Von April bis November 2016 war der aus
Eritrea stammende Bisrat im Kirchenasyl bei uns im Haus. Um der
Abschiebung nach Italien zu entgehen. Seine Frau lebte als Flüchtling
anerkannt in Lauingen und Bisrat war überglücklich, als er nach
Ende des Kirchenasyls wieder zu ihr ziehen konnte. Im September 2017
sind die beiden nun Eltern geworden: Petros heißt ihr Sohn.
Und Bisrat lud uns zur Taufe ein. Gerne
nahm ich die Einladung an und machte mich am vergangenen Sonntag auf
den Weg nach Ulm. Wo die evangelische Gemeinde die Pauluskirche der
eritreisch-orthodoxen Gemeinde zur Verfügung stellt. Wenn ich recht
verstanden habe, dann trifft sich die eritreisch-orthodoxe Gemeinde
einmal im Monat dort zum Gottesdienst. (Oder fahren sie aus Lauingen
einmal im Monat dorthin?)
Als ich ankam, war gerade ein kleines
Grüppchen junger dunkelhäutiger Männer und eine ebenfalls
dunkelhäutige Frau (sie mit einem knallgelben Rock bzw. Kleid und
leuchtend roten Schuhen!) auf dem Weg in die Kirche. Vorbei gehende
Passanten schauten die Gruppe freundlich interessiert an. Ich könnte
mir vorstellen, dass andere vielleicht auch weniger freundlich, eher
ängstlich reagieren.
Beim Betreten der Kirche sah ich dort
viele Schuhe im Vorraum. Aha! Also zog auch ich meine Schuhe aus und
spürte trotz der gestrickten Wollsocken den kalten Steinboden der
Kirche recht deutlich. Ich weiß gar nicht, wann die Liturgie
angefangen hatte. Bisrat meinte, die Taufe wäre um 13.00 Uhr. Ich
kam um 12.15 Uhr bei der Kirche an und ging einfach hinein. Etwa 250
dunkelhäutige Personen, vorwiegend jüngere, etwa zwei Drittel davon
Männer, diese auf der linken Seite der Kirche, rechts die Frauen.
Die meiste Zeit standen wir, während
vorne ein kleiner Chor weiß gekleideter Männer mit
Trommelbegleitung sang – eine für mein Ohr nicht so ganz leicht
zugängliche Melodie. Die Chorsänger standen im Halbkreis, wobei
sich zwischendurch die Formation auflöste und sich Gruppen bildeten,
die tanzend einander begegneten.
Einzelne Momente während der Liturgie
gab es, in denen sich die Anwesenden ehrfürchtig hin knieten. Wobei
das auf die Weise geschah, wie wir es aus Moscheen kennen. Also den
Oberkörper nach vorne gebeugt, so dass die Stirn den Boden berührt.
Was für mich, der ich mir ganz hinten einen Platz gesucht hatte,
recht lustig aussah. In der Kirche waren nämlich keine Bänke,
sondern Stühle, vorne grün gepolsterte und im hinteren Drittel
weiße Holzstühle. Als sich nun die Leute hin knieten und nach vorne
beugten, verschwanden sie gleichsam und ich sah nur noch die
(Rückenlehnen der) Stühle.
Noch andere interessante Momente in der
Liturgie gab es für mich, die ich nicht verstand oder nicht zu
deuten vermag. Irgendwann während des Gottesdienstes dann die
Taufen: drei Kinder wurden an diesem Tag getauft, darunter eben auch
Petros. Und weil der Gottesdienst kein Ende nahm, ich aber schon mit
bekommen hatte, dass nicht nur die Kinder sich in der Kirche bewegen,
machte ich mich auch auf den Weg nach vorn, um Bisrat zu begegnen,
ihm und seiner Frau Shewit zu gratulieren und einen Blick auf das
Baby zu erhaschen. Bisrat war ganz traurig, dass ich seiner
Einladung, die Familie nach Lauingen zu begleiten, um dort weiter zu
feiern, nicht nachkommen konnte. Es war inzwischen 14.00 Uhr und die
Liturgie noch nicht zu Ende!
So machte ich mich mit vielen
Eindrücken wieder auf den Weg, ich wollte noch einen Besuch in der
Uni-Klinik machen. Die fremdartige Liturgie ließ und lässt mich
fragen, wie den Menschen aus Eritrea wohl das fremde Deutschland
vorkommen muss. Und wie Integration gelingen kann.
Nachdem Bisrat und seine Frau keine
gültigen Personaldokumente haben, hat auch das Baby nur eine
„vorläufige Geburtsurkunde“ bekommen. Was wird der kleine Petros
in seinem Leben erfahren? Gebe es Gott, dass er durch die Liebe
seiner Eltern getragen, Eritrea und Deutschland für sich irgendwie
verbinden kann...