Für die örtliche Zeitung gab ich ein Interview, dessen Fragen mir der Redakteur vorher schriftlich zukommen ließ. In den kommenden Tagen wird es in der Mindelheimer Zeitung zu lesen sein. Hier "exklusiv vorab"...
Lieber Herr Pater Alois,
ich freue mich, dass
wir uns zum Thema „Beichten“ am Montag um 9.30 Uhr treffen
können. Zu Ihrer Einstimmung: Ich denke ich an folg Fragen:
-
Stellenwert des Beichtens in Baumgärtle:
Das ist für uns eine der Hauptaufgaben und ein Dienst, den wir
sehr gerne tun!
-
Wie viele Beichten pro Jahr etwa?
Es sind ca. 5000 Beichten in den vergangenen beiden Jahren (2013
und 2014), da blieb die Zahl fast gleich. Ein Schwerpunkt ist die
Fastenzeit: seit dem Aschermittwoch bis zum Palmsonntag heute haben
wir ca. 600 Beichten!
-
Woher kommen die Beichtkinder?
Ich würden lieber von „Beichtenden“ sprechen. Unter diesen
sind Frauen und Männer, Kinder, Jugendliche, Erwachsene...
Sie kommen aus dem gesamten Allgäu (Unter-, Ost-, Ober-),
zwischendurch hört man auch „oberbayrischen Akzent“, dann kommen
auch Menschen aus der Nachbardiözese, bzw. dem Bundesland
Baden-Württemberg.
-
Gibt es Zeiten mit viel „Nachfrage“?
Außer der Fasten- und Osterzeit sind es die Wochen um
Allerheiligen und auch vor Weihnachten.
-
Was präferieren die Menschen: Beichtstuhl, Beichtzimmer …
Die Menschen sind verschieden: manche möchten gerne im
Beichtstuhl beichten, andere ziehen ein Beichtgespräch vor, bei dem
man sich gegenüber sitzt.
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Was ist das Beichten für die Menschen Ihrer Erfahrung nach?
Z.B. Schuldbekenntnis. Erleichterung, Orientierung, Beratung,
Hilfe….
-
Ist die Beichte vielen eine Gottesbegegnung, eher ein Ritual
oder – insb. die Osterbeichte - eine Vorschrift/ein
„alter Brauch“ ?
-
Was suchen die Menschen? Rat, Einfühlung, Trost, ein
Gespräch….
Diese drei Fragen beantworte ich miteinander. All die genannten
Motive spielen eine Rolle, bei dem einen mehr das, bei der anderen
mehr jenes. Was mir wichtig ist: Beichte ist „mehr“ bzw. etwas
anderes als ein „Beratungsgespräch“, weil da ja ein
„unsichtbarer Dritter“ am Werk ist. Meistens muss ich das nicht
extra erwähnen, oft wird es im Geschehen spürbar. Das hat nichts
mit Magie zu tun und ich erlebe die Beichtenden durchaus als
verantwortungsbewusste Menschen, die es sich nicht leicht machen und
gleichsam mit der Beichte einen bequemen Weg suchten.
-
Welche besonderen Anliegen gibt es? S.o.
-
Erfährt der Beichtvater auch geleg. eine Art
Reaktion?
O ja! Immer wieder bedanken sich Menschen. Für die konkrete
Beichte bzw. auch die grundsätzliche Möglichkeit, in Maria
Baumgärtle beichten zu können.
-
Bereiten sich viele gezielt aufs Beichten vor?
Ja. Nicht wenige, und auch nicht nur Kinder, tun dies auch
schriftlich!
-
Haben Leute auch „Angst“ vor dem Beichten?
Vielleicht ist es eher „Beklommenheit“. Aber ich meine, das
nimmt ab. Und das ist wiederum eine Chance für die Beichte. Ohne
Angst vor „Hochwürden“ geschwisterlich einander im Glauben
begegnen zu können.
-
Wie wichtig ist die Person des Beichtvaters?
Sie hat eine gewisse Bedeutung, aber zu hoch würde ich das nicht
ansetzen.
-
Kann ein Bußgottesdienst die Beichte ersetzen?
Man kann nicht Äpfel und Birnen vergleichen. Beides ist gut. In
einer Pfarrei sollte es beides geben. Unser Spezialgebiet in Maria
Baumgärtle ist die Beichte!
-
Wie kann man Menschen zur Beichte animieren, wenn sie alte
Vorstellungen aus der Schulzeit haben. Was tut die Kirche, das
Sakrament zu „vermitteln“?
Papst Franziskus hat – zumindest in Rom – bereits einen
Anstieg der Beichten bewirkt. Und ich hoffe, das zieht Kreise auch
jenseits der Alpen. Ich würde nicht direkt „Beichtwerbung“
machen. Wenn Menschen (wieder) lernen, über ihren Glauben ins
Gespräch zu kommen (und nicht nur über kirchliche „Reiz-Themen“),
dann ist das die beste Vorbereitung auf gute Beichten!
-
Wer kommt zum Beichten nach B.? Jüngere-Ältere?
Bekannte-Unbekannte? Männer-Frauen?
