Freitag, 30. September 2016

Die Wahrheit, der Elefant und das Schaf

Einen neuen Blog habe ich entdeckt: „Verbietet das Bauen“. Und da gibt es jetzt „ein Gespräch aus dem Mehr-Generationen-Haus `Kaspershof´“, einem Wohnprojekt in Oldenburg, über das Zusammenleben von zwölf Parteien mit zwanzig Personen, den manchmal schwierigen Weg dorthin und die Freude am Miteinander. zu hören unter dem Titel: `Wahrheit beginnt zu zweit´“.

Als ich das noch einmal nachschlagen wollte, stieß ich auf ein Buch: „Die Wahrheit beginnt zu zweit“. Untertitel: „Das Paar im Gespräch“.

Ich habe weder das ganze Gespräch im Blog gehört, noch das Buch gelesen, aber beim Titel bin ich eben doch hängen geblieben. Wie ist das denn mit Wahrheit und Toleranz, mit Wahrheit und Dialog?
Vor kurzem sprach ich mit einer sehr in der Flüchtlingsarbeit engagierten Frau, die mir sagte: „ich lese den Koran nicht. Fällt mir gar nicht ein. Und ich sage das auch den Muslimen, mit denen ich zu tun habe und sie akzeptieren das“. Interessant!

Mich hat das an eine in vielen Versionen erzählte Geschichte von den Blinden und dem Elefanten erinnert. Eine Version (http://www.klett.de/web/uploads/pondus_pdf/4063_Leseprobe.pdf, aufgerufen am 19.9.16) geht so:

Vor einem Tor saßen drei Blinde, die stritten, wie ein Elefant aussehe. Jeder behauptete etwas anderes, obwohl keiner jemals einen gesehen hatte und jeder nur erzählte, was er von anderen gehört hatte. So beschlossen sie, um in dieser Sache weiter zu kommen, dass ein jeder, wenn ein Elefant vorbeikomme, ihn betaste und so aus eigener Erfahrung Kenntnis über Elefanten bekommen solle. Als ein Elefant vorbei kam, baten sie den Führer, den Elefanten für sie festzuhalten, damit sie ihn betasten könnten, um nicht mehr auf widersprüchliche Aussagen anderer angewiesen sein zu müssen. Der Besitzer hielt den Elefanten an und die drei Blinden befühlten ihn. Der erste bekam den Rüssel, der zweite das Bein und der dritte den Schwanz des Elefanten zu fassen.
Der Elefantenführer fragte die drei: „Kennt ihr nun einen Elefanten?“ Jeder bejahte. Dann fragte er:
Nun, wie fühlt er sich an?“ Der Erste sagte: „Er ist wie eine feuchte Hand, die sich immerzu
schließen will und sich doch gleich wieder öffnet.“ Der Zweite sagte: „Das ist nicht richtig, der Elefant ist wie ein Baum mit einer rissigen Rinde.“ Der Dritte sagte: „Das ist nicht wahr, der Elefant ist wie ein Seil, das am Ende ausgefranst ist, mit vielen Haaren.“ Der Elefantenführer zog schließlich in die Stadt weiter. Die drei Blinden aber begannen erneut heftig zu streiten, wie
denn nun ein Elefant aussehe. Jeder von ihnen beharrte auf seiner Meinung. Aber einig wurden sie nicht...

Und ich erinnere mich an einen Weihbischof, der heftig dagegen protestierte, als jemand diese Geschichte nutzen wollte, um deutlich zu machen, dass es eben verschiedene Wahrheiten gäbe, je nach Betrachtungsweise. Jeder der Blinden hat eine andere Vorstellung vom Elefanten! Was aber, so der Bischof damals, nichts an der wahren Gestalt eines Elefanten ändert!

Mich hat das an eine Geschichte erinnert, die von einem früheren Präsidenten der USA, Abraham Lincoln, erzählt wird. Er stellte einer Delegation die folgende Frage: „Wie viele Beine hätte ein Schaf, wenn Sie den Schwanz Bein nennen würden?“ Die Antwort kam prompt: „Fünf“. Lincoln korrigierte: „Sie befinden sich im Irrtum. Das Schaf hätte immer nur vier Beine. Denn der Schwanz wird nicht zum Bein, nur weil jemand ihn so nennt“. Ach, was waren das noch Zeiten, als es in den USA noch solche Präsidenten gab!

Zu guter Letzt sei an Josef Ratzinger/Papst Benedikt XVI. erinnert, der nicht müde wurde und wird, für die Wahrheit einzutreten. Und dabei deutlich macht, dass nicht wir „die Wahrheit haben“, sondern wenn schon, „die Wahrheit uns hat“. Und diese, so füge ich hinzu, gilt es miteinander zu entdecken...



