Die „Heilige Stiege“ geht mir noch nach. „Stiege“ bringe ich in Verbindung mit Wien – dort ist sie teilweise Bestandteil der Adresse, z.B. „1070 Wien, Kaiserstraße 53, Stiege 2, Tür 19“ (Wikipedia-Beispiel). Und es gibt berühmte Stiegen in Wien. Ob es da auch „Heilige Stiegen“ gibt? Heilige Stiegen nach dem Vorbild der römischen gibt es etwa in Bonn oder Bad Tölz. Aber gibt es nicht noch viel mehr „heilige Stiegen?“ Wenn ich im Folgenden anhand meiner Biographie ein paar davon aufzähle, dann will das vor allem eine Einladung an Dich/Sie sein, die Stiegen des eigenen Lebens zu erinnern, bzw. die aktuellen Stiegen bewusst(er) hinauf und hinab zu gehen.
Eine erste „heilige Stiege“ für mich war vielleicht diejenige in einem Haus der Löwenstraße in Lindenberg. Dort wohnte Ida Karg, im ersten Stock. Ida saß im Rollstuhl. Als Jugendlicher holte ich sie oft zur Feier der heiligen Messe ab und dazu musste Ida im Rollstuhl die Treppe hinab bzw. nach der Messe wieder hinauf.
In diese Zeit fällt auch die Begegnung mit der Wendeltreppe aus Metall, die in unserem Missionshaus in Schellenberg vom ersten Stock in die Mansarde führt, wo die Matratzenlager sind. Durch viele Exerzitien und Treffen für Jungen wurde dieser Ort für mich zu einem besonderen. Leider war die Schallisolierung der Treppe nicht gut gelungen. Wenn eine Horde von 15 bis 20 Jungen die Treppe hinauf oder hinunter stürmte, dann war das im ganzen Haus zu hören. Ältere Mitbrüder im Haus beschwerten sich diesbezüglich manchmal – aber richtig böse wurden sie nicht.
„Heilige Stiegen“ sind für mich auch diejenigen im Kufsteiner Krankenhaus und im Salzburger Unfallkrankenhaus geworden. In beiden war ich hin und wieder als Seelsorger im Einsatz. Meistens fuhr ich mit dem Auto zum Krankenhaus, vermied aber dort dann den Lift und nahm die Treppe. Ein Erlebnis im Kufsteiner Krankenhaus bleibt mir in Erinnerung: ich war auf der Intensivstation, um einem Patienten die Krankensalbung zu spenden. Noch mit den Eindrücken dieser Feier im Kopf ging ich die Treppe hinunter und kam an der Entbindungsstation vorbei. Mit Window-Colours war dort ein Storch mit einem Baby in bunten Farben und auch „Entbindungsstation“ stand mit verschiedenfarbigen Buchstaben dort. Lebensbeginn und – ende ganz nah beieinander, ein paar Treppenstufen voneinander getrennt. Unser Leben eine Treppe, die wir hinauf (oder hinunter) gehen?
Zu den beiden Städten fallen mir noch andere Stiegen ein. Wenn ich mit Besuchern durch Salzburg ging, dann habe ich ihnen außer dem Mirabellgarten auch die Raphael-Donner-Stiege im Rathaus gezeigt, auf welcher Brautpaare aus aller Welt hinauf zu einem der berühmtesten Standesämter bzw. Trauungsräume der Welt gehen. In Kufstein dagegen erinnere ich mich an die Steinerne Stiege zum Hintersteiner See und auch an die Stufen auf dem Weg ins Kaisertal – wahrhaft „heilige Stiegen“ in der Begegnung mit der Schöpfung. Nicht weit von Kufstein entfernt gibt es eine weitere erwähnenswerte Stiege: im Schlossturm von Mariastein. Auch dort haben schon viele Paare geheiratet und die vielen Stufen zur Schlosskapelle erklommen. Bei der Goldenen Hochzeit schafft nicht mehr jedes Paar die 142 Treppenstufen hinauf zur Kapelle im Turm.
Aber gehört nicht auch die Treppe in dem Haus, in dem ich die ersten Jahre meines Lebens verbracht habe, zu den „Heiligen Stiegen“? Nicht weil ich da hinauf und hinunter bin. Viele Menschen haben die Stufen betreten. Das Treppengeländer wackelt an der ein oder anderen Stelle inzwischen etwas. Die verschiedenen Mietparteien im Haus wechseln sich mit dem Putzen der Treppe ab, was mehr oder weniger gut funktioniert. Wie oft hat meine Mutter die Stufen gewischt und tut es bis heute60 Jahre lang, fast schon ! „Heilige Stiege“...
Wo ist Deine heilige Stiege?
Vielleicht ergeht es uns ja wie Jakob, der eine Treppe bzw. Leiter im Traum sah und beim Aufwachen feststellte: „Wirklich, der HERR ist an diesem Ort und ich wusste es nicht.“ (.Gen 28,16).