Samstag, 30. November 2019

Zufriedenheit

Es ist fast ein wenig eine Fortsetzung des letzten Posts...
Neulich habe ich wieder einmal unseren früheren Pfarrer hier zitiert. Er korrigierte gerne den Wunsch „Hauptsache Gesundheit!“ und hielt dagegen: „Hauptsache Zufriedenheit!“. Seine Begründung: „ich kenne gesunde Leute, die unzufrieden sind, aber ich kenne kranke Menschen, die zufrieden sind“. Zufriedenheit! Noch einmal eine andere Ebene als die Gesundheit.

Die vorletzte Novemberwoche war ich zu Exerzitien für Schwestern im Kloster Wernberg in Kärnten. Eine Gruppe von 12 Schwestern, zwischen 70 und 90 Jahren jung, durfte ich begleiten. Und hatte den Eindruck von ganz viel Zufriedenheit! Manchmal kam mir der Gedanke, ich würde gerne unzufriedene Menschen dort hin schicken, damit sie diese Erfahrung machen können.

Eine der Schwestern erzählte mir, sie wäre 62 Jahre in Afrika, hauptsächlich in Kenia gewesen. Eine andere meinte im Gespräch – etwas schüchtern: „ich bin ein einfaches Landmädchen“. Und dann erzählte sie mir von Jahren in Spanien und hinterher 25 Jahren in Zimbabwe.

Eine weitere – ein Energiebündel – war 50 Jahre in Zimbabwe und auch erst seit kurzem wieder in Europa. Und jetzt bietet sie ihren Mitschwestern Fußreflexzonenmassage an. Wenn ich sie recht verstanden habe, dann hat sie einen Internetkurs (mit Diplom!) dazu gemacht. Mir hat sie´s auch angeboten, aber während der Exerzitien wollte ich das Angebot nicht annehmen.

Und dann kam noch eine weitere gestandene Frau, die erzählte: „ich habe 40 Jahre im Garten gearbeitet“. Und sie gab zu, auch jetzt noch hin und wieder dort hin zu gehen, auch wenn der Garten inzwischen verpachtet ist. Und sie selbst eher „hatscht“. Ihre Leidenschaft ist das Singen im (Kirchen-)Chor, dazu fährt sie nach Villach und steigt die Treppe mit unterschiedlich hohen Stufen zur Chorempore hinauf.

Ich gebe zu, dass ich mir gegenüber diesen Ordensfrauen sehr „klein“ vorkam. Und umso dankbarer darüber staunte, mit welchem Wohlwollen und welcher Offenheit sie mir zuhörten. Da floss wohl Sympathie hin und her. Wenn wir miteinander zu den Mahlzeiten am Tisch saßen, während der Exerzitien natürlich schweigend, dann wurde mir manchmal „warm ums Herz“. Welch ein Reichtum an Leben!

Besondere Freude hatte ich an einer, die mir erzählte, einmal habe sie auch in einer Familie am Ort geholfen, als die junge Mutter gestorben war und der Vater mit drei kleinen Kindern da stand. Als sie mit der Kleinsten, zwei Jahre alt, zum Grab der Mama ging, meinte die Kleine: „da liegt meine Mama, aber jetzt bist ja du meine Mama!“ Was die Schwester dazu veranlasste, dem Mann ins Gewissen zu reden, er solle sich doch wieder nach einer Frau umsehen, seine Kinder bräuchten eine Mutter. „Wenn du nicht im Kloster wärst, dann hätte ich schon eine“, meinte der Mann. Die Schwester versprach ihm, potentielle Kandidatinnen mit zu begutachten.

Und tatsächlich brachte der Mann bald darauf eine Frau mit nach Hause, die aber – so erzählte die Schwester, die Kinder zunächst gar nicht beachtete. Gemeinsames Fazit von Mann und Ordensfrau: „die passt nicht!“. Wieder einige Zeit später kam dann eine andere, die sofort den Kindern zugewandt war. Und die dann auch die neue Ehefrau und Mutter der drei Kinder wurde, ein viertes kam dann noch dazu.

Die Herzlichkeit und auch ein wenig Schlitzohrigkeit, mit der die Schwester erzählte, waren beim Zuhören ein Genuss, ich gebe es zu!

