Dienstag, 31. März 2015

Beichten

Für die örtliche Zeitung gab ich ein Interview, dessen Fragen mir der Redakteur vorher schriftlich zukommen ließ. In den kommenden Tagen wird es in der Mindelheimer Zeitung zu lesen sein. Hier "exklusiv vorab"...

Lieber Herr Pater Alois,
ich freue mich, dass wir uns zum Thema „Beichten“ am Montag um 9.30 Uhr treffen können. Zu Ihrer Einstimmung:  Ich denke ich an folg Fragen:
-          Stellenwert  des Beichtens  in Baumgärtle:
Das ist für uns eine der Hauptaufgaben und ein Dienst, den wir sehr gerne tun!
-          Wie viele Beichten pro Jahr  etwa?
Es sind ca. 5000 Beichten in den vergangenen beiden Jahren (2013 und 2014), da blieb die Zahl fast gleich. Ein Schwerpunkt ist die Fastenzeit: seit dem Aschermittwoch bis zum Palmsonntag heute haben wir ca. 600 Beichten!
-          Woher kommen die Beichtkinder?
Ich würden lieber von „Beichtenden“ sprechen. Unter diesen sind Frauen und Männer, Kinder, Jugendliche, Erwachsene...
Sie kommen aus dem gesamten Allgäu (Unter-, Ost-, Ober-), zwischendurch hört man auch „oberbayrischen Akzent“, dann kommen auch Menschen aus der Nachbardiözese, bzw. dem Bundesland Baden-Württemberg.
-          Gibt es Zeiten mit viel „Nachfrage“?
Außer der Fasten- und Osterzeit sind es die Wochen um Allerheiligen und auch vor Weihnachten.
-          Was präferieren die Menschen:  Beichtstuhl, Beichtzimmer …
Die Menschen sind verschieden: manche möchten gerne im Beichtstuhl beichten, andere ziehen ein Beichtgespräch vor, bei dem man sich gegenüber sitzt.
-          Was ist das Beichten  für die Menschen Ihrer Erfahrung nach?  Z.B. Schuldbekenntnis. Erleichterung, Orientierung, Beratung, Hilfe….
-          Ist die Beichte vielen  eine Gottesbegegnung, eher ein Ritual oder – insb.  die Osterbeichte -  eine Vorschrift/ein „alter Brauch“ ?
-          Was suchen die Menschen?  Rat, Einfühlung, Trost, ein Gespräch….
Diese drei Fragen beantworte ich miteinander. All die genannten Motive spielen eine Rolle, bei dem einen mehr das, bei der anderen mehr jenes. Was mir wichtig ist: Beichte ist „mehr“ bzw. etwas anderes als ein „Beratungsgespräch“, weil da ja ein „unsichtbarer Dritter“ am Werk ist. Meistens muss ich das nicht extra erwähnen, oft wird es im Geschehen spürbar. Das hat nichts mit Magie zu tun und ich erlebe die Beichtenden durchaus als verantwortungsbewusste Menschen, die es sich nicht leicht machen und gleichsam mit der Beichte einen bequemen Weg suchten.
-          Welche besonderen Anliegen gibt es? S.o.
-          Erfährt  der Beichtvater  auch geleg.  eine Art Reaktion?
O ja! Immer wieder bedanken sich Menschen. Für die konkrete Beichte bzw. auch die grundsätzliche Möglichkeit, in Maria Baumgärtle beichten zu können.
-          Bereiten sich  viele  gezielt  aufs Beichten vor?
Ja. Nicht wenige, und auch nicht nur Kinder, tun dies auch schriftlich!
-          Haben Leute auch  „Angst“ vor dem Beichten?
Vielleicht ist es eher „Beklommenheit“. Aber ich meine, das nimmt ab. Und das ist wiederum eine Chance für die Beichte. Ohne Angst vor „Hochwürden“ geschwisterlich einander im Glauben begegnen zu können.
-          Wie wichtig ist die Person  des Beichtvaters?
Sie hat eine gewisse Bedeutung, aber zu hoch würde ich das nicht ansetzen.
-          Kann ein Bußgottesdienst die Beichte ersetzen?
Man kann nicht Äpfel und Birnen vergleichen. Beides ist gut. In einer Pfarrei sollte es beides geben. Unser Spezialgebiet in Maria Baumgärtle ist die Beichte!
-          Wie kann man Menschen zur Beichte animieren, wenn sie alte Vorstellungen aus der Schulzeit haben. Was tut die Kirche, das Sakrament zu „vermitteln“?
Papst Franziskus hat – zumindest in Rom – bereits einen Anstieg der Beichten bewirkt. Und ich hoffe, das zieht Kreise auch jenseits der Alpen. Ich würde nicht direkt „Beichtwerbung“ machen. Wenn Menschen (wieder) lernen, über ihren Glauben ins Gespräch zu kommen (und nicht nur über kirchliche „Reiz-Themen“), dann ist das die beste Vorbereitung auf gute Beichten!
-          Wer kommt zum Beichten  nach B.?   Jüngere-Ältere? Bekannte-Unbekannte? Männer-Frauen?      -   Gläubige, Suchende, Zweifler, Atheisten….?
Jede dieser Gruppen ist wohl vertreten, Atheisten vielleicht am wenigsten...
-          Was spüren Sie  als Geistlicher an  Wandel: z.B. bestimmter  Einstellungen, an materieller Not, Existenzangst,  Beziehungskrisen… 
Vor allem habe ich den Eindruck, dass die berufliche Belastung für viele größer geworden ist und wird. Außerdem glaube ich auch, dass die Erfahrung von Einsamkeit in unserer Gesellschaft zunimmt...
-          Gehen Erfahrungen aus den Kontakten/Gesprächen in die kirchliche Arbeit  ein?
Unbedingt! Zum einen bin ich ja reich beschenkt, wenn ich um das Ringen und Kämpfen meiner Brüder und Schwestern im Glauben mit bekomme. Und oft genug fühle ich mich bei Beichten wie ein „ganz kleines Licht“ angesichts dessen, was da jemand lebt oder auch zu tragen hat.
Und natürlich prägt das Gehörte auch meine Verkündigung.



