Donnerstag, 30. September 2021

Papstaudienz

Juan hatte die Nachricht erhalten: am 18. September gibt es eine Papstaudienz für die Diözese Rom. Eingeladen sind die Pfarrer und Vertreter aus den Pfarrgemeinden, die Oberen der in Rom ansässigen Ordensgemeinschaften, sowie Vertreter von Bewegungen. Eintrittskarten für die Audienz seien zwischen 13. und 17.9. bei der Pforte des Lateranpalastes (Sitz der Diözese Rom) abzuholen. Juan schlug mir vor, dort ein paar Karten für uns zu besorgen. Also machte ich mich auf den Weg, gleich am 13.9. nachmittags. Und erfuhr, dass die Kartenausgabe sehr beschränkt sei: nur eine Eintrittskarte pro Gemeinschaft. Tatsächlich lag da ein Verzeichnis (annähernd im Buchformat) der Ordensgemeinschaften Roms und ich unterschrieb bei „Missionari del Prez. Sangue“ und unserer Adresse, um eine Karte zu erhalten. Tapfer fragte ich, wie das denn mit den Schwestern sei. „Ja, wenn wir sie hier im Verzeichnis stehen haben“, meinte der freundliche Pförtner. Also bekam ich gegen eine Unterschrift bei „Missionarie della sacra famiglia“ unter unserer Adresse noch eine weitere Karte. Mit diesen beiden Karten trat ich den Heimweg an, gab die eine den Schwestern und erklärte meinen Hausgenoss/inn/en, dass wir halt jetzt entscheiden müssten, welche beiden von uns zur Audienz am Samstag gingen. Die Schwestern hatten kein Interesse (hört, hört!) und so bekamen „wir Männer“ deren Karte. Juan und Gaspar wollten gehen – der Fall schien schon klar. Ich hatte zunächst auch Lust, da ich aber am Tag nach der Audienz für eine Woche verreisen wollte, war ich froh, vorher noch ein wenig „Luft“ zu haben. Doch dann trat auch für Juan eine „Programmänderung“ ein: er hatte für den chilenischen Unabhängigkeitstag Gäste eingeladen, und zwar für 19.9. Und die Gästeliste wurden immer lännger! „Wenn ich den einlade, dann muss ich doch die anderen aus der Gemeinschaft auch einladen...“ Der arme Kerl geriet in Stress. Und bat darum, weil er noch so viel vorzubereiten habe, nicht zur Audienz zu gehen. Da Gaspar nicht alleine los wollte, lag der Ball wieder bei mir. Lustigerweise bekam Juan am 17.9. eine weitere Nachricht, dass noch weitere Karten für die Papstaudienz bei der Pforte des Lateran erhältlich seien. Jetzt auf einmal...

Und so machten Gaspar und ich uns am Samstag, den 18.9. um 8.00 Uhr auf den Weg. Audienz um 11.30 Uhr, Einlass ab 8.00 Uhr. Um 9.00 Uhr betraten wir die Aula Nervi beim Vatikan. Oh je, was machen wir denn jetzt so lange? Ein paar Schlaue hatten ein Buch mit genommen. Aber dann kam es wieder anders: es gab ein „Vorprogramm“. Das mit einer „Singprobe“ begann. Marco Frisina, Musiker, Komponist und Priester, übte mit den Anwesenden die Lieder im Feierheft. Und er tat das auf eine sehr erfrischende, humorvolle Art und Weise, das machte wirklich Freude. Im Gegensatz zum Singen mit Maske – das kommt mir doch ein wenig wie Autofahren mit angezogener Handbremse vor. Auf jeden Fall übten wir - und 2500 Menschen ergeben, trotz Masken, einen gewissen Klangkörper. Frisinas Lieder sind in Rom und Italien sehr bekannt, einige sind richtig gehende „Schlager“, eingängige, schöne Melodien.

Um 10.30 Uhr begann dann das eigentliche Vorprogramm, mit Schriftlesungen, Gebet, Liedern und Zeugnissen. Vorgesehen waren drei Themenblöcke: „Synode, Zuhören und Kerygma“. Aber siehe da: nach dem ersten Block wurde es auf einmal unruhig auf der Bühne, Menschen wurden zurück auf ihre Plätze geschickt. Und der Papst kam, eine halbe Stunde früher als angekündigt. Die Menschen standen auf und klatschten. Der Papst blieb auf seinem Weg vom Rand der Bühne bis in die Mitte zu seinem Platz dreimal stehen, nahm jeweils die rechte Hand zur Brust und verneigte sich zu den Menschen im Saal hin, vor ihnen. Für mich eine Geste, die mich an seinen Amtsantritt erinnerte, als er sich auf der Loggia zu den Menschen hin verbeugte und um ihr Gebet, ihren Segen bat. Ein demütiger Mann, „Bruder Papst“. Was ihn jedoch nicht daran hinderte, danach eine 45minütige Ansprache zu halten, die mir nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich einigermaßen herausfordernd vorkam. Da schenkt er seinen Zuhörern nichts, das ist kein „Show-Programm“. Es war vor allem eine große Einladung zum „Sich-Gegenseitig-Zuhören“, welches letztlich dann das Hören auf den Heiligen Geist möglich macht. Und das gilt für alle, auch für die Bischöfe: nicht nur, so der Papst, mit dem Hirtenstab in Händen und der Mitra auf dem Kopf lehren, sondern zuhören.

