Donnerstag, 30. Juni 2022

... und Essen

In den USA wird Fronleichnam wie in vielen anderen Ländern auch am Sonntag nach dem Donnerstag gefeiert, an welchem in Österreich und manchen Teilen Deutschlands der Feiertag ist. So waren wir also am Sonntag zur Fronleichnamsmesse in einer St. Jakobus-Kirche in Chicago. Der Pfarrer predigte unter anderem darüber, dass Jesus, indem er sagte: „das ist mein Leib für euch“, das Medium der Speise, des Essens wählte, um den Seinen nahe zu sein. Und das sei ja tatsächlich etwas für uns Nachvollziehbares. An dieser Stelle schauten und lächelten Bill und ich uns an. Bill hatte ein paar Mal in den vergangenen Tagen für uns Gäste gekocht, ausgezeichnet übrigens. Im Deutschen denken wir an „Liebe geht durch den Magen“.

Neu fühlte ich mich bestätigt darin, das gemeinsame Essen und letztlich auch die Lebensmittel selbst als etwas „Heiliges“ zu betrachten.

Vor diesem Hintergrund höre und lese ich dann auch die Nachrichten über Nahrungsmittelkrisen, weil z.B. in der Ukraine gelagertes Getreide nicht weiter transportiert wird. Und deswegen Menschen zu verhungern drohen.

Vor und nach dem USA-Aufenthalt war ich in Salzburg und traf dort unter anderem Mitarbeiterinnen der „Pfarrquelle“ der Pfarrei Salzburg-Parsch. Seit einigen Jahren existiert diese Einrichtung. Die Mitarbeiterinnen bekommen Lebensmittel von drei Geschäften bzw. Supermärkten und geben diese an einkommensschwache bzw. bedürftige Menschen weiter. Sie erzählten mir, dass die Angestellten im Supermarkt schlicht keine Zeit haben, um bei Gemüse und Obst auszusortieren. Wenn da an einer Stelle etwas zu faulen beginnt, ein Salatblatt braun wird oder eine Tomate matschig, dann wird schlicht der ganze Salat oder das ganze Körbchen Tomaten weggeworfen. Da treten dann die Pfarrquellen-Mitarbeiterinnen auf den Plan, sortieren aus, waschen Gemüse und Obst und können es weitergeben. Aber auch anderes, z.B. Brot.

Wir wissen ja, dass die weltweit produzierten Lebensmittel reichten, um die gesamte Weltbevölkerung satt zu machen. Es scheitert an der Verteilung. Was angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten schon unvorstellbar scheint, nicht zu glauben ist...

Vor kurzem habe ich eine Petition unterzeichnet, auf die ich in einem Rundbrief einer Einrichtung der Jesuiten gestoßen war, deren Forderung heißt: „Lebensmittel auf den Teller und nicht in den Tank“. Das ist ja eine weitere merkwürdige Praxis...

Und bei Jesuiten fällt mir der deutsche Jesuit Jörg Alt ein, der beim „Containern“ erwischt, dann angezeigt und auch wieder freigesprochen wurde. Wie gut, dass ein „Kirchenmann“ auf den un- bzw. irrsinnigen Umgang mit Lebensmitteln hinweist. Unverdorbene Lebensmittel landen im Container, weil z.B. das Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Sich aus dem Container zu bedienen ist jedoch verboten.

Eine Petition unterzeichnen, gesellschaftlich oder politisch Stellung beziehen ist das eine. Wozu ich Dich, der Du das liest, einladen möchte ist, verantwortlich zu konsumieren. Tatsächlich sorgsam mit Lebensmitteln umzugehen und nichts weg zu werfen. Ich erinnere mich, wie wir zu Hause alt gewordenes Brot an die Enten am See verfütterten, was damals noch erlaubt war. Und es kam ja ohnehin selten vor. Bis heute tut es mir innerlich weh, wenn ich weggeworfenes Brot sehe. Das geht einfach nicht.

Die Mitbrüder am Wallfahrtsort Maria Baumgärtle, wo viele Leute zur Beichte kommen, erzählen mir, dass die Zahl derjenigen zugenommen hat, die in der Beichte einen „unachtsamen Umgang mit Lebensmitteln“ bekennen. Ob da ein neues Bewusstsein wächst?

Regelmäßige Leser*innen meines Blogs wissen, dass ich hin und wieder einmal faste. Auch diese Praxis kann zur Bewusstseinsbildung beitragen. Zum einen verbinde ich mich beim Fasten mit Menschen, die Hunger leiden. Die sich nicht zum Fasten entschieden, sondern keine andere Wahl haben. Jeweils neu wird mir das bewusst. Zum anderen ist eine Mahlzeit nach einem Fasttag oder einer Fastenwoche eine andere Erfahrung. Es ist nicht selbstverständlich, etwas zu essen zu haben.

Glücklich die Kinder, die zu Hause lernen, vor dem Essen zu beten und für die Gaben der Schöpfung zu danken. Auch diese Praxis hat ihren guten Praxis im Gefüge eines guten, verantworten Umgangs mit Nahrungsmitteln.... natürlich nicht nur für Kinder!

 

Mittwoch, 15. Juni 2022

Fronleichnam

„Wollen Sie denn wirklich aus Fronleichnam ein Grätzlfest („Grätzl“ wienerisch für „Stadtteil“) machen?“ Mit einem vernichtenden Blick sah mich die ältere Dame an, als ich einen für sie offensichtlich unmöglichen Vorschlag gemacht hatte. Es ging um die Art und Weise Fronleichnam, das Hochfest des Leibes und Blutes Christi, zu feiern.

