Sonntag, 30. August 2015

Eucharistische Missverständnisse

Da war der indische Priester, der in Kufstein zur Aushilfe war und im dortigen Krankenhaus die Messe feierte. Nach der Kommunionspendung setzte er sich, um still und persönlich zu beten. Als er die Augen wieder öffnete, war nur noch eine Person in der Kapelle. Bei dieser erkundigte er sich, wo denn die anderen seien, welche die Messe mit gefeiert hatten. „Die meinten, es sei zu Ende und sind gegangen“. Offenbar hatte der Priester (zu) lange und andächtig gebetet.

Hier in der Nähe gibt es eine kleine Kapelle, in welcher in den Sommermonaten einmal monatlich Gottesdienst gefeiert wird. Die Mesnerin hat eine Ferienwohnung und lädt auch hin und wieder Gäste ein, die Messe mit zu feiern. Einmal hatte sie einen Gast aus Brandenburg, der zunächst meinte, er habe ja gar nichts Passendes anzuziehen, aber dann doch mit in die Messe ging. Als sich die Leute beim Friedensgruß die Hand reichten, fasste er das als Verabschiedung auf und verließ dann auch die Kapelle.

Vielleicht könnte die eine oder der andere von Ihnen oder Euch weitere Missverständnisse dazu fügen. Nicht alle sind so humorvoll wie die beiden oben beschriebenen. Ein nicht selten begegnendes ist, wenn Leute in der Kirchenbank sich beim Kommunionempfang gegenseitig fragen: „gehen wir auch nach vorn, uns etwas abzuholen?“

Aber womöglich ist das noch nicht einmal das schlimmste Missverständnis. Dieses dürfte eher darin bestehen, die Messe als isoliertes Ritual zu verstehen. Und damit eben nicht zu verstehen.
Wie viel Wert legen manche auf eine korrekte Liturgie. Sehr hautnah bekomme ich das schon im eigenen Haus mit, wo hin und wieder verschiedene Vorstellungen diesbezüglich aufeinander prallen und Mitbrüder sich in die (mehr oder weniger vorhandenen) Haare geraten können. „So ist es richtig“, „nein so“.

Dabei feiern wir Tod und Auferstehung Christi nicht als „Ritual“, sondern als Lebensausdruck, der nicht nur unsere äußere Mitfeier verlangt, sondern unser Leben.
Wenn uns miteinander um den Tisch des Herrn Versammelten das bewusst wäre, was wir da tun, wenn wir Eucharistie feiern und die Kommunion empfangen, wie anders wären unsere Beziehungen untereinander, wie anders auch unsere alltägliche Lebensführung...

Wobei ich das keinesfalls als „moralische Keule“ verstanden wissen möchte. Wir feiern Tod und Auferstehung Jesu Christi und in dieser Feier ist auch Platz für meine „Todeserfahrungen“. Für mein Scheitern und die Erfahrungen meiner Unzulänglichkeit, meines Zurückbleibens hinter meinen Idealen - mit all dem bin ich aufgehoben in dieser Feier.

Wie dankbar bin ich aber auch für die Gewissheit, gerade in dieser Feier mit so vielen verbunden zu sein, mit denen ich nicht Kontakt von Angesicht zu Angesicht habe: weil wir geographisch weit voneinander entfernt leben, oder weil sie bereits gestorben sind.
Mir ist der Gedanke, dass sich in der Eucharistiefeier Himmel und Erde begegnen ein sehr kostbarer.
Manchmal sage ich es auch zu Beginn der Feier, dass wir uns durch diese unsere Perspektive korrigieren lassen können, die dazu neigt, nur Handgreifliches, unmittelbar Wahrnehmbares für wahr zu halten. Und dadurch die Wirklichkeit reduziert, die ja viel größer und weiter ist.

Der Anspruch der Feier jedoch ist nicht nur, dass sie schön ist, das auch. Sondern dass sie mit unserem alltäglichen Leben korrespondiert, dass dieses darin vorkommt und gleichzeitig durch diese Feier geprägt wird. Deswegen feiere ich gerne Messe – nicht nur am Sonntag...