Ich dachte mir: eigentlich wäre es schön gewesen, wenn der Papst auch beim Vorprogramm im Saal gewesen wäre und wir gemeinsam den Zeugnissen zugehört hätten, von denen jetzt zwei Drittel nicht zu hören waren...

Mittwoch, 15. September 2021

Green Garden

Ein neues Foto! Anlässlich der italienischen G 20 – Ratspräsidentschaft ist im Valle della Caffarella, welches regelmäßigen Leser/inne/n dieses Blogs als mein „Naherholungsgebiet vor der Haustür“ bekannt ist, ein – gut italienisch - „green garden“ errichtet worden.

Dort finden sich 17 Würfel mit den 17 Nachhaltigkeitszielen, welche 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurden und die bis 2030 erreicht werden sollen. Die Würfel sind verschieden farbig, haben jeweils fünf offene Seiten und auf der sechsten ins Metall eingefräst mit wenigen Worten und einem Symbol das jeweilige Ziel. Auf dem Foto rechts hinten kann man beim Würfel mit dem Ziel Nummer 12 die Struktur erkennen. (Dahinter, verschwommen am Horizont , übrigens ein wenig von den Albaner Bergen...) Und es sieht wirklich so aus, als wäre da gerade gewürfelt worden und die Würfel noch in Bewegung. Nachdem ich die Würfel aus der Ferne schon öfter gesehen habe, bin ich am ersten Septembersonntag einmal hin spaziert.

Sonntags sind jeweils recht viele Menschen dort im Park unterwegs: entweder am joggen oder mit Hunden und auch recht viele Mountainbiker. Ein paar von denen, drei Männer, fragten mich denn auch, ob ich ein Foto von ihnen machen könnte. Und sie stellten sich passend neben den grünen Würfel mit dem dritten Nachhaltigkeitsziel: Good Health and Well-being.

Mehrere Einrichtungen haben diesen Garten im Park miteinander angelegt: außer der Stadt Rom und der Region Latium etwa auch die FAO, also die Welternährungsorganisation, welche ja hier in Rom, gar nicht weit weg von unserem Haus, ihren Sitz hat.

Die 17 Würfel mit den Nachhaltigkeitszielen befinden sich an einem auch mit dem Auto erreichbaren Zugang zum Park in der Nähe der alten Kirche Sant´Urbano, welche wohl über einem heidnischen Heiligtum errichtet wurde, so etwas gibt es in Rom ja öfter. Auch bei dieser Kirche, leider habe ich sie noch nie geöffnet erlebt, gibt es eine Installation mit den Fahnen der EU - Mitgliedsländer und einem dort gepflanzten Olivenbaum. Dieser Baum ist nicht der einzige, welcher im Rahmen des Green Garden – Projekts gepflanzt wurde. Nicht weit entfernt von den Würfeln und der Kirche gibt es den „heiligen Wald“, eine alte römische Tradition aufgreifend. Dort wird – Schautafeln erläutern alles auf italienisch und englisch – an die „lex spolentina“ erinnert, das erste Gesetz zum Schutz des Waldes aus dem dritten Jahrhundert vor Christus. Es berührt eigenartig, gerade in diesem Jahr, in dem so viele Wälder gebrannt haben, an diesem Ort zu stehen und die Informationen zu lesen.

Mir gefällt die kreative Weise, wie Menschen sehr ungezwungen zum Nachdenken angeregt werden, das Ganze kommt überhaupt nicht „schulmeisterlich“ daher. Wobei natürlich gerade die 17 Nachhaltigkeitsziele eine eingehende Auseinandersetzung nötig machen. Wenn etwa unter dem dritten Ziel „Gesundheit und Wohlergehen“ auch verstanden wird, dass Abtreibung selbstverständlicher Bestandteil der Gesundheitsvorsorge sein soll, dann tue ich mich schwer. Um welches Konzept von Gesundheit und Wohlergehen geht es schließlich auch am Ende menschlichen Lebens? Ist nicht gesundes, krankes, Leben – und wer stirbt schon gesund? - nicht „lebenswert“?

Ein weiteres Reizthema ist auch das fünfte: „Gender Equality“. Zwar wird manchmal in katholischen Kreisen das Kind mit dem Bad ausgeschüttet, wenn Gender-Theorien schlichtweg abgelehnt werden, ohne sich ernsthaft damit auseinander zu setzen. Auch ich sehe aber nicht ein, wieso Frauen und Männer für die gleiche Arbeit manchmal unterschiedlich bezahlt werden. Das ist ungerecht! Und ich nehme wahr, dass viele Menschen dies auch im Hinblick auf den Zugang zu Ämtern in der Kirche so empfinden. Hier tue ich mich mit einer eindeutigen Positionierung schwer, ich gebe es zu. Egal wie die Entwicklung weiter geht: es müsste deutlich werden, dass es einen Unterschied zwischen Frau und Mann gibt, sie nicht einfach „gleich“ sind. Auf diesem leider etwas „verminten“ Gelände müssen wir uns als Frauen und Männer miteinander bewegen und im Gespräch voran kommen...