Aufgrund der Wahrnehmung, dass die an einer klassischen Fronleichnamsprozession Teilnehmenden manchmal Unverständnis, oft aber auch Gleichgültigkeit begegnen, wagte ich es, eben diese klassische Form zu hinterfragen. Worum geht es? Den „Leib Christi“ zu feiern. Wenn eine in einer goldenen Monstranz herumgetragene Hostie als solcher vielen nicht mehr verständlich ist, könnte dann nicht der „Leib Christi“ sich anders präsentieren? Sind nicht auch wir als Gemeinde „Leib Christi“? Ich dachte laut nach, ohne mir selbst schon ganz sicher zu sein. Könnten wir nicht als Mitglieder der katholischen Pfarrgemeinde unsere Hilfestellung anbieten bei Straßenfesten in unserem Gemeindegebiet und dadurch zu einem größeren sozialen Zusammenhalt und zum Wachsen der Gemeinschaft untereinander beitragen? Letztlich ein Beitrag zum Wachsen des „Leibes Christi“…

Wobei ich ja der letzte bin, der alles (scheinbar) Unverständliche sofort abschaffen möchte. Ein besonderes Kennzeichen unserer Zeit und Gesellschaften scheint mir die „Ungleichzeitigkeit“ zu sein. An einem Ort mag passen, was am anderen überhaupt nicht (mehr) geht…

Wie im Hinblick auf andere Themen und Feste auch, scheint es mir angebracht, regelmäßig innezuhalten. Und nicht sofort in die Planung einzusteigen und alles „so wie immer/im letzten Jahr“ zu machen. Nein, halt: warum tun wir, was wir tun? Was bedeutet das für uns und die Menschen um uns herum?

Ich persönlich finde ja ein klassisches Fronleichnamsfest wunderschön. Z.B. deswegen, weil es im Gegensatz zu einer „normalen Sonntagsmesse“ mehr Menschen in die Gestaltung einbeziehen kann. Z.B. beim Schmücken der Altäre, durch die Musik, bei der liturgischen Gestaltung unterwegs. In Tirol und an anderen Orten schießen dann noch – auch nicht zum Gefallen aller – die Schützen.

Unter vielen Fronleichnamsfesten ist mir eines in einer kleinen Unterallgäuer Gemeinde unvergesslich. Ich trug die Monstranz und vor mir gingen die Erstkommunionkinder des Jahrgangs, die Mädchen in ihren weißen Kleidern, die Buben im Anzug. Und irgendein Lausbub (oder Frechdachs?) hatte nichts Besseres zu tun, als einem vor ihm gehenden Mädchen immer wieder hinten auf die Ferse zu treten, so dass ihr Fuß aus dem Schuh herausglitt. Irgendwann ließ sie dann den Schuh liegen und ging so – nur den Strumpf am Fuß – weinend weiter. Erst in diesem Moment griff jemand von den Erwachsenen ein. Dieses Erlebnis beschäftigte mich lange. Stammte die Prozessionsordnung an diesem Ort noch aus der Zeit, als es eine Schule in der Gemeinde gab und eine Lehrerin, ein Lehrer, die Kinder begleitete (, um solche Szenen zu vermeiden)? Oder hat sich das Gespür gegenüber „dem Heiligen“ grundsätzlich verändert und darf eben tatsächlich (nicht nur bei Kindern) nicht einfach vorausgesetzt werden? Wie ist es um den sozialen Zusammenhalt in einer Gemeinde bestellt? Hat vielleicht niemand eingegriffen, um sich nicht Scherereien mit den Eltern des besagten „Lausbuben“ einzuhandeln?

Während meiner ersten Dienstjahre als Kaplan entwickelten wir gemeinsam mit dem Pfarrer und danach dem gesamten Pfarrgemeinderat eine auch schon ein wenig „revolutionäre Idee“ im Hinblick auf Fronleichnam. Und zwar schlugen wir eine neue Prozessionsroute vor! Also nicht denselben Weg wie jedes Jahr. Ich kann mich nicht erinnern, wie groß die Zustimmung zu diesem Vorschlag war, auf jeden Fall wurde er akzeptiert. In der Folge dessen hatten dann der Pfarrer und ich allerhand zu tun. Wir besuchten viele der Haushalte am „neuen“ Prozessionsweg und baten die Menschen, am Festtag ihre Häuser zu schmücken, natürlich vor allem auch an den Stellen, wo ein Altar geplant war. Diese scheinbar nur „organisatorischen“ Besuche bedeuteten dann viel mehr. Wir kamen in Kontakt mit Menschen in unserer Gemeinde, wie wir ihn zum Teil zuvor nicht hatten. Und viele waren unserer Einladung gefolgt und hatten Blumen bzw. fromme Bilder ans Fenster gestellt.

An einem anderen Fronleichnamsfest luden wir zur musikalischen Gestaltung Jugendliche ein, die sich in eben diesem Jahr auf ihre Firmung vorbereiteten. Wir hatten mitbekommen, dass es unter ihnen einige Musiker*innen gab. Auch das habe ich in guter Erinnerung: auch wenn manche Töne etwas schräg klangen war das Bild der musizierenden Jugendlichen ein schönes. Und diese konnten sich mit ihren Gaben und Fähigkeiten einbringen…