Donnerstag, 31. Oktober 2013

Seelsorge, die durch den Magen geht...

„Dürfen wir Ihnen eine Gans auf Kirchweih vorbei bringen? Sie haben das so schön gemacht bei unserer Goldenen Hochzeit – wir möchten uns einfach noch einmal bedanken.“ Als einer, der vielleicht gerade noch fähig ist, Würste heiß zu machen oder ein Spiegelei zu braten, zögerte ich einen Moment und sagte dann zu, vor allem um dem Jubelpaar eine Freude zu machen. Und war dann froh, als Tatjana in der Küche sagte, sie käme wohl mit der Gans zurecht und man könne sie eventuell ja als ganze einfrieren – die ganze Gans... Kurz darauf kam sie, ein großes Exemplar, morgens geschlachtet, noch warm... Aber Gott sei Dank schon gerupft, gezupft...

Mir fielen dann andere Episoden ein. Vor Jahren hatte ich einmal das Kind eines Försters und Jägers getauft und bekam danach von ihm Wildschweinrouladen, von seiner Frau bereits mariniert, also bratfertig. Leider gerieten diese dann in der Küche nicht so toll. Was mich darüber nachdenken ließ, wie das ist, wenn wir mit gutem Material nicht sachgerecht und adäquat umgehen. Das ist ja ähnlich wie bei der Predigt: die Grundlage, Gottes Wort in der Heiligen Schrift, ist grandios. Und wir machen nicht immer das Beste daraus, wir Predigerinnen und Prediger. Aber halt – ich wollte nicht gleich „zur Moral von der Geschicht´“ kommen, es gibt noch eine andere tatsächliche Küchenszene.

Die liegt länger zurück. Ich war Kaplan in Klagenfurt. Wo ich gar nicht alle Einladungen „auf a Jaus´n“ annehmen konnte. Auch von Nicht-Kirchgängern übrigens. Und einmal läutete in der Mittagszeit die Hausglocke und vor mir stand der Nachbar mit einem Riesen-Fisch in den Händen. „Den habe ich beim Angeln gefangen und wollte ihn Ihnen schenken“ strahlte er mich an. Nach einem Moment der Sprachlosigkeit bedankte ich mich und erklärte, noch schnell eine Platte holen zu wollen, um den Karpfen, ein solcher war´s, in Empfang zu nehmen. Als ich eine große Platte gefunden hatte und mit dieser bei der Haustür war, legte der Nachbar den Karpfen auf die Platte und der Karpfen schien mir noch einmal zu zappeln, zu meinem großen Entsetzen („lebt der etwa noch?“) – aber wenigstens hüpfte er nicht von der Platte herunter...

Ach ja, zum Essen gehört ja auch das Trinken. „Herr Pfarrer, meine Mutter ist untröstlich! Die Sternsinger sind dieses Jahr nicht hier gewesen. Können Sie die nicht noch bei uns vorbei schicken?“ So sagte mir eine hörbar verzweifelte Frau in Salzburg an einem 7. oder 8. Jänner am Telefon. Ich musste ihr erklären, dass die Sternsingeraktion abgeschlossen sei, die Königsgewänder wieder verstaut bis ins kommende Jahr. „Das geht nicht, Herr Pfarrer, meine Mutter hält das nicht aus, das können Sie nicht machen“. Als mir die Not der Anruferin klar wurde, fragte ich vorsichtig: „würde es denn eine Hilfe sein, wenn ich als Pfarrer vorbei käme, um einen Besuch zu machen und den Segen an die Haustür zu schreiben?“ „Das würden Sie tun, Herr Pfarrer? Das wäre wunderbar!“ Gesagt, getan, wir vereinbarten einen Termin. Ich ging zu der alten Dame und bekam außer der Sternsingerspende auch die für die Sternsingerkinder zurück gelegten Schokoladetafeln. Und damit nicht genug: an Ostern ließ die Dame eine Flasche edlen Champagners bei mir vorbei bringen – immer noch als Dank für den nachgeholten Sternsingerbesuch...

Was sich vor kurzem zugetragen hat: ich ging zu Fuß zur Abendmesse nach Bedernau. Wann immer ich kann, leiste ich mir diesen Luxus, ca. vier Kilometer, 40 Minuten, ein wunderschöner Weg. Als ich am Freitag nach der Messe zurück ging, hörte ich plötzlich jemand „Pater Alois“ rufen. Als ich mich umdrehte, stand da eine Frau bzw. sie lief auf mich zu mit einer kleinen Tüte in der Hand: „ich wollte Ihnen eine Brotzeit mit auf den Weg geben!“ „Wie wissen Sie denn, dass ich jetzt gerade hier vorbei komme?“ „Ja der Christoph (Anmerkung: der Sohn besagter Frau) hat doch ministriert und der sagte mir: `jetzt musst du schnell sein, wenn du dem P.Alois noch etwas mit auf den Weg geben möchtest´“. Also ging ich den Weg weiter mit köstlich knusprigen Salzspitz ausgestattet, die ich mir tatsächlich nach der Rückkehr noch schmecken ließ. Dankbar für die Aufmerksamkeit und zufrieden über den abendlichen Fußmarsch...