Donnerstag, 15. September 2016

Der "Unter-Wallfahrtsort"

Im Wallfahrtsort Maria Baumgärtle gibt es einen neuen Wallfahrtsort, sozusagen einen „Unter-Wallfahrtsort“. Aber einen nicht wenig besuchten!

Es fing damit an, dass die örtliche Zeitungsausträgerin diesen ihren Dienst aufgab und sich offensichtlich niemand fand, um diese Aufgabe zu übernehmen.
Also musste die „Mindelheimer Zeitung“ nach einer Lösung suchen, damit ihre Abonnenten weiterhin ihren Qualitätsjournalismus genießen können.
Diese Lösung besteht nun in einer recht unansehnlichen Holzkiste, die zentral in Maria Baumgärtle steht, und in die zu nächtlicher Stunde ein Packen Zeitungen gelegt wird. Die Abonnenten können sich dann – im Normalfall wohl zu nicht mehr ganz so nächtlicher Stunde - ihr Exemplar aus der Kiste holen. Was übrigens gar kein ungefährliches Unterfangen ist, wie ich aus eigener Erfahrung bezeugen kann.
Denn für uns übt im Normalfall Br. Anton, der Mesner, den Zeitungs-Beschaffungs-Dienst aus, da er das gut mit dem morgendlichen Aufsperren der Wallfahrtskirche verbinden kann. Als Br. Anton durch eine Operation und die anschließende Rekonvaleszenz eine ganze Zeit lang außer Gefecht war, brauchten wir einen Vertreter. Und Br. Michael öffnete zwar die Kirche, meinte aber stur, dass gefälligst jemand von den Zeitungslesern sich um die Zeitung kümmern solle – er selbst schaut kaum einmal hinein. Also übernahm ich den Dienst. Und an einem Regentag, den aufgespannten Schirm in der einen Hand, versuchte ich mit der anderen den Deckel der Holzkiste zu öffnen und eine Zeitung heraus zu ziehen. Leider ist an der Unterseite des Deckels ein Metallstück angebracht, das mir die Haut der Hand aufriss, so dass ich blutend die Zeitung zum Haus trug, darauf achtend, die Zeitung nicht blutverschmiert den anderen Zeitungslesern im Hause zu präsentieren.

Diese Zeitungsholzkiste erlebe ich tatsächlich als eine Art „säkularen Wallfahrtsort“ am Wallfahrtsort. Denn von meinem Zimmerfenster aus habe die Kiste im Blick. Und sehe immer wieder morgens Menschen dorthin gehen oder mit dem Fahrrad oder Auto fahren, um sich ihr Zeitungsexemplar abzuholen. Nicht wenige dieser Menschen schauen sich dann gleich die Schlagzeilen auf der ersten Seite an oder blättern an Ort und Stelle, neben der Holzkiste, schon einmal die Zeitung auf. Wenn es nicht regnet – versteht sich!

Für viele Menschen ist das allmorgendliche Zeitung-Lesen ein fast heiliges Ritual, dem in Maria Baumgärtle nun noch das Ritual des Zeitung-Holens vorgeschaltet wird. Wenig später kommen dann andere oder zum Teil dieselben Menschen zur Frühmesse in die Hauskapelle oder Wallfahrtskirche. So vergleiche ich diese Wege zur Zeitungskiste und zur Wallfahrtskirche und die verschiedenen „Informationen“, die dort jeweils zu bekommen sind, den Qualitätsjournalismus der Mindelheimer Zeitung (die zur Augsburger Allgemeinen gehört) und die liturgischen Texte.

Und in diesem Zusammenhang frage ich mich auch, was meinen Blick auf die Welt prägt. Ich lese ja leidenschaftlich gerne die Zeitung. Momentan fange ich noch vorne an, nicht hinten bei den Todesanzeigen, wie es nach meiner Kenntnis viele tun. Auch ich lese die Zeitung gerne morgens, nämlich dann, wenn ich erst abends die heilige Messe feiere, um dann gemeinsam mit den Mitbrüdern frühstücken zu können. Wobei ich dankbar bin, den Tag mit der halbstündigen Meditation begonnen zu haben. Und mich auf dieser Grundlage dem mehr oder weniger Wichtigen und Berichtenswerten aus aller Welt widmen zu können. Die Zeitungslektüre kann auf diese Weise wie zu einer Verlängerung des Morgengebets werden...

Wenn ich morgens nach der Meditation gleich zur Messe gehe, dann hoffe ich, die Zeitung mittags zu finden, was bei mehreren Zeitungsnutzern und verschiedener Disziplin im Zurücklegen des aktuellen Exemplars an Ort und Stelle nicht immer sicher ist. Ein Lob auf die Druckerschwärze!