Montag, 31. Juli 2023

Paolo dall'Oglio

Am 29. Juli 2013 wurde der italienische Jesuit Paolo dall’Oglio in Syrien entführt – seitdem gibt es kein Lebenszeichen und auch keine Todesnachricht von ihm. Anlässlich des zehnten Jahrestages seiner Entführung gab es in Rom zwei Veranstaltungen, jeweils auch Buchpräsentationen.

Am 24.Juli fand in der Europa-Bibliothek, direkt neben dem römischen Goethe-Institut gelegen, die Präsentation des Buches „Una mano da sola non applaude“ („Eine Hand allein applaudiert nicht“; es handelt sich dabei um ein arabisches Sprichwort) von Riccardo Cristiano statt. Cristiano ist auch der Vorsitzende der „Vereinigung der mit Pater dall’Oglio befreundeten Journalisten“.

Auf dem Podium saßen an diesem Abend zwei Jesuiten, der Erzbischof von Homs (ein Mitglied der in Syrien von Paolo dall’Oglio gegründeten Gemeinschaft), der Imam der großen Moschee von Rom und zwei leibliche Schwestern von Paolo dall’Oglio. Am Schluss wurde der anwesende Autor um ein Wort gebeten. Seine sehr persönlichen Worte machten mich nachdenklich. Er erzählte, Schüler an einer „Schule von Priestern“ gewesen zu sein. Was in ihm wohl eher Widerstand ausgelöst hat. Jahrelang war ihm alles Religiöse suspekt, egal ob das mit Christentum, Islam oder Judentum zu tun hatte. Und dann lernte er Paolo dall’Oglio kennen und – fühlte sich angenommen. So gebe ich das jetzt in meinen Worten wieder.

Zum einen entspricht das tatsächlich der Haltung von Paolo dall’Oglio: er wollte niemanden ausschließen, z.B. auch seine syrische Gemeinschaft für alle offen halten.

Zum anderen lässt mich die Begegnung mit Riccardo Cristiano über das Christ-Sein und -Werden nachdenken. Bekannt sind drastische Bekehrungsgeschichten, bei denen ein Mensch eine 180-Grad-Wendung in seinem Leben zu vollziehen scheint. Auf der anderen Seite dann das Empfinden eines Riccardo Cristiano: „ich darf (so) sein (wie ich bin)“. Ich meine, der US-amerikanische Franziskaner Richard Rohr sprach in diesem Zusammenhang einmal von „Transformation“. Nicht Konversion, sondern Transformation.

Dieses Konzept ließe sich zum Beispiel bei Paulus zeigen, dessen „Bekehrung“ am 25. Januar eines jeden Jahres gefeiert wird. In Salzburg gibt es eine Pfarrei mit ebendiesem Titel „Pauli Bekehrung“. Wobei ich dort auch den Wunsch gehört habe, doch besser von „Pauli Berufung“ zu sprechen.

Viele derjenigen, die am 24. Juli in der Europa-Bibliothek zusammen waren, kamen dann am 29. Juli, eben dem Jahrestag der Entführung von Paolo dall’Oglio, in der Kirche Sant Ignazio zusammen. Dort wurde das Buch „Il mio testamento“ vorgestellt, zu dem Papst Franziskus ein Vorwort geschrieben hat. Pater dall’Oglio hielt für seine Gemeinschaft in Syrien Vorträge, um ihm Wichtiges weiter zu geben. Diese wurden aufgezeichnet. Ein syrischer Mann, er war am 29. Juli in Sant Ignazio, hat diese Tonaufzeichnungen verschriftlicht, 600 Seiten. Und eine Italienerin, auch sie war an dem Abend dabei, hat diese Seiten vom Arabischen ins Italienische übersetzt. Und der erste Teil dieser Übersetzung wurde eben jetzt mit dem Titel „Il mio testamento“ veröffentlicht, es sollen zwei weitere Bände folgen.

Nach der Buchpräsentation feierten wir mit Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin die Messe in der Kirche. Spätestens dann wurde Paolo dall’Oglios Schicksal mit dem so vieler anderer in Syrien verschwundener Menschen (schätzungsweise 120.000) in Verbindung gebracht und an die Situation in diesem Land erinnert.

Und am Ende der Messe erzählte ein Jesuit aus Syrien, wie er vor vielen Jahren einmal Paolo dall’Oglio angetroffen habe, als dieser zwei Hirten die Kirche der Gemeinschaft erklärt habe, die alten Fresken… Und er habe das getan mit einer zum Teil dem Koran entliehenen Sprache. So war Paolo dall’Oglio, der sich ganz auf sein Gegenüber eingelassen hat. Kein Wunder, dass manche ihn auch als „Freigeist“ bezeichnen. Wie dringend brauchen wir sie!

