„Tschüss Uroma“ sagt die Kleine
und winkt mit ihrem Händchen dem Sarg zu, vor dem sie mit ihrer Mama
gemeinsam steht. Drei Tage zuvor stand sie vor dem Sarg des Uropas.
Da hatte ihr der Opa gezeigt, wie das mit dem Weihwasser
funktioniert. Jetzt konnte sie es schon. Für den Uropa hatte sie
wohl noch ein Bild gemalt, das sie zum Sarg legte. Nachher meinte die
Großtante: „wahrscheinlich hält die Kleine nach dieser Erfahrung
Beerdigungen jetzt für etwas ganz Normales und wartet auf die
nächste. Ist ja schön, wenn so viele Leute zusammen kommen und man
hinterher noch gemeinsam im Gasthaus sitzt“.
Kurz hintereinander waren sie also
gestorben, Xaver und Olga. Nach 62 gemeinsamen Ehejahren. Sie war
schon längere Zeit dement. Aber dass ihr Ehemann starb, das hat sie
wohl doch „mit bekommen“, oder gespürt. Und wollte dann auch
nicht mehr.
So gingen wir nach Xavers Beerdigung am
Mittwoch, bei der wir auch für die sterbende Olga gebetet hatten
noch zu ihr ins Altenheim: der Sohn, eine Enkelin und ich, um ihr die
Krankensalbung zu spenden und bei ihr und für sie zu beten. Ein ganz
dichter Moment. Am nächsten Morgen starb sie.
„Das was wir Zufall nennen ist
vielleicht die Logik Gottes...“ schrieben die Kinder dann über die
Todesnachricht der Mutter.
Natürlich war es eigenartig: mittwochs
den Vater und Opa und samstags die Mutter und Oma zum Grab zu tragen.
Und doch war es auf eine gute Weise anrührend.
Von der verstorbenen Mutter hatten die
Kinder geschrieben, dass sie die „Strick-Oma“ war: Kinder und
Enkel hatte sie mit Pullovern, Jacken und Socken versorgt. Wie freute
ich mich, als ich sah, dass der Sohn zur Beerdigung seiner Mutter in
einer gestrickten Jacke erschien. „Egal, was die Leute am Ort dazu
sagen“.
Und wir legten Sonnenblumen nieder, an
Xavers und an Olgas Sarg. Ein leuchtendes Zeichen froher Dankbarkeit.
Das war für mich überhaupt die vorherrschende Stimmung an den
beiden Begräbnistagen.
Bei Olgas Begräbnis hielt ich nach
Xavers Holzkreuz Ausschau - und fand es nicht. Bis mir auffiel, dass
auf dem Holzkreuz, das ich sah „Olga und Xaver“ stand. Der Sohn
hatte dem Bestattungsunternehmer erklärt, er könne sich schlecht
zwei Kreuze vorstellen, das sähe ja aus wie ein „beginnender
Heldenfriedhof“. Und der Bestatter hatte die Idee, die Schrift vom
Kreuz zu lösen und eine neue Schrift anzubringen, eben die Namen
beider Verstorbener. So war es dann. Und es war richtig so.
Der Kirchenchor sang jeweils schöne
und passende Lieder bei der Feier der Eucharistie in der Kirche. Ein
Diakon verkündete das Evangelium. Und für Olgas Begräbnis hatte
der Pfarrer sehr passend als Lesung einen Abschnitt aus dem ersten
Kapitel des Buches Rut ausgewählt, wo erzählt wird, wie Rut sich
nicht von ihrer Schwiegermutter Noomi trennen will. „Dränge mich
nicht, dich zu verlassen und umzukehren. Wohin du gehst, dahin gehe
auch ich, und wo du bleibst, da bleibe auch ich. Dein Volk ist mein
Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe auch ich,
da will ich begraben sein. Der Herr soll mir dies und das antun –
nur der Tod wird mich von dir scheiden“ (Rut 1,16f.).
Nach dem Begräbnis des Vaters hatte
ich mich mit dem Sohn darüber unterhalten, dass ja eigentlich die
Auferstehungshoffnung das Begräbnis eines Christen prägen sollte
und er sich mit der schwarzen Farbe schwer tue, wie sie etwa auch an
Allerheiligen vorherrschend ist. Weil diese Farbe eben dann eindeutig
nicht nur mit festlicher Eleganz zu tun hat, sondern Ausdruck der
Trauer ist.
Die beiden Begräbnisse von Xaver und
Olga atmeten den Duft der Auferstehung – und es passte zum Leben,
welches die beiden gelebt hatten.