Montag, 31. Oktober 2022

Begegnungen im Oktober 22 in Polen

Ein merkwürdiger Anblick: in einem Haus ziemlich in der Einsamkeit am Fluss San in Polen, an der Wand des Wohnzimmers Oktoberfest-Lebkuchenherzen mit entsprechender Aufschrift: „i mog di“ etc. Auf dem Weg von Zamość im Südosten Polens Richtung Warschau sind wir bei der Mutter von Christoph eingekehrt, ein kleiner Abstecher von der Autobahn. „Wie hat Gott dich denn in dieser einsamen Gegend gefunden?“, scherzte Christophs Provinzial, als er zum ersten Mal bei ihm zu Hause war. Die Mutter hat – es ist mitten am Vormittag – ein komplettes Mittagessen vorbereitet. Ich beschränke mich auf ein Stückchen Käsekuchen, Sernik, den Christophs Schwester Małgorzata wohl noch zu nächtlicher Stunde gebacken hatte. Und eben dort in der guten Stube die Lebkuchenherzen. Schon viele Jahre arbeitet Christophs Vater im Münchner Umland auf dem Bau. Zu Hause gab es keine Arbeit, die Mutter war bei den sechs Kindern daheim, so entschied sich der Vater zur Arbeit in Deutschland. Und freut sich, dass es jetzt nur noch zwei Jahre bis zur Rente sind.

Später in Swarzewo hatte mich schüchtern eine Frau auf Deutsch angesprochen: „Guten Tag“, und mir dann erzählt, dass sie in München als Reinigungskraft gearbeitet habe. „Eigentlich wollte ich nur für drei Monate hin, dann sind acht Jahre daraus geworden.“ Am Ende ihrer Zeit dort musste sie wegen eines Aneurysmas ins Krankenhaus und hatte jetzt vor kurzem wieder eine Kopfoperation.

Auch in Tschenstochau traf ich Menschen mit Deutschland-Bezug: „ich bin Betreuerin in Fürth“, sagte mir die eine. Und eine andere: „mein Sohn hat in Karlsruhe studiert und lebt und arbeitet jetzt auch dort“. Auf der Baustelle der Kostbar-Blut-Wallfahrtskirche daneben arbeitete ein Mann mit seinen beiden Söhnen, Dämmmaterial brachten sie an. Dieser Herr hörte sofort, woher ich bin und es stellte sich heraus, dass er schon in Dortmund und Düsseldorf gearbeitet hatte.

Renata in unserem Haus in der Nähe von Zamość grüßte mich am zweiten Tag mit „Guten Morgen“ und erzählte mir später, dass sie vor 20 Jahren fünfmal für je ein halbes Jahr in der Schweiz gewesen sei, in Oberriet. Und sie sprach es „Ob´rriat“ aus, mit Schweizer Akzent.

In der Gegend dort begegneten wir auch Christoph, der wiederum 16 Jahre in Frankreich auf dem Bau gearbeitet hatte und gerade wieder auf dem Weg dorthin war. Was bedeutet dieses Leben und Arbeiten für die Familien der Betroffenen? Christoph etwa hatte wohl eine Zeit ziemlich mit Alkohol Probleme, ist nach einer Art Bekehrung aber jetzt trocken. Seine ruhige, nachdenkliche Art hat mich beeindruckt.

Und neben dieser „Arbeitsmigration“ sind wir in Polen der viel schlimmeren, grausameren begegnet: aus der Ukraine geflüchteten Menschen. In unserem Haus bei Zamość plauderten wir eine knappe Stunde mit Tatiana und ihrem elfjährigen Sohn. Sie stammen ursprünglich aus dem Donbass, sind aber dann nach Kiew gezogen und von dort geflohen – der Mann bzw. Vater ist natürlich dortgeblieben. Ihre Muttersprache ist russisch, aber sie sind Ukrainer. Tatiana zeigte uns auf ihrem Handy aktuelle Fotos, Bombenabwürfe auf Kiew. Und lud uns ein, sie nach dem Krieg dort zu besuchen. Zamość ist ja gar nicht weit von der Grenze zur Ukraine entfernt, zu Beginn des Krieges kamen im wörtlichen Sinn Tag und Nacht Flüchtlinge an und die Mitbrüder öffneten die Türen und versuchten zu helfen.

In unserem Haus in Tschenstochau lebt weiterhin eine kleine Gruppe von aus der Ukraine geflohenen Menschen. Gerade beim Blick auf die Kinder tat es mir im Herzen weh. Wie andere Kinder auch freuten sich die Kleinen am von den Bäumen gefallenen Laub und spielten damit. Von den Erwachsenen sind wohl auch Leute dabei, die an der Uni doziert haben. Eine Professorin gibt Online-Unterricht. Andere haben inzwischen in Tschenstochau Arbeit gefunden und fangen an, ihr Leben selbst zu regeln zu versuchen. Soweit ich verstanden habe, gab es für die ersten vier Monate (ab Ankunftstag) eine staatliche Unterstützung von 120 Zloty (ca. € 25.-) pro Person. „Aber wir hätten das auch so gemacht“, sagte Daniel, der Provinzial. Und jetzt läuft diese Unterstützung auch aus.