Samstag, 15. Juli 2023

Schienenersatzverkehr

Während meiner Ferien hatte ich keinen Post geschrieben – danke für das Verständnis. Bzw. danke auch für die Nachfragen („schon wieder kein Post!“). Heute erzähle ich zum „Wiedereinstieg“ von meiner gestrigen Rückreise nach Rom, zumindest von deren Beginn.

In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch hatte Sturmtief Ronson auch in Bayern gewütet, so dass auf manchen Strecken kein Zugverkehr möglich war. Bereits am Donnerstag früh hatte P. Ferdinand deswegen einen Mitbruder von Baumgärtle mit dem Auto nach München gefahren, damit dieser dort seinen Zug nach Salzburg erreichte.

Meine Rückfahrt von Baumgärtle aus war für Freitag geplant und natürlich hatte ich einen „Supersparpreis“ der Deutschen Bahn von München bis Bologna und wollte die Karte nicht verfallen lassen.

Die Auskünfte im Internet am Donnerstagnachmittag ließen jedoch wenig Hoffnung aufkommen: der Zugverkehr war immer noch blockiert und außerdem hieß es dort, dass auf die Schnelle nicht genügend Busse bzw. Taxis für einen Schienenersatzverkehr aufzutreiben waren. Oh je! Muss auch ich jemanden bitten, mich nach München zu fahren? P. Ferdinand meinte, es wäre möglich, mit der Bahn über Augsburg nach München zu gelangen. Weil aber nicht jeder Zug fuhr (auch zwischen Lindau und Buchloe gab es ja Probleme), bat ich P. Georg, mich mit dem Auto bis Buchloe zu bringen (von Baumgärtle aus eine halbe Stunde Fahrzeit). Ich wollte den Zug um 7.23 nach Augsburg nehmen, um dort einen Anschluss Richtung München zu erwischen, um auf jeden Fall den Euro-City München-Rimini (Abfahrt 9.34 in München) zu erreichen.

Als ich mich also in Buchloe Richtung Bahnsteig bewegte, stand dort eine Mitarbeiterin der Deutschen Bahn und wies auf einen Schienenersatzverkehr-Bus hin, der um 7.16 nach München fahren würde. Freudig ging ich in Richtung Bus und fragte den Fahrer, dem Aussehen nach vielleicht ein Eritreer, wann er wohl am Hauptbahnhof in München ankommen würde. „8.46, natürlich kann ich es nicht ganz genau sagen“. Okay, das müsste reichen. Ich stieg in den langen („Ziehharmonika“-)Bus ein, wir waren zwei Fahrgäste. Zum ersten Mal verfuhr sich der Fahrer in Buchloe und wendete dann, um zur Autobahn zu kommen. Er fuhr dann auch die anderen Bahnhöfe an, bei welchen der Zug Halt gemacht hätte. Zunächst Kaufering. Dort sind zurzeit Baustellen, man muss eine Autobahnausfahrt früher nehmen, das klappte. Und dann bewunderte ich den Fahrer, wie er den langen Bus durch ein enges Sträßchen zum Kauferinger Bahnhof steuerte. Beim Weiterfahren allerdings verfuhr er sich wieder, mir schien, er verließ sich auf sein Navigationsgerät, was aufgrund allerhand Baustellen verfänglich war. Spätestens als wir auf das HILTI-Betriebsgelände einfuhren, merkte der Busfahrer, dass da etwas nicht stimmte und drehte wieder um.

Weiter also nach Geltendorf. Und oh Schreck: wieder Baustelle mit Umleitung. Welche der Busfahrer nicht beachtete, er fuhr geradeaus anstatt nach links. Zwei Mädchen kam das gelegen, sie fragten, ob sie aussteigen könnten, weil ihre Schule ganz in der Nähe sei. (Vermutlich mussten sie zum Gymnasium nach St. Ottilien). In einem Kreisverkehr zwischen Eresing und St. Ottilien blieb der Bus dann stehen und der Busfahrer rief fragend, dabei in den Rückspiegel schauend: „Geltendorf?“ Ich ging zu ihm hin und er fügte hinzu: „ich kenne mich nicht aus!“. Also sagte ich ihm, dass er zurückfahren und die Umleitung nehmen müsse. Was dann geschah – und wir kamen in Geltendorf an. Auf dem Display neben seinem Fahrersitz hatte ich die Verspätungszeit gelesen, sie betrug bereits mehr als 20 Minuten. So entschied ich mich, in Geltendorf zur S-Bahn zu wechseln. Und die S 4 stand auch abfahrbereit da. Geplante Ankunft in München Hauptbahnhof 9.19 – das müsste reichen. Oder soll ich in Pasing noch einmal umsteigen, um weitere Zwischenhalte zu umgehen? Nein, wer weiß…

Mit etwa fünf Minuten Verspätung kam die S-Bahn am Hauptbahnhof an, so dass ich noch Zeit hatte, am Gleis 11 weit nach vorne zu gehen und dort einen nicht reservierten Sitzplatz zu finden, glücklich und dankbar!