Montag, 16. März 2015

Fasten und Berufung

Wieder einmal eine Woche gefastet, klassisch mit Milch und Semmel nach Dr. Mayr. Und das auf knapp 1200 Höhenmeter in Schweizer Traumlandschaft im Benediktinerinnenkloster Maria Rickenbach/NW.
Keine typischen, heftigen Kopfschmerzen am dritten Tag, ganz leichte zu Beginn.
Dafür trotz nicht zu viel Bewegung Muskelkaterschmerzen: die Fastenexperten sagen, das hänge mit der Übersäuerung des Körpers zusammen, die eben durch das Fasten abgebaut wird.

Bewegt habe ich mich dann doch: bis auf Mittwoch hat praktisch die ganze Woche die Sonne geschienen und der Schnee hat geglitzert. Der lag da oben noch! Schifahrer sind praktisch bis vor die Haustür gefahren und Schneeschuhgeher waren auch jeden Tag unterwegs.
Meine längste Runde dauerte zwei Stunden, dabei 200 Höhenmeter hinauf und wieder hinunter. Und als ich heim kam und die Schuhe wechselte, da wurde mir kurz schwindlig und ich war froh, mich an einem Heizkörper festhalten zu können. Das war wohl doch zu viel auf nüchternen Magen!

Zum Fastenbrechen am vorletzten Tag machte ich einen Ausflug (mit der Bahn! Genauer mit der Zentralbahn der SBB) nach Engelberg, ganz in der Nähe. Dort ist ein Benediktinerkloster, welches mich anzog. Nicht so sehr wegen der schönen Kirche, in der es auch gelungen ist, ein paar völlig neue Elemente (Altar, Ambo, Taufstein, Beichtstühle) in die alte Barockkirche hinein zu stellen. Nein, in der Gruft liegt ein ehemaliger Mitstudent begraben.
Ich erinnere mich noch so gut an Frater Michael, drei Jahre älter als ich, und an unseren gemeinsamen Studienbeginn in Salzburg. Nach den Semesterferien nach dem ersten Studienjahr kam er nicht mehr: er war im September 1985 in den Bergen abgestürzt.

Für den Besuch in Engelberg nahm ich den Engelberger Wintersport-Tourismus in Kauf, fuhr aber schnell wieder in die Einsamkeit auf der Höhe zurück. Maria Rickenbach ist nur über eine Seilbahn erreichbar. Die letzte fährt um 18.40 Uhr.

Als ich die Engelberger Kirche verließ, sah ich über den Bergen eine ganze „Wolke“ von Gleitschirmfliegern, sieben oder acht. Einzelne sieht man immer wieder dort im Tal. Und dieser Blick, dieses Bild: Gleitschirmflieger über den Bergen mit dem Turm der Klosterkirche im Vordergrund, das geht mir nach.
Ist es nicht so, dass wir Menschen abenteuerlustig sind? Vielleicht ist das jetzt zu pauschal und es trifft nicht auf alle zu, auf jüngere wohl eher.
Und kann es sein, dass außer dem Wunsch nach sozialer Absicherung bzw. gesellschaftlichem Aufstieg früher auch eine gewisse Abenteuerlust den Klostereintritt motivierte? So in Zeiten, als Missionare per Schiff andere Kontinente erreichten.
Inzwischen reisen viele ständig fliegend durch die Welt. Das ist kein Abenteuer mehr.
Gleitschirmfliegen wohl noch eher.

Ließe sich der „Abenteuereffekt“ von Kloster-, Ordensleben jungen Menschen verdeutlichen?
Oder gibt es den gar nicht? Oder sind wir Ordensleute inzwischen einfach auch zu verbürgerlicht: eine abgesicherte Existenz mit viel weniger Sorgen als viele in der Gesellschaft um uns herum...