Samstag, 15. Oktober 2022

Tierisches...

Von Pater Adolfs Wellensittich habe ich hier im Blog schon einmal erzählt. Der konnte sogar ein paar Worte sprechen, so dass ihm sein Besitzer verzieh, dass er das Kreuz an der Wand „angeknabbert“ hatte. Auch von den Hühnern von Pater Ilidio in Portugal berichtete ich bereits, dank derer wir zu allerfrischesten Frühstückseiern kamen, als wir dort zu Besuch waren.

Heute noch ein wenig anderes „Getier“, welches Missionaren vom Kostbaren Blut Gesellschaft leistet. Pater Benedetto ist Pfarrer in Rom und hat einen Hund. Der ist „fromm“, geht sogar in die Kirche. Einmal habe ich, als Konzelebrant während der Messe vorne beim Altar sitzend, beobachtet, wie Benedettos Hund hinten zur Tür hereinkam und sich im Mittelgang nach vorne bewegte. Auf leisen Pfoten. An einer Bankreihe hielt er an und leckte der Frau, die dort am Rand saß, die Hand. Diese schreckte zunächst auf, sie hatte den Hund nicht gehört, streichelte ihn aber dann – offensichtlich kannten sich die beiden.

Auch ich bekam schon von einem „Missionars-Hund“ die Hand geleckt. Bei unseren Mitbrüdern in Neuenheerse lebt schon seit einigen Jahren Kira. Wenn ich es recht verstanden habe, dann hat Pater Thomas den Hund gekauft, damit Pater Josef „hinausmuss“, sich bewegen. Kira ist ebenfalls ein „frommer Hund“. Wenn die Mitbrüder sich am Morgen in Richtung Kapelle auf den Weg machen, dann schließt sich Kira an und nimmt dort Platz auf dem Boden ein. Aber eben nicht nur. Als ich zu Besuch war, sprang sie auf die Bank neben mich und leckte mir die Hand, in welcher ich das Brevier hielt. Klar ist das nicht jedermanns Sache. In Rom war Benedettos Hund wohl auch schon einmal Thema einer Hauskonferenz unter den Mitbrüdern..

Zurzeit sind wir in Polen auf Besuch und es sind weitere Tiere anzuführen. Pater Franziszek ist Pfarrer in einem schlesischen Dorf und – Hirte. Passt ja: der gute Hirte. Franziszek hat ca. 30 Kamerunschafe. Ich musste schmunzeln, als er auf dem Rückweg von der Sonntagsmesse in einer Filialkirche anhielt und sagte: „ich muss noch schnell den Schafen Futter bringen“. In dem Fall war es altes Brot, welches das örtliche Lebensmittelgeschäft dem Pfarrer schenkt. Zum Teil wird das im Pfarrhaus gegessen, zum (größeren) Teil an die Schafe verfüttert. Der Pfarrer, im Talar, hielt das Auto an, nahm eine große Plastiktüte mit altem Brot aus dem Kofferraum und näherte sich dem Schafgehege. Auf sein „bah, bah, bah“ hoben die Schafe die Köpfe und sprangen herbei. Eines fraß ihm sogar aus der Hand. Natürlich hat Franciszek auch einen Hund, Aga, ein Border-Collie, den er zwar im Hinblick auf die Schafe gekauft hat, der sich aber doch meist in und ums Pfarrhaus aufhält. Und nachdem Franciszek seine Schafe auch selbst schlachtet und verarbeitet, freut sich Aga hin und wieder über Schafknochen. Wiederum so ein gewöhnungsbedürftiges Bild: im Pfarrhauseingang liegen ein paar Knochen und hin und wieder macht sich ein Hund daran zu schaffen. Wir bekamen einmal zum Frühstück Kaszanka angeboten, (warme) Blutwurst, in die Franciszek auch die Innereien seiner Schafe verarbeitet hatte. Mit Zwiebeln und Paprika durchaus fein – für den, der das – vor allem zum Frühstück – mag.

Ach ja, da fällt mir ein: auch bei einem unserer Häuser in Portugal habe ich Schafe gesehen. Dort habe ich darüber gestaunt, dass die Schafe die von den Bäumen herunter gefallenen Orangen fressen.

In Łabunki bei Zamość dagegen, jetzt wieder hier in Polen, gibt es sogar einen Mini- Zoo beim Missionshaus. Außer zwei Hunden im Zwinger habe ich dort einige Esel gesehen (und gehört), daneben ein paar Ponys, ein paar Ziegen, ein Lama – und vermutlich habe ich gar nicht alles Getier entdeckt…