Samstag, 31. Mai 2014

Michael Brenninkmeyer

Am vergangenen Mittwoch (28.5.14) nachmittags wurde in Beirut im Libanon P.Michael Brenninkmeyer beerdigt. Ein paar Mal durfte ich ihm begegnen und er hat mich beeindruckt. Einer, zu dem ich aufschaute: nicht nur, weil er mich mit seinen über zwei Metern Körperlänge überragte, sondern auch aufgrund seines Lebens.

Dabei sagte er selbst nicht unbedingt viel: das Zuhören schien ihm wichtiger zu sein. Wurde er jedoch gefragt, dann antwortete er klar und hilfreich.

Michael Brenninkmeyer gehörte zu einer der reichsten Familien Europas. Der Name ist verbunden mit der Textileinkaufskette C&A, welche seinerzeit von Clemens und August Brenninkmeyer gegründet wurde. Laut Wikipedia macht die Textilsparte inzwischen lediglich ein Drittel des Familienvermögens aus. Die Familienmitglieder haben alle einen niederländischen Pass und sind katholisch. Was gepflegt wird. Beim jährlichen Familientreffen gehört eine katholische Eucharistiefeier dazu. Dies weiß ich wiederum vom ehemaligen Pfarrer von Interlaken in der Schweiz, wo das Brenninkmeyer-Familientreffen wenigstens einmal statt fand.


Michael wurde 1932 geboren und trat 1951 bei den Jesuiten ein. Damit ließ er den Reichtum der Familie hinter sich. Gemeinsam mit seinem Mitbruder P.Frans, der vor kurzem als letzter in Homs verbliebener katholischer Priester ermordet wurde, kam er 1966 nach Syrien. Der ehemalige apostolische Vikar von Aleppo in Syrien, Armando Borolaso, erzählt: „ich kann mich an keinen anderen Ordensmann erinnern, der in einer so reichen Familie geboren wurde, der so arm gelebt hat wie er“. Dabei war die Mühe, sein langes „Gestell“ in einen kleinen Volkswagen hinein zu zwängen nur ein sehr sprechender Ausdruck dafür.

Michael musste vor über einem Jahr aus Gesundheitsgründen Syrien verlassen und ging in den Libanon, wo er vor allem im Krankenhaus war. Am ersten Mai schrieb er an einen befreundeten englischen Benediktiner: „nächsten Monat habe ich ein Jahr Krankenhaus und dann Physiotherapie hinter mir... Ich hatte eine Magenoperation und hinterher musste ich neu lernen zu essen, das heißt, die Nahrung drinnen zu behalten“. Aus diesen wenigen Worten wird ein weiteres Charakteristikum Michaels deutlich, das ich in Erinnerung habe: sein feiner Humor. Während seines langen Krankenhausaufenthaltes verwendete Michael Zeit und Energie darauf, sich um zwei ältere Mitbrüder zu kümmern, die ebenfalls dort waren. Einer der muslimischen Pfleger war tief beeindruckt über Michaels Heiterkeit und beständiges Lächeln trotz aller gesundheitlichen Probleme.

Wenn wir uns trafen, dann sprachen wir auch über die Lage im Nahen Osten. Und natürlich gehen mir auch diese Gespräche nach. Zum Beispiel bremste er meine eigentlich positive Einstellung zu all dem, was in den vergangenen Jahren unter „Arabischer Frühling“ oder „Arabellion“ in den Medien verbreitet wurde. Vieles von dem schien ihm billige Propaganda zu sein und er misstraute dem eher. Wie sich ja jetzt zeigt, nicht zu Unrecht.

Zweifelsohne hat Michaels Leben Spuren bei ganz vielen Menschen hinterlassen und ich bin glücklich und dankbar, ihm begegnet zu sein, ihn kennen gelernt haben zu dürfen.