Und wie ist das mit dem Abenteuer, sich auf eine Lebensgemeinschaft mit Menschen einzulassen, die ich mir nicht ausgesucht habe? Im Gegensatz zu partnerschaftlichen Lebensformen heute, wo das ja nicht so ist (,im Gegensatz zu früher)? Ja und sind wir denn solche „Lebensgemeinschaften“ oder nicht vielleicht doch eher Arbeits-Zweck-Gemeinschaften von Individualisten, die eher nebeneinander leben?

Fragen über Fragen: ob mir das Fasten wohl gut bekommen ist?
Eigentlich fühle ich mich „erleichtert“ und ein wenig neu...

Sonntag, 1. März 2015

Mutig neue Wege gehen

„Mutig neue Wege gehen“ - so lautet das Motto des Glaubenstages am 1. März in der Pfarreiengemeinschaft Tussenhausen. Ob ich einen Kurs, einen Workshop dabei halten kann?
Mir gefällt die Idee des Glaubenstages und ich überlege, wie diese Thematik angegangen werden kann. Und bald habe ich es: wer geht denn mutig neue Wege? Mir kommen bald einmal Flüchtlinge in den Sinn, die zu Hause alles aufgeben und sich in eine ungewisse Zukunft aufmachen.
Außerdem ist das Thema omnipräsent in den Medien.

Also setze ich mich mit der Caritas-Migrationsberaterin in Verbindung. Ob sie jemand weiß, der bereit und fähig wäre, seine (Flucht-)Geschichte zu erzählen? Tatsächlich ist das ja nicht so einfach. Es fängt mit der Sprachbarriere an. Aber dann gibt es tatsächlich Trauma-Erfahrungen durch die Flucht, die es den Betroffenen schwer bis unmöglich machen, davon zu erzählen. Und dazu kommt Misstrauen: die Syrer etwa kommen aus einem Staat, in dem der Geheimdienst überall aktiv war. Und auch Geheimdienstleute sind geflohen. Wer weiß, so fragt sich der syrische Flüchtling, wem ich mit meiner Erzählung eventuell schade?

Aber wir, d.h. die Caritas-Mitarbeiterin, finden jemand. Eine syrische Familie aus Damaskus, die vor zwei Jahren die Flucht angetreten hat und seit einigen Monaten in Deutschland lebt. Mohammed, seine Frau Mysam und ihren beiden entzückenden kleinen Söhne. Mohammed hatte zu Hause ein Restaurant, die Familie hatte ein Haus und zwei Autos. Aber die Lage war trotzdem unerträglich für sie. Und so flohen sie nach Ägypten - dem einzigen Land, in dem sie als Syrer kein Visum bezahlen mussten. Bis auch dort die Lage für die Syrer gefährlich wurde. Also hatten sie die Wahl, nach Syrien zurück zu kehren oder nach Europa weiter zu fliehen. Und entschieden sich dafür. Wobei Mohammed mit nassen Augen erzählte: „wenn ich von den Fluchtbedingungen geahnt hätte, dann wäre ich nach Syrien zurück gekehrt, um dort zu sterben.“ Wie so viele landeten sie auf einem einfachen, kleinen Fischerboot, auf dem 600 Menschen zusammen gepfercht waren, ohne Nahrung und Wasser. Und darunter eben die junge Familie mit den kleinen Kindern. Sie hatten ohnehin nur das Nötigste mit genommen, wobei die Schlepper zwei von den drei Rucksäcken über Bord warfen.
Der Kapitän hatte sein Satellitentelefon über Bord geworfen, um nicht geortet zu werden. Ein großer Tanker fuhr am Flüchtlingsboot vorbei. Welch enttäuschte Hoffnung! Endlich ein Flugzeug über ihnen, aus dem Fotos gemacht wurden. Un kurz darauf ein Schiff des Roten Kreuzes, welches Rettung brachte.

In der Schlussrunde äußerten mehrere Kursteilnehmer ihre Betroffenheit. Und den Unterschied, den es ausmacht, solche Geschichten zu lesen, im Fernsehen zu sehen oder sie einen lebendigen Menschen erzählen zu hören.
Zwei afrikanische Flüchtlinge kamen aus einer anderen Flüchtlingsunterkunft, Samson aus Eritrea und sein Freund aus Senegal. Leider hatten wir nur noch Zeit für Samsons Geschichte, der auf der Suche nach Freiheit seine Heimat verlassen hatte. Sein jüngerer Bruder ist in der Schweiz gelandet.

Welch eine dichte Atmosphäre in diesen 90 Minuten Workshop in einem Klassenzimmer. Dass die beiden Kinder von Mohammed und Mysam zwischendurch Krach machten, störte überhaupt nicht. Und am Ende eine gegenseitige Dankbarkeit: die Flüchtlinge dankten für die Gelegenheit, erzählen zu können, spürten wohl auch die ihnen entgegen gebrachte Offenheit. Und wir waren voller Dank, solche Geschichten aus erster Hand zu hören zu bekommen.