- Gläubige, Suchende, Zweifler, Atheisten….?
Jede dieser Gruppen ist wohl vertreten, Atheisten vielleicht am
wenigsten...
-
Was spüren Sie als Geistlicher an Wandel: z.B.
bestimmter Einstellungen, an materieller Not, Existenzangst,
Beziehungskrisen…
Vor allem
habe ich den Eindruck, dass die berufliche Belastung für viele
größer geworden ist und wird. Außerdem
glaube ich auch, dass die Erfahrung von Einsamkeit in unserer
Gesellschaft zunimmt...
-
Gehen Erfahrungen aus den Kontakten/Gesprächen in die kirchliche
Arbeit ein?
Unbedingt! Zum einen bin ich ja reich beschenkt, wenn ich um das
Ringen und Kämpfen meiner Brüder und Schwestern im Glauben mit
bekomme. Und oft genug fühle ich mich bei Beichten wie ein „ganz
kleines Licht“ angesichts dessen, was da jemand lebt oder auch zu
tragen hat.
Und natürlich prägt das Gehörte auch meine Verkündigung.
Dienstag, 31. März 2015
Montag, 16. März 2015
Fasten und Berufung
Wieder einmal eine Woche gefastet,
klassisch mit Milch und Semmel nach Dr. Mayr. Und das auf knapp 1200
Höhenmeter in Schweizer Traumlandschaft im Benediktinerinnenkloster
Maria Rickenbach/NW.
Keine typischen, heftigen Kopfschmerzen
am dritten Tag, ganz leichte zu Beginn.
Dafür trotz nicht zu viel Bewegung
Muskelkaterschmerzen: die Fastenexperten sagen, das hänge mit der
Übersäuerung des Körpers zusammen, die eben durch das Fasten
abgebaut wird.
Bewegt habe ich mich dann doch: bis auf
Mittwoch hat praktisch die ganze Woche die Sonne geschienen und der
Schnee hat geglitzert. Der lag da oben noch! Schifahrer sind
praktisch bis vor die Haustür gefahren und Schneeschuhgeher waren
auch jeden Tag unterwegs.
Meine längste Runde dauerte zwei
Stunden, dabei 200 Höhenmeter hinauf und wieder hinunter. Und als
ich heim kam und die Schuhe wechselte, da wurde mir kurz schwindlig
und ich war froh, mich an einem Heizkörper festhalten zu können.
Das war wohl doch zu viel auf nüchternen Magen!
Zum Fastenbrechen am vorletzten Tag
machte ich einen Ausflug (mit der Bahn! Genauer mit der Zentralbahn
der SBB) nach Engelberg, ganz in der Nähe. Dort ist ein
Benediktinerkloster, welches mich anzog. Nicht so sehr wegen der
schönen Kirche, in der es auch gelungen ist, ein paar völlig neue
Elemente (Altar, Ambo, Taufstein, Beichtstühle) in die alte
Barockkirche hinein zu stellen. Nein, in der Gruft liegt ein
ehemaliger Mitstudent begraben.
Ich erinnere mich noch so gut an Frater
Michael, drei Jahre älter als ich, und an unseren gemeinsamen
Studienbeginn in Salzburg. Nach den Semesterferien nach dem ersten
Studienjahr kam er nicht mehr: er war im September 1985 in den Bergen
abgestürzt.
Für den Besuch in Engelberg nahm ich
den Engelberger Wintersport-Tourismus in Kauf, fuhr aber schnell
wieder in die Einsamkeit auf der Höhe zurück. Maria Rickenbach ist
nur über eine Seilbahn erreichbar. Die letzte fährt um 18.40 Uhr.
Als ich die Engelberger Kirche verließ,
sah ich über den Bergen eine ganze „Wolke“ von
Gleitschirmfliegern, sieben oder acht. Einzelne sieht man immer
wieder dort im Tal. Und dieser Blick, dieses Bild: Gleitschirmflieger
über den Bergen mit dem Turm der Klosterkirche im Vordergrund, das
geht mir nach.
Ist es nicht so, dass wir Menschen
abenteuerlustig sind? Vielleicht ist das jetzt zu pauschal und es
trifft nicht auf alle zu, auf jüngere wohl eher.
Und kann es sein, dass außer dem
Wunsch nach sozialer Absicherung bzw. gesellschaftlichem Aufstieg
früher auch eine gewisse Abenteuerlust den Klostereintritt
motivierte? So in Zeiten, als Missionare per Schiff andere Kontinente
erreichten.
Inzwischen reisen viele ständig
fliegend durch die Welt. Das ist kein Abenteuer mehr.
Gleitschirmfliegen wohl noch eher.
Ließe sich der „Abenteuereffekt“
von Kloster-, Ordensleben jungen Menschen verdeutlichen?
Oder gibt es den gar nicht? Oder sind
wir Ordensleute inzwischen einfach auch zu verbürgerlicht: eine
abgesicherte Existenz mit viel weniger Sorgen als viele in der
Gesellschaft um uns herum...
