Montag, 31. Mai 2021

Heilige in Rom (2)

 Durch unsere Kontakte und Zusammenarbeit mit den Anbeterinnen des Blutes Christi, dem „weiblichen Zweig“ unserer Ordensfamilie, war ich inzwischen einige Male zu Besuch im Generalat der Schwestern, das baulich mit einer Kirche verbunden ist, in welcher die hl. Maria De Mattias, die Gründerin der Schwesterngemeinschaft begraben liegt. Bei ihrer Heiligsprechung in Rom im Jahr 2003 war ich dabei. An ihrem Grab denke ich an viele Schwestern aus dieser Gemeinschaft, die ich kenne oder kannte und bete für sie.

Und einen letzten Ort möchte ich erwähnen, zu dem ich manchmal spaziere: die Basilika St. Paul vor den Mauern. Ich erinnere mich an meinen ersten Besuch dort als Schüler, der dabei war eine „Facharbeit“ in Latein zu schreiben, Titel: „Die Missionsreisen des Apostels Paulus unter dem Gesichtspunkt seiner römischen Staatsbürgerschaft“. Und dann die große Paulus-Statue vor der Kirche: „Doctori gentium – praedicatori veritatis“ - „dem Lehrer der Völker – dem Prediger der Wahrheit“, da hatte der Latein-Unterricht doch zu einer praktischen Anwendung geführt. Aufgrund von Corona kam es ein, zwei Mal vor, dass ich wohl der einzige oder einer von zwei Besuchern in der riesig großen Kirche war. Was einerseits fast unheimlich ist, andererseits aber sehr ungestört beten lässt, etwa bei den Ketten, die dort gezeigt werden, mit denen Paulus der Legende nach während seiner römischen Gefangenschaft angekettet gewesen sein soll...

In einer Seitenkapelle der Kirche gibt es ein besonderes Kreuz, welches einen verheerenden Brand – nicht ganz unbeschadet – überstanden hat. Vor ihm hat nicht nur Birgitta von Schweden gebetet (und eine Vision gehabt?), sondern auch Ignatius von Loyola und seine Gefährten. Die letzteren haben übrigens in dieser Kirche ihre Ordensgelübde abgelegt.

Neulich hatte ich „dienstlich“ im Vatikan zu tun, zuerst bei der Kleruskongregation und dann bei derjenigen für die Ordensleute. Und ehrlich gesagt mutet mich das manchmal auch etwas komisch an, so ein eigener Flair von „frommer Behörde“. Weil ich jedoch auf den zuständigen Monsignore warten musste, nahm ich eines der im „Wartezimmer“ bereit liegenden Bücher zur Hand: eine Beschreibung des Lebens von Märtyrern der Ukrainisch Griechisch-Katholischen Kirche – das Buch half mir aus meinen skeptischen Gedanken heraus. Weil ich früh dran war, hatte ich vor dem „Dienstlichen“ schon einen Besuch in der Kirche der Karmeliten in der Via della Conciliacione gemacht, S. Maria in Traspontina. Ich glaube, dort war ich früher nie, weil ich einfach immer zielstrebig auf den Petersdom zu bin. Beim Hineingehen fiel mir das Bild von Titus Brandsma auf, ein niederländischer Karmelit, der im KZ Dachau starb und selig gesprochen wurde.

Immer wieder sind es diese „Begegnungen“, die den Blick weiten, die eine Ahnung eröffnen von dem, worum es bzw. um wen es letztlich geht.

Deswegen ist für mich ein ganz besonderer Ort auch die Kirche St. Bartholomäus auf der Tiberinsel, welche den Märtyrern des 20. Jahrhunderts gewidmet ist. Verschiedene Bereiche der Kirche, Seitenkapellen, sind verschiedenen Gruppen von Märtyrern gewidmet, etwa denen des Kommunismus oder denen des Nationalsozialismus. Und es finden sich persönliche Gegenstände dieser Gestalten. Ein Ehrfurcht gebietender und inspirierender Ort.

Zwischendurch gibt es dann besondere Entdeckungen. Weil ich auf einem dienstlichen Weg in die Nähe von Raffael kam, einem spanischen Freund, den ich schon lange kenne, rief ich ihn an und er lud mich sofort ein: „komm doch vorbei!“ Bei Raffael, dem spanischen Trinitarier, war gerade auch noch Jorge, ein mexikanischer Josefsmissionar zu Gast. Und nachdem wir miteinander einen Kaffee getrunken hatten, gab uns Raffael eine Kirchen- und Klosterführung. Beides ist ein Werk des berühmten Borromini, Zeitgenosse und Konkurrent von Bernini. Und in der Kirche befindet sich das Grab von Elisabetta Canori Mora, einer selig gesprochenen Ehefrau und Mutter, die schier Unmögliches ertragen hat. Von ihr hatte ich vorher noch nie etwas gehört – jetzt kommt sie mir öfter in den Sinn...

Samstag, 15. Mai 2021

Heilige in Rom (1)

Zugegeben: meistens gehe ich stadtauswärts spazieren – ins Grüne. Das Valle della Caffarella ist ein großer Park und lässt mich Natur genießen. Weniger oft gehe ich in die Stadt hinein. Wenn aber, dann besuche ich gerne die ein oder andere Kirche, in Rom soll es an die 1000 (!) davon geben. Und in vielen davon finden sich die sterblichen Überreste von Heiligen.

