Dienstag, 30. Juni 2020

Bürokratie à la Romana...

Wir machen uns früh auf den Weg – müssen wir doch zuerst zur Ordenskongregation vor den Toren des Vatikan und danach in ein Büro des italienischen Staates am anderen Ende der Stadt Rom (EUR).
Vor der Tür setzen wir die Mund-Nasen-Bedeckung auf und dann geht es zuerst einmal zum Thermoscanner. Das geschieht nicht, indem uns – wie an anderen Stellen, etwa beim Betreten der Basiliken - jemand ein Thermometer an die Stirn hält, sondern indem wir uns einem Smartphone nähern, das unsere Temperatur misst, wenn wir im richtigen Abstand davon stehen. Dummerweise ist dieses Gerät wohl für italienische Größenverhältnisse ausgelegt. Ich muss ziemlich in die Knie gehen, damit die Temperaturmessung bei mir funktioniert.
Danach warten wir kurz, bis Sig. Stefano frei ist. Freundlich grüßt er und stellt uns das erste der beiden beantragten Dokumente aus, gegen fünf Euro Gebühr. Das zweite Dokument ist an der Kasse abzuholen. Dort steht jedoch noch eine Ordensfrau am Schalter, also warten wir. Nach einer gefühlten Ewigkeit ist die Schwester fertig, ich gehe zur Kasse und erfahre von der Dame dort, dass das gewünschte Dokument noch nicht da sei und sie sich telefonisch melden würde, wenn wir es abholen könnten.
Das gefällt uns nicht und bringt unsere Planung durcheinander. Wir gehen von der Kasse weg und möchten noch einmal bei Sig. Stefano vorsprechen, dessen Bürotür offen steht. Allerdings sitzt bei ihm „die nächste Kundschaft“. Über sie hinweg nimmt er mich allerdings wahr und fragt kurz nach. Und auf meine Antwort hin, bittet er uns, kurz zu warten. Nachdem er die Schwester bedient hat, verlässt er sein Büro und kommt nach Kurzem mit einem Stapel Papiere aus einem anderen Büro zurück. Noch einmal gehe ich jetzt an die Kasse und bekomme gegen eine Gebühr von 70 Euro das gewünschte Dokument. Diesmal nicht mit Stempelmarke, sondern auf schönem Büttenpapier.
Geschafft!

Auf dem Weg zur U-Bahn kaufen wir in einem Tabak-Geschäft eine italienische Stempelmarke um 16 Euro und fahren dann Richtung EUR. Juan war schon einmal bei dem Büro, zu dem wir jetzt müssen, allerdings noch vor der Corona-Zeit. Als wir hinkommen, ist die Metalltür zum Gelände zu und es hängen verschiedene Zettel daran. Wir merken jedoch, dass sich Menschen an der Tür vorbei drücken, die herunter gelassene Schranke zur Autozufahrt macht es möglich. Und so drücken auch wir uns vorbei und sehen eine Schlange wartender Menschen auf der anderen Seite des Gebäudes.

Mit etwas ungutem Gefühl gehe ich (im schwarzen Hemd, o je!) an diesen vorbei, um an der Pforte nachzufragen, ob sich das Warten überhaupt lohne. Und höre, wir müssten sowieso einen Termin vereinbaren. „Appuntamento“ - das Zauberwort auf allen Ämtern, wie ich inzwischen gelernt habe.
Juan hat inzwischen die Aushänge dort studiert und einen gefunden, auf dem die Telefonnummer des Herrn steht, zu dem wir wollen. Mutig ruft Juan an und erklärt ihm, dass wir vor der Tür stehen.
Und – unglaublich – bei Sig. Petrucci ist einer von den sieben Vormittagskunden nicht erschienen und wir können diese Lücke füllen. Als wir ihm erklären, worum es geht, erklärt er uns, dass für dieses Vorhaben zwei Stempelmarken à 16 Euro nötig seien. Also macht sich Juan auf den Weg, um eine zweite zu besorgen und ich fülle ein Formular aus.
Sig. Petrucci fragt noch nach, was es mit dem zweiten „a“ auf sich habe. Tatsächlich steht auf einem vatikanischen Dokument „Allagäu“ statt „Allgäu“. Allerhand, siebzig Euro haben wir dafür ausgegeben, aber ich werde nicht darum bitten, dass sie mir ein neues ausstellen. Dagegen lobe ich Sig. Petrucci für seine Aufmerksamkeit und er stellt uns seinerseits das Dokument aus, das wir von ihm brauchen. Als wir das Amt verlassen, können wir unser Glück kaum fassen: wir haben es geschafft. An einem Vormittag!
Zu Hause angekommen, sehe ich mir die Dokumente noch einmal an und stelle fest, dass Sig. Petrucci sich bei der Hausnummer unserer Adresse vertan hat. Anstatt 66 hat er 99 geschrieben. Und dies auf dem Dokument, das mich als rechtmäßigen Vertreter ausweist und nach dem alle fragen, mit denen wir irgendeinen Vertrag abschließen wollen/müssen (Bank, Telefongesellschaft, Handwerker etc.). Sicherheitshalber rufe ich bei Sig. Petrucci an, den ich Gott sei Dank noch im Büro erreiche. Und er erklärt mir, da solle ich mir keine Gedanken machen, ich solle das ruhig selbst ausbessern. Wenn jemand Schwierigkeiten machen würde, dann müssten wir einen Termin ausmachen, damit er ein neues Dokument ausstellen könne, aber er glaube nicht. Hoffentlich hat er Recht – er sprach ja davon, bald seinen Urlaub anzutreten.
Einige Tage später ist Juan unterwegs zu einem Amt, das zwei mal in der Woche für je drei Stunden geöffnet hat. Er ist extra früh los und stand dann vier Stunden in der Warteschlange. Allerdings hat er es wie drei weitere vor ihm und viele nach ihm nicht geschafft, während der Öffnungszeiten ins Amt zu kommen. Zu Hause hat er dann vor allem sein Mitleid mit den älteren Menschen geäußert, die diese Qual auf sich nehmen müssen.