Freitag, 15. November 2019

Gesundheit

Zwei Vorbemerkungen:
Erstens: hier wir auf hohem Niveau gejammert. In anderen Ländern dieser Erde wären Menschen glücklich über ein Gesundheitssystem, wie wir es haben!
Zweitens: früher war nicht alles besser!

„Der Leiter der Staatsanwaltschaft München I, Hans Kornprobst, sagt: `Unser Gesundheitswesen ist in Teilen ein Schlaraffenland für Kriminelle“ (Mindelheimer Zeitung, 25.10.19, S.1). Diese Aussage steht zu Beginn eines Berichts über eine Großrazzia im Pflegedienstbereich. Da liegt offensichtlich manches im Argen. Vor nicht langer Zeit wurde ein Pfleger verurteilt, der ich weiß nicht wie viele alte Leute getötet hatte, weil sie ihm schlicht „lästig wurden“. Der Mann war offensichtlich nicht für seine Arbeit geeignet, wurde aber dank Personalnot nacheinander von verschiedenen Pflegediensten angestellt.
Ach ja, Personalnot: da gab es doch die Abteilung, die wegen Personalnot schließen musste. Und eine Frau erzählte mir von ihrem Vater, der am Morgen in ein Münchner Großklinikum eingeliefert wurde und bis abends noch nichts zu essen und zu trinken bekommen hatte – Personalnot!

Ein anderer Bekannter erzählte mir von der ihn persönlich betreffenden Medikamentenknappheit. Sein Apotheker informiert ihn inzwischen, wenn sein Medikament gerade wieder lieferbar ist. Oft muss er zwei verschiedene Produkte mit demselben Wirkstoff einnehmen, um die vorgesehene Dosierung zu erreichen. Der Mann lebt in Bayern.
Und wurde nicht neulich darüber berichtet, dass die Antibiotika „ausgehen“? Es „lohnt sich“ für die Pharmaunternehmen nicht, in diesem Bereich zu forschen.

Vor kurzem lief ein spannender Spielfilm „Was wir wussten – Risiko Pille“, basierend auf Tatsachen. Nebenwirkungen werden bewusst verschleiert, die Werbung für die Produkte ist höchst fragwürdig. Die Kasse muss stimmen.

Und bisweilen denke ich mir: vielleicht haben wir uns zu früh darüber gefreut, dass der Staat heute dasjenige tut und übernommen hat, was früher kirchliche Einrichtungen taten. Wobei da ja auch nicht alles Gold war/ist, was glänzt.
Eine alte Ordensfrau, die als Krankenschwester im Krankenhaus gearbeitet hat, erzählte mir, wie sie regelmäßig bei der Frühmesse einschlief, auch schon einmal an der Kommunionbank, oder gar ohnmächtig wurde, vor lauter Übermüdung. Kein Wunder, dass die Faustregel gilt: für eine aus Altersgründen ausscheidende Ordensfrau müssen zwei bis drei „weltliche Kräfte“ angestellt werden.

Menschen sollen anständig für ihre Arbeit bezahlt werden und auch die nötigen Erholungsphasen selbstverständlich in Anspruch nehmen können. Aber kann es sein, dass sich das Gesundheitswesen inzwischen zu sehr nach wirtschaftlichen, finanziellen Gesichtspunkten ausrichtet? Dass es das braucht und das gut getan werden muss, ist keine Frage. Aber es geht um Menschen!

Ein Bürgermeister erzählte mir, dass er skeptisch gegenüber Privatisierungen von Krankenhäusern sei, dass vielmehr damit gerechnet werden muss, dass da immer aus der Staatskasse zusätzlich investiert werden müsse.

Ich meine, dass es gerade in diesem Bereich das kirchliche Zeugnis braucht. Wie dankbar bin ich für die Schilderung der missionsärztlichen Schwester, die sich in der Frankfurter Straßenambulanz um Obdachlose kümmert – und dabei Gott begegnet (vgl. KONTINENTE 6-2019, S. 17).
Oder welch großartiges Projekt, das Krankenhausschiff „Papst Franziskus“, welches auf dem Amazonas entlang schippert und Menschen in den Siedlungen am Rand des Flusses Behandlungen anbietet (dazu eine Film-Doku der Deutschen Welle im Internet abrufbar, Stand 25.10.19). Die Chefärztin auf dem Krankenhausschiff ist eine deutsche Franziskanerin!