Donnerstag, 15. Mai 2014

Zuhören

Anlässlich seines 20Jahr-Jubiläums hatte der Eine-Welt-Verein Mindelheim den Grünwalder Gospel-Chor zu einem Konzert eingeladen. Beeindruckend, was diese Frauen und Männer am vergangenen Freitag boten! Eine nebensächliche Kleinigkeit an diesem Abend geht mir jedoch noch genauso nach.
Zu Beginn des Konzerts grüßte eine Dame vom Eine-Welt-Kreis und – war nur äußerst mühsam zu verstehen. Das Mikrofon am Rednerpult war entweder nicht eingeschaltet oder kaputt. Mit äußerster Anstrengung war die Dame zu hören. Interessanterweise gab es keine Proteste unter den Zuhörenden – wollte keiner als „schwerhörig“ entlarvt werden?
Als nach einigen Liedern noch einmal jemand vom Eine-Welt-Kreis ans Rednerpult ging, da nahm der sympathische Leiter des Gospelchors eines der Chor-Mikrophone und reichte es der Sprecherin. Und: wunderbar – jetzt verstanden wir gut. Szenenapplaus, noch bevor die Dame überhaupt einen Satz zu Ende gesprochen hatte.

Es ist schon so etwas mit dem Hören und Verstehen! Das eine setzt das andere voraus – sonst geht ja überhaupt nichts. Kirchliche Aufmerksamkeit geht oft genug auf das Gehört- und Verstanden-Werden. Was ja nicht schlecht ist. Vielleicht müsste diesem Aspekt sogar noch viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. In der Pfarrkirche in Schellenberg war zunächst keine Lautsprecheranlage vorgesehen, die Akustik ist ausgezeichnet. Aber dank veränderter Hörgewohnheiten (oder eventuell auch aufgrund des steigenden Altersdurchschnitts derjenigen, die Gottesdienste mit feiern) ist inzwischen eine Lautsprecheranlage installiert.

Wobei mir die Handlung des Chorleiters an jenem Freitag Abend erst recht wie ein Bild für kirchliches Handeln schien: indem er ein Mikrofon zur Verfügung stellte, verhalf er jemandem dazu, gehört zu werden. Ginge es nicht darum? Klar, einerseits verwendet Jesus das Bild von den Schafen, die auf die Stimme des Hirten hören, denn sie kennen diese (vgl. Joh 10,1-6). Andererseits ist Jesus auch derjenige, der einen hört, den andere gern zum Schweigen brächten (vgl. Mk 10,46-52). Jesus hört und verschafft Gehör. Es kommt darauf an, in seiner Nachfolge Menschen eine Stimme zu geben.

Am Samstag nach dem Konzert des Gospelchors war bundesweit der „Tag der offenen Klöster“, an dem auch wir im Missionshaus Baumgärtle teilnahmen. Einer unserer Programmpunkte hieß: „Was ich schon immer eine Schwester/einen Pater fragen wollte“ - wir wollten uns Fragen öffnen und zum Gespräch zur Verfügung stehen.

Als wir am Abend des Tages und am Tag danach reflektierten, was bei uns gelaufen und wie es gelaufen war, tauschten wir eine interessante Erfahrung aus: wir hatten mehr zugehört als gesprochen. Es war uns so, als ob unsere Gäste dankbar dafür waren, selbst erzählen zu können. Das Bedürfnis nach Information und Auskünften über unser Leben schien dem gegenüber zweitrangig.
Diese Eindrücke nach dem „Tag der offenen Klöster“ decken sich mit anderen. Sehr viele Menschen kommen ja an diesen Ort, um etwas los zu werden, etwas auszusprechen, was ihnen unter den Nägeln brennt, bzw. auf der Seele lastet.

Kann es sein, dass wir diesen Aspekt unserer Berufung an diesem Ort noch viel mehr verstehen und entwickeln müssen? Menschen sein, die zuhören können, die außer der Zeit ein offenes Ohr haben..
Ich erinnere mich an Frere Roger Schutz von Taize, für den diese Haltung typisch war, gerade im Umgang mit jungen Leuten: „Meister des Zuhörens“ sein – das wollte und das war er.