Samstag, 16. Mai 2015

Kirchenasyl

„AsylbLG“ ist die Abkürzung für „Asylbewerberleistungsgesetz“. Weiß ich seit kurzem. Und bin ganz glücklich gewesen, vor kurzem einen Brief vom BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) bekommen zu haben. Unter all den „frommen Dingen“, die hier bei uns ankommen, sticht so etwas heraus.
Damit mich niemand falsch versteht: ich möchte nicht aufgrund des Unglücks anderer glücklich werden oder deren Not missbrauchen, um meine Zufriedenheit zu steigern.

Aber seit knapp drei Wochen lebt ein junger Syrer bei uns im Kirchenasyl. Ein Tropfen auf den heißen Stein, ja. Und irgendwie scheint es fast ein wenig eine Alibi-Geschichte zu sein. Der junge Mann war in Gefahr, nach Ungarn abgeschoben zu werden. Und weil es von dort immer wieder Berichte über Misshandlungen von Flüchtlingen gibt, wollte man dieser drohenden Abschiebung zuvor kommen. Und wir helfen dabei.

Der junge Mann hat eine Schwester nicht weit weg von hier verheiratet und eine andere in Holland. Die Eltern und weitere Geschwister leben noch in Syrien. Im Heimatort ist nur der Vater geblieben, der sein Haus nicht verlassen möchte. Die anderen Familienmitglieder sind geflohen, weil es zu viele Bombenangriffe gab. Der Vater besucht regelmäßig seine Frau und die anderen Kinder.

Und H., der bei uns wohnt, ist geflohen, um nicht zwangsrekrutiert zu werden, auf andere schießen zu müssen und selbst in Lebensgefahr zu kommen. Auf dem Landweg, über die Türkei und Griechenland kam er an.

Und es ist eine mir schon bekannte Erfahrung: es macht einen Unterschied aus, vom Elend Hunderter Flüchtlinge zu lesen oder Bilder in den Nachrichten darüber zu sehen, oder mit einem persönlich zu sprechen, seine Geschichte zu hören.
Wobei wir dankbar sind, dass das auf Englisch geht. Andere Syrer sprechen nur Arabisch – da hätten wir keine Chance.

Klar erfordert das Zusammenleben jetzt auch Fingerspitzengefühl. Sr.Ewa in der Küche macht das ganz bravourös. Falls für uns Schweinefleisch auf den Tisch kommt, dann hat sie für den Muslim H. eine Alternative vorbereitet. Und ich habe auch bemerkt, dass im Brotkorb jetzt öfter als früher Weißbrot zu finden ist – wohl auch ein Zugeständnis an den Geschmack unseres Gastes. Wahrscheinlich kommt dazu, dass Sr.Ewa entdeckt hat, dass sie genau gleich alt ist wie H.s Mutter...

H. ist abends lange wach und schläft dann bis mittags. Das macht seine Mitarbeit im Haus bzw. Garten etwas mühsam. Die ich ihm anbiete, damit ihm hier bei uns nicht die Decke auf den Kopf fällt. Bei Tisch hat er sich allerdings sofort eingebracht, hilft uns auf- und abdecken.

Und H. hat eine große Leidenschaft: Fußball! In der deutschen Bundesliga kennt er sich viel besser aus als ich und es ist für mich höchst erstaunlich, was er alles über einzelne Spieler weiß. So haben wir auch schon das ein oder andere Fußballspiel im Fernsehen gemeinsam angesehen. Ein Versuch, sein Leben zu teilen.

Hin und wieder spreche ich ihn auch auf den Deutsch-Kurs an, den er auf seinem Smartphone hat. Da wünschte ich mir etwas mehr Initiative bei ihm. Allerdings ist er aus dem Alter heraus, in dem man Kinder mit Zwang zu Hausaufgaben zu bewegen versucht.
Apropos Smartphone: als er den Code für unser drahtloses Internet bekam, da war er glücklich. Jetzt kann er mit zu Hause in Kontakt sein, Kontakte über Facebook und WhatsApp pflegen. Wenn es zu Hause mit dem Internet klappt. Das ist dort weniger selbstverständlich als bei uns.
Und mich erinnert die Anwesenheit H.s daran, beim Beten um den Frieden nicht nach zu lassen.