Montag, 15. Juni 2020

Afrika im Generalat

In unserem Haus gibt es allerhand Gegenstände aus den Ländern, in denen Missionare vom Kostbaren Blut tätig sind, nicht zuletzt Kunsthandwerk aus Tansania. Ein Krieger im Treppenhaus erzeugt bei uns eine Mischung aus Erschrecken und Spaß, weil er seinen Speer auf die Vorbeigehenden richtet.

Leider war ich (noch) nie in Afrika. Allerdings kann ich mich gut an zwei Priester der Erzdiözese Salzburg erinnern, die eine Zeit dort verbrachten und hinterher davon sprachen, vom „Afrika-Virus“ infiziert zu sein – es geht offensichtlich eine Faszination von diesem Kontinent aus.

Die zuletzt vor mir hier im Haus Angekommene ist Sr. Bakhita, gebürtig aus Sambia. Die Missionarinnen von der hl. Familie, eine in Polen gegründete Gemeinschaft, sind seit Jahren auch in verschiedenen Ländern Afrikas vertreten. Und ihre offizielle römische Adresse ist dieselbe wie unsere. Sr. Bakhita sah ich eines Tages mit einem Stapel Wäsche auf dem Kopf die Treppe hinauf marschieren. „Ah – Du transportierst auf afrikanische Art?“ fragte ich – und sie bestätigte Freude strahlend.

An einem anderen Tag unterhielten wir uns mit den Schwestern und kamen auch auf Afrika zu sprechen. Die Schwestern erzählten von einer polnischen Mitschwester, die viele Jahre in Afrika gewesen war und unbedingt dort bleiben, nicht in ihre Heimat zurück kehren wollte. Weil sie sich einfach für sich selbst kein „polnisches Begräbnis“ vorstellen konnte, sondern ein afrikanisches wollte, wo gesungen und getanzt wird. „Wer tanzt denn, wenn ich in Polen beerdigt werde?“

Francesco dagegen kam aus Tansania zurück, über 40 Jahre hat der Missionar vom Kostbaren Blut dort an verschiedenen Orten gelebt. Einmal hörte ich, er spräche so gut Suaheli, dass die Einheimischen ihn in Zweifelsfällen um Rat fragen. Francesco ist also zurück gekehrt, zwei Tage vor mir hier im Haus eingezogen. Wobei es für ihn eine Durchgangsstation ist, bis ihm der italienische Provinzial einen neuen Bestimmungsort bzw. eine neue Aufgabe zuweist. Manchmal sucht er ein italienisches Wort, es kommt ihm nur das Englische. Und klar: immer wieder erzählt er aus Tansania.

Etwa voller Unmut über den Staatspräsidenten, der sich genau wie andere Staatsoberhäupter in Bezug auf den Umgang mit der Corona-Pandemie nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

Spannend fand ich auch ein Tischgespräch, bei dem es um Kirchenbau ging. Francesco regte sich darüber auf, wie die jungen afrikanischen Mitbrüder Kirchen bauen: „im gotischen Stil, lang und hoch, mit Fenstern, die sie aus Indien importieren“. Francesco, selbst Teilnehmer an der Afrika-Synode vor einigen Jahren, erinnerte seine jungen afrikanischen Mitbrüder an das von der Synode verwendete Bild für die Kirche: „Kirche als Familie Gottes“. „Also, wo hält sich denn die Familie auf? Im Wohnzimmer, im Kreis um den Tisch... Wieso lasst ihr denn dieses Bild nicht die Architektur der Kirche bestimmen?“ Aber sie hören nicht auf ihn.

Francesco bestätigt außerdem, was ich ja bereits in Deutschland gehört hatte, den ungeheuren Einfluss der Chinesen in Afrika. Sie sind überall präsent. Und regelmäßig fliegen Afrikaner zum Einkaufen verschiedener Dinge nach China.