Donnerstag, 31. Mai 2018

Kirche lebt!

Sonntag Abend. Ich gehe zu einer monatlich einmal stattfindenden Veranstaltung, „Stille am Sonntag“. Wir sind eine kleine Gruppe von Menschen, die es genießen, sich darüber freuen, miteinander eine Stunde schweigend in der Gegenwart Gottes zu verbringen.
Auf dem Weg zum Pfarrheim höre ich Musik. Da scheint ein Chor zu üben, vermutlich für die Messe in der Kirche nachher. Gospels? Es klingt nicht schlecht. Wobei ich hoffe, dass unser Schweigen dadurch nicht gestört werden wird... Beim Heimgehen sehe ich die Autos und Fahrräder derer, die zur Abendmesse gekommen sind. Und höre wieder die schwungvolle Musik, diesmal aus der Kirche.

Montag drauf. Diesmal bin ich in einem anderen Pfarrheim, in einer Nachbarstadt. Wir treffen uns zu einer Fortbildung. Menschen, die regelmäßig im lokalen Radio ein „Wort in den Tag“ sprechen. Wie nutzt man die zur Verfügung stehenden anderthalb Minuten möglichst gut? Immerhin sind wir in der Stunde am Tag zu hören, welche laut Erhebung und Statistik die meisten Hörer hat, mehr als 10.000. An diesem Montag-Abend sind wir zwei evangelische und elf katholische Christen, die sich, angeleitet von zwei guten Referenten, mit diesen Themen befassen. Wir sind nicht die einzigen im Pfarrheim. Schon beim Betreten des Pfarrheims hatte ich Pizza-Duft in die Nase bekommen und begegnete dann im ersten Stock auch einigen Jugendlichen mit Pizza-Kartons.

Zwei aufeinander folgende Abende, die mir bestätigen, was ich eigentlich weiß: es geschieht unheimlich viel Tolles unter kirchlichen Dächern! Und das möchte ich schlicht einmal betonen, weil das Negative, das unter kirchlichen Dächern leider auch vorkommt, meist mehr Aufsehen erregt.

In manchen Pfarrheimen ist es ganz schön schwierig, einen Raum zu bekommen, weil scheinbar jeden Tag eine andere Gruppe die Zimmer und den Saal belegt, eine andere Veranstaltung statt findet. Wie viel Einsatz engagierter Leute gibt es da!

Als sich vor kurzem unser zukünftiger Pfarrer vorgestellt hat, der in eines der Pfarrhäuser unserer Pfarreiengemeinschaft mit neun Pfarreien einziehen wird, fragte eine junge Frau auch gleich, wie das denn mit den bisher in eben diesem Pfarrhaus benutzten Räumen sein würde. Können sich die Mutter-Kind-Gruppen weiterhin wie gewohnt treffen? Klar, meinte der Pfarrer.

Was mich an meine eigene Zeit als Pfarrer denken ließ: bei uns war praktisch jeden Tag eine andere Mutter-Kind-Gruppe im großen Pfarrsaal, in welchem dann abends zum Teil irgendwelche Bildungswerk-Veranstaltungen waren. Die Matratzen und Spielgeräte auf die Seite geräumt und schon ging es los. Und ich habe mich gefreut, wenn die Spielgeräte auch am Abend noch zu sehen waren. Und das junge Gesicht der Kirche deutlich machten.

Noch einmal: in unseren Gemeinden landauf landab gibt es unheimlich viel Leben! Ausnahmen bestätigen die Regel. Das muss gewürdigt und geschätzt werden, ohne sich auf irgendwelchen Lorbeeren auszuruhen. Aber auch in digitalisierten Zeiten werden Möglichkeiten der persönlichen Begegnung weiter gesucht und genutzt werden, vielleicht noch mehr als vorher. Auch wenn die Jugendlichen, die da zusammen kommen, unter Umständen zeitweise mehr mit ihren Smartphones beschäftigt zu sein scheinen.

Mittwoch, 16. Mai 2018

"Es gibt keinen Gott"

Die (Adoptiv-)Mutter des entführten Kindes kniet, die Ellenbogen auf dem Bett abgestützt, die Hände gefaltet. Der Kriminal--Ermittler kommt und macht irgendeine Bemerkung über Menschen, die sich Pferdebilder machen, um sich in ihren Nöten an diese zu wenden. Eine Szene aus einem Fernsehkrimi („Professor T.“).
Tags darauf die Kabarett-Sendung im Radio. Ein Lied der Preisträger eines europäischen Kabarettpreises, wobei das Publikum zum Mitsingen eingeladen wird: „es gibt nicht Gott“ oder „es gibt keinen Gott“, ich erinnere mich nicht mehr genau an den Text.
Was ist das? Aggression? Hilflosigkeit? Kundenfang? Publikumsanbiederung?

Mich haben die Szene im Fernsehen und das Lied im Radio aufgewühlt. Muss das sein? Was erlauben die Leute sich? Soll ich irgendwie reagieren? Protestieren?

Gleichzeitig lese ich ein spannendes Buch von Gerhard Gäde: „Christus in den Religionen. Der christliche Glaube und die Wahrheit der Religionen“. Einmal ganz abgesehen von den Fragen des interreligiösen Dialogs lässt mich dies Buch neu sensibel werden für das Reden über Gott ganz allgemein. Natürlich werde ich mich für solches Reden nicht jeweils zuerst mit einer stundenlangen Reflexion über seine Möglichkeit überhaupt beschäftigen. Es käme keine Predigt mehr zustande.

Und doch wird mir bewusst, wie unbedarft mein, unser Reden über Gott oft ist. Das Reden von und mit ihm. Manches „(fromme) Gerede“ wirkt ja so, als hätte jemand den lieben Gott ziemlich für sich vereinnahmt. Sozusagen zum „Hosentaschen-Gott“ gemacht, „degradiert“. Wenn ich anfange, das ein oder andere Reden über Gott denkerisch zu analysieren, dann wird es fragwürdig: was weiß der oder die nicht alles über den letztlich doch unbegreiflichen Gott!

Und dann sehe ich die anfangs beschriebenen Szenen wieder in einem anderen Licht. Kann es sein, dass so etwas auch Reaktion auf „frommes Gerede“ ist? Dadurch ausgelöst bzw. als Abwehr oder Gegenwehr entstanden?

So möchte ich im etwaigen Gespräch mit Menschen nicht nur meinen Schmerz deutlich machen, sondern auch hinterfragen, wieso wohl der andere zu Formulierungen und Vorstellungen kommt, die mich eben so schmerzen.

Und gleichzeitig will ich neu über die Unbegreiflichkeit Gottes ins Staunen kommen und mir der Unangemessenheit all meines Redens über ihn bewusst werden. Welch hilfloses Gestammel, welch unpassendes Geschwätz im Hinblick auf den, für den kein Wort je reicht!

So passt Pfingsten, das Fest, welches wir jetzt feiern. Auf dass es uns nicht dazu diene, den Unbegreiflichen unsererseits falsch zu vereinnahmen, sondern eher dazu, uns in unseren Selbstverständlichkeiten stören, irritieren, beunruhigen zu lassen.