Mittwoch, 29. August 2012

Urlaubsnachlese

Der „Meraner Höhenweg“ in Südtirol war angesagt. Eine fünftägige Wanderung rund um die Texelgruppe herum. Ausgangs- und Zielpunkt das Dorf Tirol bei Meran. Zu viert wollten wir gehen. Michael, der im Vorfeld die Quartiere unterwegs reserviert hatte, entschied sich, aufgrund einer Schulterzerrung nicht mit zu gehen: „fünf Tage den schweren Rucksack auf den Schultern – besser nicht“!
Also zogen wir zu dritt los und genossen bei herrlichem Wetter die wunderbaren Ausblicke in die Landschaft hinein. Welche Anstrengung und Leistung der Bauern, die steilen Hänge zu bewirtschaften! Von oben sahen wir unten im Tal weite Apfelplantagen, riesig große Flächen.

Und auch das Gehen selbst machte Freude: mal waren wir im Gespräch miteinander, mal ging jeder für sich, seinen Gedanken nachhängend. Mein rechtes Knie, das die letzten Wochen hin und wieder einmal weh getan hatte, spürte ich nur in der Nacht, gehen selbst konnte ich ohne Beschwerden.

Unvergesslich unser Quartier am zweiten Abend: ein alter Bergbauernhof, die Jahreszahl 1593 war außen auf einem Balken zu sehen. Aber die Bäuerin meinte, die erste urkundliche Erwähnung des Hofes sei im 13. Jahrhundert gewesen. In dem Zimmer, in dem die Betten standen, konnte ich nicht aufrecht stehen. Mit der Bäuerin, ihrer Enkelin und ihrer Schwägerin, einer Ordensschwester aus Rom, beide auf Besuch, und einem weiteren Mann feierten wir drei abends die Messe in der alten Küche mit der rauchgeschwärzten Decke.

Am nächsten Tag ging es weiter, ziemlich in die Höhe. Der Himmel verfinsterte sich und entgegen der Auskunft zweier Einheimischer „heute kommt kein Gewitter“ kam dann eines. Und zwar nicht nur mit Blitz und Donner, sondern auch mit Hagel. Weil wir uns in der Nähe der Hütte wussten, gingen wir nicht vorschriftsmäßig in die Hocke, den Rucksack und die Wanderstöcke auf die Seite legend, sondern gingen weiter, über die weißen Hagelkörner hinweg. Innerhalb weniger Minuten war es empfindlich kalt geworden. Als wir bei der Hütte ankamen, auf 2875 Meter Seehöhe, schien bereits wieder die Sonne, und wir konnten die nassen Sachen noch ein wenig darin trocknen.

Und dann: die Nacht! Ebenfalls unvergesslich. Bauchschmerzen, Durchfall, Brechreiz... Klugerweise hatte ich meine Taschenlampe zu Hause vergessen und tastete mich vier mal in der Nacht im Dunkeln an den Stockbetten und Rucksäcken vorbei über die Treppe zur Toilette ein Stockwerk tiefer. Gott sei Dank immerhin im Haus und kein „Häuschen“ in einiger Entfernung vom Haus!
Das Erbrechen kam dann erst am nächsten Morgen, aber auch danach fühlte ich mich nicht wesentlich besser. Und es galt, zunächst einmal 1000 Meter abzusteigen. Dort half dann auch kein Cola, um die Verdauung zu regulieren. Hans war es ähnlich ergangen, nicht ganz so heftig. Auf jeden Fall schloss er sich meinem Plan an, die Aktion abzubrechen. Und so ließen wir einen allein den Rundweg vollenden, der ohnehin noch zwei Tage länger in Südtirol bleiben wollte.

Hans und ich nahmen im ersten Ort den Bus, fuhren nach Meran und von dort nach Innsbruck zurück.

Was bleibt? Es bleiben schöne Eindrücke von unterwegs, vom Miteinander, der Schönheit der Natur. Und es bleibt auch die Erkenntnis, wie nah Stärke und Schwäche einander sind. Drei Tage lang mit einigen Kilos auf dem Rücken, Kilometer und Höhenmeter hinter sich zurück lassend. Klar, andere „schaffen“ noch mehr – aber eine gewisse Leistung ist es... Und dann: fliegt dich etwas an, ein Virus, oder ein Keim im Wasser, was es auch immer gewesen sein mag – und innerhalb weniger Stunden ist es vorbei mit deiner Leistungsfähigkeit und der Freude am Gehen. Und auch diese Erfahrung ein Grund zur Dankbarkeit!

