Urlaub! Wandernd bin ich unterwegs.
Jeden Tag mindestens dreißig Kilometer, an einzelnen Tagen sind es
wohl eher vierzig. Ziel bzw. ein erwünschter Neben-Effekt ist, den
Kopf frei zu bekommen. Eben den Alltag hinter mir zu lassen, im
„Schritt für Schritt“ und im Blick in die Landschaft hinein. Und
zwischendurch oder immer wieder bete ich, und dabei kommen auch
konkrete Anliegen vor. Eine Frau etwa, bei der ein Lungentumor
diagnostiziert wurde und die sich gegen eine Chemo-Therapie
entschieden hat. Schon früher hat sie mich in ihrer Art
beeindruckt...
Und dann bin ich mir bewusst, dass ich
ein Privileg habe, freiwillig tagelang durch eine wunderschöne
Landschaft gehen zu dürfen. Ich bin nicht gezwungen, durch eine
Wüste gehen zu müssen. Was ich in meinem Rucksack (wie immer etwas
zu voll gepackt!) mit schleppe ist mehr, als was mancher von denen,
die ihre Heimat verlassen haben, bei sich trägt.
Am ersten Wandertag – nach einigen
voraus gehenden Regentagen war ich gar nicht darauf vorbereitet –
hat mich ein kräftiger Sonnenbrand erwischt. Vor allem in den
Kniekehlen ist er unangenehm und raubt mir zum Teil den Schlaf.
Kinkerlitzchen zu dem, was Menschen auf der Flucht erfahren.
Nachdem ich alleine unterwegs bin,
riskiere ich es, ohne Voranmeldung abends nach einem Zimmer zu
suchen. Was letztlich immer geklappt hat. Auch wenn ich einmal
vorwurfsvoll zu hören bekam: „wir haben gerade noch ein Zimmer.
Wir mussten auch schon Leute weg schicken. Und das ist dann
peinlich, wenn man zu Fuß unterwegs ist“. Er hat ja Recht, der
Wirt.
In Linz war es dramatischer. Im ersten
Hotel: „kein Zimmer – versuchen Sie es beim `Schwarzen Bären´“.
Dort dieselbe Auskunft mit dem Zusatz: „es gibt kein freies Zimmer
in Linz, Sie können sich das noch bei der Tourist-Information am
Hauptplatz bestätigen lassen. Sie können ja mit dem Zug nach Wels
fahren, vielleicht finden Sie dort etwas.“ Also bitte! Da komme ich
ja zu Fuß her, von wegen zurück fahren. Also gehe ich zur
Tourist-Information und bekomme tatsächlich dieselbe Auskunft: „es
gibt kein freies Zimmer in Linz“. Toll! Also beschließe ich nach
Kirchtürmen Ausschau zu halten, in der Hoffnung, daneben einen
Pfarrhof mit einem verständnisvollen Menschen zu finden. Irgendwie
bin ich ja ein Pilger, auch wenn ich den Santiago-Weg in die
umgekehrte Richtung gehe. Schon bei der ersten Kirche habe ich Glück:
die Jesuiten-Gemeinschaft gewährt mir Gastfreundschaft. Was bin ich
dankbar und erleichtert. Und wieder gehen meine Gedanken zu den
Flüchtlingen, die keine Gastfreundschaft erleben.
Zwei Tage später dann plötzlich nach
der Mittagspause auf einer Bank an der Donau heftige Schmerzen im
linken Schienbein. Ich muss weiter, die Schmerzen lassen etwas nach,
aber sind da. Grundsatzentscheidung fällig: pausieren oder zurück
fahren. Erst einmal die Nacht vergehen lassen. Am nächsten Morgen
kann ich zwar gehen, aber über 30 Kilometer traue ich mich nicht.
Und ich hätte wohl noch fünf weitere Tage. Also schweren Herzens
den Zug zurück nehmen.
Und wiederum: was machen Menschen auf
der Flucht in einer solchen Situation? Da ist das mit der Um- bzw.
Rückkehr nicht so einfach. Sie müssen irgendwie weiter...
Wann bringt endlich ein europäischer
Politiker deutlich zum Ausdruck, dass nicht „die Flüchtlinge“
das Problem sind, die bei uns ankommen, sondern diejenigen, die nicht
angekommen, sondern im Mittelmeer ertrunken sind. Dieses „Problem“
bedarf vorrangig einer Lösung. Heißt nicht, dass ich Migration
undifferenziert betrachten möchte – aber die Perspektiven müssen
stimmen.