Am 16. April ist der Gedenktag des hl. Benedikt Labre. Von ihm habe ich zum ersten Mal während meines Studiums gehört, als ich in München bei der Bahnhofsmission ein Praktikum machte. Eine der Obdachloseneinrichtungen, die ich dabei kennen lernte, heißt „Benedikt-Labre-Haus“. Auch Benedikt Labre war ein Obdachloser, ein Pilger durch Europa und die letzten Jahre seines Lebens in Rom. Hier starb er und ist beerdigt in Santa Maria ai Monti, wo er oft gebetet hatte. Als ich das jetzt las, fiel mir auf, dass ich wohl einmal in dieser Kirche gewesen war, ohne um das Grab des Heiligen zu wissen. Also ein anderes Mal...

Dagegen bin ich am Festtag des hl. Laurentius (10. August) des vergangenen Jahres zu dessen Grab gepilgert. Eher modern: mit der Straßenbahn. Meine erste Straßenbahnfahrt in Rom. In der berühmten Kirche S. Lorenzo fuori le mura ist auch der heilige Papst Pius IX. beerdigt, was ich erst nachher erfuhr. Der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolff hat im vergangenen Jahr eine Biographie über ihn vorgelegt, Titel: „Der Unfehlbare“. Bei aller Kritik an ihm: er war ein Freund und Förderer der Missionare vom Kostbaren Blut. „Freunderlwirtschaft?“ Ich weiß und hoffe es nicht! Im November waren wir gemeinsam noch einmal in der Gegend, nicht in der Kirche, sondern auf dem Campo Verano, Roms größtem Friedhof, dessen Haupteingang direkt neben S. Lorenzo liegt.

Mehreren verstorbenen Päpsten lässt sich natürlich in St. Peter begegnen. An dieser Stelle war ich schon gerne, bevor ich mich zu den Einwohnern Roms zählen konnte. Und das ist natürlich etwas Besonderes jetzt, den Petersdom in einer knappen Stunde zu Fuß erreichen zu können. Mancher Papst ist dort auch nach seinem Tod noch einmal „umgezogen“. Während man zu den Gräbern der meisten Gräber hinab steigen muss, befinden sich einige auch ebenerdig. Johannes Paul II. etwa hat seinen Platz in einer Seitenkapelle des Petersdoms gefunden – und im Normalfall ist dort immer jemand am beten. Auch in Corona-Zeiten. Ich selbst bleibe gerne auch noch einen Moment bei Johannes XXIII. stehen. Keine Frage, dass es immer etwas Besonderes ist, in der Nähe des Petrusgrabes zu sein. Und ich freue mich auch darauf, wieder in die Krypta des Petersdoms hinunter gehen und beim Grab Paul VI. beten zu können. Wegen Corona geht das momentan nicht.

Von Madeleine Delbrel, einer „modernen Heiligen“ (ihr Seligsprechungsprozess ist eröffnet) wird übrigens berichtet, dass sie einmal eine „Blitzreise“ von Paris nach Rom unternahm. Nachdem sie die Nacht durch im Petersdom gebetet hatte, kehrte sie am nächsten Tag wieder zurück...

Ganz in Nähe des Trevi-Brunnens, den wohl fast alle Rom-Touristen besuchen, befindet sich in einer kleinen Kirche das Grab des hl. Kaspar del Bufalo. Er hat die Gemeinschaft gegründet, zu der ich gehöre und für die ich arbeite. Und ich freue mich, in „seiner Stadt“ und in „seiner Nähe“ zu leben. Den Besuch bei ihm kann ich mit einem Besuch bei meinem Namenspatron verbinden. In S. Ignazio liegt Aloisius von Gonzaga begraben. In derselben Kirche ihm „gegenüber“ Johannes Berchmans, zwei jung gestorbene Heilige aus dem Jesuitenorden. Und weil ich bei diesem angelangt bin: so wie der hl. Kaspar bereits als Kind von seiner Mutter zum Grab des hl. Franz Xaver getragen wurde und wie der Junge und der Erwachsene später gerne dorthin ging, so ist das – gerade deswegen – auch für mich ein besonderer Ort. Und keine Frage, dass ich in der Kirche Il Gesù dann auch den Gründer des Jesuitenordens besuche, den hl. Ignatius von Loyola. Dort denke ich an Jesuiten, die ich kennen und von denen ich lernen durfte. Für diese ist es übrigens ein besonderes Jahr: sie erinnern an die Bekehrung des hl. Ignatius vor genau 500 Jahren. Ausgelöst durch eine Kanonenkugel, die ihm das Bein zerschmetterte und ihn so auf das Krankenlager warf.

Heute (15. Mai 2021) findet übrigens in der römischen Lateranbasilika wieder eine Seligsprechung statt: Franziskus Jordan, der Gründer der Salvatorianer, ein Deutscher, sein Grab ist ebenfalls in Rom, wird heute selig gesprochen und Menschen in aller Welt freuen sich und feiern mit.