Dienstag, 15. Oktober 2013

"Beleidigte Leberwurst"...

Da haben wir sie wieder gehört: die schöne Geschichte aus dem Buch Jona über die Einwohner Ninives, die ihr böses Treiben ließen, umkehrten und damit auch Gott zum Umdenken brachten.
„Da reute Gott das Unheil, das er ihnen angedroht hatte, und er führte die Drohung nicht aus“ (Jona 3,10).
Ist Gott so? Beleidigt, wenn wir Menschen uns nicht anständig benehmen, so dass wir uns anstrengen müssen, irgendwie „gut Wetter zu machen“? Oder übertragen wir da nicht eine allzu menschliche Vorstellung auf ihn? Weil wir uns irgendwie behelfen müssen, möchten...

„Caro mio ben Gesú, non ti vorrei offender´ piú“ - so habe ich einmal ein italienisches Gebet gelernt. „Mein lieber Jesus, ich möchte dich nicht mehr beleidigen“. Und im Beichtstuhl begegnet mir auch immer wieder diese Formulierung: „ich habe Gott beleidigt“. Achtsam versuche ich mit so etwas umzugehen, klar. Und doch auch mit einer gewissen Sorge: dass jemand die Sache mit Gott für sich eventuell zu schnell klar hat. Gott beleidigen – wieder brav sein – neu anfangen. Ohne unruhig zu bleiben, auf der Suche nach dem wirklichen, nie begreifbaren Gott. Der immer ganz anders ist.

Unter den aktuellen Neuerscheinungen auf dem theologischen Buchmarkt heißt ein Titel: „Kann man Gott beleidigen?“ Untertitel: „Zur aktuellen Blasphemie-Debatte“. Immer wieder zogen in den letzten Jahren Menschen demonstrierend, protestierend vor Kinos, wenn ihnen der zu zeigende Film „beleidigend für Gott“ schien. Und manche Christen verweisen dann auf das Verhalten mancher Muslime, die sich Karikaturen des Propheten Mohammed und anderes eben nicht gefallen lassen. Was wäre los, wenn...

Blasphemie-Gesetze sind eine heikle Angelegenheit, wenn sie vor allem dazu gemacht scheinen, um eine Handhabe gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, Angehörige einer bestimmten Religion in der Hand zu haben.
„Kann man Gott beleidigen?“

Und wieder zitiere ich den Satz des großen mittelalterlichen Theologen Thomas von Aquin: „non enim Deus a nobis offenditur, nisi ex eo, quod contra nostum bonum agimus“. Auf deutsch: „Gott wird durch nichts (anderes) beleidigt, außer durch dasjenige, womit wir uns selbst schaden, was wir gegen unser eigenes Wohl anrichten“.
Ich glaube, es ist der einzige Satz von Thomas, den ich mir aus meinem Studium in Erinnerung behalten habe. Und immer noch bin ich glücklich über diesen Satz. Er korrigiert ein Verständnis, das Gott und Mensch als Konkurrenten erscheinen lässt. So in die Richtung: „die Menschen müssen tun, was dem lieben Gott gefällt. Und wehe nicht: dann gibt es Ärger! Gott ärgert sich, ist beleidigt und die Menschen haben gefälligst umzukehren“. Dabei gerät aus dem Blick, das Gott ja ein „Gott für uns“ ist, der an nichts so interessiert ist wie an unserem Wohlergehen. Und dass wir zu unserem Heil am besten dann finden, wenn wir uns für Gott und seine Maßstäbe interessieren.
Also: umkehren nicht, um den zornigen Gott wieder gnädig zu stimmen. Sondern um etwas für sich selbst zu tun!

Und nach all dem: so fragwürdig ich die Vorstellung des beleidigten Gottes halte, ich kann mir auch nicht vorstellen, dass mein und unser Verhalten Gott völlig kalt lässt. Wenn ich mit Gott in einer Beziehung lebe, dann kann es nicht sein, dass er unbeweglich wie ein Felsblock registriert, was ich tue und wie es mir ergeht...

Vor allem aber möchte ich das Gespräch mit Menschen suchen, für die es überhaupt kein Thema ist, ob sie „Gott beleidigen“ oder nicht...