Mittwoch, 15. August 2012

derf i mitschpiela?

Nach einer mehrstündigen, schweißtreibenden Wanderung war ich in Malbun angekommen und saß nun auf der Holzbank vor der Alphütte, an deren Wand angelehnt und genoss die Sonne. Da hörte ich eine Kinderstimme rufen: „derf i mitschpiela?“ (Darf ich mit spielen?). Und bald darauf sah ich zwei kleine Buben, wohl noch im Kindergartenalter, auf dem Weg unterhalb der Hütte vorbei gehen und dann auf eine Wiese laufen. Der gehörten Frage nach hätte ich mehr Kinder erwartet...

Den anderen mit spielen lassen: wie viel Macht kann da unter Kindern ausgeübt werden. Welche Entscheidungsprozesse laufen ab, bis klar ist, ob eine oder einer mit spielen darf oder nicht. Und welche Schmerzen für das Kinderherz, wenn die Entscheidung negativ ausfällt. Tränen und Wut...

Kinderthemen? Vielleicht trug die von der Sonne beschienene Bank an der Alphütte zu meinen Überlegungen diesbezüglich bei. Ist nicht das Mitspielen-Wollen ein Generationen übergreifendes Thema? Nicht nur bei wirtschaftlichen global-players und bei olympischen Spielen. Dabei sein, mit machen, dazu gehören...

Wenn Jugendliche unbedingt Markenklamotten oder ein Smartphone brauchen: hat das nicht auch mit dem „mit spielen wollen“ zu tun?

Ich muss aber auch an manches Gespräch erwachsener Menschen denken. Was einem manchmal negativ aufstoßen kann, wenn es da welche gibt, die scheinbar überall „ihren Senf dazu geben müssen“: verbirgt sich nicht zuweilen auch da der tiefe Wunsch, mit zu spielen? Du erzählst eine belanglose Geschichte, die Dir gestern passiert ist und Dein Tischnachbar erinnert sich an eine Parallele vor 35 Jahren... „Ich auch...“!

Auch wenn in Zeiten einer um sich greifenden Institutionenkrise ebenso schwierige Zeiten für die - von vielen für typisch deutsch gehaltene - „Vereinsmeierei“ angebrochen scheinen, die Mitgliederzahlen sinken hier wie dort, ganz zu schweigen von der Schwierigkeit, Menschen zu finden, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, Leitungsaufgaben als Vorstand oder was immer wahr zu nehmen: so bin ich doch in Bayern einem Maibaum-Verein begegnet und hier in Liechtenstein sogar einem Adilettenclub (für Nicht-Eingeweihte wie mich: es geht um eine leichte Fußbekleidung!), zu dessen Aktivitäten ein Liegestuhlfest gehört. (Nein, ich bin nicht Mitglied!)

Aber zurück zur „philosophischen“ Frage und ihren Folgefragen. Zwei waren es, die für mich folgten: zum einen: ist mein/unser Spiel einladend? Erweckt mein/unser Tun die interessierte, ja geradezu lustvolle Frage nach dem Mitmachen-, Mitspielen-Dürfen? In Verbindung damit die „Unterfrage“: hat dieses mein/unser Tun etwas Spielerisches? Oder bin ich ein verbissener Arbeiter? Vor einigen Wochen sah ich einen von jungen Leuten selbst gedrehten Film über ihre Ferienunternehmung. Das Abwaschen nach den Mahlzeiten wirkte tatsächlich wie eine Riesen-Gaudi: die Jugendlichen tanzten mit den Töpfen und Tellern in der Hand durch die Gegend, offensichtlich mit großem Spaß...

Die zweite Frage ist dann die des Mitspielen-Lassens: bin ich hellhörig für solche Fragen und wie reagiere ich darauf? Vielleicht kommt die Frage ja öfter indirekt. Wer weiß, welche charismatische und begabten Mitspieler ich gewinnen könnte, wenn ich da aufmerksam bin... Miteinander spielen macht ohnehin mehr Freude...