Und wie ist das mit dem Abenteuer, sich
auf eine Lebensgemeinschaft mit Menschen einzulassen, die ich mir
nicht ausgesucht habe? Im Gegensatz zu partnerschaftlichen
Lebensformen heute, wo das ja nicht so ist (,im Gegensatz zu früher)?
Ja und sind wir denn solche „Lebensgemeinschaften“ oder nicht
vielleicht doch eher Arbeits-Zweck-Gemeinschaften von
Individualisten, die eher nebeneinander leben?
Fragen über Fragen: ob mir das Fasten
wohl gut bekommen ist?
Eigentlich fühle ich mich
„erleichtert“ und ein wenig neu...
Sonntag, 1. März 2015
Mutig neue Wege gehen
„Mutig neue Wege gehen“ - so lautet
das Motto des Glaubenstages am 1. März in der Pfarreiengemeinschaft
Tussenhausen. Ob ich einen Kurs, einen Workshop dabei halten kann?
Mir gefällt die Idee des Glaubenstages
und ich überlege, wie diese Thematik angegangen werden kann. Und
bald habe ich es: wer geht denn mutig neue Wege? Mir kommen bald
einmal Flüchtlinge in den Sinn, die zu Hause alles aufgeben und sich
in eine ungewisse Zukunft aufmachen.
Außerdem ist das Thema omnipräsent in
den Medien.
Also setze ich mich mit der
Caritas-Migrationsberaterin in Verbindung. Ob sie jemand weiß, der
bereit und fähig wäre, seine (Flucht-)Geschichte zu erzählen?
Tatsächlich ist das ja nicht so einfach. Es fängt mit der
Sprachbarriere an. Aber dann gibt es tatsächlich Trauma-Erfahrungen
durch die Flucht, die es den Betroffenen schwer bis unmöglich
machen, davon zu erzählen. Und dazu kommt Misstrauen: die Syrer etwa
kommen aus einem Staat, in dem der Geheimdienst überall aktiv war.
Und auch Geheimdienstleute sind geflohen. Wer weiß, so fragt sich
der syrische Flüchtling, wem ich mit meiner Erzählung eventuell
schade?
Aber wir, d.h. die
Caritas-Mitarbeiterin, finden jemand. Eine syrische Familie aus
Damaskus, die vor zwei Jahren die Flucht angetreten hat und seit
einigen Monaten in Deutschland lebt. Mohammed, seine Frau Mysam und
ihren beiden entzückenden kleinen Söhne. Mohammed hatte zu Hause
ein Restaurant, die Familie hatte ein Haus und zwei Autos. Aber die
Lage war trotzdem unerträglich für sie. Und so flohen sie nach
Ägypten - dem einzigen Land, in dem sie als Syrer kein Visum
bezahlen mussten. Bis auch dort die Lage für die Syrer gefährlich
wurde. Also hatten sie die Wahl, nach Syrien zurück zu kehren oder
nach Europa weiter zu fliehen. Und entschieden sich dafür. Wobei
Mohammed mit nassen Augen erzählte: „wenn ich von den
Fluchtbedingungen geahnt hätte, dann wäre ich nach Syrien zurück
gekehrt, um dort zu sterben.“ Wie so viele landeten sie auf einem
einfachen, kleinen Fischerboot, auf dem 600 Menschen zusammen
gepfercht waren, ohne Nahrung und Wasser. Und darunter eben die junge
Familie mit den kleinen Kindern. Sie hatten ohnehin nur das Nötigste
mit genommen, wobei die Schlepper zwei von den drei Rucksäcken über
Bord warfen.
Der Kapitän hatte sein
Satellitentelefon über Bord geworfen, um nicht geortet zu werden.
Ein großer Tanker fuhr am Flüchtlingsboot vorbei. Welch enttäuschte
Hoffnung! Endlich ein Flugzeug über ihnen, aus dem Fotos gemacht
wurden. Un kurz darauf ein Schiff des Roten Kreuzes, welches Rettung
brachte.
In der Schlussrunde äußerten mehrere
Kursteilnehmer ihre Betroffenheit. Und den Unterschied, den es
ausmacht, solche Geschichten zu lesen, im Fernsehen zu sehen oder sie
einen lebendigen Menschen erzählen zu hören.
Zwei afrikanische Flüchtlinge kamen
aus einer anderen Flüchtlingsunterkunft, Samson aus Eritrea und sein
Freund aus Senegal. Leider hatten wir nur noch Zeit für Samsons
Geschichte, der auf der Suche nach Freiheit seine Heimat verlassen
hatte. Sein jüngerer Bruder ist in der Schweiz gelandet.
Welch eine dichte Atmosphäre in diesen
90 Minuten Workshop in einem Klassenzimmer. Dass die beiden Kinder
von Mohammed und Mysam zwischendurch Krach machten, störte überhaupt
nicht. Und am Ende eine gegenseitige Dankbarkeit: die Flüchtlinge
dankten für die Gelegenheit, erzählen zu können, spürten wohl
auch die ihnen entgegen gebrachte Offenheit. Und wir waren voller
Dank, solche Geschichten aus erster Hand zu hören zu bekommen.
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