In der letzten Zeit scheint die Demenz
unseres Seniors im Haus stärker zu werden. Er ist nicht nur
irgendwie verwirrt, sondern auch von einer inneren Unruhe getrieben,
die ihn nachts sich auf den Weg machen lässt. Einmal brachte ihn
jemand aus der Nachbarschaft zurück, ein anderes Mal hörte ihn
einer von uns im Haus an die Tür hämmern. Als er zurück kam, hatte
er nicht mehr die (offene) Tür gefunden, durch die er hinaus
gekommen war.
Der letzte nächtliche Ausflug des
Mitbruders verlief nicht so glimpflich: er stürzte und wurde mit dem
Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht.
Dabei hatten wir uns natürlich schon
vorher Gedanken gemacht, was wir tun könnten. Einfach Türen zu
sperren wollten wir nicht und das wäre wohl auch rechtlich heikel:
„freiheitsentziehende Maßnahmen“ etc. Der Pflegedienst riet uns,
dem Mitbruder ein Beruhigungs- und Schlafmittel verschreiben zu
lassen. Was auch geschah. Am Tag nach der ersten Einnahme schien mir
der Mitbruder völlig „groggy“ zu sein. Aber insgesamt war das
Mittel dann wohl doch zu schwach, wie der Sturz bei einem weiteren
nächtlichen Ausflug zeigte.
Was machen die Medikamente mit dem
Menschen? „Lesen Sie nicht den Beipackzettel!“ sagte der Herr vom
Pflegedienst. Ähnlich sagt es ja auch mancher Arzt. Entgegen dem
wohl am schnellsten gesprochenen Satz im deutschen Fernsehen, Sie
wissen schon, in der Werbung: „Zu Risiken und Nebenwirkungen...“
Der Mensch wird „eingestellt“ mit
Medikamenten, ein leichtes Gruseln überkommt mich immer noch bei
dieser Formulierung.
Und in jüngster Zeit habe ich mit
Bekannten gesprochen, einem inzwischen geschiedenen Ehepaar, dessen
behinderter Sohn jetzt in der Pubertät ist. Und sie kommen nicht
mehr zurecht mit ihm. Und überlegen die Unterbringung in einer
passenden Einrichtung. Wobei der Junge offensichtlich so mühsam ist,
dass ihn auch nicht jede Einrichtung aufnehmen will. Und ich sah dem
Vater an, wie er mit sich selbst am ringen ist. „Es gibt ein Haus,
in dem er schon einmal war. Aber dort stellen sie ihn einfach ruhig.
Es tut mir weh, wenn ich meinen Sohn dann so sehe...“
Vor kurzem wiederum eine 79jährige
Frau über ihre ein Jahr ältere Schwester: „der geht’s immer
gut, die ist immer happy, die ist einfach gut eingestellt“ - und
auch hier war die Medikamentendosierung gemeint.
Ich lasse jetzt einmal das Thema Doping
außen vor.
So sehr mich diese „Einstellung“
einerseits befremdet, andererseits kam mir ein weiterer Gedanke. Ich
hoffe, dass das niemand jetzt für „total schräg“ oder
unangebracht hält. Die Eucharistie wird manchmal als „Arznei der
Unsterblichkeit“ bezeichnet. Und regelmäßig nehmen viele diese
Arznei zu sich. Ob sie uns auch „einstellt“? Nicht zu einem
oberflächlichen „happy-Sein“. Aber dazu, die Welt mit den Augen
Jesu zu sehen, so zu leben wie er...
Es gibt die bildliche Darstellung von
Jesus als Apotheker, welcher aus der Gnadenapotheke der Sakramente
diese und andere Heilmittel austeilt.
Ich möchte keinem magischen
Sakramentenverständnis das Wort reden, nein. Und ich will auch
keineswegs die Eucharistie verdinglichen.
Aber darf sich ihre verwandelnde Kraft
in mir bemerkbar machen und zeigen? Der Same der Auferstehung ist
schon in mich hinein gelegt...
Bei der „Einstellung“ mit
Medikamenten stellt sich zu Recht die Frage nach der Veränderung der
Persönlichkeit. „Ich kenne meinen Mann nicht mehr“ ist da unter
Umständen zu hören.
Im Gegensatz dazu hilft uns die „Arznei
der Eucharistie“, das in uns angelegte Potential zur Entfaltung zu
bringen, tatsächlich „ich selbst“ im Vollsinn des Wortes zu
sein.