Ja, ich gebe es zu: ich mag das Geläut
der Kirchenglocken! Egal ob das jetzt jemand mit Kleingeisterei oder
Provinzialismus in Verbindung bringt – ich mag das Gebimmel und
noch mehr das Geläute.
Vielleicht hängt das schon mit meiner
Heimat zusammen. Die dortige Pfarrkirche hat „eines der schönsten
Geläute in Süddeutschland“ - so die
„Gummizug-Superlativ-Formulierung“ der Fremdenverkehrswerbung.
Als ich einmal ein Vierteljahr in
Indien war, da hat es mir das Glockengeläut tatsächlich ein wenig
gefehlt. Nicht, dass ich mich nicht an anderes gewöhnen oder auf
eine andere Kultur einlassen könnte. Es hängt auch nicht mit
mangelnder Toleranz dem Muezzin gegenüber zusammen. Bei mehreren
katholischen Kirchen erlebte ich Lautsprecher im Turm. Anstelle des
Glockengeläutes ertönte dann bisweilen Musik in ohrenbetäubender
Lautstärke, dadurch teilweise etwas verzerrt, oder es war die Stimme
eines Vorbeters über die Lautsprecher im Kirchenturm zu hören,
eventuell gleichzeitig mit den lautsprecherverstärkten Rufen des
Muezzins einer nahe gelegenen Moschee. Auch Hindus wollten nicht
zurück bleiben und machten mit ziemlicher Dezibelstärke auf sich
aufmerksam. Es schien, als wollten sich die Religionen in der
Lautstärke gegenseitig übertrumpfen. Und heraus kam
interreligiös-frommer Krach...
In Europa habe ich Verständnis für
Menschen, die sich durch Glockengeläut um ihre Nachtruhe gebracht
erleben, da kann man ja verhandeln, aber trotzdem: wie schön ist das
Läuten!
Und hier in Schellenberg ist wiederum
ein schönes und mächtiges Glockengeläut zu hören. Neulich
läutete es einmal nachmittags an einem ganz normalen Werktag. Des
Rätsels Lösung: da war jemand gestorben und die Glocken vermeldeten
dieses Ereignis. Eingeweihte, eben die Bewohner des Ortes, können an
der Art des Läutens sogar ausmachen, ob eine Frau oder ein Mann
gestorben ist, da gibt es Unterschiede in der Läutordnung. Solch ein
System habe ich übrigens woanders auch schon erlebt. Und meine
spontane Reaktion war: „wie schön, in Schellenberg oder als
Schellenberger zu sterben!“. Wobei ich ja zunächst einmal lieber
noch hier lebe. Normalerweise ist das große Geläute an Sonn- und
Feiertagen Ausdruck der Festtagsfreude. Weil es für manche Feiertage
keine automatische Programmierung gibt, kam ich übrigens auch schon
einmal in den Genuss, durch Knopfdruck die Glocken in Bewegung zu
setzen und habe so den Ostermontag eingeläutet.
Aber zurück zum Läuten als
„Todesnachricht“, Festtagsgeläute beim Sterben. Mich hat es
daran erinnert, dass früher Christen den Todestag als „Geburtstag
für den Himmel“ betrachteten. Das hat überhaupt nichts mit
Lebensverachtung zu tun. Aber welch eine Freiheit, wenn ich im
Bewusstsein leben darf, dass da noch etwas kommt, dass da noch etwas,
besser einer auf mich wartet. Und bei aller irdischen Festtagsfreude:
der Himmel wird sie noch überbieten!
Dann war da noch ein geistlicher
Würdenträger in der Erzdiözese Salzburg, der seinerzeit einen
bitterbösen Leserbrief schrieb, weil anlässlich des Besuches von
Papst Johannes Paul II. in der Stadt die Kirchenglocken nicht mit
aller Wucht geläutet hatten. Wenn das kein Anlass zum Geläut
gelesen wäre! Ob das mit kirchenfeindlichen Kräften in der
Kommunalpolitik zu tun hatte?
Weit gefehlt! Recherchen ergaben, dass
der päpstliche Reisemarschall das Glockengeläut untersagt hatte,
damit nicht das mächtige Dröhnen der Dom- und anderer Glocken
eventuellen Lärm terroristischer Aktivitäten übertönt und damit
gleichsam unhörbar und gefährlich macht. So war das also.
Wir aber läuten hier munter weiter...