Samstag, 15. August 2015

Religiöse Kunst im Internet

Mit dem Fahrrad war ich hier in der Gegend unterwegs. Und blieb in einem kleinen Weiler bei einem Kapellchen stehen, dessen Türe offen stand. Die kleine Kapelle scheint neu zu sein, es sieht alles frisch aus. Und es steht Gott sei Dank auch nicht allzu viel darin herum, wie in anderen Kapellen, die manchmal den Eindruck machen, „Entsorgungsorte“ für fromme Gegenstände zu sein. Nein, hier wohltuend. Beim Hinausgehen bemerkte ich noch den Kreuzweg an den Wänden der Kapelle: kleine Schwarz-Weiß-Lithografien hinter Glas. Und das Besondere: die Bildunterschriften zu den jeweiligen Stationen auf französisch. Nanu!?
Ob die Kapelle von frankophilen Menschen erbaut wurde? Immerhin steht vorne neben dem Altar auf einem Podest die Lourdes-Madonna (, ebenfalls mit französischer Bezeichnung).
Meine erste Vermutung war jedoch, dass die Menschen beim Kirchenbau auf der Suche nach einem Kreuzweg für ihr Kapellchen im Internet gesucht haben und vermutlich dort fündig wurden.

Ähnliches begegnet mir manchmal. In Salzburg hat uns eine Wohltäterin über E-Bay einen neuen Himmel für Fronleichnam ersteigert. Der bisherige Himmel war tatsächlich unansehnlich, so dass wir für diese Spende dankbar waren. Und ich meine, es gab sogar eine Herkunfts- und Altersbeschreibung für den kunstvollen Stoff, der an der Decke des Fronleichnam-Prozessions-Himmels angebracht wurde und nun an Fronleichnam durch die Straßen eines Salzburger Stadtteils getragen wird.

Und vor kurzem brachte eine Frau hierher zwei Statuen mit der Bitte, sie zu segnen. Eine Jesus- und eine Marien-Statue. Für meinen Geschmack so „kitschig-hässlich“, dass ich mir das Segnen einen Moment überlegte. Aber ich will ja nicht meinen Geschmack zum Maßstab machen. Einer Freundin der Frau war ihre Marienstatue herunter gefallen und zerbrochen. So dass sich die Frau kurzerhand entschloss, im Internet auf die Suche zu gehen und tatsächlich fündig wurde und die beiden Statuen kaufte, die Maria für die Freundin und den Jesus für sich.

Das Internet ist also auch ein Marktplatz für religiöse Gegenstände unterschiedlicher Qualität. Was mir im Hinblick auf den aus Frankreich stammenden Kreuzweg in der kleinen Kapelle zu denken gibt, ist der Wandel in der Beziehung zu solchen Kunstgegenständen. Wenn nicht zuerst einmal in der eigenen Umgebung geforscht wird oder eventuell sogar daran gedacht, einen (heimischen) Künstler um eine Arbeit zu bitten. Sondern der Marktplatz Internet aufgesucht wird. Das hat nichts mit einem übertriebenen Lokalpatriotismus zu tun. Und auch sonst ist der Kunstmarkt ja international und wir leben in einer globalisierten Welt. Obwohl die Produkte oder besser Kunstwerke der Augsburger Silberschmiede weit verbreitet sind, ist es doch auch schön, regionale Eigenheiten, wie etwa einen „oberschwäbischen Barock“ fest machen zu können.

Könnte also der Bezug zu solch einem Kreuzweg in einem kleinen schwäbischen Kapellchen nicht noch ein anderer sein, wenn er eigens angefertigt würde, vielleicht von einem in der Gegend beheimateten Künstler? Bzw. wenn er aus einem diözesanen Depot stammte und man die Vorgängerkirche kennt, in welcher er angebracht war?

Klar gibt es in Sachen Kunst einen Markt und darunter fallen auch religiöse Gegenstände. Aber wenn solche Sachen im Internet „verhökert“ werden, dann fallen damit vielleicht auch Grenzen, die einen guten Sinn gehabt haben.