Mike hatte eingeladen. Vor einigen Wochen war er bei uns im Haus zum Mittagessen und hatte selbst gebackene Plätzchen mit gebracht. „Ich koche und backe gern“, sagte er. „Natürlich esse ich auch gern“, grinste er, sich an seinen wohlgeformten Bauch greifend. Und jetzt waren wir zum „Gegenbesuch“ im Generalat der Marianisten, eine Viertelstunde zu Fuß von unserem entfernt.
Marianisten haben als Apostolat vor allem die Erziehung, unterhalten Schulen und Universitäten. In Madrid habe ich sie in der Pfarrseelsorge kennen gelernt, ihre Pfarrei Sankt Simon und Judas dort grenzt an die unsere, Vom Kostbaren Blut, an.
Auf der Dachterrasse hatte Mike vorbereitet und ich genoss zuerst einmal den Ausblick in verschiedene Richtungen, über die Dächer hinweg, nicht zuletzt aber auch hinunter in den gepflegten Garten. Sogar einen Igel konnte ich dort über eine Wiese laufen sehen. Und es ist grüner als in unserem Garten – das Bewässerungssystem dort scheint besser zu funktionieren.
Nach den Antipasti gab es Pizza – vom Grill. Wir waren wohl nicht die ersten, die darüber staunten, aber es hat tatsächlich funktioniert.
Lange blieben wir sitzen und plauderten, an diesem Abend auf englisch, – bei römischen Temperaturen ja absolut kein Problem. Zu viert waren wir: der Gastgeber Mike, ein weiterer Mike, ebenfalls Amerikaner und im Generalat der Herz-Jesu-Missionare tätig, und dann wir beide, Juan und ich.
Unser Gastgeber ist ein äußerst vielseitiger Mensch. So hat er z.B. gemeinsam mit einem Briten unter dem Petersdom beim Petersgrab Filmaufnahmen gemacht, die sich auf der Homepage des Vatikan anschauen lassen. Außerdem ist Mike Musiker und hat vor einigen Jahren auch mit dem Komponieren begonnen – das ein oder andere hat er bei Youtube eingestellt.
Früher war er wohl auch ziemlich sportlich. Wobei er sich dort aufs Laufen verlegt hatte. Denn nach seiner Geburt hatte er im Krankenhaus irgendwelche Bakterien „aufgeschnappt“ und dadurch ein Auge verloren – mit drei Monaten. Die Devise seines gläubigen Vaters: „wenn Gott dir etwas nimmt, dann gibt er dir etwas anderes dafür“, stellte Mike als 12jähriger in Frage. Denn aufgrund seiner „Behinderung“ (nur ein Auge) durfte er nicht in einer Schulmannschaft mit spielen. Und Mike hatte gedacht, Gott habe ihm den Sport gegeben, nachdem er ihm ein Auge genommen hatte.
Nachdenklich hören wir Mike zu. Wobei das jedoch auch ein Genuss ist, weil er nicht nur gut erzählt, sondern immer wieder köstlichen Humor einfließen lässt. Etwa was das für ihn bedeutet, wenn er mit eingeschränktem räumlichen Sehvermögen (nur ein Auge!) auf dem Roller im römischen Straßenverkehr unterwegs ist. Ach ja: der Straßenverkehr beschäftigt uns eine ganze Weile lang und Mike hat die ein oder andere Anekdote parat, er lebt seit 15 Jahren in Rom!
Schließlich erzählt er uns aber auch, dass die Marianisten wohl die einzige Ordensgemeinschaft sind, in welcher nur das Amt des Generalsuperiors einem Mitbruder, der auch Priester ist, vorbehalten bleibt. Alle anderen Ämter, etwa auch das eines Provinzials, können auch von Brüdern ohne Priesterweihe wahrgenommen werden. Spannend! Bei einem Treffen von Ordensoberen mit Papst Franziskus hat Mike diesen wohl auch gefragt, wieso in der Kirche „Leitungsmacht“ immer mit „Weihe“ gekoppelt sein muss. Nach dem jüngsten Schreiben der Kleruskongregation eine ganz aktuelle Frage.
Die Wespen, die während des Essens lästig waren, haben uns inzwischen in Ruhe gelassen, außer den Lichtern der über uns fliegenden Flugzeuge sind einige Sterne zu sehen und es ist Zeit, aufzubrechen und nach Hause zu gehen. Welch ein schöner Abend!