Mittwoch, 31. Juli 2013

Digitale Theologie

Wir haben einen neuen Generaloberen in unserer Gemeinschaft! Auf dem Foto, das ihn bei der ersten Messe in seinem neuen Amt zeigt, sehe ich, dass auf dem Altar vor ihm kein Messbuch, sondern ein Tablet-PC liegt. Das passt zu ihm, denn auch zum Stundengebet verwendet er dieses Gerät, nicht etwa ein Buch, das klassische „Brevier“.

Es erinnert mich an eine gewisse Irritation, die mich überkam, als ich im vergangenen Jahr in Kufstein und Salzburg mit unseren italienischen Seminaristen zusammen betete und sah, dass einige ein Buch, andere aber ihr Smartphone auf der Kirchenbank vor sich liegen hatten. Nanu! Als ich diese daraufhin ansprach, lächelten sie mich an und erklärten: „normalerweise verwenden wir schon ein Buch. Auf Reisen nehmen wir aber immer wieder das Handy“. Bin ich zu misstrauisch? Wenn ich mir vorstelle, wie das den Seminaristen beim Breviergebet geht, wenn gleichzeitig neue Facebook-Nachrichten angezeigt werden...

In einer Klagenfurter Pfarrei mokieren sich die Leute darüber, dass ihr indischer Priester ebenfalls kein Buch mehr in der Liturgie verwendet, sondern sowohl die Schrifttexte als auch die Gebete von seinem Tablet abliest.

Ohne irgendwie werten zu wollen, versuche ich zu verstehen, was da passiert, was welche Empfindungen auslöst. Die Sonntagsmesse der Klagenfurter Pfarre wird doch sicher nicht nur von Technik-feindlichen Menschen mit gefeiert. Da sind sicher gewiss solche darunter, die in Beruf und Freizeit mit dem PC arbeiten. Lustigerweise habe ich aber gerade von jungen Leuten Missfallen gegenüber dem PC in der Liturgie gehört, einer ist ein EDV-Spezialist...

Und ich weiß, dass die neuseeländische Bischofskonferenz verboten hat, solche elektronischen Geräte in der Liturgie zu nutzen, da soll beim Buch geblieben werden. Dieser Beschluss war und ist umstritten und ich bin gespannt, wie die Entwicklung auf Weltkirchenebene weiter geht.

Die Technik, der Computer halten immer mehr Einzug in alle Lebensbereiche. Aus der Liturgie soll sie, soll er draußen bleiben? Was bedeutet das? Wünschen wir uns in der Liturgie in eine andere Welt hinein zu treten? Oder schreiben wir der Liturgie eine gewisse „(Vor-)Gestrigkeit“ zu, welche zu moderner Technik im Gegensatz steht?

Sind wir misstrauisch, dass der Priester mit demselben Gerät, das er eben zur Messe verwendet, am Vorabend vielleicht einen Krimi oder Western angesehen oder seine Post erledigt hat?
Kann es sein, dass uns diese Vermischung von Alltag und Liturgie etwas zu weit geht? Und was sagt das alles über uns selbst? Über unser Verständnis von Liturgie, von Gottesdienst, von dem, was Christ-Sein heißt und ausmacht?

Geht es „nur“ um ästhetische, um Stil-Fragen? Oder liegt dahinter bzw. darunter verborgen noch Tieferes? Prägt denn mein Christ-Sein meine konkreten Alltagsvollzüge? Kann uns die Frage nach dem richtigen Mittel zur Gottesdienstgestaltung – herkömmliches Buch oder elektronisches Gadget – gar helfen, dass wir neu verstehen, Christ-Sein nicht auf gottesdienstliche Vollzüge am Sonntag und gelegentliche Kontobewegungen für Wohltätiges zu beschränken?

An der Jesuitenfakultät Gregoriana in Rom gibt es seit kurzem einen Lehrstuhl für „digitale Theologie“. Mag sein, dass sich die Menschen dort genau mit solchen Fragen beschäftigen. Sie sind es allemal wert!

Montag, 15. Juli 2013

Wem nützt was?

Soll die EU weitere Beitrittsverhandlungen mit der Türkei führen? Diese Frage stellt sich nach dem harten Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen Demonstranten in verschiedenen türkischen Städten in den letzten Wochen. Wem nützt was? Es gibt ja auch die Ansicht, dass gerade im Hinblick auf die bedrängten Demonstranten EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei geführt werden müssen, um diesen den Rücken zu stärken.

Die evangelische Kirche in Deutschland hat ein Papier verabschiedet und veröffentlicht, in dem es um Ehe geht. Ich gebe zu, ich habe dieses Papier nicht gelesen. Von daher schreibe ich das Folgende sehr ungeschützt, vielleicht sogar leichtfertig. Aufgrund der vielfältigen Resonanz zu besagtem Papier in den Medien wird deutlich, dass der traditionelle christliche Ehebegriff darin aufgeweicht wird. Was Kritiker innerhalb der evangelischen Kirche auf den Plan rief, aber auch einen katholischen Bischof in Deutschland dazu brachte, die Ökumene als solche in Frage zu stellen. Wem nützt was? Könnte etwa nicht ernsthafte Ökumene bedeuten, das Gespräch in der Sache zu suchen, mit Hartnäckigkeit über den Ehebegriff zu reden? Wenn katholische Würdenträger mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten Martin Luthers die Gelegenheit nutzen, aufgrund eines EKD-Papiers zum Thema „Ehe“ ihren ökumenischen Widerwillen zu zeigen, dann wirkt das befremdlich und peinlich. Ein evangelischer Verteidiger des verabschiedeten Ehepapiers sprach davon, dass es nicht um eine Relativierung der christlichen Ehe gehe, sondern um ein Aufgreifen und Benennen der gesellschaftlich gelebten Wirklichkeit. Das Faktische wahrnehmen, ohne sich von der „normativen Kraft des Faktischen“ bestimmen zu lassen und die eigenen Ideale dabei über Bord zu kippen! Das gilt für die Ehe wie die Ökumene. Was die Ökumene angeht, zeigt sich an solch schwierigen Diskussionen und den durch sie ausgelösten Formulierungen wohl, vor welchem Hintergrund jemand Ökumene betreibt. Wenn mir die Einheit der Christen ein Anliegen ist, dann leide ich an der ein oder anderen Aktion, aber es geht um meine Brüder und Schwestern. Diese Geschwisterlichkeit kann ich nicht aufkündigen, weil mir etwas nicht passt. Ökumene ist keine Politik, obwohl sie sicher auch mit Diplomatie zu tun hat.

Papst Franziskus hört nicht auf, die Menschen in der Kirche dazu aufzufordern, an die Ränder zu gehen. Lieber draußen bei einem Unfall verletzt werden, als in der stickigen Luft drinnen krank werden! Gratwanderungen, die als Folge einer solchen Aufforderung unternommen werden, mögen ungewohnte Ausblicke ermöglichen und sie sind gefährlich.

Neulich habe ich einen Mitbruder der Arroganz bezichtigt – und es war in der Situation noch eher das Harmloseste, was mir einfiel. Aus Sicht des Angegriffenen mag es verständlich sein, dass er sich gar nicht mehr dafür interessiert hat, wieso ich ihn mit diesem Attribut belege, er reagierte mit Gesprächsverweigerung, als ich ihm meine Haltung erklären wollte. Diplomatisches Fingerspitzengefühl ist nicht nur bei EU-Beitrittsverhandlungen und im ökumenischen Gespräch gefragt...