ihrer Stimme heraus zu hören. Zur Erklärung: viele Menschen wenden sich an uns mit ihren Sorgen und Anliegen, schriftlich, am Telefon oder eben direkt, wenn sie an unsere Pforte kommen. Sie bitten um unser Gebet oder auch um die Feier der heiligen Messe in ihren Anliegen. Regina hilft schon Jahre bei uns im Büro und an der Pforte aus: als 16jährige fing sie an, jetzt hat sie gerade ihr Lehramtsstudium abgeschlossen und ist für drei Monate nach Australien gereist, um dort Erfahrungen zu sammeln, bevor sie dann im Herbst in Deutschland zu unterrichten beginnen wird. „Für mich ist das irgendwie noch so weit weg“, sagte sie. „Klar, wenn da eine über 80jährige Frau kommt, dann ist das mit der Sterbestunde anders. Aber was soll ich denn sagen?“ Ich fragte Regina, wieso sie denn überhaupt etwas sagen wolle und ob sie nicht einfach sagen könne, was sie sich eben denkt... Im Gespräch wurde mir klar, dass die Bitte um eine gute Sterbestunde für manche junge Menschen wohl weiter weg von ihrem Leben ist als irgendeine „fantasy-Geschichte“.

Und dann war da noch die Zeitungsnotiz in der vergangenen Woche unter der Überschrift „Gruselig“. Eine 13jährige hatte in einem Freizeitpark vor dem dortigen „Horrorhaus“ den Grabstein ihres 1996 verstorbenen Opas entdeckt. Der Freizeitpark-Betreiber wollte den Horror „verstärken“ und hatte bei einem Steinmetz Grabsteine gekauft. Der Steinmetz hatte also nicht für eine fachgerechte Entsorgung des Grabsteins gesorgt und der Freizeitpark-Betreiber wurde mit einer Geldstrafe wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener belegt.

Was mich an eine mehrtägige Wanderung durch den englischen Peak-District vor vielen Jahren erinnerte. Unterwegs hatten Michael und ich zwei Mädchen getroffen, eine Amerikanerin und eine Deutsche, mit denen wir die letzte Etappe des Tages zusammen wanderten. Am Ziel angekommen trennten wir uns. Denn die jungen Damen wollten nicht wie wir in der Jugendherberge übernachten, sondern – auf dem Friedhof! Was mir abgesehen von allen praktischen Unannehmlichkeiten auch ein wenig unheimlich gewesen wäre.

Da gibt es also den Nervenkitzel und dann auch wieder die Scheu im Umgang mit Sterben und Tod.

Jetzt in der Zeit der Vorbereitung auf Ostern ist das ja für Christen durchaus auch ein Thema. Wir schauen auf den Leidens-, den Kreuzweg Jesu Christi und in Verbindung damit vermutlich auch auf unseren eigenen Weg zum Tod hin. Irgendwo las ich, dass es eine Fortsetzung von Mel Gibsons „Passion“ geben soll. Der Film hatte damals sehr geteilte Reaktionen hervor gerufen – nach meinem Geschmack war er nicht.

Auf der anderen Seite ist mir als „Missionar vom Kostbaren Blut“ die Auseinandersetzung mit dem blutigen Leiden und Sterben Jesu nicht fremd. Und ich weiß, dass unser Gründer seinen Mitbrüdern den monatlichen Einkehrtag auch und gerade zur Vorbereitung auf einen guten Tod empfohlen hat. Und das Gebet um eine gute Sterbestunde hat eine lange Tradition.

Im Gespräch mit Regina dachte ich mir, dass junge Leute, in deren Familien solch ein Gebet vor kam, seinen Platz im gemeinsamen Familiengebet hatte, wahrscheinlich weniger irritiert reagiert haben als junge Leute heute, die tatsächlich gar keinen Bezug mehr zu solch einem Gedanken haben.

Wobei ja manche sogar als geistliche Übung empfehlen, sich einmal zu überlegen, was auf dem eigenen Grabstein stehen sollte. Nicht aus Nekrophilie, sondern aus Liebe zu Leben...

Und dann gibt es noch ein interessantes Projekt, das mit dieser Frage zu tun hat:
https://www.jesuiten.org/aktuelles/details/article/aktionsprojekt-before-i-die-in-muenchen.html