Danke allen, die mich im Spiel ihres Lebens mit spielen lassen...

Mittwoch, 1. August 2012

anders herum...


Eine wichtige Zeit am Tag ist für mich eine halbe Stunde Meditation am Morgen, so als erstes nach dem Aufstehen, ein wenig Gymnastik und der Morgentoilette. Während dieser Meditationszeit nehme ich kein Buch zur Hand, zur Vorbereitung derselben jedoch schon. Wobei es nicht um eine Zeit des Nachdenkens, sondern um eine Zeit des Gebetes geht. Einige Tage war ich beschäftigt mit einem Text mit der Überschrift „Entscheidung für Gott“ eines mir sehr lieben Autors. Dieser legt darin einen Abschnitt des Lukasevangeliums (14,25-35) aus.
Obwohl ich den Text früher schon einmal gelesen hatte, fand ich ihn neuerlich anregend und hilfreich und bei einzelnen Punkten applaudierte ich gleichsam innerlich.

Im Beten mit diesem Text war es dann anders. Da kam mein eigenes Leben mit seiner Schwerfälligkeit und seinen Fehlern mit dazu, woraus dann das Gefühl entstand: „Entscheidung für Gott, schön und gut! Ich will ja auch – aber ich bleibe immer wieder hinter dem einmal Vorgenommenen zurück.“ Es geht mir hier um die sich täglich neu aktualisierende Entscheidung, nicht die irgendwann einmal getroffene. Dieser oder jener äußere Umstand, diese oder jene innere Grenze lässt mich stolpern, zurück fallen... Es könnte einen das schon traurig und verzagt werden lassen.

Nun hat sich all dies im Monat Juli abgespielt, den wir in meiner Gemeinschaft als „Kostbar-Blut-Monat“ begehen. Mehr noch als sonst im Alltag taucht dieser Gedanke auf, ist dies das Thema.
Und so habe ich beim Beten und Ringen um die „Entscheidung für Gott“ auch neuerlich auf den Blut vergießenden Jesus geschaut. Und fand Trost! Und Klarheit!
Denn ER sagt mir, gerade eben durch sein von ihm vergossenes Blut: „ich habe mich für Dich entschieden! Und ich gebe mich hin für Dich, mich selbst, mein Leben – dafür steht das Blut – nicht aufgrund Deiner Großartigkeit und Deiner Leistungen. Nein, schlicht weil ich Dich liebe und mich für Dich entscheide“.

Aha! Jetzt sieht die Sache anders aus. Kann es sein, dass ich mich selbst überfordere, wenn ich mich zu einer „Entscheidung für Gott“ aufraffe, ohne sie auf der Grundlage SEINER Entscheidung für mich zu sehen? Das muss ja daneben gehen.
Anders ist es, wenn es darum geht, auf SEINE Entscheidung für mich zu antworten. Keine Frage: der Blick auf den Blut vergießenden Jesus ist auch herausfordernd! Aber diese Herausforderung ist gepaart mit einer staunenden Dankbarkeit. Du tust das für mich – soviel bin ich Dir wert!
Nicht: ich presse die Zähne zusammen, sammle all meine Energie und zeige Dir, was ich für Dich tue oder tun möchte! Das wäre, wenn, dann Schritt zwei.

Mir fällt der US-amerikanische Mitbruder ein, der von Karfreitagspredigten erzählte, welche sich hauptsächlich damit beschäftigten, den Leuten ein schlechtes Gewissen zu machen. Mit dem Blick auf Jesus am Kreuz zu predigen: „das habt Ihr Jesus angetan! („you did it to him!“). Die andere Seite „das hat ER für Euch getan“ (he did it to you) ging darüber unter. Wenn ich von zwei Seiten spreche, dann will ich damit klar machen, dass ich keine ausblenden möchte. Es geht mir um die Gewichtung und den Ansatz.

Vermutlich ist all das nichts Neues. Aber es kann einem – wie mir – immer neu unter die Haut gehen und Ursache der Freude sein. Und das ist doch viel wert, nicht wahr?